L 22 RA 380/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 3 RA 410/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 RA 380/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz AVtI für die Zeit vom 01. November 1974 bis zum 30. Juni 1990 und die entsprechende Feststellung der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte.

Die im 1934 geborene Klägerin ist Ingenieurökonomin (Urkunde der Ingenieurschule B vom 31. Oktober 1974).

Sie arbeitete im VEB B S VEB BKK vom u. a. 01. Januar 1974 bis zum 30. Juni 1990 und war überwiegend und auch zuletzt vom 01. September 1987 bis zum 30. Juni 1990 als Bearbeiterin für materielle Interessiertheit, der dem Bereich "Ökonomie" des Betriebs zugeordnet war, eingesetzt. Seit 01. Januar 1984 gehörte sie der freiwilligen Zusatzrentenversicherung FZR an. Eine Versorgungszusage auf Leistungen aus der AVtI erhielt sie bis zu deren Schließung von den zuständigen Stellen der DDR nicht.

Im Mai 2001 beantragte die Klägerin, die Zugehörigkeit zur AVtI festzustellen. Mit Bescheid vom 13. November 2002 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Weder habe eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei am 30. Juni 1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden, die aus bundesrechtlicher Sicht dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen gewesen wäre.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe zu den obligatorisch Versorgungsberechtigten gehört, da für ihre Tätigkeit die Qualifikation einer Ingenieurökonomin Voraussetzung gewesen sei.

Mit dem am 24. März 2003 als Einschreiben zur Post aufgegebenen Widerspruchsbescheid vom 14. März 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Klägerin sei als Ingenieurökonom zwar berechtigt gewesen, die Berufsbezeichnung einer Ingenieurin beziehungsweise Ingenieurökonomin zu führen. Sie sei jedoch nicht als Ingenieurin, sondern als Bearbeiterin für materielle Interessiertheit tätig gewesen. Dabei habe es sich nicht um eine ingenieurtechnische Beschäftigung im Sinne der Versorgungsordnung gehandelt.

Dagegen hat die Klägerin am 24. April 2003 beim Sozialgericht Cottbus Klage erhoben und vorgetragen, sie sei Ingenieurin und habe eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Daran könne die Berufsbezeichnung Bearbeiterin für materielle Interessiertheit nichts ändern.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2003 zu verpflichten, die Zeit vom 01. November 1974 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden berufen und ergänzend vorgetragen, die Klägerin sei als Bearbeiterin für materielle Interessiertheit überwiegend betriebswirtschaftlich tätig gewesen.

Das Sozialgericht hat das Qualifikationsmerkmal Nr. 445.08 für die Tätigkeit der Bearbeiterin für materielle Interessiertheit und die Änderungsverträge und Änderungsmeldungen über das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem VEB BKK bei der Klägerin angefordert und erhalten und sodann mit Urteil vom 14. Oktober 2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe am 30. Juni 1990, dem maßgeblichen Stichtag, keine ingenieurtechnische Tätigkeit im Sinne der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz ausgeübt, da sie keinen unmittelbaren Einfluss auf die Produktionsvorgänge genommen habe. Das Sozialgericht hat auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts BSG , Urteil vom 09. April 2002, B 4 RA 39/01 R, verwiesen, wonach der Kreis der Versorgungsberechtigten nur diejenigen umfasse, die in einem Produktionsbetrieb verantwortlich tätig seien und hervorragenden Einfluss auf die Herstellungsvorgänge nähmen. Die Klägerin habe jedoch vollständig verwaltende und betriebswirtschaftliche Funktionen wahrgenommen.

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22. November 2004 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 22. Dezember 2004, zu deren Begründung sie darlegen, dass die Klägerin Werktätige mit überwiegend Fachschulqualifikation fachlich angeleitet habe. Daraus lasse sich ableiten, dass sie tatsächlich Einfluss auf den Produktionsbetrieb gehabt habe. Auch habe ihr Gehalt dem einer Ingenieurgehaltsgruppe entsprochen.

Aus dem Vorbringen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergibt sich sinngemäß der Antrag,

unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Oktober 2004 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2003 zu verpflichten, den Zeitraum vom 01. November 1974 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und durch die Rechtsprechung des BSG für bestätigt.

Den Beteiligten ist mit Verfügung vom 30. August 2005 mitgeteilt worden, dass eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz SGG in Betracht kommt; ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten , die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beteiligten bereits ausführlich ihre Argumente vorgebracht haben nicht für erforderlich hält, hat er nach deren Anhörung von der durch § 153 Abs. 4 SGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch Beschluss zu entscheiden.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 13. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2003 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Zeit vom 01. November 1974 bis 30. Juni 1990 und die während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte feststellt. Die Klägerin hat keine Anwartschaft aufgrund einer Zugehörigkeit zu AVtI erworben, denn sie erfüllte insbesondere nicht am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVtI.

Nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 AAÜG hat der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehören auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die Berechtigung ableitet, die Daten, die sich nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergeben, und insbesondere die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, und die als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung gelten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG).

Solche Zeiten der Zugehörigkeit liegen nach § 4 Abs. 5 AAÜG vor, wenn eine in einem Versorgungssystem erworbene Anwartschaft bestanden hatte (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 AAÜG). Eine solche Anwartschaft setzt die Einbeziehung in das jeweilige Versorgungssystem voraus. Im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG genügt es grundsätzlich nicht, dass ein Anspruch auf Einbeziehung bestand, soweit dieser nicht auch verwirklicht wurde. Wie der Wortlaut dieser Vorschrift zeigt, wird allein auf Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem abgestellt. Dies setzt zwingend voraus, dass der Berechtigte tatsächlich in ein Versorgungssystem einbezogen worden war. Von diesem Grundsatz macht lediglich § 5 Abs. 2 AAÜG eine Ausnahme. Danach gelten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem auch Zeiten, die vor Einführung eines Versorgungssystems in der Sozialpflichtversicherung zurückgelegt worden sind, wenn diese Zeiten, hätte das Versorgungssystem bereits bestanden, in dem Versorgungssystem zurückgelegt worden wären.

Eine solche Einbeziehung erfolgte in der AVtI grundsätzlich durch eine Entscheidung des zuständigen Versorgungsträgers der DDR. Lag sie am 30. Juni 1990 vor, hatte der Begünstigte durch diesen nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakt eine Versorgungsanwartschaft. Einbezogen war aber auch derjenige, dem früher einmal eine Versorgungszusage erteilt worden war, wenn diese durch einen weiteren Verwaltungsakt in der DDR wieder aufgehoben worden war und wenn dieser Verwaltungsakt nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EV unbeachtlich geworden ist; denn dann galt die ursprüngliche Versorgungszusage fort. Gleiches gilt für eine Einbeziehung durch eine Rehabilitierungsentscheidung (Art. 17 EV). Schließlich gehörten dem Kreis der Einbezogenen auch diejenigen an, denen durch Individualentscheidung (Einzelentscheidung, zum Beispiel aufgrund eines Einzelvertrages) eine Versorgung in einem bestimmten System zugesagt worden war, obgleich sie von dessen abstrakt-generellen Regelungen nicht erfasst waren. Im Übrigen dies trifft jedoch auf die AVtI nicht zu galten auch ohne Versorgungszusage Personen als einbezogen, wenn in dem einschlägigen System für sie ein besonderer Akt der Einbeziehung nicht vorgesehen war (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 41/01 R).

§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG hat den Kreis der einbezogenen Personen jedoch in begrenztem Umfang erweitert. Er hat damit das Neueinbeziehungsverbot des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchstabe a, wonach die noch nicht geschlossenen Versorgungssysteme bis zum 31. Dezember 1991 zu schließen sind und Neueinbeziehungen vom 03. Oktober 1990 an nicht mehr zulässig sind, sowie den nach EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 zu Bundesrecht gewordenen § 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz der DDR, wonach mit Wirkung vom 30. Juni 1990 die bestehenden Zusatzversorgungssysteme geschlossen werden und keine Neueinbeziehungen mehr erfolgen, modifiziert. Danach gilt, soweit die Regelung der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, dieser Verlust als nicht eingetreten. Dies betrifft jedoch nur solche Personen, die auch konkret einbezogen worden waren. Der Betroffene muss damit vor dem 30. Juni 1990 in der DDR nach den damaligen Gegebenheiten in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen sein und aufgrund dessen eine Position wirklich innegehabt haben, dass nur noch der Versorgungsfall hätte eintreten müssen, damit ihm Versorgungsleistungen gewährt worden wären. Derjenige, der in der DDR keinen Versicherungsschein über die Einbeziehung in die AVtI erhalten hatte, hatte nach deren Recht keine gesicherte Aussicht, im Versorgungsfall Versorgungsleistungen zu erhalten (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R in SozR 3 8570 § 1 Nr. 1).

Die AVtI kannte den in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochenen Verlust von Anwartschaften. Nach § 2 Abs. 1, 3 und 4 Zweite Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 - GBl DDR 1951, 487 - (2. DB zur AVtI VO) wurde die zusätzliche Altersversorgung gewährt, wenn sich der Begünstigte im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles in einem Anstellungsverhältnis zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb befand. Erloschene Ansprüche auf Rente lebten wieder auf, wenn spätestens vor Ablauf eines Jahres ein neues Arbeitsverhältnis in der volkseigenen Industrie zustande kam und die Voraussetzungen nach § 1 dieser Durchführungsbestimmung in dem neuen Arbeitsverhältnis gegeben waren. Für die Dauer von Berufungen in öffentliche Ämter oder in demokratische Institutionen (Parteien, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund usw.) erlosch der Anspruch auf Rente nicht.

War der Betroffene in die AVtI einbezogen, endete die zur Einbeziehung führende Beschäftigung jedoch vor dem Eintritt des Versicherungsfalles, ging der Betroffene, vorbehaltlich der oben genannten Ausnahmen, seiner Anwartschaft verlustig.

Das BSG hat wegen der bundesrechtlichen Erweiterung der Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG über die Regelungen der Versorgungssysteme hinaus einen Wertungswiderspruch innerhalb der Vergleichsgruppe der am 30. Juni 1990 Nichteinbezogenen gesehen. Nichteinbezogene, die früher einmal einbezogen gewesen seien, aber ohne rechtswidrigen Akt der DDR nach den Regeln der Versorgungssysteme ausgeschieden gewesen seien, würden anders behandelt als am 30. Juni 1990 Nichteinbezogene, welche nach den Regeln zwar alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hätten, aber aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürften, nicht einbezogen gewesen seien (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R). Wie oben ausgeführt, konnten zwar weder die ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, noch die Betroffenen, die zwar am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatten, tatsächlich aber nicht einbezogen waren, nach den Regelungen der DDR mit einer Versorgung rechnen. Wenn bundesrechtlich jedoch einem Teil dieses Personenkreises, nämlich dem der ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, eine Anwartschaft zugebilligt wird, so muss nach dem BSG § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass eine Anwartschaft auch dann besteht, wenn ein Betroffener aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach den zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen und zwingenden Regelungen eines Versorgungssystems aus bundesrechtlicher Sicht einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte (BSG, Urteile vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R und B 4 RA 41/01 R). Der aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete rechtfertigende sachliche Grund für eine solche Auslegung ist darin zu sehen, dass bundesrechtlich wegen der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Schließung der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 angeknüpft wird und es aus bundesrechtlicher Sicht zu diesem Zeitpunkt nicht auf die Erteilung einer Versorgungszusage, sondern ausschließlich darauf ankommt, ob eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden ist, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war (zu Letzterem Urteile des BSG vom 24. März 1998 B 4 RA 27/97 R und 30. Juni 1998 B 4 RA 11/98 R).

Die oben genannte Rechtsprechung des BSG zum so genannten Stichtag des 30. Juni 1990 hat das BSG mit den weiteren Urteilen vom 18. Dezember 2003 B 4 RA 14/03 R und B 4 RA 20/03 R fortgeführt und eindeutig klargestellt. Im Urteil vom 08. Juni 2004 B 4 RA 56/03 hat das BSG betont, es bestehe kein Anlass, diese Rechtsprechung zu modifizieren. An dieser Rechtsprechung hat das BSG mit Urteil vom 29. Juli 2004 B 4 RA 12/04 R festgehalten. Eine Anwartschaft im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, die eine Zugehörigkeit zum Versorgungssystem begründet, beurteilt sich allein danach, ob zum Zeitpunkt des 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine Einbeziehung vorgelegen haben.

Mit der oben genannten Rechtsprechung befindet sich das BSG nicht im Widerspruch zu seinen Urteilen vom 24. März 1998 B 4 RA 27/97 R und 30. Juni 1998 B 4 RA 11/98 R. In jenen Urteilen wird zwar nicht auf den 30. Juni 1990 abgestellt. Dies rührt ersichtlich daher, dass bereits durch den Zusatzversorgungsträger jeweils Zeiten der Zugehörigkeit bis zum 30. Juni 1990 festgestellt waren und lediglich um einen vor dem Zeitpunkt der Aushändigung beziehungsweise Gültigkeit der ausgehändigten Urkunde gestritten wurde. Diese Entscheidungen betrafen somit tatsächlich Einbezogene. Allerdings haben diese Urteile zu erheblichen Missverständnissen geführt, die unter anderem zur Folge hatten, dass seitens des Versorgungsträgers aber auch durch Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit Zeiten der Zugehörigkeit, insbesondere zur AVtI, entgegen der tatsächlichen Rechtslage festgestellt wurden. Insbesondere die Formulierung, die Typisierung solle immer dann Platz greifen, wenn in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt (nicht notwendig noch zum 01. Juli 1990) eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden sei, derentwegen ein Zusatz- oder Sonderversorgungssystem errichtet gewesen sei, ist hierfür maßgebend gewesen. Dabei wurde jedoch verkannt, dass das BSG damit ausschließlich Zeiten von tatsächlich einbezogenen Berechtigten hat erfassen wollen. Über sonstige, nicht einbezogene Berechtigte, die also keinen Versicherungsschein erhalten hatten, hat das BSG mit diesen Urteilen überhaupt nicht entschieden.

Daraus folgt, dass zur Einbeziehung solcher Zeiten erforderlich ist:

1. Die betroffenen Versicherten müssen zum Zeitpunkt der ausgeübten Tätigkeit die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur", "Diplomingenieur" oder "Techniker" erworben haben.

2. Sie müssen eine dem Titel entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben.

3.a) Diese Tätigkeit muss in einem volkseigenen Betrieb ausgeübt worden sein.

b) Allerdings muss es sich dabei nicht um irgendeinen volkseigenen Betrieb, sondern um einen volkseigenen Produktionsbetrieb gehandelt haben.

Der Klägerin ist darin zuzustimmen was im Übrigen unstreitig ist , dass eine Ingenieurökonomin, da sie zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur befugt war, die erste der dargelegten Voraussetzungen erfüllt. Ob die dritte Voraussetzung erfüllt ist, braucht nicht überprüft zu werden, da, selbst dies gedanklich vorausgesetzt, die Klägerin die Voraussetzung der Ziffer 2. nicht erfüllt.

Das Sozialgericht hat insoweit zutreffend die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit einer Bearbeiterin für materielle Interessiertheit eines Betriebes als überwiegend betriebswirtschaftlich dargelegt. Dies entspricht nicht nur der Ausbildung der Klägerin, sondern auch dem Qualifikationsmerkmal 445.08 des Ministeriums für Kohle und Energie. Danach waren die Arbeitsaufgaben der Bearbeiterin für materielle Interessiertheit wie folgt definiert:

Koordiniert die Arbeitsverrichtungen innerhalb des Aufgabengebietes, nimmt Ableitungsfunktionen gegenüber fachlich zugeordneten Mitarbeitern wahr.

Ist für die Ausarbeitung von Grundsätzen zur leistungsstimulierenden Verwendung des betrieblichen Prämienfonds sowie zur Führung des Haushaltsbuches des Betriebes verantwortlich.

Sichert die termingerechte Erarbeitung.

Charakteristik der Arbeitsaufgabe und der Anforderungen an Qualifikation und Verantwortung

1. Erarbeitet die Betriebsprämienordnung sowie die betrieblichen Grundsätze zur Führung und Auswertung des Haushaltsbuches im sozialistischen Wettbewerb nach neuesten Erkenntnissen.

Organisiert inner- und überbetrieblichen Erfahrungsaustausch zur Arbeit des Haushaltsbuches und sichert die Durchsetzung guter Erfahrungen.

Sichert durch Gemeinschaftsarbeit die Erarbeitung leistungs-stimulierender Kennziffern zur Erhöhung der Effektivität und Produktivität auf der Grundlage festgelegter Kriterien.

Kontrolliert die leistungsabhängige Verwendung der Prämienmittel und die innerbetriebliche Arbeit mit der Betriebsprämienordnung sowie die ordnungsgemäße Führung der betrieblichen Haushaltsbücher.

Berechnet quartalsweise in Unabhängigkeit von der Erfüllung der Leistungskriterien die innerbetrieblich verfügbaren Prämienmittel für Initiativprämien im Rahmen der Wettbewerbsführung.

Berechnet auf der Grundlage der Betriebsprämienordnung jährlich die Mittel der Jahresendprämie und koordiniert die organisatorische Vorbereitung für die Durchführung der Jahresendprämie.

Sichert die termingerechte Ausarbeitung der Haushaltsbuchvereinbarung, Kontrolle der Anrechnung und der Auszahlung der erarbeiteten Vergütungen. Fertigt Analysen über die Wirksamkeit der vorgegebenen Leistungskriterien an.

2. Besitzt spezielle ökonomische Kenntnisse zur Ausarbeitung von Analysen und zur Kontrolle der Wirksamkeit der Betriebsprämienordnung sowie Haushaltsbuchführung. Leitet entsprechende Schlussfolgerungen ab.

3. Besitzt spezielle naturwissenschaftliche und technische Kenntnisse über den Ablauf verschiedenartiger Prozesse zur Festlegung leistungsstimulierender Kriterien, zur Ausarbeitung der Betriebsprämienordnung und der Vereinbarungen zur Haushaltsbuchführung.

4. Besitzt spezielle juristische Kenntnisse innerhalb eines Rechtszweiges zur Entscheidungsvorbereitung.

5. Leitet nicht unterstellte Werktätige mit überwiegend Fachschulqualifikation fachlich an.

6. Besitzt Kenntnisse im Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz zur Einhaltung der für den Arbeitsbereich zutreffenden Bestimmungen auf dem Gebiet des Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzes.

7. Besitzt technische Kenntnisse zum Bedienen der erforderlichen Arbeitsmittel im Verantwortungsbereich.

Ist jedoch nach dem Qualifikationsmerkmal kein Berufsabschluss als Ingenieur oder als Ingenieurökonom erforderlich, so ist nicht entscheidend, ob der Inhaber des entsprechenden Arbeitsplatzes unter anderem auch ingenieurtechnische Aufgaben wahrnahm. Offensichtlich konnte ein Ökonom nach dem Qualifikationsmerkmal auch eine solche Aufgabenstellung bewältigen, ohne zugleich über den Abschuss zum Ingenieurökonomen zu verfügen. War dieser Abschluss somit nach dem Qualifikationsmerkmal nicht erforderlich, so kann ein Ingenieurökonom nicht geltend machen, seiner Qualifikation entsprechend eingesetzt gewesen zu sein. Mit dem Beweis, dass ein Beschäftigter ingenieurtechnische Aufgaben ausführte, ist damit nicht zugleich der Beweis dafür erbracht, dass für diese Aufgaben auch der Abschluss eines Ingenieurökonomen unabdingbar war. Im Gegenteil - weist das Qualifikationsmerkmal aus, dass jeder Beschäftigte mit einem Abschluss als Ökonom die nach dem Qualifikationsmerkmal beschriebenen Aufgaben verwirklichen konnte, ist der Nachweis erbracht, dass für die ausgeübte Beschäftigung der Titel eines Ingenieurökonomen nicht maßgebend war.

Aus alledem folgt, dass dem jeweiligen Qualifikationsmerkmal zur Beurteilung der Frage, ob ein Ingenieurökonom eine seiner Ausbildung entsprechende Beschäftigung in dem Sinne ausübte, dass hierfür dieser Titel erforderlich war, die wesentliche Bedeutung zukommt. Es reicht daher regelmäßig nicht der Nachweis aus, dass Arbeiten im Rahmen des erlernten Berufes erbracht wurden, wenn nicht zugleich durch das entsprechende Qualifikationsmerkmal oder einen Funktionsplan bewiesen ist, dass für die Wahrnehmung dieser Aufgaben die Ausbildung bzw. der Titel eines Ingenieurökonomen nötig war.

Andererseits dürfte es demgegenüber spiegelbildlich für eine Zugehörigkeit zur AVtI genügen, dass ein Ingenieurökonom seiner Qualifikation entsprechend eine Funktion ausübte, für die nach dem Qualifikationsmerkmal oder dem Funktionsplan der Fachschul- oder Hochschulabschluss eines Ingenieurökonomen Voraussetzung war. Darüber hinausgehend zu fordern, ein Ingenieurökonom müsse spezifische ingenieurtechnische Aufgaben quasi als Ingenieur verrichtet haben, wozu er regelmäßig mangels entsprechender Ausbildung überhaupt nicht in der Lage gewesen sein dürfte, erscheint sachfremd.

Der Vortrag der Klägerin, es habe auch technischer Kenntnisse über die Produktionsabläufe bedurft, um ihre Beschäftigung ausüben zu können, mag zwar zutreffen, ist jedoch nach alledem irrelevant. Ein Abschluss als Ingenieurökonom war nach dem Qualifikationsmerkmal deswegen jedenfalls nicht nötig.

Die Berufung der Klägerin muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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