L 22 RA 198/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 3 RA 371/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 RA 198/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 20. Juli 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1947 geborene Klägerin hatte zunächst von 1963 bis Februar 1966 den Beruf der Chemiefacharbeiterin erlernt und in diesem bis zum 31. August 1966 gearbeitet. Von September 1966 bis Juli 1970 absolvierte sie ein Hochschulstudium, das sie mit dem Erwerb des akademischen Grades einer Diplomlehrerin abschloss. Danach arbeitete sie vom 01. August 1970 bis 31. März 2000 als Lehrerin. Das Arbeitsverhältnis endete dadurch, dass das Staatliche Schulamt für den Landkreis O es zum 31. März 2000 kündigte, da durch ein amtsärztliches Gutachten vom 30. Juni 1999 festgestellt worden sei, dass auf Dauer krankheitsbedingt keine Einsatzfähigkeit als Lehrerin mehr vorliege. Seitdem ist die Klägerin arbeitslos.

Bereits im November 1999 hatte sie bei der Beklagten Rente wegen Erwerbs- beziehungsweise Berufsunfähigkeit beantragt und zur Begründung angegeben, wegen der bei ihr seit September 1998 bestehenden anhaltenden depressiven Reaktion und einer Persönlichkeitsstörung sei sie den beruflichen Anforderungssituationen nicht mehr gewachsen. Als Lehrerin könne sie daher keine Tätigkeiten mehr verrichten.

Die Beklagte holte einen Entlassungsbericht der MKlinik in B bei, wo die Klägerin vom 24. Februar 1999 bis zum 07. April 1999 stationär behandelt wurde. Im Entlassungsbericht wurde ein depressives Syndrom nach Arbeitsplatzwechsel, eine chronische Lumbalgie, ein chronisches Zervikalsyndrom, ein Lungenemphysem und eine ausgeprägte Psoriasis diagnostiziert. Nach dem Tod ihres Kindes im Jahre 1975 hätten die Depressionen begonnen, die stationär therapiert worden seien. Nunmehr solle sie an einer Förderschule arbeiten. Die Klägerin fühle sich dem nicht mehr gewachsen. Sie sei sofort arbeitsfähig, wobei eine weiterführende ambulante Psychotherapie empfohlen werde. Des Weiteren zog die Beklagte Befundberichte der behandelnden Fachärztin für Allgemein- und Arbeitsmedizin Dr. R und ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen MDK vom 08. Februar 1999 bei. Darin wurde die Auffassung vertreten, die Klägerin sei mit einem Infekt der oberen Atemwege mit Reizhusten, einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung im Bereich der Lendenwirbelsäule mit ischialgieformer Symptomatik und einem reaktiv-depressiven Syndrom seit 13. Februar 1999 wieder arbeitsfähig.

Sodann hat die Beklagte ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S angefordert, das dieser am 31. Januar 2000 erstattete. Bei der Klägerin seien eine Anpassungsstörung, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, ein Zervikobrachialsyndrom und eine Psoriasis vulgaris festzustellen, ohne dass sie aus neuropsychiatrischer Sicht hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit für die bisher ausgeübte Tätigkeit als Lehrerin gemindert sei. Ambulante psychotherapeutische Maßnahmen seien zu empfehlen.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Februar 2000 den Rentenantrag der Klägerin ab und wies ihren Widerspruch hiergegen mit Widerspruchsbescheid vom 04. Juli 2000 zurück.

Dagegen hat sich die am 31. Juli 2000 vor dem Sozialgericht Cottbus erhobene Klage gerichtet. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, sie sei mit einem Grad der Behinderung GdB von 50 v. H. als Schwerbehinderte anerkannt und der Amtsarzt habe Dienstunfähigkeit als Lehrerin festgestellt. Ihr Gesundheitszustand sei nicht hinreichend gewürdigt worden, denn sie sei tatsächlich nicht mehr in der Lage, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Juli 2000 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit ab dem 01. November 1999 zu gewähren.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich hierfür auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen, die durch die Ermittlungen des Gerichts bestätigt seien.

Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte sowie eine Arbeitgeberauskunft des letzten Arbeitgebers der Klägerin eingeholt. Voraussetzung für ihre Arbeit als Diplomlehrerin mit zwei Fächern sei ein abgeschlossenes Hochschulstudium gewesen, die Klägerin sei bis 1990 mit einer vollen Stelle, dann verkürzt wie alle Arbeitnehmer aufgrund der Bedarfsprognose und schließlich zum 01. August 1999 mit einem Beschäftigungsumfang von zwei Dritteln der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt. Die Klägerin sei entsprechend der Besoldungsgruppe A 12 als Lehrerin mit einer Lehrbefähigung für zwei Fächer der allgemeinen polytechnischen Oberschule einzugruppieren gewesen, was der Vergütungsgruppe III des Tarifvertrages entspreche. Die nächst niedrigere Eingruppierung sei (der Besoldungsgruppe A 11 einer Beamtin entsprechend) die der Vergütungsgruppe IV a, die für Lehrer mit einer Fachschulausbildung, zum Beispiel solche für untere Klassen, vorgesehen sei. Beigefügt war ein Schreiben des Amtsarztes Dr. B, S, vom 30. Juni 1999 an den Arbeitgeber. Darin ist dargelegt worden, bei der allgemeinen klinischen Untersuchung der Klägerin habe sich kein pathologischer Befund gezeigt. Psychisch jedoch bestünde eine Anpassungsstörung, ausgelegt durch die berufliche Konfliktsituation mit erheblichen Angstgefühlen, Selbstwertinsuffizienzen und einem depressiven Geschehen bis hin zu suizidalen Tendenzen und verschiedenen vegetativen Beschwerden. Der Schulwechsel an die Förderschule sei nicht von primärer Bedeutung, dabei handele es sich um ein auslösendes belastendes Ereignis, das mit der individuellen Disposition der Betroffenen zusammengewirkt habe. Er sehe die allgemeine Dienstfähigkeit als Lehrerin nicht gegeben und die Prognose des Krankheitsbildes sei ungewiss.

Sodann hat das Sozialgericht den Neurologen und Psychiater Dr. C zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines Gutachtens über das der Klägerin verbliebene Leistungsvermögen beauftragt. In dem am 05. April 2001 erstatteten Gutachten hat der Sachverständige über eine seit dem 14. Lebensjahr bestehende Psoriasis vulgaris und ein seit 1998 bestehendes Schulterarmsyndrom links sowie die wiederkehrenden Rückschmerzen berichtet. Er habe eher milde psoriatische Herde vorgefunden und die Bewegungsfähigkeit der linken Schulter sei leicht eingeschränkt gewesen. Der neurologische Befund sei regelrecht gewesen. Für eine relevante Persönlichkeitsstörung habe er keine Hinweise gefunden und die Klägerin habe den Einsatz in einer Sonderschule nicht verarbeiten können. Bei ihr lägen zusammenfassend psychopathologische Reaktionen mit hypochondrischen Tendenzen mit mäßiggradig ängstlich-depressiven Zügen bei einer eher sensiblen Persönlichkeit vor. Eine psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung sei angebracht. Die Klägerin könne körperlich leichte und geistig durchaus mittelschwierige Arbeiten vollschichtig verrichten. Er halte sie auch als Lehrerin noch für einsatzfähig.

Sodann hat das Sozialgericht Herrn M L zum berufskundlichen Sachverständigen ernannt. Dieser hat in dem Gutachten vom 04. Juni 2001 die Auffassung vertreten, die Klägerin könne als Lehrerin auf dem erreichen Qualifikationsniveau wettbewerbsfähig arbeiten. Sie könne auch außerhalb des erlernten und ausgeübten Berufes arbeiten, wobei jedoch außerhalb von Unterrichtstätigkeiten ein niedrigeres Niveau eintrete. Dafür sei eine dreimonatige Einarbeitungszeit ausreichend, um vollwertig konkurrenzfähig zu sein.

Mit Urteil vom 20. Juli 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei nicht berufsunfähig, da sie nach den schlüssigen Feststellungen des Sachverständigen Dr. C den Beruf der Lehrerin mit zwei Fächern noch vollschichtig verrichten könne. Dies habe auch der Sachverständige L bestätigt.

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 01. Oktober 2001 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 24. Oktober 2001, zu deren Begründung sie vorgetragen haben, das Sozialgericht habe das Leistungsvermögen der Klägerin falsch eingeschätzt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 20. Juli 2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Juli 2000 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit ab dem 01. November 1999 zu gewähren und die höchste Rente zu zahlen, hilfsweise Rente wegen Erwerbsminderung ab 01. Januar 2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und diese dem Sachverständigen Dr. C zur Stellungnahme zugeleitet. Dieser hat mit Schreiben vom 30. Dezember 2002 dargelegt, die eingeholten Befundberichte hätten keine neuen relevanten Diagnosen oder Beschwerdebilder bezeichnet, insbesondere habe der Hausarzt ausdrücklich angegeben, dass sich das Krankheitsbild nicht geändert habe. Er schildert das depressive Syndrom als unverändert.

Der Senat hat sodann gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz den Neurologen, Psychiater und Internisten Prof. Dr. R, Leiter der Stoffwechsel- und Schlaganfallabteilung im Klinikum N, zum Sachverständigen ernannt. In dem Gutachten vom 13. April 2004 berichtet der Sachverständige über eine schwere seelische Behinderung infolge einer posttraumatischen Belastungsstörung II. Grades. Zu dieser komme es, wenn nach einer vitalen schweren seelischen Erschütterung, die noch nicht aufgearbeitet sei, im nicht vorhersehbaren zeitlichen Abstand weitere unerwartete schwere Erschütterungen folgten, für die kein Verarbeitungskonzept vorliege. Die Klägerin sei daher auf absehbare Zeit nicht in der Lage, einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen und Arbeitsentgelt zu erzielen. Es bestünde kein Leistungsrest, und zwar weder in Bezug auf eine Tätigkeit als Lehrerin noch als Mitarbeiterin in der Schulverwaltung oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Zum Gutachten von Prof. Dr. R hat der Nervenarzt S für die Beklagte dahingehend Stellung genommen, dass es Prof. Dr. R im Gegensatz zu Dr. C versäumt habe, den subjektiven Darstellungen der Klägerin eine Darstellung eines ausführlichen Tagesablaufes, nämlich der Hobbys und Freizeitaktivitäten, gegenüberzustellen. Dadurch seien Diskrepanzen aufzuzeigen und es könne eine Konsistenzprüfung der Angaben der Klägerin vorgenommen werden. Die Klägerin habe gegenüber Dr. C angegeben, Angstgefühle habe sie vorwiegend, wenn sei alleine sei, weniger jedoch, wenn sie abgelenkt werde. Auch ihr Schlaf sei besser geworden. Sie suche Gesellschaft. Sie mache den Haushalt, habe viele regelmäßige Termine, gehe dienstags wandern, mittwochs in die Sauna und donnerstags einkaufen. Sie fahre gerne in Urlaub. Dies zeige, dass die Klägerin in der Lage sei, einen strukturierten Tagesablauf zu bewältigen. Demgegenüber beruhe die Leistungsbeurteilung des Prof. Dr. R im Wesentlichen auf den Angaben der Klägerin selbst. Die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung rechtfertige alleine nicht das Ausmaß der quantitativen Leistungsminderung, das Prof. Dr. R beschreibe. Die Tätigkeit einer Lehrerin in einer Regelschule sei ihr daher aus nervenärztlicher und sozialmedizinischer Sicht weiter zumutbar.

Prof. Dr. R hat hierzu am 21. Juni 2004 ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, dass bei der Klägerin das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung bestehe, das sie immer weniger in die Lage versetze, für sich selbst vorteilhaft und mit Erfolg aufzutreten. Sie wirke statisch und dynamisch eingeengt in einer Weise, dass letztlich Auswirkungen auf ihre Willensentfaltung und Entscheidungsfähigkeit bestünden. Von 1998 bis zum Untersuchungszeitpunkt sei eine deutliche Progredienz dieser Störung aufgetreten und die Persönlichkeitsstörung habe Krankheitswert, da sie mittlerweile alle Teile der Persönlichkeit erfasse. Eine Tätigkeit im pädagogischen Prozess würde eine permanente Aktualisierung der Symptomatik bedeuten und eine Tätigkeit außerhalb des Lehramtes würde von ihr als drastische Bestrafung erlebt und ihren Widerstand mobilisieren.

Dr. C hat am 02. Oktober 2004 eine weitere Stellungnahme abgegeben. Es handele sich letztlich bei dem Gutachten des Prof. Dr. R um ein psychoanalytisches, welches von der Tendenz plausibel und nachvollziehbar erscheine, nicht jedoch in punkto Leistungsbeurteilung. Prof. Dr. R schließe aus den inneren Zwängen der Persönlichkeit auf ein Leistungsversagen, was seines Erachtens nicht zulässig sei, da man das tatsächliche Verhalten und das Erscheinungsbild des Betreffenden mitberücksichtigen müsse. Aus einer Begutachtungssituation heraus könne man, was auch bei Prof. Dr. R der Fall sei, der die Klägerin früher schon untersucht habe, einschätzen, dass ein Leistungsunvermögen bestehe, wenn keine Extremfälle, also schwere Persönlichkeitsstörungen oder Psychosen vorlägen. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Die von der Klägerin geschilderten Ängste seien testpsychologisch deutlich relativiert worden. Er habe keine schwerwiegende Depressivität gefunden. Es habe Hinweise für akzentuierte Persönlichkeitszüge gegeben, aber nicht für eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung. Denn eine solche schwerwiegende Störung betreffe nicht nur den Arbeits-, sondern auch den Familien- und Sozialbereich. Dort jedoch sei die Klägerin nicht beeinträchtigt, sie führe eine gute Ehe, habe einen intensiven Wochentermin mit vielen Aktivitäten und nehme diese wahr. Testpsychologisch fänden sich mehr hypochondrische als histrionische Züge. In dem Gutachten des Prof. Dr. R sei die Entwicklungsschilderung nachvollziehbar und die Darstellung der Persönlichkeitsstruktur erhellend. Allerdings seien solche psychodynamischen Konstruktionen nur Teilaspekt der Gesamtpersönlichkeit. Die Beobachtungs-, die Verhaltens- und die Beschreibungsebene jedoch, die für die tatsächliche Leistungsbeurteilung wesentlich sei, sei nicht nachvollziehbar. Sollte eine neue Begutachtung der Klägerin gewünscht werden, bitte er einen anderen Gutachter zu benennen.

Der Senat hat sodann mit Beweisbeschluss vom 07. Februar 2005 den Chefarzt der Psychiatrischen Klinik des Klinikums E P, Dr. L, zum weiteren Sachverständigen ernannt. Dieser hat sein Gutachten am 22. Juni 2005 erstattet.

Bei der ärztlichen Untersuchung am 19. Mai 2005 habe er außer der Schuppenflechte keine schwerwiegenden organischen Erkrankungen festgestellt. Auf neurologischem Gebiet bestehe ein regulärer Befund und es ergäben sich in der Vorgeschichte keine Hinweise für eine durchgemachte Erkrankung auf diesem Fachgebiet.

Auf psychiatrischem Gebiet sei zum Zeitpunkt der Untersuchung eine Gesundheitsstörung nicht festzustellen gewesen. Die Klägerin habe bis auf die Hauterkrankung und Schmerzen im Bewegungsapparat keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, insbesondere im psychischen Bereich, angegeben. Sie habe für die Vergangenheit von einer durchgemachten Belastungssituation berichtet und auch in ihrer Alltagsgestaltung sei sie in keiner Weise beeinträchtigt. Sie stehe früh auf und habe einen gut strukturierten Tag. Ihre soziale Teilhabe sei gut. Es bestünden regelmäßige Kontakte zu Familienmitgliedern und Freunden. Im Rahmen der Möglichkeiten verreise sie. In ihrer Reflexion sehe sie auch hier keine Einbußen. Nach der Aktenlage und der medizinischen Vorgeschichte sei diagnostisch von einer Anpassungsstörung im Jahre 1998 nach der Umsetzung in die Förderschule auszugehen. Damals habe die Symptomatik einer Anpassungsstörung mit Angst und Depression geherrscht, zu der eine somatoforme Symptomatik hinzugetreten sei. Diese jedoch seien nicht so ausgeprägt gewesen, dass ein eigenständiges Krankheitsbild bestanden hätte. Nach der Beendigung der Lehramtstätigkeit habe sich die psychische Verfassung stabilisiert, ohne dass eine einschlägige Therapie vorgenommen worden sei. Im Vordergrund stünden ihre Vorstellungen, aus den verschiedensten Gründen das Lehramt nicht mehr aufnehmen zu können, aber auch für eine Verweisungstätigkeit nicht bereit zu sein. Wesentlich geprägt werde diese Haltung von der Überzeugung, wegen ihres Alters und der Arbeitsmarktsituation habe sie für beide Tätigkeitsarten keine Chance. Somit sei vollschichtiges Leistungsvermögen im erlernten Beruf festzustellen. Rückwirkend sei nachzuvollziehen, dass eine zeitliche Arbeitsunfähigkeit bestanden habe, die jedoch keinem aufgehobenen Leistungsvermögen im erlernten Beruf gleichzusetzen sei. Die Klägerin sei unabhängig vom Ausgang des Gerichtsverfahrens aus grundsätzlichen Erwägungen nicht mehr auf eine Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit ausgerichtet. Tatsächlich jedoch könne sie Tätigkeiten als Lehrerin, als Mitarbeiterin in der Schulverwaltung und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten. Er stimme mit den Darlegungen des Sachverständigen des Sachverständigen Dr. C überein, bewerte jedoch das Gutachten des Prof. Dr. R und dessen folgende gutachterliche Stellungnahme kritisch. Die diagnostische Zuordnung zu einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Übergang zu einer posttraumatischen Persönlichkeitsstörung halte einer Überprüfung nicht stand: Zwar sei der Tod des Kindes 1995 grundsätzlich geeignet, eine derartige Störung auszulösen, bei der Klägerin jedoch sei sie nicht zu diagnostizieren, da die entsprechenden Kriterien auch nach den Befunderhebungen des Prof. Dr. R zu keinem Zeitpunkt hinreichend erfüllt gewesen seien. Es sei wissenschaftlich nicht haltbar, eine berufliche Belastungssituation als traumatisierendes Ereignis auch im Sinne einer Retraumatisierung zu deklarieren. Mit seinen Darlegungen, insbesondere in der Stellungnahme, verlasse er gesicherte medizinisch gutachterliche Erkenntnisse, indem er den Begriff der Traumatisierung zu weit fasse. Eine posttraumatische Persönlichkeitsstörung sei eine andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastungen, die nur diagnostiziert werden könne bei Opfern von anhaltenden Extrembelastungen wie Terror, Folter, Kriegsereignissen oder Haft unter unmenschlichen Bedingungen. Bei einer Beurteilung des Leistungsvermögens bedürfe es neben der Diagnose der Gesundheitsstörung der Darlegung der Schwere der Störung im Alltagsverhalten. Dies sei dem Gutachten des Prof. Dr. R nicht zu entnehmen. Dr. C habe dies dargelegt und ihm sei uneingeschränkt zu folgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 16. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Juli 2000 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Rente wegen Berufs- noch wegen Erwerbsunfähigkeit. Ihr steht auch Rente wegen Erwerbsminderung nicht zu.

Als Anspruchsgrundlagen kommen auch weiterhin die §§ 43 und 44 Sozialgesetzbuch Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in der Fassung vor dem am 01. August 2001 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EM Reformgesetz vom 20. Dezember 2000) in Betracht. Nach § 300 Abs. 2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuches auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Dies ist vorliegend der Fall, denn der maßgebende Antrag wurde bereits im November 1999 gestellt.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind und weitere beitragsbezogene Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 SGB VI).

Die Klägerin ist hiernach nicht berufsunfähig. Sie kann den erlernten Beruf einer Lehrerin noch vollschichtig verrichten. Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Die ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste ist (Bundessozialgericht BSG , SozR 2200 § 1246 Nrn. 53, 94, 130).

Der Beruf der angestellten Lehrerin mit zwei Fächern Vergütungsgruppe III entspricht bei Beamten Besoldungsgruppe A 12 ist hiernach maßgeblicher Beruf. Die Klägerin hat eine entsprechende Hochschulausbildung durchlaufen und jahrzehntelang bis zur Antragstellung in diesem Beruf gearbeitet.

Nach den medizinischen Feststellungen dürfte bei der Klägerin in der Vergangenheit vorübergehend eine Arbeitsunfähigkeit als Lehrerin vorgelegen heben. Diese hat jedoch nicht dazu geführt, dass sie ihren Beruf auf Dauer nicht mehr ausüben kann. Dies ergibt sich aus der medizinischen Beweisaufnahme, insbesondere dem Gutachten des Dr. Cuypers, der überzeugend und schlüssig darlegt, dass eine schwere Persönlichkeitsstörung sich nicht nur im Beruf, sondern auch im familiären und sozialen Umfeld, im Alltagsleben, auswirken müsse. Da bei der Klägerin derartige Störungen jedoch nicht vorlagen, sie selbst hat sie im anamnestischen Gespräch nicht angegeben, kann der Einschätzung des Prof. Dr. R nicht gefolgt werden, der eine derartige Vergleichswertung zwischen den Angaben der Klägerin zur beruflichen Situation und zum privaten Lebensumfeld nicht durchgeführt hat. Dies wurde nochmals eindrucksvoll durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. L bestätigt, aus dem sich zudem ergibt, dass bei der Klägerin nunmehr keinerlei Störungen auf psychiatrischem Gebiet von Krankheitswert mehr festzustellen sind, was bedeutet, dass die in der Vergangenheit auch von Dr. C festgestellten Störungen vorübergehender Natur waren.

Der Senat folgt den Darlegungen der Sachverständigen Dr. C und Dr. L, da diese sich überzeugend sowohl mit der von der Klägerin geschilderten Alltagssituation als auch mit den von ihr geklagten Beschwerden auseinandersetzen und diese Angaben vergleichend würdigen, was bei dem Gutachten des Prof. Dr. R erkennbar nicht der Fall ist.

Ob die Klägerin sich subjektiv in der Lage fühlt, als Lehrerin wieder zu arbeiten oder nicht, kann für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Bedeutung haben. Jedoch selbst wenn sie als Lehrerin nicht arbeiten könnte, könnte sie, da sie vollschichtig und uneingeschränkt im Rahmen ihrer Ausbildung leistungsfähig ist, im Bereich der Schulverwaltung auf einem ihr zumutbaren Arbeitsplatz tätig sein.

Ist die Klägerin jedoch nicht berufsunfähig, so kann ihr auch keine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 1 SGB VI gewährt werden, denn Voraussetzung hierfür wäre, dass die Klägerin wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande wäre, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (§ 44 Abs. 2 SGB VI). Bei dem bereits dargelegten vollschichtigen Leistungsvermögen liegen diese Voraussetzungen, die noch weitergehende Leistungseinschränkungen als bei der Berufsunfähigkeit erfordern, nicht vor.

Schließlich kann der Klägerin auch keine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI in der Fassung des EM Reformgesetzes (SGB VI n. F.) gewährt werden, denn sie ist noch nicht einmal teilweise erwerbsgemindert.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI n. F. sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Voraussetzung kann notwendigerweise bei einem sogar noch vollschichtigen Leistungsvermögen nicht vorliegen.

Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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