L 6 U 2063/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 5555/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2063/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. März 2003 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Wirbelsäulenleiden des Klägers als Berufskrankheit (BK) von der Beklagten zu entschädigen ist.

Der 1941 geborene Kläger arbeitete von 1958 bis 1960 in der DDR u.a. als Straßenbahnschaffner, Transport- und Bauarbeiter sowie in seinem erlernten Schlosserberuf. Ab 1960 war er ganz vorwiegend als Kraftfahrer im Auslieferungsverkehr bzw. als Linienbusfahrer beschäftigt. Auch nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik im Jahre 1976 arbeitete er nahezu durchgängig weiter als Berufskraftfahrer im Regional- bzw. Fernverkehr. Im März 1998 beendete er seine berufliche Tätigkeit. In der Zeit vom 25. Juni bis zum 16. Juli 1998 wurde für ihn ein stationäres Heilverfahren in der Klinik für Rehabilitation "Am K. B. K." durchgeführt (Diagnose u.a.: Statisch myalgisches Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung und degenerativen Veränderungen). Die Entlassung erfolgte als arbeitsunfähig. Die Landesversicherungsanstalt Württemberg bewilligte dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 1. März 1999 ab Februar 1999 eine Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit, die mit Bescheid vom 18. Februar 2000 als Dauerrente bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weiter gewährt wurde.

Aufgrund der Ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit vom 4. August 1998 leitete die Beklagte ein Verwaltungsverfahren ein, in dem sie u.a. vom behandelnden Orthopäden des Klägers Dr. T. die schriftliche Auskunft vom 11. November 1998 einholte. Außerdem ermittelte sie durch Arbeitgeberbefragungen die Belastungen, denen der Kläger bei seinen jeweiligen Tätigkeiten ausgesetzt war. Hierzu hieß es in der Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 2. März 1999, für den Zeitraum ab April 1985 bis auf Weiteres lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BKen nach den Nrn. 2108, 2109 und 2110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) nicht vor. Daraufhin hieß es in der Gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 27. April 1999, eine BK im Sinne des § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen, da nach dem 1. April 1988 keine wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten im Sinne der BKen nach den Nrn. 2108, 2109 und 2110 der Anlage zur BKV ausgeführt worden seien. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juni 1999 die Gewährung von Entschädigungsleistungen für BKen nach den Nrn. 2108, 2109 oder 2110 der Anlage zur BKV ab.

Hiergegen erhob der Kläger am 24. Juni 1999 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, die BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV sei anzuerkennen.

Es wurden erneut Arbeitsplatzermittlungen durchgeführt, zu denen es in der Stellungnahme des TAD vom 15. Februar 2000 hieß, die Angaben des Klägers begründeten die Annahme einer gefährdenden Belastung im Sinne der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV.

Auf Veranlassung der Beklagten erstatteten hierzu die Chirurgen/Unfallchirurgen Dres. E./K. die gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage vom 20. Juli 2000. Dort hieß es unter Auswertung von Röntgen- und MRT-Aufnahmen, der Kläger leide an Verschleißumformungen der Lendenwirbelsäule mit geringer Osteochondrose und mäßiger bis deutlicher Spondylose im Sinne einer Randzackenkrankheit sowie geringen Bandscheibenvorwölbungen. Die Veränderungen seien überwiegend nicht als bandscheibenverursacht, sondern im Sinne einer Randzackenkrankheit anzusehen. Hierbei handle es sich um Veränderungen an den Wirbelkörpern mit knöchernen Ausziehungen entlang der Bänder, hier insbesondere entlang des vorderen Längsbandes, vor allem zwischen dem 12. Brust- und 1. Lendenwirbelkörper sowie zwischen dem 3. und 2. Lendenwirbelkörper. Derartige Veränderungen fänden sich häufig bei einer Gichterkrankung. Auch bei einer Zuckerkrankheit würden derartige Veränderungen beobachtet, überwiegend dann an der Brustwirbelsäule. Die typischen Veränderungen einer Bandscheibenschädigung mit ausgeprägter Osteochondrose und submarginalen Randzackenausziehungen im Sinne einer bandscheibenverursachten Spondylose fänden sich nicht. Auch sei eine Verschmälerung insbesondere der Zwischenwirbelräume L4/L5, L5/S1 nicht erkennbar. In diesen beiden unteren Lendenwirbelsäulensegmenten seien die ausgeprägtesten Veränderungen zu erwarten, die auf eine Bandscheibenschädigung hinwiesen und die dem Alter des Versicherten als vorauseilend angesehen werden müssten, wenn von einer beruflichen Verursachung auszugehen sei. Ein derartiges Verschleißbild sei nicht nachweisbar. Auch liege ein relevanter belastender Tätigkeitszeitraum nicht vor.

Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2000 den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, die Voraussetzungen für die Feststellung einer BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 5. Oktober 2000 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) mit der Begründung, er leide an einer BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Am 7. November 2000 beantragte er die Gewährung von Entschädigungsleistungen in Verbindung mit der BKV Nrn. 2108, 2109 und 2110 der Anlage zur BKV. In der mündlichen Verhandlung am 19. März 2003 beantragte er dann nur noch Entschädigungsleistungen in Verbindung mit den BKen nach den Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV. Die Beklagte beantragte Klagabweisung, weil ab 1985 keine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit mehr verrichtet worden sei.

Das SG holte zunächst vom Institut für Arbeits- und Sozialhygiene die Stellungnahme vom Februar 2001 ein, in der es u.a. hieß, die vielen unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten des Klägers mit zum Teil sehr kurzen Arbeitsphasen erschwerten eine quantifizierende Bewertung. Die Frage einer möglichen Gefährdung durch eine berufsbedingte Ganzkörpervibration durch das Fahren von Lastkraftwagen in der DDR lasse sich am ehesten durch eine Expertise des Landesinstituts für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Potsdam klären. Ermittlungen hinsichtlich der arbeitstechnischen Voraussetzungen in Bezug auf die BK nach der Nr. 2109 der Anlage zur BKV wären dann relevant, wenn sich entsprechende bandscheibenbedingte Veränderungen im Halswirbelsäulenbereich mit chronisch-rezidivierenden Beschwerden objektivieren ließen und die einzuholende Expertise vom Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Potsdam eine zeitlich und hinsichtlich der Lastgewichte relevante Beurteilung der Halswirbelsäule im Sinne dieser BK ergebe.

Dem schriftlichen Vorschlag vom 3. September 2001 von Prof. Dr. D., Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität M., folgend veranlasste das SG über die Beklagte weitere TAD-Feststellungen zu möglichen Belastungen der Wirbelsäule im Sinne der Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV. Hierzu wurde unter dem 24. September 2001 ausgeführt, der Schwellenwert der Tagesbeurteilungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) von 5.500 Nh sei in der Zeit vom 1. April 1995 bis zum 7. März 1998 überschritten worden. Eine Belastungsdosis nach dem MDD habe daher mit 6,56 x 106 Nh unter dem Richtwert von 25 x 106 Nh ausgewiesen werden können. Eine Gesamtbelastungsdosis in Folge von Ganzkörperschwingungen, die im Sitzen auf die Lendenwirbelsäule einwirke, sei mit 116 x 103 Nh unter dem Richtwert von 580 x 103 Nh errechnet worden.

Sodann holte das SG von Amts wegen von Prof. Dr. D. das zusammen mit dem Arzt für Allgemeinmedizin S. erstattete Gutachten vom 8. April 2002 ein, in dem das vom Orthopäden Dr. K. verfasste Gutachten vom 18. Februar 2002 ausgewertet wurde.

Dr. K. führte abschließend aus, betrachte man die BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV als lumbale Bandscheibenerkrankung, so werde das Vorliegen beim Kläger durch das MRT, durch die Computertomographie und die heute noch bestehenden sensiblen Störungen im Segment L4/5 und auch der Wurzel L4 bestätigt. Die anamnestischen Angaben wiesen auf eine mögliche Spinalstenose hin, die als Folge des Bandscheibenvorfalles entwickelt worden sein könne. Auf diese Möglichkeit könne auch die Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes in der genannten Höhe hinweisen. Die BK nach der Nr. 2110 der Anlage zur BKV werde definiert als eine lumbale Bandscheibenerkrankung, die durch langwierige vertikale Schwingungsbelastungen entstanden sei. Im Bereich der lumbalen Wirbelsäule liege beim Kläger das Schädigungsbild einer lokalen Bandscheibenerkrankung L4/5 vor. Bei der Bewertung der Leistungsanalyse müsse beachtet werden, dass neurologische Ausfälle nicht vorlägen, eine deutliche Funktionseinschränkung bestehe, da sich der Verlauf chronisch rezidivierend darstelle. Mangels neurologischer Symptomatologie werde die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 15 vom Hundert (v. H.) geschätzt.

Prof. Dr. D. und der Arzt für Allgemeinmedizin S. gelangten zu dem Ergebnis, die medizinischen Voraussetzungen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK nach der Nr. 2108 bzw. 2110 der Anlage zur BKV lägen im Hinblick auf das Gutachten von Dr. K. vor. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen lägen insgesamt für die Berufskrankheiten der Nr. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV vor, da die kumulierte Belastung beider Expositionsarten etwa 126 % der Richtwerte betrage. Die gefährdende Tätigkeit habe bis zum 7. März 1998 bestanden. Die durch die bandscheibenbedingte Erkrankung gegebene MdE werde mit 15 v. H. ausreichend und angemessen eingeschätzt. Die Belastungsdosis nach dem MDD sei vom TAD mit 6,5 x 106 Nh korrekt berechnet worden.

Hiergegen wandte der TAD der Beklagten mit Schreiben vom 14. Mai 2002 ein, die von Prof. Dr. D. vertretene Auffassung, dass der Schwellenwert der Beurteilungsschwingstärke Kr sei von 16,2 auf 12,5 abzusenken, könne nicht gefolgt werden, da es sich hierbei nur um einen Diskussionsbeitrag handle. Bis zu einer verbindlichen Änderung der VDI-Richtlinie 2057 und bis zu einer Entscheidung über die Änderung des ärztlichen Merkblatts gälten die alten Werte.

In seiner Stellungnahme vom 22. Juli 2002 führte Prof. Dr. D. aus, bei der von ihm angenommenen Herabsetzung der täglichen als gefährdend geltenden Dosis mit Kr = 12,5 als Richtwert handle es sich nicht um einen einzelnen Diskussionsbeitrag, sondern um den Stand der arbeitsmedizinischen Lehrmeinung, da andere Auffassungen nicht bekannt seien.

Der TAD hielt in seinen weiteren Stellungnahmen vom 1. und 30. Oktober 2002 an seiner Einschätzung fest.

Unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilte das SG den Beklagten durch Urteil vom 19. März 2003, die orthopädischen Beschwerden des Klägers als berufsbedingt im Sinne der Nrn. 2108 und 2110 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen. Bezüglich einer Rentengewährung wurde die Klage abgewiesen. In der Begründung stützte sich das SG auf die Beurteilung von Prof. Dr. D. Vor dem Hintergrund des einheitlichen Schadensbildes seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen kumulativ zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 12. Mai 2003 zugestellte Urteil am 26. Mai 2003 und der Kläger gegen das ihm am 6. Mai 2003 zugestellte Urteil am 2. Juni 2003 Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor, zu Unrecht sei das SG davon ausgegangen, dass die MdE keine 20 v. H. betrage. Das Gericht stütze sich dabei auf die gutachterliche Bewertung von Dr. K., der jedoch in seinem Gutachten ausgeführt habe, dass er den Aspekt der Spinalstenose nicht in die MdE-Schätzung mit einbezogen habe und deshalb die Klärung dieser Situation vom behandelnden Orthopäden vorgenommen werden solle. Hierzu habe das SG kein Gutachten eingeholt. Jedenfalls hätte das SG Leistungen nach § 9 SGB VII i.V.m. § 3 Abs. 2 BKV zusprechen müssen. Im Übrigen habe sich das SG zu Recht auf Prof. Dr. D. gestützt, der über einen größeren Sachverstand verfüge als die Mitarbeiter des TAD der Beklagten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. März 2003 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2000 zu verurteilen, ihm Entschädigungsleistungen gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. den Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. März 2003 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie bezieht sich hierzu auf die Stellungnahmen ihres TAD. Der Auffassung von Prof. Dr. D. könne nicht gefolgt werden.

Der Senat hat vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung/Sektion Berufskrankheiten die schriftliche Auskunft vom 3. September 2003 eingeholt. Darin heißt es, der Ärztliche Sachverständigenbeirat berate über eine Überarbeitung des Merkblatts zur BK nach der Nr. 2110 der Anlage zur BKV. In diese Beratung fließe u.a. auch die Studie "Ganzkörperschwingungen" des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (Mitverfasser: Prof. Dr. D.) ein. Die Beratungen seien noch nicht abgeschlossen. Hierzu wurde dem Berichterstatter am 26. Juli 2004 auf telefonische Anfrage mitgeteilt, dass die Meinungsbildung im Ärztlichen Sachverständigenbeirat noch nicht abgeschlossen sei. Es gebe noch ernsthafte Gegenstimmen, die Tendenz gehe jedoch zu der angeführten Studie. Die nächste Sitzung des Sachverständigenbeirats finde im September 2004 statt.

Die Beklagte hat die Stellungnahme des TAD vom 2. November 2004 vorgelegt. Dort ist ausgeführt worden, es bestehe keine Veranlassung, davon abzurücken, dass bezogen auf die BK nach der Nr. 2110 der Anlage zur BKV die Tagesdosis Kr von mindestens 16,2 erreicht werden müsse. Obwohl dem Verordnungsgeber die Studie von Prof. Dr. D., das MDD-Modell und der BK-Report des Hauptverbandes mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit bekannt sei, habe der Verordnungsgeber noch keine Veranlassung gesehen, irgendeine Regelung zur BK nach den Nrn. 2108 oder 2110 der Anlage zur BKV zu revidieren oder zu aktualisieren. Die getrennte Berechnung der Belastung im Sinne der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV nach dem MDD, die getrennte Berechnung der Belastung im Sinne der BK nach der Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV nach der VDI 2057 sowie die kumulierte Belastung aus den BKen nach den Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV hätten ergeben, dass lediglich für kleinere Zeiträume Belastungen ermittelt worden seien, bei denen der Schwellenwert für die Tagesdosis überschritten worden sei. Die Anzahl dieser Tage sei jedoch so gering, dass der, je nach Berechnungsmodell (MDD bzw. VDI 2057) geforderte Grenzwert für die Gesamtdosis in keinem Fall auch nur annähernd erreicht werde. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Annahme einer gefährdenden Belastung im Sinne der angezeigten BKen seien nicht gegeben.

Der Senat hat das orthopädische Gutachten von Prof. Dr. H. vom 18. November 2004 eingeholt. Der Sachverständige hat ein fehlstatisch bedingtes lokales unteres Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei Bandscheibenschaden L 4/L 5 sowie multisegmentale degenerative Facettenveränderungen mit hierdurch bedingter mäßiger spinaler Enge und temporärer ischialgiformer Irritation rechts diagnostiziert. Für die Annahme einer überwiegend berufsbedingten Störung spreche, dass eine Aufgabe der beruflichen Tätigkeit wirbelsäulenbedingt attestiert sei, ein degenerativer Bandscheibenschaden im Bereich der Lendenwirbelsäule überwiegend im Segment L 4 / L 5 vorliege, diese Veränderungen altersübersteigert seien, die Wirbelsäulenbeschwerden erstmals im Jahre 1976 aufgetreten seien und eine konkurrierende Störung im Sinne einer extremen sportlichen Überlastung bzw. einer entzündlichen Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis nicht vorliege. Gegen eine überwiegend berufsbedingte Störung spreche, dass die gesamte Rumpfwirbelsäule und auch Halswirbelsäule degenerative Veränderungen aufweise, insbesondere im Bereich der Brustwirbelsäule deutlich ausgeprägtere Veränderungen als im lumbalen Bereich vorlägen, die lumbalgiformen Beschwerdebilder bereits im Alter von nur 25 Jahren aufgetreten seien, im Bereich der Rumpfwirbelsäule auch sicherlich konkurrierende Störungen vorlägen, die zu einer asymmetrischen Belastung der Wirbelkörper Anlass geben, im Falle einer berufsbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäulenbandscheiben in aller Regel global sämtliche Bandscheibenetagen betroffen seien, typischerweise von kranial nach kaudal zunehmend, und dies im Falle des Klägers nicht gegeben sei und die spondylotischen Zackenbildungen allenfalls teilweise als belastungsadaptive Reaktionen zu deuten seien und sich auch typische hyperostotische Veränderungen zeigten, die eher Folgen einer Stoffwechselstörung seien. Würden nun diese Argumente gegeneinander gewichtet, so sei im Falle des Klägers eine eindeutige sichere Beweisführung nicht möglich. Die Argumente, die gegen die Anerkennung eines überwiegend berufsbedingten Schadens der Lendenwirbelsäule sprechen, seien zumindest gleichwertig. Vom Morphologischen her liege das typische Schadensbild einer BK nach den Nrn. 2108 bzw. 2110 der Anlage zur BKV nicht vor. Des Weiteren hat Prof. Dr. H. ausgeführt, für die Veränderungen im lumbalen Bereich sei, selbst wenn sie überwiegend berufsbedingt wären, keine MdE rentenberechtigenden Grades einzuschätzen. Schließlich hat Prof. Dr. H. dargelegt, dem Gutachten von Dr. K. vom 18. Februar 2002 sei nicht zu folgen, da dort eine ausführliche klinische Befunderhebung nicht niedergelegt sei und darüber hinaus ein Abwägen der Argumente für und gegen eine berufsbedingte Erkrankung nicht durchgeführt worden sei. Auch habe Prof. Dr. D. in seinem Gutachten von 8. April 2002 bzgl. der Zusammenhangsfrage lapidar auf das Gutachten von Dr. K. vom 18. Februar 2002 verwiesen, ohne dass er ebenfalls eine differenzierte Betrachtung der Argumente für und gegen eine berufsbedingte Erkrankung vorgenommen habe.

Auf Rückfrage des Senats hat Prof. Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 3. Januar 2005 ausgeführt, im Falle des Klägers seien die wichtigeren und somit entscheidenden Argumente gegen die Anerkennung einer berufsbedingten Lendenwirbelsäulen-Bandscheibenerkrankung zu werten. Hierfür spreche zunächst das frühe Auftreten lumbalgiformer Beschwerdebilder im Alter von nur 25 Jahren sowie die völlig atypische Verteilung des Auftretens tatsächlicher fassbarer degenerativer Veränderungen. Das letzte, nämlich das hauptbelastete präsakrale Bandscheibensegment, weise nur geringfügige Veränderungen auf. Im Falle einer klassischen berufsbedingten Störung wäre von einer Zunahme der degenerativen Aufbrauchserscheinungen der Bandscheibenetagen von kranial nach kaudal auszugehen. Die tatsächlich fassbaren Bandscheibenveränderungen seien auch weit weniger ausgeprägt als die degenerativen Veränderungen der sog. Facettengelenke, was ebenfalls eher gegen die Annahme eines primären degenerativen Bandscheibenschadens als berufsbedingte Störung spreche. Daher genügten die tatsächlichen Gegebenheiten nicht, um mit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit eine haftungsausfüllende Kausalität bzgl. der BKen nach den Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV zu bejahen.

Auf den Hinweis des Klägers, dass er im Jahre 1976 bereits 35 Jahre alt gewesen sei und damit die Wirbelsäulenbeschwerden erst in einem Alter von 35 Jahren eingetreten seien, hat Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 18. Februar 2005 ausgeführt, das klassische Auftreten von Rückenbeschwerden aufgrund konstitutioneller Probleme liege im Allgemeinen im Lebensalter zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr. Seine Argumentation, das Lebensalter des Klägers zum Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens von Rückenbeschwerden würde somit gegen die Annahme einer berufsbedingten Schadens sprechen, sei somit nicht aufrecht zu halten. Auf der anderen Seite ergebe sich jedoch keine Änderung in der Gesamtbewertung der Situation. Die wesentlichen Argumente, insbesondere die eindeutige bildgebende Diagnostik sprächen gegen die Annahme einer speziellen haftungsausfüllenden Kausalität.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das fachorthopädische Gutachten von Dr. H. vom 20. September 2005 eingeholt. Dieser hat ein Halswirbelsäulen-/Brustwirbelsäulen-Syndrom mit Funktionsdefizit bei radiologisch nachgewiesenen ausgeprägten hypertrophen Spangenbildungen sowie mittelgradige generalisierte degenerative Veränderungen der Hals- und Brustwirbelsäule mit leichter Brustwirbelsäulenskoliose und ein massives Lendenwirbelsäulensyndrom in Form einer rechtsseitigen Lumboischialgie, einer Spinalkanalstenosesymptomatik mit Funktionsdefizit bei radiologisch nachgewiesenem Bandscheibenvorfall L 4 / 5 sowie radiologisch nachgewiesenen ausgeprägten degenerativen Veränderungen mit Wirbelkörper-Spangenbildungen, einer Osteochondrose und einer Spondylose diagnostiziert. Dr. H. ist zu der Einschätzung gelangt, das Lendenwirbelsäulensyndrom sei beruflich bedingt. Er hat jedoch auch ausgeführt, er wolle nicht unerwähnt lassen, dass er unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch/wissenschaftlichen Lehrmeinung absolut davon überzeugt sei, dass eben genau dieses Krankheitsbild, welches der Kläger im Bereich der Lendenwirbelsäule aufweise, auch hätte auftreten können, ohne dass er der von ihm genannten beruflichen Exposition als Kraftfahrer ausgesetzt gewesen wäre. Die MdE sei mit 20 v. H. einzuschätzen, da eine neurologische Symptomatik bestehe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen beider Beteiligten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, sind zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor.

Während jedoch die Berufung des Klägers unbegründet ist, ist die Berufung der Beklagten im Ergebnis begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, eine BK nach den Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV anzuerkennen. Zu Recht hat die Beklagte auch mit Bescheid vom 10. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2000 die Gewährung von Leistungen wegen einer BK abgelehnt. Das angefochtene Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Im vorliegenden Fall sind nach § 212 SGB VII die zum 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Vorschriften des SGB VII sowie die aufgrund des SGB VII erlassene BKV vom 31. Oktober 1997 anzuwenden, da der Versicherungsfall wenn eine BK vorliegt erst mit der Aufgabe der für wirbelsäulenschädlich gehaltenen Tätigkeit im März 1998 eingetreten ist.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung stellen nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und BKen dar. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, solche Krankheiten als BK zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.

Nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzuerkennen.

Nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzuerkennen.

Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus, dass beim Versicherten zum Einen die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind. Das heißt, er muss im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt gewesen sein, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum Anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Auch wenn ein Versicherter über lange Jahre hinweg Belastungen ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, eine BK hervorzurufen, führt dies nicht automatisch zur Anerkennung und gegebenenfalls Entschädigung. Vielmehr ist, wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der aufgetretenen Erkrankung besteht. Dabei sind neben den beruflichen Faktoren auch Schadensanlagen und außerberufliche Belastungen zu berücksichtigen.

Zu Unrecht hat das SG die Beklagte verurteilt, BKen nach den Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV anzuerkennen.

1.

Gemäß § 77 SGG ist sowohl dem SG wie auch dem Senat eine aufgrund eigener Überprüfung zu treffende Entscheidung über das Vorliegen einer BK nach der Nr. 2110 der Anlage zur BKV durch die Bindungswirkung des Bescheides vom 10. Juni 1999 verwehrt. Mit diesem Bescheid war nämlich beim Kläger das Vorliegen einer BK nach den Nrn. 2108, 2109 und 2110 der Anlage zur BKV verneint worden. Es handelt sich hierbei nicht nur um eine einheitliche Entscheidung über ein mehrfach begründetes Begehren, für eine BK auch welcher Nummer Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erhalten, sondern um eine Entscheidung über jeweils eigenständige, der separaten Bindungswirkung fähige Versicherungsfälle. Ausweislich seiner Widerspruchsbegründung vom 25. Oktober 1999 hatte der rechtskundig vertretene Kläger nur hinsichtlich der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV ausdrücklich Widerspruch eingelegt. Daher hatte die Beklagte nur über das Vorliegen einer BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 4. September 2000 entschieden. Dies bedeutet, dass der Bescheid vom 10. Juni 1999 hinsichtlich des Nichtvorliegens einer BK nach den Nrn. 2109 und 2110 der Anlage zur BKV bindend geworden ist. Diese zwischen den Beteiligten bestehende Bindungswirkung ist auch von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu berücksichtigen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger insoweit beim SG erhobene Klage - mangels eines Vorverfahrens - schon unzulässig ist, oder ob sein auch auf Feststellung einer BK nach den Nrn. 2109 und 2110 der Anlage zur BKV gerichtetes Begehren im Sinne einer Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 und 2 SGG zulässig gewesen wäre. Das SG hätte die Klage dann insoweit entweder als unzulässig oder aber - im Hinblick auf die Bindungswirkung - als unbegründet abweisen müssen. Im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Berufungsverfahrens kann dies dahingestellt bleiben, da auf jeden Fall diesem Teil des vom Kläger erhobenen Klageanspruchs nicht hätte stattgegeben werden dürfen.

Dies bedeutet, dass die Berufung der Beklagten, die sich - auch - gegen die Anerkennung einer BK nach der Nr. 2110 der Anlage zur BKV (wenn auch mit anderer Argumentation) richtet, insoweit schon deshalb begründet ist.

2.

Hinsichtlich der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV lässt der Senat offen, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen im vorliegenden Fall tatsächlich erfüllt sind. Hierbei wären im Übrigen, wie dies der TAD der Beklagten auch tatsächlich getan hat, "Mischbelastungen" durch Heben und Tragen einerseits sowie Ganzkörperschwingungen andererseits einzubeziehen. Da in Fällen, wie dem vorliegenden, in denen eine Trennung der Schäden im Bereich der Lendenwirbelsäule in solche, die durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten und solche, die durch vertikale Ganzkörperschwingungen verursacht worden sind, nicht möglich ist, gegebenenfalls eine Verletztenteilrente wegen der Folgen beider (Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV) die Lendenwirbelsäule betreffender BKen zu gewähren ist (zutreffend LSG Berlin, Urteil vom 7. Dezember 2004 - L 2 U 10/04 - veröffentlicht in Juris), ist im Ergebnis unschädlich, dass - wie dargelegt - aus formalen Gründen nicht über die Anerkennung einer BK nach der Nr. 2110 der Anlage zur BKV entschieden werden kann. Denn jedenfalls mangelt es an der haftungsausfüllenden Kausalität, da die bandscheibenbedingten Erkrankungen nicht überwiegend wahrscheinlich durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden sind. Auf die Frage, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen durch Kumulation der Dosisbelastungen der BKen nach den Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV, insbesondere unter Berücksichtigung des zum 1. Juni 2005 neu aufgelegten Merkblattes zur BK nach der Nr. 2110 der Anlage zur BKV erfüllt sind, kommt es daher nicht an.

Prof. Dr. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 18. November 2004 und seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 3. Januar und 18. Februar 2005 ausführlich die für und gegen einen Ursachenzusammenhang zwischen - unterstellter - beruflicher Belastung und der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule sprechenden Faktoren dargestellt und im Ergebnis überzeugend einen Zusammenhang verneint. Dem schließt sich der Senat an.

Wesentlich für die Anerkennung berufsbedingter Erkrankungen der Wirbelsäule ist, dass die beruflich hauptbelasteten Anteile der gesamten Wirbelsäule bevorzugt von degenerativen Veränderungen betroffen sind. Zugleich ist als zweite Voraussetzung für die Anerkennung zu fordern, dass typische belastungsadaptive Veränderungen der betroffenen Wirbelsäulensegmente in Form von Reparationsvorgängen des Körpers aufgrund einer extremen Überlastung bestehen. Fehlen solche Zeichen, ist danach der Zusammenhang der Erkrankung mit einer mechanischen Überlastung jedenfalls zweifelhaft.

Prof. Dr. Dr. H. hat degenerative Veränderungen in der gesamten Wirbelsäule beschrieben. Im Bereich der Halswirbelsäule liegen ausgeprägte hyperostotische Veränderungen vor. Im Bereich der Brustwirbelsäule besteht eine deutliche skoliotische Fehlstatik und finden sich Residuen einer Scheuermann’schen Erkrankung, von schmorlschen Knötchen und reaktive deutlichere Veränderungen in den seitlichen Abschlussplatten mit spondylotischen Ausziehungen. Hierzu hat Prof. Dr. Dr. H. ausgeführt, diese Veränderungen im Brustwirbelsäulenbereich seien deutlicher ausgeprägt als diejenigen im lumbalen Bereich. Dieses Verteilungsmuster der degenerativen Veränderungen auf die gesamte Wirbelsäule spricht gegen die Annahme einer berufsbedingten Erkrankung. Gegen eine Berufsbedingtheit der Lendenwirbelsäulenerkrankung spricht auch der Umstand, dass die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers nicht - wie im Falle einer berufsbedingten Erkrankung - von kranial nach kaudal zunimmt. So hat Prof. Dr. Dr. H. beschrieben, dass die präsakrale hauptbelastete Bandscheibe nur eher geringfügige Veränderungen zeige. Auch zeigt der Kläger nicht die typischen belastungsadaptiven Reaktionen. Insoweit hat Prof. Dr. Dr. H. ausgeführt, die reaktiven Veränderungen im Bereich der Bandscheibenetagen stünden im Schatten der spondyl-arthrotischen Veränderungen. Die spondylotischen Zackenbildungen seien allenfalls teilweise als belastungsadaptive Reaktionen zu deuten. Es fänden sich auch typische hyperostotische Veränderungen, die eher Folgen einer Stoffwechselstörung seien. Der Senat schließt sich der Einschätzung von Prof. Dr. Dr. H. an. Denn bei Prof. Dr. Dr. H. handelt es sich um einen anerkannten, erfahrenen und qualifizierten Gutachter, der gerade unter dem Gesichtspunkt des vorliegend komplexen und schwierigen Falles eine äußerst sorgfältige Bewertung des ihm zur Verfügung stehenden bildgebenden Materials vorgenommen hat. Im Übrigen stehen seine Ausführungen im Einklang mit den "Konsensusempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung" (veröffentlicht in Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211-252). So entspricht das Schadensbild des Klägers der auf S. 218 dieser Empfehlungen beschriebenen Konstellation B9 (wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren erkennbar und Vorliegen einer Begleitspondylose), bei welcher ein Zusammenhang nicht für wahrscheinlich erachtet wird, falls - wie vorliegend - die konkurrierenden Krankheitsursachen das Schadensbild durch eine überragende Qualität erklären.

Demgegenüber folgte der Senat nicht den Beurteilungen von Dr. K. im Gutachten vom 18. Februar 2002 und Dr. H. im Gutachten vom 20. September 2005. Beide Gutachter haben sich nicht mit den Kriterien, die für und gegen eine Berufsbedingtheit der Lendenwirbelsäulenerkrankung sprechen, argumentativ auseinandergesetzt. Deren Annahme einer BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV ist für den Senat mithin nicht nachvollziehbar.

Da die BK nach der Nr. 2110 der Anlage zur BKV von der Beklagten bindend abgelehnt wurde und für die BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV unter Berücksichtigung der medizinischen Erkenntnisse die haftungsausfüllende Kausalität nicht wahrscheinlich ist, hat das SG zu Unrecht die Beklagte zur Anerkennung der Bandscheibenerkrankung als BK nach den Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV verurteilt und hat der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Nach alledem war der Berufung der Beklagten stattzugeben, die Klage in vollem Umfang abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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