Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 50 SO 1225/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 136/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde, mit der der Antragsteller sein Begehren weiterverfolgt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Pflegegeld nach § 64 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch SGB XII zu gewähren, ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Obwohl der Antragsgegner den Antrag auf Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form des Pflegegeldes nach § 64 SGB XII mit Bescheid vom 03. Juli 2006 gegenüber dem Antragsteller aufgrund eines auf § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - gestützten Bescheides ablehnte, ist der Senat nicht gehindert, im Rahmen eines Verfahrens nach § 86 b Abs. 2 SGG über das Vorliegen eines Anordnungsanspruches zu entscheiden.
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Januar 1985 (BVerwGE 71,8 = NVbZ 1985, 490) u.a. ausgeführt: ". in § 66 SGB I ist ein eigenständiger Versagungsgrund normiert. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt nicht voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen der geltend gemachten Sozialleistungen nicht erfüllt sind. Die Rechtmäßigkeit eines auf § 66 SGB I gestützten Versagungsbescheides ist allein danach zu beurteilen, ob die in dieser Vorschrift geregelten Vorraussetzungen bei seinem Erlass erfüllt waren; Ist die Rechtmäßigkeit der Versagung der Sozialleistung u. a. davon abhängig, dass die (materiell-rechtlichen) Vorraussetzungen der beantragten Sozialleistung nicht - anderweitig, d.h. unabhängig von der unterlassenen Mitwirkung des Antragstellers - nachgewiesen sind, dann kann im Wege der Klage gegen einen auf § 66 SGB I gestützten Versorgungsbescheid grundsätzlich auch nicht die Verpflichtung der Behörde zur Gewährung der beantragten Sozialleistung erstritten werden. "
Dieser Entscheidung ist zu entnehmen, dass eine auf Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe gerichtete Verpflichtungsklage jedenfalls solange unzulässig ist, so lange ein auf § 66 SGB I gestützter Bescheid Wirksamkeit entfaltet. Das bedeutet, dass ein auf § 66 SGB I gestützter Bescheid vor einer gerichtlichen Entscheidung über das Vorliegen der materiell - rechtlichen Vorraussetzungen der beantragten Sozialleistungen entweder durch einen anderen Bescheid bestandskräftig oder durch eine gerichtliche Entscheidung rechtskräftig aufgehoben werden müsste. Dabei entfaltet der vom Antragsteller gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 03. Juli 2006 mit Schreiben vom 10. Juli 2006 eingelegte Widerspruch keine aufschiebende Wirkung (§ 39 Nr. 1 SGB II). Daraus folgt, dass eine vom Antragsteller im jetzigen Zeitpunkt auf die Gewährung von Pflegegeld gerichtete Verpflichtungsklage unzulässig wäre, weil der Antragsteller zunächst eine Anfechtungsklage mit dem Ziel erheben müsste, den auf § 66 SGB I gestützten Bescheid vom 03. Juli 2006 aufzuheben, um dessen Wirkung zu beseitigen.
Überträgt man diese vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze unmittelbar auf das mit der Verpflichtungsklage korrespondierende einstweilige Rechtschutzverfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG, das auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur Weitergewährung von Sozialleistungen gerichtet ist, so würde das dazu führen, dass, so lange der auf § 66 SGB I gestützte Bescheid wirksam ist, auch ein Verfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG (ebenso wie eine in der Hauptsache erhobene Verpflichtungsklage) unzulässig wäre.
Bereits in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur entsprechenden Problematik nach der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO - war jedoch anerkannt, dass dieses Ergebnis mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren wäre; insbesondere nicht mit der aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG - und aus Art. 20 GG abzuleitenden allgemeinen Garantie effektiven gerichtlichen Rechtschutzes, die auch für den vorläufigen Rechtschutz gilt. Sollte nämlich die gerichtliche Prüfung des Vorliegens der Vorraussetzungen eines Anordnungsanspruchs im Sinne des § 86 b Abs. 2 SGG deshalb nicht möglich sein, weil ein wirksamer Bescheid nach § 66 SGB I entgegensteht, könnte dies dazu führen, dass der Sozialleistungsträger durch den Erlass von - auch rechtswidrigen, aber wirksamen - Bescheiden nach § 66 SGB I die Gewährung von Sozialleistungen im einstweiligen Rechtschutzverfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG gewissermaßen "blockieren" könnte, was nicht hinnehmbar wäre (vgl. zum Ganzen Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 13. April 1994, Az. 12 CE 94.99; juris).
Folglich ist das Gericht im Sinne des § 86 b Abs. 2 SGG, hier das Landessozialgericht, nicht gehindert, auch dann über das Bestehen eines Anordnungsanspruches, also den materiellen Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtschutz sucht, zu entscheiden, wenn der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen mit einem auf § 66 SGB I gestützten Bescheid versagte. Dies kann allerdings nur gelten, wenn dieser auf § 66 SGB I gestützte Bescheid noch nicht bestandkräftig geworden ist; das ist hier der Fall, weil der Antragsteller gegen den Bescheid vom 03. Juli 2006 - frist- und formgerecht- Widerspruch eingelegt hat.
Andererseits ist es im Rahmen einer Entscheidung nach § 86 b Abs. 2 SGG nicht möglich, die rechtlichen Vorraussetzungen zu überprüfen, die zu dem Erlass eines Bescheides nach § 66 SBG I geführt haben. Gleichwohl können dieselben Umstände, die zum Erlass des Bescheides nach § 66 SGB I geführt haben, im Verfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG im Rahmen der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches zum Tragen kommen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bleibt die Beschwerde erfolglos, weil es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches fehlt (§ 86 b Abs. 2 SGG, § 920 Abs. 2 ZPO). Dem Antragsteller ist es nicht gelungen, eine im Rahmen des § 64 SGB XII tatbestandliche erhebliche Pflegebedürftigkeit und somit einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Glaubhaftmachung bedeutet, dass die geltend gemachten Tatsachen überwiegend wahrscheinlich sind (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86 b Rn. 16 b m. w. N.). Die überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordert, dass mehr für sie als dagegen spricht. Dies ist bezüglich des Vorliegens einer erheblichen Pflegebedürftigkeit des Antragstellers nicht der Fall.
Nach dem vom Gesundheitsamt des Antragsgegners durch die Ärztinnen Dres. F und S nach einem Hausbesuch am 01. August 2006 erstellten Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß Sozialgesetzbuch Elftes Buch SGB XI besteht in keinem der maßgeblichen Bereiche Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftliche Versorgung ein Pflegebedarf des Antragstellers. Der Senat sieht auch nach den mit Schriftsatz des Antragstellers vom 14. September 2006 vorgebrachten Einwänden keinen Anlass, an den in dem vorliegenden Gutachten mitgeteilten Sachverhalten zu zweifeln. Der Antragsteller hat gegen das Gutachten vorgebracht, er sei entgegen den dortigen Feststellungen nicht – wenn auch mühsam - selbstständig aus dem Bett aufgestanden, sondern von "zwei Personen" aus dem Bett gezogen worden, er habe auch nicht eine Socke vom Fußboden aufgehoben und ein selbstständiges Gehen sei ihm auch mit Rollator nicht möglich gewesen. Für dieses Vorbringen, mit dem er die Ärztinnen des Gesundheitsdienstes des Antragsgegners der Lüge bezichtigt, bietet der Antragsteller keine Mittel der Glaubhaftmachung an, insbesondere belegt er seine eigenen Behauptungen nicht durch entsprechende hausärztliche Atteste. Auf die Feststellungen des Gutachtens zum Pflegebedarf in den einzelnen im Rahmen des § 64 SGB XII maßgeblichen Bereichen geht der Antragsteller in seiner Stellungnahme nicht ein, sondern erhebt pauschale Vorwürfe gegen die Gutachterinnen, die ihn seiner Auffassung nach fachlich unzutreffend beurteilt hätten. Er trägt weder vor, welche Feststellungen in dem Pflegegutachten hinsichtlich des Pflegebedarfs den Tatsachen nicht entsprechen sollen, noch legt er diesbezügliche konkrete hausärztliche Atteste vor.
Die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Pflegebedürftigkeit des Antragstellers folgt auch nicht aus den von ihm zuvor eingereichten Attesten seiner Hausärzte vom 19. und 27. Juni 2006. Die Behauptungen des behandelnden Orthopäden DM Lehmann im Attest vom 19. Juni 2006, der Antragsteller sei aufgrund von Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen und der daraus folgenden erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nicht in der Lage, "ohne ständige Pflegeperson ein menschenwürdiges Leben zu führen" und er sei auf "Pflegeleistungen, die sich in Bereichen: Körperpflege, Ernährung, Mobilität sowie hauswirtschaftlicher Versorgung erstrecken, dringend angewiesen", sind pauschal und schon mangels konkreter Angaben des Umfangs der vom Arzt festgestellten Leistungsfähigkeit des Antragstellers für den Senat nicht nachvollziehbar. Dasselbe gilt für das Attest des Allgemeinmediziners Nessis vom 27. Juni 2006, der ebenfalls keine für den Senat nachvollziehbaren Feststellungen enthält. Mit diesen Bescheinigungen belegt der Antragsteller, der die Wohnung nach Aktenlage mit seinem tagsüber arbeitsbedingt abwesenden Sohn teilt, im Übrigen auch nicht mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit, dass seine hauswirtschaftliche Versorgung nicht durch seinen Sohn sichergestellt ist und er selbst daher mehrfach in der Woche Hilfe hierfür benötigt, wie es § 64 Abs. 1 SGB XII voraussetzt.
Insofern bestand für den Senat auch im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens kein Anhaltspunkt für eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Einholung eines weiteren Pflegegutachtens. Der Antragsteller wird seine behauptete erhebliche Pflegebedürftigkeit im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens klären lassen müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde, mit der der Antragsteller sein Begehren weiterverfolgt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Pflegegeld nach § 64 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch SGB XII zu gewähren, ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Obwohl der Antragsgegner den Antrag auf Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form des Pflegegeldes nach § 64 SGB XII mit Bescheid vom 03. Juli 2006 gegenüber dem Antragsteller aufgrund eines auf § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - gestützten Bescheides ablehnte, ist der Senat nicht gehindert, im Rahmen eines Verfahrens nach § 86 b Abs. 2 SGG über das Vorliegen eines Anordnungsanspruches zu entscheiden.
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Januar 1985 (BVerwGE 71,8 = NVbZ 1985, 490) u.a. ausgeführt: ". in § 66 SGB I ist ein eigenständiger Versagungsgrund normiert. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt nicht voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen der geltend gemachten Sozialleistungen nicht erfüllt sind. Die Rechtmäßigkeit eines auf § 66 SGB I gestützten Versagungsbescheides ist allein danach zu beurteilen, ob die in dieser Vorschrift geregelten Vorraussetzungen bei seinem Erlass erfüllt waren; Ist die Rechtmäßigkeit der Versagung der Sozialleistung u. a. davon abhängig, dass die (materiell-rechtlichen) Vorraussetzungen der beantragten Sozialleistung nicht - anderweitig, d.h. unabhängig von der unterlassenen Mitwirkung des Antragstellers - nachgewiesen sind, dann kann im Wege der Klage gegen einen auf § 66 SGB I gestützten Versorgungsbescheid grundsätzlich auch nicht die Verpflichtung der Behörde zur Gewährung der beantragten Sozialleistung erstritten werden. "
Dieser Entscheidung ist zu entnehmen, dass eine auf Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe gerichtete Verpflichtungsklage jedenfalls solange unzulässig ist, so lange ein auf § 66 SGB I gestützter Bescheid Wirksamkeit entfaltet. Das bedeutet, dass ein auf § 66 SGB I gestützter Bescheid vor einer gerichtlichen Entscheidung über das Vorliegen der materiell - rechtlichen Vorraussetzungen der beantragten Sozialleistungen entweder durch einen anderen Bescheid bestandskräftig oder durch eine gerichtliche Entscheidung rechtskräftig aufgehoben werden müsste. Dabei entfaltet der vom Antragsteller gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 03. Juli 2006 mit Schreiben vom 10. Juli 2006 eingelegte Widerspruch keine aufschiebende Wirkung (§ 39 Nr. 1 SGB II). Daraus folgt, dass eine vom Antragsteller im jetzigen Zeitpunkt auf die Gewährung von Pflegegeld gerichtete Verpflichtungsklage unzulässig wäre, weil der Antragsteller zunächst eine Anfechtungsklage mit dem Ziel erheben müsste, den auf § 66 SGB I gestützten Bescheid vom 03. Juli 2006 aufzuheben, um dessen Wirkung zu beseitigen.
Überträgt man diese vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze unmittelbar auf das mit der Verpflichtungsklage korrespondierende einstweilige Rechtschutzverfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG, das auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur Weitergewährung von Sozialleistungen gerichtet ist, so würde das dazu führen, dass, so lange der auf § 66 SGB I gestützte Bescheid wirksam ist, auch ein Verfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG (ebenso wie eine in der Hauptsache erhobene Verpflichtungsklage) unzulässig wäre.
Bereits in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur entsprechenden Problematik nach der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO - war jedoch anerkannt, dass dieses Ergebnis mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren wäre; insbesondere nicht mit der aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG - und aus Art. 20 GG abzuleitenden allgemeinen Garantie effektiven gerichtlichen Rechtschutzes, die auch für den vorläufigen Rechtschutz gilt. Sollte nämlich die gerichtliche Prüfung des Vorliegens der Vorraussetzungen eines Anordnungsanspruchs im Sinne des § 86 b Abs. 2 SGG deshalb nicht möglich sein, weil ein wirksamer Bescheid nach § 66 SGB I entgegensteht, könnte dies dazu führen, dass der Sozialleistungsträger durch den Erlass von - auch rechtswidrigen, aber wirksamen - Bescheiden nach § 66 SGB I die Gewährung von Sozialleistungen im einstweiligen Rechtschutzverfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG gewissermaßen "blockieren" könnte, was nicht hinnehmbar wäre (vgl. zum Ganzen Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 13. April 1994, Az. 12 CE 94.99; juris).
Folglich ist das Gericht im Sinne des § 86 b Abs. 2 SGG, hier das Landessozialgericht, nicht gehindert, auch dann über das Bestehen eines Anordnungsanspruches, also den materiellen Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtschutz sucht, zu entscheiden, wenn der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen mit einem auf § 66 SGB I gestützten Bescheid versagte. Dies kann allerdings nur gelten, wenn dieser auf § 66 SGB I gestützte Bescheid noch nicht bestandkräftig geworden ist; das ist hier der Fall, weil der Antragsteller gegen den Bescheid vom 03. Juli 2006 - frist- und formgerecht- Widerspruch eingelegt hat.
Andererseits ist es im Rahmen einer Entscheidung nach § 86 b Abs. 2 SGG nicht möglich, die rechtlichen Vorraussetzungen zu überprüfen, die zu dem Erlass eines Bescheides nach § 66 SBG I geführt haben. Gleichwohl können dieselben Umstände, die zum Erlass des Bescheides nach § 66 SGB I geführt haben, im Verfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG im Rahmen der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches zum Tragen kommen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bleibt die Beschwerde erfolglos, weil es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches fehlt (§ 86 b Abs. 2 SGG, § 920 Abs. 2 ZPO). Dem Antragsteller ist es nicht gelungen, eine im Rahmen des § 64 SGB XII tatbestandliche erhebliche Pflegebedürftigkeit und somit einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Glaubhaftmachung bedeutet, dass die geltend gemachten Tatsachen überwiegend wahrscheinlich sind (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86 b Rn. 16 b m. w. N.). Die überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordert, dass mehr für sie als dagegen spricht. Dies ist bezüglich des Vorliegens einer erheblichen Pflegebedürftigkeit des Antragstellers nicht der Fall.
Nach dem vom Gesundheitsamt des Antragsgegners durch die Ärztinnen Dres. F und S nach einem Hausbesuch am 01. August 2006 erstellten Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß Sozialgesetzbuch Elftes Buch SGB XI besteht in keinem der maßgeblichen Bereiche Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftliche Versorgung ein Pflegebedarf des Antragstellers. Der Senat sieht auch nach den mit Schriftsatz des Antragstellers vom 14. September 2006 vorgebrachten Einwänden keinen Anlass, an den in dem vorliegenden Gutachten mitgeteilten Sachverhalten zu zweifeln. Der Antragsteller hat gegen das Gutachten vorgebracht, er sei entgegen den dortigen Feststellungen nicht – wenn auch mühsam - selbstständig aus dem Bett aufgestanden, sondern von "zwei Personen" aus dem Bett gezogen worden, er habe auch nicht eine Socke vom Fußboden aufgehoben und ein selbstständiges Gehen sei ihm auch mit Rollator nicht möglich gewesen. Für dieses Vorbringen, mit dem er die Ärztinnen des Gesundheitsdienstes des Antragsgegners der Lüge bezichtigt, bietet der Antragsteller keine Mittel der Glaubhaftmachung an, insbesondere belegt er seine eigenen Behauptungen nicht durch entsprechende hausärztliche Atteste. Auf die Feststellungen des Gutachtens zum Pflegebedarf in den einzelnen im Rahmen des § 64 SGB XII maßgeblichen Bereichen geht der Antragsteller in seiner Stellungnahme nicht ein, sondern erhebt pauschale Vorwürfe gegen die Gutachterinnen, die ihn seiner Auffassung nach fachlich unzutreffend beurteilt hätten. Er trägt weder vor, welche Feststellungen in dem Pflegegutachten hinsichtlich des Pflegebedarfs den Tatsachen nicht entsprechen sollen, noch legt er diesbezügliche konkrete hausärztliche Atteste vor.
Die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Pflegebedürftigkeit des Antragstellers folgt auch nicht aus den von ihm zuvor eingereichten Attesten seiner Hausärzte vom 19. und 27. Juni 2006. Die Behauptungen des behandelnden Orthopäden DM Lehmann im Attest vom 19. Juni 2006, der Antragsteller sei aufgrund von Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen und der daraus folgenden erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nicht in der Lage, "ohne ständige Pflegeperson ein menschenwürdiges Leben zu führen" und er sei auf "Pflegeleistungen, die sich in Bereichen: Körperpflege, Ernährung, Mobilität sowie hauswirtschaftlicher Versorgung erstrecken, dringend angewiesen", sind pauschal und schon mangels konkreter Angaben des Umfangs der vom Arzt festgestellten Leistungsfähigkeit des Antragstellers für den Senat nicht nachvollziehbar. Dasselbe gilt für das Attest des Allgemeinmediziners Nessis vom 27. Juni 2006, der ebenfalls keine für den Senat nachvollziehbaren Feststellungen enthält. Mit diesen Bescheinigungen belegt der Antragsteller, der die Wohnung nach Aktenlage mit seinem tagsüber arbeitsbedingt abwesenden Sohn teilt, im Übrigen auch nicht mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit, dass seine hauswirtschaftliche Versorgung nicht durch seinen Sohn sichergestellt ist und er selbst daher mehrfach in der Woche Hilfe hierfür benötigt, wie es § 64 Abs. 1 SGB XII voraussetzt.
Insofern bestand für den Senat auch im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens kein Anhaltspunkt für eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Einholung eines weiteren Pflegegutachtens. Der Antragsteller wird seine behauptete erhebliche Pflegebedürftigkeit im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens klären lassen müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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