Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 58 AL 5308/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 AL 30/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2001 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Insolvenzgeld.
Der 1953 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1997 als Baufacharbeiter bei der zu einer Gruppe mehrerer Unternehmen des Baugewerbes gehörenden H GmbH (Arbeitgeberin) beschäftigt, nachdem er zuvor bereits bei anderen Gesellschaften dieser Unternehmensgruppe gearbeitet hatte.
Am 14. Oktober 1998 beantragte die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Berlin, über das Vermögen der Arbeitgeberin das Konkursverfahren zu eröffnen.
Der Kläger erhielt seinen Lohn für die Monate Februar bis April 1999 nicht mehr.
Mit Beschluss vom 23. März 1999, der der Arbeitgeberin am 30. Juni 1999 und der AOK Berlin am 2. Juli 1999 zugestellt wurde, lehnte das Amtsgericht Charlottenburg die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin mangels Masse ab.
Die Arbeitgeberin stellte am 30. April 1999 ihre Betriebstätigkeit vollständig ein. Der Kläger arbeitete danach für ein anderes Unternehmen der Unternehmensgruppe (die E GmbH).
Mit Schreiben vom 15. Mai 1999 bestätigte die Arbeitgeberin dem Kläger, dass seine Lohnansprüche für die Monate Februar bis April 1999 (in Höhe von insgesamt 9277,88 DM netto) unabhängig von bestehenden Ausschlussfristen anerkannt würden.
Mit einem am 31. Mai 1999 beim Arbeitsamt Berlin Nord eingegangenen Brief vom 27. Mai 1999 bat die Arbeitgeberin um Übersendung von Insolvenz(geld)bescheinigungen und -anträgen für 36 namentlich aufgeführte Mitarbeiter (darunter der Kläger); es seien Konkursanträge (Fremdanträge) gestellt. Mit Brief vom 14. Juli 1999 (Eingang beim Arbeitsamt Berlin Nord am 15. Juli 1999) übersandte die Arbeitgeberin für die Beschäftigten ihrer Gesellschaft die ausgefüllten Anträge auf Insolvenzgeld sowie ausgefüllte Insolvenzgeldbescheinigungen. Der den Kläger betreffende Antragsvordruck trägt einen Eingangstempel des Arbeitsamtes Berlin Nord vom 15. Juli 1999. Die Arbeitgeberin teilte ferner mit, dass sie von dem Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 23. März 1999 auf Grund persönlicher Vorsprache am 1. Juni 1999 Kenntnis erhalten habe.
In dem vom Kläger mit Datum vom 30. Juni 1999 unterschriebenen Antragsvordruck ist angegeben, dass die Betriebstätigkeit am 30. April 1999 vollständig beendet worden sei. Die Nichtzahlung des Arbeitsentgelts sei mit Zahlungsunfähigkeit begründet worden. Das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung des Klägers zum 30. April 1999 gelöst worden. Ergänzend gab der Kläger im September 1999 an, dass er am 3. Juni 1999 über den Bauleiter erstmals Kenntnis von dem Beschluss des Konkursgerichts erhalten habe. Nach und auf Grund dieser Information habe er erstmals den Verdacht gehabt, dass die Arbeitgeberin zahlungsunfähig sein könnte. Er habe durch laufende mündliche Anmahnungen und Androhungen der Einstellung der Arbeit Lohnzahlungen erwirkt. Dieser Mitteilung fügte der Kläger die Ablichtung einer an die Arbeitgeberin gerichteten fristlosen Kündigung "wegen bestehender Lohnforderungen" vom 30. April 1999 bei.
Mit Bescheid vom 5. Oktober 1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Insolvenzgeld ab, da der Kläger, der seinen Antrag erst am 20. Juni 1999 gestellt habe, die am 23. Mai 1999 endende Antragsfrist versäumt habe.
Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. November 1999). In seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe die Antragsfrist nicht versäumt. Gerüchteweise habe er Ende Mai 1999 von einem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gehört und am 31. Mai 1999 einen Antrag auf Insolvenzgeld gestellt. Erst am 30. Juni 1999 sei ihm von seiner ehemaligen Arbeitgeberin Kenntnis von dem Abweisungsbeschluss gegeben worden. Er habe den Antrag mangels Kenntnis überhaupt nicht bis zum 23. Mai 1999 stellen können. Die Frist des § 324 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuches, Drittes Buch – SGB III – könne erst ab Kenntnis des Antragstellers laufen und sei deshalb unter Berücksichtigung des von der Arbeitgeberin am 15. Juli 1999 beim Arbeitsamt eingereichten Antrages auf Insolvenzgeld nicht versäumt worden. Die Unkenntnis habe er nicht zu vertreten. Im Übrigen habe er auch die Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III nicht aus Gründen versäumt, die er zu vertreten habe. Zur Durchsetzung seiner Entgeltansprüche habe er sich diese schriftlich bestätigen lassen und die Arbeitgeberin mündlich mehrfach zur Zahlung aufgefordert, tatsächlich habe die Arbeitgeberin auch noch nach Einleitung des Konkursverfahrens rückständige Gehälter – insbesondere für Januar 1999 – gezahlt, auch an ihn selbst am 27. Mai 1999 einen Teilbetrag von 1000,- DM auf den rückständigen Lohn für Januar 1999. Da sogar noch nach Stellung des Antrages auf Konkurs Zahlungen erfolgt seien, habe er auch mit weiteren Zahlungen rechnen können, zumal ihm der Geschäftsführer der Arbeitgeberin dies zugesagt habe. Es habe deshalb keine Veranlassung für eine gerichtliche Geltendmachung bestanden.
Das Sozialgericht hat die Beklagte am 23. Februar 2001 verurteilt, dem Kläger für die Monate Februar bis April 1999 Insolvenzgeld zu gewähren und zur Begründung ausgeführt, selbst wenn von einer Versäumung der Antragsfrist ausgegangen werde, seien jedenfalls die Voraussetzungen für die Gewährung einer Nachfrist erfüllt. Es könne dem Kläger angesichts der Umstände (Weiterbeschäftigung in einem anderen Unternehmen, Anerkennung der Entgeltansprüche, teilweise Erfüllung rückständiger Zahlungsansprüche) nicht als mangelnde Sorgfalt vorgehalten werden, nicht vorsorglich einen Insolvenzgeldantrag gestellt zu haben. Die Firmengruppe habe sich für die Arbeitnehmer als einheitlicher Arbeitgeber dargestellt, und durch den Verzicht auf einen vorsorglichen Insolvenzgeldantrag hätten sie eine nahtlose Weiterbeschäftigung anstelle drohender Arbeitslosigkeit, deren Vermeidung von ihnen arbeitsförderungsrechtlich verlangt werde, erreicht. Der Kläger sei keineswegs vor dem Hintergrund leerer Versprechungen oder eines offensichtlich unsoliden Arbeitgebers untätig geblieben, sondern habe im Bemühen um eine Fortsetzung seiner Beschäftigung darauf vertraut, auf Grund der von seinem früheren Arbeitgeber getroffenen Vorkehrungen im Notfall – dem Eintritt eines Insolvenzereignisses – abgesichert zu sein. Dieses Vertrauen sei schutzwürdig.
Gegen das ihr am 20. März 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. April 2001 erhobene Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Sie trägt vor, dem Kläger sei keine Nachfrist einzuräumen, weil wegen der ausstehenden Lohnansprüche und einer Betriebsversammlung im März 1999 mit entsprechenden Erläuterungen hinreichende Anhaltspunkte für den Eintritt eines Insolvenzereignisses vorgelegen hätten und der Kläger nicht alles ihm Zumutbare getan habe, um die Antragsfrist einzuhalten. Den Angaben des Arbeitgebers habe er nicht vertrauen dürfen. Eine Unkenntnis über Ansprüche auf Konkursausfallgeld reiche für ein Nichtvertretenmüssen der Fristversäumnis nicht aus. Die gesetzliche Regelung stehe auch mit der EWG-Richtlinie in Einklang.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint im Übrigen, dass die Antragsfrist nicht mit § 9 der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschrift der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vom 20. Oktober 1980 – EWGRL 987/80 – in Einklang steht. Das Sozialgericht Leipzig habe diese Rechtsfrage deshalb dem EuGH vorgelegt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin – S 58 AL 5308/99 – sowie die den Kläger betreffende InsG-Akte der Beklagten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht erhobene und auch im Übrigen statthafte (§§ 143,144 Abs.1, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -) Berufung der Beklagten, über die anstelle des nicht mehr bestehenden Landessozialgerichts Berlin das in Übereinstimmung mit § 28 Abs. 2 SGG durch den Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 errichtete Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zu entscheiden hat, auf das das Verfahren gemäß Art. 28 des Staatsvertrages am 1. Juli 2005 in dem Stand, in dem es sich an diesem Tag befunden hat, übergegangen ist, ist zulässig und sachlich auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Gewährung von Insolvenzgeld für die Monate Februar bis April 1999.
Arbeitnehmer haben nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei
1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,
(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. Der Anspruch des Klägers scheitert daran, dass er die nach § 324 Abs. 3 SGB III bestehende Ausschlussfrist für die Beantragung von Insolvenzgeld versäumt hat und ihm eine Nachfrist nicht einzuräumen ist.
Nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Maßgeblicher Zeitpunkt des Insolvenzereignisses ist vorliegend der 23. März 1999. An diesem Tag hat das Amtsgericht Charlottenburg durch Beschluss die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin des Klägers abgelehnt, so dass der in § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III beschriebene Fall eingetreten war. Maßgebend für das Insolvenzereignis ist das Datum der richterlichen Unterschrift. Denn der Beschluss war seit diesem Zeitpunkt rechtlich existent. Es kommt dagegen nicht darauf an, wann der Beschluss zugestellt worden ist oder wann die betroffenen Arbeitnehmer Kenntnis von ihm erlangt haben (Bundessozialgericht, Urteil vom 30. April 1996 – 10 RAr 8/94 - ). Die zweimonatige Ausschlussfrist begann demnach am 24. März 1999 und endete – wegen der Pfingstfeiertage – am 25. Mai 1999. Diese Frist hat der Kläger versäumt. Denn sein am 30. Juni 1999 unterzeichneter Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld ging erst am 15. Juli 1999 bei der Beklagten ein. An der Verspätung änderte sich auch nichts, wenn bereits die am 31. Mai 1999 bei der Beklagten eingegangene Anforderung der früheren Arbeitgeberin von Formanträgen als Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld angesehen werden könnte.
Dem Kläger kommt die in § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III vorgesehene Nachfrist nicht zugute. Dort ist bestimmt, dass Insolvenzgeld auch geleistet wird, wenn der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat, und der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird. Allerdings hat der Arbeitnehmer nach § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III die Fristversäumnis zu vertreten, wenn er sich nicht mit der gebotenen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat. Die unverschuldete Unkenntnis von einem Insolvenzereignis führt also nur dann zur Eröffnung einer weiteren Antragsfrist, wenn sich der Arbeitnehmer um die Durchsetzung seiner rückständigen Lohnansprüche bemüht hat. Daran fehlt es hier aber.
Der Kläger unternahm nichts, um die Lohnansprüche gegen seine ehemalige Arbeitgeberin auch durchzusetzen. Dabei bestand durchaus Anlass, weil offenbar bereits der Lohn für Januar zumindest nicht vollständig und der Lohn für die Monate Februar bis April 1999 überhaupt nicht mehr gezahlt worden war. Demgemäß lag die Annahme nahe, dass bei der Arbeitgeberin Zahlungsschwierigkeiten bestehen, zumal sie durch die erteilten Lohnabrechnungen und später noch durch das Schreiben vom 15. Mai 1999 deutlich gemacht hatte, dass die Ansprüche dem Grunde nach nicht bestritten werden. Ferner wurde die Betriebstätigkeit zum 30. April 1999 vollständig eingestellt. Der Kläger hat auch selbst seine fristlose Kündigung vom 30. April 1999 mit noch "bestehenden Lohnforderungen" begründet. Danach musste sich schon vor Bekanntwerden der Abweisung des Insolvenzantrages aufdrängen, dass das Fortbestehen der Zahlungsfähigkeit fraglich war. Der Kläger unternahm aber weder vorher noch unmittelbar nachher irgendetwas, um seine Ansprüche gegen die Arbeitgeberin durchzusetzen. Die von ihm behaupteten mündlichen Mahnungen reichen nicht aus. Denn sie waren nicht darauf gerichtet, einen vollstreckbaren Titel zu erhalten. Weder wurde dazu Klage auf Zahlung erhoben noch ein Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides gestellt, selbst eine vorbereitende Zahlungsaufforderung unter Fristsetzung erfolgte nicht. Die nicht etwa auf Verlangen des Klägers ausgestellte Bescheinigung vom 15. Mai 1999 war nicht dazu geeignet, Arbeitsentgelt tatsächlich zu erhalten. Vielmehr hat sich der Kläger offenbar darauf verlassen, dass seine Arbeitgeberin für ihn die Zahlung von Insolvenzgeld erreichen werde. Folglich ist ihm vorzuwerfen, dass er sich nicht selbst mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seine Ansprüche bemüht hat.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 30. April 1996 – 10 RAr 8/94 -. Dort wird jedenfalls "nach Ablauf von drei Monaten nach der letzten Abschlagszahlung" ein entschiedeneres Vorgehen gegen den Arbeitgeber verlangt. Die letzte Abschlagszahlung erfolgte vorliegend spätestens im Januar 1999. Die unvollständige Zahlung für Januar und das Ausbleiben des Entgelts ab Februar 1999 hat der Kläger über einen längeren Zeitraum hingenommen, ohne Maßnahmen gegen seine Arbeitgeberin zu ergreifen. Dass aus der Zeit vor Februar 1999 noch Lohnforderungen offen waren, ergibt sich daraus, dass der Kläger am 27. Mai 1999 eine Zahlung auf rückständige Lohnforderungen erhalten hatte. Diese Nachzahlung – offenbar auf den Lohn für Januar 1999 – erfolgte selbst dann mehr als drei Monate nach der letzten Abschlagzahlung, wenn der Lohn für Januar teilweise noch fristgerecht von der Arbeitgeberin ausgezahlt worden sein sollte und "heilte" deshalb die zwischenzeitliche Untätigkeit des Klägers nicht. Soweit in dem Sitzungsprotokoll des Landessozialgerichtes Mecklenburg-Vorpommern vom 22. Juli 2003 eine andere Auffassung des dortigen Berichterstatters deutlich geworden ist, folgt der Senat dem nicht. Das dortige Verfahren endete durch Berufungsrücknahme von Seiten der Beklagten, so dass kein Urteil vorliegt, mit dessen Entscheidungsgründen der Senat sich auseinandersetzten könnte oder von dem er abweicht.
Die Ausführungen des Sozialgerichtes in dem angefochtenen Urteil zum schutzwürdigen Vertrauen des Klägers liegen neben der Sache. Unabhängig davon, dass weder erkennbar noch begründet worden ist, weshalb einem Arbeitnehmer nach mehrmonatiger Nichtzahlung des Arbeitsentgeltes die vorsorgliche Stellung eines Insolvenzgeldantrages unzumutbar sein könnte, setzt die Nachfrist für die Inanspruchnahme der (nachrangigen) Versicherungsleistung Insolvenzgeld vorherige (erfolglose) Bemühungen zur Durchsetzung der originären Ansprüche auf Arbeitsentgelt voraus. Der Kläger war bei seiner Arbeitgeberin und nicht bei der Beklagten beschäftigt, so dass es für die Frage der erforderlichen Sorgfalt unerheblich ist, ob und aus welchen Gründen er gegen diese keine Ansprüche (vorsorglich auf Insolvenzgeld) erhoben hat.
Fehlt es damit aber an jeglichen Aktivitäten des Klägers zur Durchsetzung seiner Arbeitsentgeltansprüche gegen die (frühere) Arbeitgeberin, liegen die Erfordernisse für die Gewährung einer Nachfrist nicht vor, so dass die Entscheidungen der Beklagten nicht zu beanstanden sind und die Berufung Erfolg haben musste.
Die in § 324 Abs. 3 SGB III geregelte Ausschlussfrist verstößt auch nicht gegen europäisches Recht. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem auf Vorlage des Sozialgerichts Leipzig ergangenen Urteil vom 18. September 2003 – C- 125/01 – (Sozialrecht 4 – 4300 § 324 Nr. 1) die Vereinbarkeit einer Ausschlussfrist mit der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (80/987/EWG) vom 20. Oktober 1980 bestätigt, wenn die Frist nicht kürzer als bei gleichartigen innerstaatlichen Anträgen ist und sie die Ausübung der von der Gemeinschaftsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich macht. Der Senat sieht insbesondere wegen der Einräumung einer Nachfrist nicht, dass § 324 Abs. 3 SGB III mit den beiden letztgenannten Vorgaben unvereinbar sein könnte, zumal auch der Kläger dazu nichts vorgetragen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Insolvenzgeld.
Der 1953 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1997 als Baufacharbeiter bei der zu einer Gruppe mehrerer Unternehmen des Baugewerbes gehörenden H GmbH (Arbeitgeberin) beschäftigt, nachdem er zuvor bereits bei anderen Gesellschaften dieser Unternehmensgruppe gearbeitet hatte.
Am 14. Oktober 1998 beantragte die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Berlin, über das Vermögen der Arbeitgeberin das Konkursverfahren zu eröffnen.
Der Kläger erhielt seinen Lohn für die Monate Februar bis April 1999 nicht mehr.
Mit Beschluss vom 23. März 1999, der der Arbeitgeberin am 30. Juni 1999 und der AOK Berlin am 2. Juli 1999 zugestellt wurde, lehnte das Amtsgericht Charlottenburg die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin mangels Masse ab.
Die Arbeitgeberin stellte am 30. April 1999 ihre Betriebstätigkeit vollständig ein. Der Kläger arbeitete danach für ein anderes Unternehmen der Unternehmensgruppe (die E GmbH).
Mit Schreiben vom 15. Mai 1999 bestätigte die Arbeitgeberin dem Kläger, dass seine Lohnansprüche für die Monate Februar bis April 1999 (in Höhe von insgesamt 9277,88 DM netto) unabhängig von bestehenden Ausschlussfristen anerkannt würden.
Mit einem am 31. Mai 1999 beim Arbeitsamt Berlin Nord eingegangenen Brief vom 27. Mai 1999 bat die Arbeitgeberin um Übersendung von Insolvenz(geld)bescheinigungen und -anträgen für 36 namentlich aufgeführte Mitarbeiter (darunter der Kläger); es seien Konkursanträge (Fremdanträge) gestellt. Mit Brief vom 14. Juli 1999 (Eingang beim Arbeitsamt Berlin Nord am 15. Juli 1999) übersandte die Arbeitgeberin für die Beschäftigten ihrer Gesellschaft die ausgefüllten Anträge auf Insolvenzgeld sowie ausgefüllte Insolvenzgeldbescheinigungen. Der den Kläger betreffende Antragsvordruck trägt einen Eingangstempel des Arbeitsamtes Berlin Nord vom 15. Juli 1999. Die Arbeitgeberin teilte ferner mit, dass sie von dem Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 23. März 1999 auf Grund persönlicher Vorsprache am 1. Juni 1999 Kenntnis erhalten habe.
In dem vom Kläger mit Datum vom 30. Juni 1999 unterschriebenen Antragsvordruck ist angegeben, dass die Betriebstätigkeit am 30. April 1999 vollständig beendet worden sei. Die Nichtzahlung des Arbeitsentgelts sei mit Zahlungsunfähigkeit begründet worden. Das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung des Klägers zum 30. April 1999 gelöst worden. Ergänzend gab der Kläger im September 1999 an, dass er am 3. Juni 1999 über den Bauleiter erstmals Kenntnis von dem Beschluss des Konkursgerichts erhalten habe. Nach und auf Grund dieser Information habe er erstmals den Verdacht gehabt, dass die Arbeitgeberin zahlungsunfähig sein könnte. Er habe durch laufende mündliche Anmahnungen und Androhungen der Einstellung der Arbeit Lohnzahlungen erwirkt. Dieser Mitteilung fügte der Kläger die Ablichtung einer an die Arbeitgeberin gerichteten fristlosen Kündigung "wegen bestehender Lohnforderungen" vom 30. April 1999 bei.
Mit Bescheid vom 5. Oktober 1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Insolvenzgeld ab, da der Kläger, der seinen Antrag erst am 20. Juni 1999 gestellt habe, die am 23. Mai 1999 endende Antragsfrist versäumt habe.
Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. November 1999). In seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe die Antragsfrist nicht versäumt. Gerüchteweise habe er Ende Mai 1999 von einem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gehört und am 31. Mai 1999 einen Antrag auf Insolvenzgeld gestellt. Erst am 30. Juni 1999 sei ihm von seiner ehemaligen Arbeitgeberin Kenntnis von dem Abweisungsbeschluss gegeben worden. Er habe den Antrag mangels Kenntnis überhaupt nicht bis zum 23. Mai 1999 stellen können. Die Frist des § 324 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuches, Drittes Buch – SGB III – könne erst ab Kenntnis des Antragstellers laufen und sei deshalb unter Berücksichtigung des von der Arbeitgeberin am 15. Juli 1999 beim Arbeitsamt eingereichten Antrages auf Insolvenzgeld nicht versäumt worden. Die Unkenntnis habe er nicht zu vertreten. Im Übrigen habe er auch die Nachfrist des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III nicht aus Gründen versäumt, die er zu vertreten habe. Zur Durchsetzung seiner Entgeltansprüche habe er sich diese schriftlich bestätigen lassen und die Arbeitgeberin mündlich mehrfach zur Zahlung aufgefordert, tatsächlich habe die Arbeitgeberin auch noch nach Einleitung des Konkursverfahrens rückständige Gehälter – insbesondere für Januar 1999 – gezahlt, auch an ihn selbst am 27. Mai 1999 einen Teilbetrag von 1000,- DM auf den rückständigen Lohn für Januar 1999. Da sogar noch nach Stellung des Antrages auf Konkurs Zahlungen erfolgt seien, habe er auch mit weiteren Zahlungen rechnen können, zumal ihm der Geschäftsführer der Arbeitgeberin dies zugesagt habe. Es habe deshalb keine Veranlassung für eine gerichtliche Geltendmachung bestanden.
Das Sozialgericht hat die Beklagte am 23. Februar 2001 verurteilt, dem Kläger für die Monate Februar bis April 1999 Insolvenzgeld zu gewähren und zur Begründung ausgeführt, selbst wenn von einer Versäumung der Antragsfrist ausgegangen werde, seien jedenfalls die Voraussetzungen für die Gewährung einer Nachfrist erfüllt. Es könne dem Kläger angesichts der Umstände (Weiterbeschäftigung in einem anderen Unternehmen, Anerkennung der Entgeltansprüche, teilweise Erfüllung rückständiger Zahlungsansprüche) nicht als mangelnde Sorgfalt vorgehalten werden, nicht vorsorglich einen Insolvenzgeldantrag gestellt zu haben. Die Firmengruppe habe sich für die Arbeitnehmer als einheitlicher Arbeitgeber dargestellt, und durch den Verzicht auf einen vorsorglichen Insolvenzgeldantrag hätten sie eine nahtlose Weiterbeschäftigung anstelle drohender Arbeitslosigkeit, deren Vermeidung von ihnen arbeitsförderungsrechtlich verlangt werde, erreicht. Der Kläger sei keineswegs vor dem Hintergrund leerer Versprechungen oder eines offensichtlich unsoliden Arbeitgebers untätig geblieben, sondern habe im Bemühen um eine Fortsetzung seiner Beschäftigung darauf vertraut, auf Grund der von seinem früheren Arbeitgeber getroffenen Vorkehrungen im Notfall – dem Eintritt eines Insolvenzereignisses – abgesichert zu sein. Dieses Vertrauen sei schutzwürdig.
Gegen das ihr am 20. März 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. April 2001 erhobene Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Sie trägt vor, dem Kläger sei keine Nachfrist einzuräumen, weil wegen der ausstehenden Lohnansprüche und einer Betriebsversammlung im März 1999 mit entsprechenden Erläuterungen hinreichende Anhaltspunkte für den Eintritt eines Insolvenzereignisses vorgelegen hätten und der Kläger nicht alles ihm Zumutbare getan habe, um die Antragsfrist einzuhalten. Den Angaben des Arbeitgebers habe er nicht vertrauen dürfen. Eine Unkenntnis über Ansprüche auf Konkursausfallgeld reiche für ein Nichtvertretenmüssen der Fristversäumnis nicht aus. Die gesetzliche Regelung stehe auch mit der EWG-Richtlinie in Einklang.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint im Übrigen, dass die Antragsfrist nicht mit § 9 der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschrift der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vom 20. Oktober 1980 – EWGRL 987/80 – in Einklang steht. Das Sozialgericht Leipzig habe diese Rechtsfrage deshalb dem EuGH vorgelegt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin – S 58 AL 5308/99 – sowie die den Kläger betreffende InsG-Akte der Beklagten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht erhobene und auch im Übrigen statthafte (§§ 143,144 Abs.1, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -) Berufung der Beklagten, über die anstelle des nicht mehr bestehenden Landessozialgerichts Berlin das in Übereinstimmung mit § 28 Abs. 2 SGG durch den Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 errichtete Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zu entscheiden hat, auf das das Verfahren gemäß Art. 28 des Staatsvertrages am 1. Juli 2005 in dem Stand, in dem es sich an diesem Tag befunden hat, übergegangen ist, ist zulässig und sachlich auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Gewährung von Insolvenzgeld für die Monate Februar bis April 1999.
Arbeitnehmer haben nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei
1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,
(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. Der Anspruch des Klägers scheitert daran, dass er die nach § 324 Abs. 3 SGB III bestehende Ausschlussfrist für die Beantragung von Insolvenzgeld versäumt hat und ihm eine Nachfrist nicht einzuräumen ist.
Nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Maßgeblicher Zeitpunkt des Insolvenzereignisses ist vorliegend der 23. März 1999. An diesem Tag hat das Amtsgericht Charlottenburg durch Beschluss die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin des Klägers abgelehnt, so dass der in § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III beschriebene Fall eingetreten war. Maßgebend für das Insolvenzereignis ist das Datum der richterlichen Unterschrift. Denn der Beschluss war seit diesem Zeitpunkt rechtlich existent. Es kommt dagegen nicht darauf an, wann der Beschluss zugestellt worden ist oder wann die betroffenen Arbeitnehmer Kenntnis von ihm erlangt haben (Bundessozialgericht, Urteil vom 30. April 1996 – 10 RAr 8/94 - ). Die zweimonatige Ausschlussfrist begann demnach am 24. März 1999 und endete – wegen der Pfingstfeiertage – am 25. Mai 1999. Diese Frist hat der Kläger versäumt. Denn sein am 30. Juni 1999 unterzeichneter Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld ging erst am 15. Juli 1999 bei der Beklagten ein. An der Verspätung änderte sich auch nichts, wenn bereits die am 31. Mai 1999 bei der Beklagten eingegangene Anforderung der früheren Arbeitgeberin von Formanträgen als Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld angesehen werden könnte.
Dem Kläger kommt die in § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III vorgesehene Nachfrist nicht zugute. Dort ist bestimmt, dass Insolvenzgeld auch geleistet wird, wenn der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat, und der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird. Allerdings hat der Arbeitnehmer nach § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III die Fristversäumnis zu vertreten, wenn er sich nicht mit der gebotenen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat. Die unverschuldete Unkenntnis von einem Insolvenzereignis führt also nur dann zur Eröffnung einer weiteren Antragsfrist, wenn sich der Arbeitnehmer um die Durchsetzung seiner rückständigen Lohnansprüche bemüht hat. Daran fehlt es hier aber.
Der Kläger unternahm nichts, um die Lohnansprüche gegen seine ehemalige Arbeitgeberin auch durchzusetzen. Dabei bestand durchaus Anlass, weil offenbar bereits der Lohn für Januar zumindest nicht vollständig und der Lohn für die Monate Februar bis April 1999 überhaupt nicht mehr gezahlt worden war. Demgemäß lag die Annahme nahe, dass bei der Arbeitgeberin Zahlungsschwierigkeiten bestehen, zumal sie durch die erteilten Lohnabrechnungen und später noch durch das Schreiben vom 15. Mai 1999 deutlich gemacht hatte, dass die Ansprüche dem Grunde nach nicht bestritten werden. Ferner wurde die Betriebstätigkeit zum 30. April 1999 vollständig eingestellt. Der Kläger hat auch selbst seine fristlose Kündigung vom 30. April 1999 mit noch "bestehenden Lohnforderungen" begründet. Danach musste sich schon vor Bekanntwerden der Abweisung des Insolvenzantrages aufdrängen, dass das Fortbestehen der Zahlungsfähigkeit fraglich war. Der Kläger unternahm aber weder vorher noch unmittelbar nachher irgendetwas, um seine Ansprüche gegen die Arbeitgeberin durchzusetzen. Die von ihm behaupteten mündlichen Mahnungen reichen nicht aus. Denn sie waren nicht darauf gerichtet, einen vollstreckbaren Titel zu erhalten. Weder wurde dazu Klage auf Zahlung erhoben noch ein Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides gestellt, selbst eine vorbereitende Zahlungsaufforderung unter Fristsetzung erfolgte nicht. Die nicht etwa auf Verlangen des Klägers ausgestellte Bescheinigung vom 15. Mai 1999 war nicht dazu geeignet, Arbeitsentgelt tatsächlich zu erhalten. Vielmehr hat sich der Kläger offenbar darauf verlassen, dass seine Arbeitgeberin für ihn die Zahlung von Insolvenzgeld erreichen werde. Folglich ist ihm vorzuwerfen, dass er sich nicht selbst mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seine Ansprüche bemüht hat.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 30. April 1996 – 10 RAr 8/94 -. Dort wird jedenfalls "nach Ablauf von drei Monaten nach der letzten Abschlagszahlung" ein entschiedeneres Vorgehen gegen den Arbeitgeber verlangt. Die letzte Abschlagszahlung erfolgte vorliegend spätestens im Januar 1999. Die unvollständige Zahlung für Januar und das Ausbleiben des Entgelts ab Februar 1999 hat der Kläger über einen längeren Zeitraum hingenommen, ohne Maßnahmen gegen seine Arbeitgeberin zu ergreifen. Dass aus der Zeit vor Februar 1999 noch Lohnforderungen offen waren, ergibt sich daraus, dass der Kläger am 27. Mai 1999 eine Zahlung auf rückständige Lohnforderungen erhalten hatte. Diese Nachzahlung – offenbar auf den Lohn für Januar 1999 – erfolgte selbst dann mehr als drei Monate nach der letzten Abschlagzahlung, wenn der Lohn für Januar teilweise noch fristgerecht von der Arbeitgeberin ausgezahlt worden sein sollte und "heilte" deshalb die zwischenzeitliche Untätigkeit des Klägers nicht. Soweit in dem Sitzungsprotokoll des Landessozialgerichtes Mecklenburg-Vorpommern vom 22. Juli 2003 eine andere Auffassung des dortigen Berichterstatters deutlich geworden ist, folgt der Senat dem nicht. Das dortige Verfahren endete durch Berufungsrücknahme von Seiten der Beklagten, so dass kein Urteil vorliegt, mit dessen Entscheidungsgründen der Senat sich auseinandersetzten könnte oder von dem er abweicht.
Die Ausführungen des Sozialgerichtes in dem angefochtenen Urteil zum schutzwürdigen Vertrauen des Klägers liegen neben der Sache. Unabhängig davon, dass weder erkennbar noch begründet worden ist, weshalb einem Arbeitnehmer nach mehrmonatiger Nichtzahlung des Arbeitsentgeltes die vorsorgliche Stellung eines Insolvenzgeldantrages unzumutbar sein könnte, setzt die Nachfrist für die Inanspruchnahme der (nachrangigen) Versicherungsleistung Insolvenzgeld vorherige (erfolglose) Bemühungen zur Durchsetzung der originären Ansprüche auf Arbeitsentgelt voraus. Der Kläger war bei seiner Arbeitgeberin und nicht bei der Beklagten beschäftigt, so dass es für die Frage der erforderlichen Sorgfalt unerheblich ist, ob und aus welchen Gründen er gegen diese keine Ansprüche (vorsorglich auf Insolvenzgeld) erhoben hat.
Fehlt es damit aber an jeglichen Aktivitäten des Klägers zur Durchsetzung seiner Arbeitsentgeltansprüche gegen die (frühere) Arbeitgeberin, liegen die Erfordernisse für die Gewährung einer Nachfrist nicht vor, so dass die Entscheidungen der Beklagten nicht zu beanstanden sind und die Berufung Erfolg haben musste.
Die in § 324 Abs. 3 SGB III geregelte Ausschlussfrist verstößt auch nicht gegen europäisches Recht. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem auf Vorlage des Sozialgerichts Leipzig ergangenen Urteil vom 18. September 2003 – C- 125/01 – (Sozialrecht 4 – 4300 § 324 Nr. 1) die Vereinbarkeit einer Ausschlussfrist mit der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (80/987/EWG) vom 20. Oktober 1980 bestätigt, wenn die Frist nicht kürzer als bei gleichartigen innerstaatlichen Anträgen ist und sie die Ausübung der von der Gemeinschaftsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich macht. Der Senat sieht insbesondere wegen der Einräumung einer Nachfrist nicht, dass § 324 Abs. 3 SGB III mit den beiden letztgenannten Vorgaben unvereinbar sein könnte, zumal auch der Kläger dazu nichts vorgetragen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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