Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 428/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2208/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 6. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1964 geborene Kläger hat vom 1. September 1981 bis 30. April 1983 eine Ausbildung als Agrotechniker/Mechanisator bei der VEB Obstproduktion (LPG Z.) durchlaufen, war nach Ableistung des Wehrdienstes (1. Mai 1983 bis 31. Oktober 1984) vom 26. November 1984 bis 16. August 1985 beim Interhotel M. L. als Lagerarbeiter tätig, bevor er vom 4. September 1985 bis 31. Dezember 1986 beim VEB Bau- und Montagekombinat Chemie (Industriebau L.) als Kraftfahrer tätig war. Vom 1. Januar 1987 bis 21. September 1989 arbeitete er beim VEB Braunkohlenwerk O. als Kraft- und Mehrzweckgerätefahrer, vom 23. November 1989 bis 21. April 1990 bei der Firma M. M. als Verkaufsfahrer, vom 23. April bis 30. Juni 1990 bei der Firma F. X. O. als Kranführer und Bauhelfer und vom 1. Juli 1990 bis 6. Januar 1991 bei der H. Industrietechnik GmbH als Fassadenmonteur. Anschließend war er vom 11. März 1991 bis 31. Oktober 1993 bei der P. GmbH & Co KG, Papier- und Zellstofffabrik, als Maschinenführer tätig, vom 11. Juli 1994 bis 31. Dezember 1994 bei der S. B. R. L. AG als Gabelstapler- und Kraftfahrer und vom 1. Januar bis 14. Februar 1995 bei der DS-Getränke Logistik GmbH als Gabelstapler- und Kraftfahrer. Im Anschluss war er als selbstfahrender Transportunternehmer (H. - TSS) selbständig tätig.
Unter dem 19. April 2001 zeigte er das Vorliegen einer BK gegenüber der Beklagten an und machte geltend, dass er seit Ende 2000 unter starken Schmerzen an der Lendenwirbelsäule (LWS) leide. Unter dem 21. Mai 2001 zeigte der Arzt für Orthopädie Dr. G. eine BK an und fügte der Anzeige einen Krankheitsbericht sowie den EMG-Bericht des Neurologen Dr. N. vom 23. April 2001 und den Kernspinbericht vom 2. April 2001 der Fachärztin für Röntgendiagnostik Dr. G.-K. bei. Dr. N. beschrieb einen großen rechts medio-lateral gelegenen NPP L 5/S 1 mit geringgradiger Fußheberparese sowie eine digitale symmetrische Neuropathie. Dr. G.-K. berichtete über das am 30. März 2001 aufgezeichnete Kernspintomogramm (Beurteilung: abgeflachte Lordose, Chondrose L 4/5 und Osteochondrose L 5/S 1. Protrusion L 4/5, großer rechts medialer aszendierender Prolaps mit beginnender Sequestrierung im Segment L 5/S 1, Kompression der L 5 und S 1-Wurzel rechts in Höhe ihres Abgangs. Keine spinale Enge).
In seiner Stellungnahme vom 5. Juli 2001 führte der Beratungsarzt der Beklagten, der Chirurg Dr. B., aus, nach dem MRT-Befund lägen degenerative Veränderungen der beiden untersten LWS-Segmente vor, die schicksalhaft aus körpereigener Ursache entstanden seien. Es fehlten andere, belastungsadaptive Veränderungen. Da kein belastungskonformes Schadensbild vorliege, werde die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 oder 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) nicht vorgeschlagen. Der staatliche Gewerbearzt Dr. H. schlug eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV ebenfalls nicht zur Anerkennung vor, da die haftungsausfüllende Kausalität nicht wahrscheinlich gemacht werden könne (Stellungnahme vom 24. Juli 2001).
Mit Bescheid vom 28. August 2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage zur BKV u. a. mit der Begründung ab, beim Kläger liege eine anlagebedingte Streckfehlhaltung der gesamten LWS vor, nicht aber ein belastungskonformes Schadensbild.
Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2002 zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 20. Februar 2002 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) und legte u.a. Befundberichte über die am 24. August 2001 durchgeführte Nukleotomie und Sequestrotomie L 5/S 1 rechts vor sowie nach Aufforderung der Beklagten einen Belastungsfragebogen, ferner den Bericht über die durchgeführte Kathetertherapie vom 7. Oktober 2002 und die Bescheinigung des Dr. S. vom 25. Februar 2003, wonach die Erkrankung der LWS mit großer Wahrscheinlichkeit auf die starke Belastung dieses Wirbelsäulenabschnittes im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zurückzuführen sei. Der Technische Aufsichtsdienst, Technischer Aufsichtsbeamter (TAB) Dipl. Ing. E. führte in seiner Stellungnahme vom 15. Juli 2002 aus, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage zur BKV seien teilweise erfüllt; allerdings sei die Lebensbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) und der Schwellenwert der Schwingungsbelastungsdosis für die BK Nr. 2110 der Anlage zur BKV nicht erreicht. Zudem sei das Kriterium der Langjährigkeit der Belastung nicht erfüllt.
Das Gericht befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Orthopädie Dr. K. führte unter dem 5. November 2002 aus, er habe eine Bandscheibenvorwölbung L 4/5, eine chronische Ischialgie nach Operation im Bereich L 5/S 1 rechts sowie verschleißbedingte Veränderungen der Bandscheibenfächer in L 4/5 und L 5/S 1 diagnostiziert.
Durch Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2003 wies das SG die Klage ab, da bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage zur BKV nicht erfüllt seien. Daher habe auch dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts nicht stattgegeben werden müssen.
Dagegen hat der Kläger am 5. Juni 2003 Berufung eingelegt mit der Begründung, er könne fachlich keinen anderen Beruf als den des Lkw-Fahrers ausüben, gesundheitlich sei ihm dies aber nicht mehr möglich. Daher stehe ihm eine Entschädigung wegen des Vorliegens einer BK zu. Dr. S. habe auch den Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der beruflichen Belastung bejaht. Das SG habe sich nur auf den TAD verlassen.
Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,
den Gerichtsbescheid des SG vom 6. Mai 2003 sowie den Bescheid vom 28. August 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen des Vorliegens einer BK nach Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage zur BKV Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die angefochtenen Entscheidungen als zutreffend.
Nach Aufforderung des Gerichts hat der TAD die Belastungsdosis nach dem MDD erneut berechnet. Unter dem 1. August 2003 hat TAB Dipl.-Ing. E. zusammenfassend ausgeführt, es errechne sich eine Lebensbelastungsdosis des Klägers durch Heben und Tragen von 9,75 x 106,, somit deutlich unter dem MDD-Richtwert von 25 x 106. Die Schwingungsbelastungsdosis belaufe sich auf 578 x 10³ und liege damit auch unter dem Richtwert von 580 x 10³. Ab dem 1. Juli 1990 bzw. dem 23. November 1989 errechne sich nach dem MDD eine Belastungsdosis von 5,19 x 106 bzw. nach VDI 2057 von 122 x 10³.
Der Kläger legte ergänzend weitere ärztliche Befunde (Ärztliche Bescheinigungen des Dr. S. vom 22. Juli 2004 und 25. Januar 2005; Arztbrief des Dr. K. ohne Datum, vermutlich aus dem Jahr 2003) sowie die Kopie seines Schwerbehindertenausweises (Grad der Behinderung von 70 seit 27. Mai 2004) vor.
Die Berichterstatterin des Verfahrens hat mit den Beteiligten am 19. Oktober 2005 die Sach- und Rechtslage erörtert. Auf die Niederschrift vom gleichen Tag wird inhaltlich verwiesen.
Das Gericht hat die Beklagte um eine ergänzende Stellungnahme zum Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen gebeten unter Berücksichtigung einer kumulativen Berechnung der Hebe- und Tragebelastungen nach der BK nach Nr. 2108 und den Schwingungsbelastungen nach Nr. 2110 sowie um eine ergänzende beratungsärztliche Stellungnahme zur BK Nr. 2110.
Mit Bezugsschreiben vom 27. Januar 2006 hat die Beklagte die Stellungnahme des TAD und des Beratungsarztes Dr. B. vom 19. Januar 2006 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, insbesondere im aktuellen Röntgenbefund der BWS und LWS vom 8. November 2005 sei ausdrücklich kein Nachweis fortgeschrittener degenerativer Veränderungen in der nativ-radiologischen Diagnostik im Bereich der übrigen BWS und LWS beschrieben worden bei den bekannten Befunden in L 4/5 und L 5/S 1. Daneben finde sich ein MRT-Befund der BWS vom 5. November 2005 mit der Feststellung Schmorl´scher Knorpelknötchen in der mittleren BWS. Dabei handle es sich um Zeichen einer durchgemachten Scheuermann´schen Erkrankung. Zwar sei bei den mehrfach festgestellten Befunden im Bereich der Segmente L 4/5 und L 5/S 1 unter Berücksichtigung der klinischen Symptomatik von einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS auszugehen. Eine berufsbedingte Verursachung sei bei Fehlen degenerativer Veränderungen in den übrigen Segmenten der LWS aber nicht wahrscheinlich, weil ein belastungskonformes Schadensbild nicht erkennbar und die Bandscheibenerkrankung typisch lokalisiert sei wie bei Patienten ohne besondere Exposition. Degenerative Veränderungen in den oberen und mittleren Segmenten der LWS im Sinne von Spondylosen der Osteochondrosen lägen nicht vor. Daher sei eine Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2110 weiterhin nicht wahrscheinlich.
Dipl.-Ing. E. hat in seiner Stellungnahme vom 11. Januar 2006 ausgeführt, nach dem neuen Merkblatt zur BK nach Nr. 2110 sei die Berechnung einer Schwingungsbelastungsdosis nicht mehr vorgesehen. Das Merkblatt befasse sich auch nicht mehr mit dem Begriff der "Gefährdung", sondern führe in Tabelle 2 Hinweise auf, ab welchen Beurteilungsbeschleunigungen und Tätigkeitsdauern mit einem Gesundheitsrisiko zu rechnen und die Annahme der Voraussetzungen für die Anzeige einer BK angebracht sei. Da diese Tabelle darüber hinaus weder Angaben zu der Anzahl der Tage mache, an denen die in dieser Tabelle genannten Werte in der Regel oder mindestens erreicht bzw. überschritten worden sein müssen, und auch keinen Wert nenne, der als Orientierung für eine Lebensarbeitsdosis Verwendung finden könnte, um belastende gegen gefährdende Einwirkungen abzugrenzen, sei es nicht möglich, Aussagen zur Annahme einer gefährdenden Belastung im Sinne der BK Nr. 2110 zu machen. Bei der Berechnung eines orientierenden Wertes für eine Lebensarbeitsdosis, oberhalb derer mit einer gesundheitlichen Gefährdung im Hinblick auf die Entstehung bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS gerechnet werden müsse, sei es angezeigt, die bis zum Erscheinen des neuen Merkblatts verwendete Formel weiterhin anzuwenden. Daraus errechne sich eine Gesamtdosis von 1450 m²/s4 als maßgeblicher Rechenfaktor. Danach seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Annahme einer gefährdenden Belastung im Sinne der BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV bei der LPG Z. und bei der Firma F. X. O. gegeben (1. September 1981 bis 30. April 1983 und 23. April bis 30. Juni 1990). Der Schwellenwert der Tagesbeurteilungsdosis von 5.500 Nh sei mit 6.100 Nh bzw. 7.500 Nh überschritten. Nach dem MDD errechne sich eine Gesamtbelastungsdosis von 1,3 x 106 Nh, die damit unter dem Richtwert von 25 x 106 liege. Die gefährdende Belastung habe 1,9 Jahre bestanden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Annahme einer gefährdenden Belastung im Sinne der Nr. 2110 der Anlage zur BKV seien bei der LPG Z., der Industriebau L. und dem Braunkohlenwerk O. gegeben (1. September 1981 bis 30. April 1983, 4. September 1985 bis 31. Dezember 1986 und 1. Januar 1987 bis 21. September 1989). Die Gesamtbelastungsdosis erreiche mit einem Wert von 1.124 den Richtwert von 1.450 jedoch nicht. Die gefährdende Belastung habe 5,7 Jahre bestanden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Annahme einer gefährdenden Belastung im Sinne der Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV unter Verwendung eines Tagesbelastungsgrades ) 1 seien bei der LPG Z., der Industriebau L., dem Braunkohlenwerk O. und der Firma O. gegeben. Der Gesamtbelastungsgrad aller gefährdenden Tätigkeiten betrage zusammenfassend 0,828, der damit unter dem Schwellenwert von 1 liege.
Das Gericht hat Dr. H., Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 27. Mai 2006 hat er zusammenfassend ausgeführt, eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen, keinesfalls aber mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Gleiches gelte für die BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Beim Kläger liegt keine entschädigungspflichtige Berufskrankheit im Bereich der Wirbelsäule vor.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind als BK bezeichnet bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Erkrankung ursächlich waren oder sein können.
Nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV sind als BK bezeichnet bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule (HWS) durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Erkrankung ursächlich waren oder sein können.
Nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV sind des weiteren als BK bezeichnet bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Erkrankung ursächlich waren oder sein können. Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R).
Im Bereich der Halswirbelsäule liegen beim Kläger weder anamnestisch noch nach dem klinischen Bild pathologische Befunde vor, so dass jedenfalls die haftungsausfüllende Kausalität für eine BK nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV nicht zu bejahen ist.
Für die BKn nach Nr. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV ist zwar davon auszugehen, dass die Tätigkeiten des Klägers geeignet waren, zeitweise eine gefährdende Belastung darzustellen. Allerdings ist die Anerkennung der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers als BK dennoch abzulehnen, da es an der haftungsausfüllenden Kausalität fehlt.
Zur Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV wendet der Senat das MDD an. Bei dem MDD wird zur Beurteilung einer möglichen Gefährdung aus der Belastungshöhe und der Belastungsdauer eine schichtbezogene Beurteilungsdosis (Tagesdosis) errechnet. Als Belastungshöhe wird die Druckkraft auf die LWS, als Belastungsdauer die Dauer der Hebe- oder Tragevorgänge herangezogen. Dabei geht die Druckkraft gegenüber der Belastungsdauer aufgrund des höheren Schädigungspotenzials überproportional in die Berechnung der Tagesdosis ein. Als täglicher Tagesdosis-Richtwert, bei dessen Erreichen oder Überschreiten mit einer Gefährdung für das Entstehen bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule zu rechnen ist, wird ein Wert von 5,5 x 103 Nh (Newton-Stunden) für Männer (entsprechend 5500 Nh) und 3,5 x 103 Nh für Frauen (entsprechend 3500 Nh) abgeleitet, d.h. Tätigkeiten mit Dosiswerten ab diesen Werten sind als gefährdend im Sinne der BK 2108 anzusehen. Nur wenn die Tagesdosis-Richtwerte erreicht oder überschritten werden, werden die Tagesdosen zu einer Gesamtdosis addiert. Als Richtwert, bei dessen Erreichen die arbeitstechnischen Voraussetzungen zum Entstehen einer BK nach Nr. 2108 als gegeben angesehen werden können, werden 25 x 106 Nh (oder 25 Mega-Nh) für Männer und 17 x 106 Nh für Frauen vorgeschlagen (vgl. Schäfer et al., SGb 2002, S. 202). Das MDD stellt eine Zusammenfassung medizinischer Erfahrungstatsachen und damit eine Hilfe bei der Beurteilung des Kausalzusammenhangs dar. Auch nach Auffassung des BSG stellt das MDD - zumindest derzeit - ein geeignetes Modell dar, um die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das Berufsleben zu ermitteln und in Beziehung zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen (Urteile vom 18.03.2003 - B 2 U 13/02 R = BSGE 91, 23 = Breithaupt 2003, 568-575; vom 19.08.2003 - B 2 U 1/02 R). Die Vorgaben, auf denen das MDD beruht, sind nicht frei gegriffen, sondern beruhen ihrerseits auf medizinischen Erfahrungstatsachen, die sich an den in epidemiologischen Studien über besonders belastete Berufe (Pflege, Bau, Transport) gewonnenen Werten orientieren. Zwar wird das MDD aus den verschiedensten Gründen kritisiert (vgl. etwa Becker, SGb 2001, 488, 491; Liebers, Caffier, ASUMed 2001, 447, 450; zusammenfassend Hartmann, ASUMed 2002, 580). Dennoch wird das Modell auch von seinen Kritikern überwiegend als ein grundsätzlich brauchbarer Ansatz gesehen, zu dessen Weiterentwicklung derzeit eine "epidemiologische Fall-Kontroll-Studie zur Untersuchung von Dosis-Wirkung-Beziehungen bei der BK Nr. 2108" im Auftrag des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften durchgeführt wird. Im Hinblick darauf führt nach Auffassung des Senats derzeit kein Weg an der Anwendung des MDD vorbei, auch wenn man seine oben dargestellten Richtwerte mit dem BSG aaO nicht als Grenz-, sondern nur als Orientierungswerte ansieht, die eine Hilfe bei der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs zwischen versicherter Einwirkung und Erkrankung darstellen.
Voraussetzung für die Anwendung der BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV ist, dass der Versicherte beruflich langjähriger, vorwiegend vertikaler Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen ausgesetzt gewesen ist. Eine Konkretisierung der arbeitstechnischen Voraussetzungen ergibt sich dabei aus dem vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) herausgegebenen Merkblatt zu dieser BK. Dieses Merkblatt stellt eine wichtige, wenn auch nicht unbedingt ausreichende Informationsquelle für die Praxis dar. Dem Merkblatt kommt indes keinerlei rechtliche Verbindlichkeit zu (BSG SozR 3-5670; BSG SozR 3-5670; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr 16). Allerdings kann ohne die Hinweise in den Merkblättern der Regelungsbereich einer BK oft nicht ausreichend erschlossen werden (LSG Niedersachsen Breith 2002, 111, 113). Über Materialien und Merkblätter hinaus muss für die Auslegung der BKen auf den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zurückgegriffen werden, wie er sich aus der einschlägigen Fachliteratur und anderen Veröffentlichungen ergibt (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 1).
Nach dem bis 31. Mai 2005 im Merkblatt zur BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV referierten medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand hängt die gesundheitliche Gefährdung von der gesamten beruflichen Schwingungsbelastung ab. Diese setzt aus der Gesamtzahl der Expositionstage mit Beurteilungsschwingstärken von wenigstens 16,2 nach VDI 2057 (Tagesdosis) zusammen. Sofern Belastungen durch stoßhaltige Schwingungen oder solche mit ungünstiger Körperhaltung vorliegen, die zu einer höheren Gefährdung führen, waren auch solche Expositionstage mit Beurteilungsschwingstärken von wenigstens 12,5 zu berücksichtigen. Die so ermittelten Tagesdosiswerte waren zu einem Gesamtdosiswert zu addieren. Als Orientierungswert wurde ein Wert von 580 x 10³ herangezogen, ab der die Erfüllung der beruflichen Voraussetzungen der BK nach Nr. 2110 angenommen wurde.
Mit der Bekanntmachung des BMGS vom 1. Juni 2005 (veröffentlicht im Bundesarbeitsblatt 7/2005 S. 43 ff) wurde jedoch zur BK nach Nr. 2110 ein neues Merkblatt zur BK nach Nr. 2110 veröffentlicht. Abweichend von dem bis dahin geltenden Merkblatt sieht das nunmehr geltende keine konkreten Werte vor, die die Berechnung einer Schwingungsbelastungsdosis zur Ermittlung einer Gesundheitsgefährdung ermöglichen. Das Merkblatt enthält in Tabelle 2 nur noch Hinweise, ab welchen Beurteilungsbeschleunigungen und Tätigkeitsdauern unter präventiven Gesichtspunkten von einem Gesundheitsrisiko auszugehen ist. Darüber hinaus sind keine Hinweise enthalten, die eine Abgrenzung von einer lediglich gefährdenden zu einer belastenden Tätigkeit ermöglichen würden.
Daher ist zur Ermittlung einer belastenden Tätigkeit, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die bisher verwendeten Parameter auf einer unzutreffenden Grundlage beruhen, auf die bisher verwendeten orientierenden Werte abzustellen, wie durch den TAD in seiner vom Gericht erbetenen überarbeiteten Berechnung vom 11. Januar 2006 auch geschehen. Danach ist, ausgehend von einer Beurteilungsbeschleunigung von 0,81 m/s² und 221 Arbeitstagen pro Jahr, an denen die Tagesdosis von 0,81 m/s² erreicht sein muss, von einer Gesamtdosis von 1.450 m²/s4 auszugehen, ab der auch weiterhin eine gefährdende Tätigkeit angenommen werden kann.
Ausgehend vom geltenden Merkblatt zur BK nach Nr. 2110 ist jedoch, sobald Belastungen im Sinne der BK nach Nr. 2108 wie auch nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV vorliegen, von einem synergetischen Zusammenwirken beider Belastungen auszugehen, d.h. die Einwirkung von Hebe- und Tragevorgängen bzw. Arbeiten in extremen Rumpfbeugehaltungen können bei der Beurteilung der auf die Lendenwirbelsäule treffenden Belastungen nicht von den Schwingungsbelastungen nach der BK Nr. 2110 getrennt werden.
Der TAD hat in seiner zusammenfassenden Berechnung aus den nach dem MDD ermittelten Teildosen für die BK nach Nr. 2108 sowie den Belastungen im Sinne der BK nach Nr. 2110 im Verhältnis zu dem Dosisrichtwert bzw. den Teildosisschwingungen den Gesamtbelastungsgrad von 0,828 ermittelt. Damit ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG, das jedenfalls für die BK nach Nr. 2108 den einzelnen Dosisrichtwerten nur orientierende Funktion zuschreibt, jedenfalls nicht die Bedeutung von Grenzwerten (vgl. zu den Tagesdosisgrenzwerten des MDD BSGE 91, 23-32; zur Gesamtbelastungsdosis BSG, Urt. v. 19. August 2003 - B 2 U 1/02 R) von einer relevanten beruflichen Belastung der Lendenwirbelsäule des Klägers auszugehen, die jedenfalls nicht so gering ist, dass bereits unzweifelhaft die haftungsbegründende Kausalität verneint werden könnte.
Allerdings ist unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse auf medizinischem Fachgebiet nicht davon auszugehen, dass die Erkrankungen der Lendenwirbelsäule des Klägers durch die berufliche Belastung verursacht worden sind, so dass jedenfalls die haftungsausfüllende Kausalität zu verneinen ist.
Beim Kläger bestanden ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom ohne sichere neurologische Begleitstörungen im Bereich der unteren Gliedmaßen bei akutem Bandscheibenvorfall L 5/S 1 mediolateral rechts - erstmals kernspintomographisch nachgewiesen im März 2001 - mit nachfolgender mikrochirurgischer Bandscheibenoperation L 5/S 1 ohne anhaltenden Erfolg im August 2001 und einer Implantation einer künstlichen Bandscheibe im Segment L 5/S 1 im April 2003, diskrete degenerative Bandscheibenveränderungen in der Etage L 4/5 nach percutaner Thermotherapie im Oktober 2002 und gleichzeitiger Facettendenervierung in der unteren LWS mittels hypertoner Kochsalzinjektionen. Dies steht zur Überzeugung des Senats nach dem überzeugenden und schlüssigen Gutachten von Dr. H. sowie unter Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen fest. Hauptursache für die bis zum Einsatz der künstlichen Bandscheibe erheblichen Schmerzen waren, wie Dr. H. schlüssig begründet hat, die degenerativen Veränderungen in der Bandscheibe des Segments L 5/S 1, was sowohl anhand der geschilderten Beschwerden als auch der deutlichen Beschwerdebesserung nach dem operativen Eingriff in diesem Segment nachvollziehbar ist.
Für die Beurteilung, ob die bestehenden bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS durch die berufliche Belastung wesentlich verursacht worden sind, ist auf das röntgenologische Erscheinungsbild der Veränderungen abzustellen. Beim Kläger sind lediglich die Segmente L 4/5 und L 5/S 1 von degenerativen Veränderungen betroffen, Bandscheibenschäden in den übrigen LWS-Segmenten liegen jedoch, wie dem letzten Kernspinbericht bzw. der röntgenologischen Untersuchung vom November 2005 ersehen werden kann, nicht vor. Auch eine Begleitspondylose als Indiz für eine Auswirkung der beruflichen Belastungen liegt nicht vor, wie Dr. H. in seinem Gutachten zutreffend ausgeführt hat.
Auch unter Berücksichtigung einer beruflichen Einwirkung durch Schwingungsbelastung nach der BK nach Nr. 2110 der Anlage ist eine andere Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität nicht gerechtfertigt, da es auch insoweit an einem belastungskonformen Schadensbild fehlt.
Bei dem Kläger liegen nämlich, wie bereits dargestellt, neben den Veränderungen in den Segmenten L 4/5 und L 5/S 1 keine Veränderungen der LWS vor, sodass auch insoweit die Anforderungen an die haftungsausfüllende Kausalität im Rahmen der BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV nicht erfüllt sind.
Zusammenfassend ist daher die haftungsausfüllende Kausalität für die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 bzw. 2110 bzw. bereits eine haftungsbegründende Kausalitätfür die BK nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV nicht erfüllt, so dass die angefochtenen Entscheidungen im Ergebnis nicht zu beanstanden sind und die Berufung zurückzuweisen ist.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1964 geborene Kläger hat vom 1. September 1981 bis 30. April 1983 eine Ausbildung als Agrotechniker/Mechanisator bei der VEB Obstproduktion (LPG Z.) durchlaufen, war nach Ableistung des Wehrdienstes (1. Mai 1983 bis 31. Oktober 1984) vom 26. November 1984 bis 16. August 1985 beim Interhotel M. L. als Lagerarbeiter tätig, bevor er vom 4. September 1985 bis 31. Dezember 1986 beim VEB Bau- und Montagekombinat Chemie (Industriebau L.) als Kraftfahrer tätig war. Vom 1. Januar 1987 bis 21. September 1989 arbeitete er beim VEB Braunkohlenwerk O. als Kraft- und Mehrzweckgerätefahrer, vom 23. November 1989 bis 21. April 1990 bei der Firma M. M. als Verkaufsfahrer, vom 23. April bis 30. Juni 1990 bei der Firma F. X. O. als Kranführer und Bauhelfer und vom 1. Juli 1990 bis 6. Januar 1991 bei der H. Industrietechnik GmbH als Fassadenmonteur. Anschließend war er vom 11. März 1991 bis 31. Oktober 1993 bei der P. GmbH & Co KG, Papier- und Zellstofffabrik, als Maschinenführer tätig, vom 11. Juli 1994 bis 31. Dezember 1994 bei der S. B. R. L. AG als Gabelstapler- und Kraftfahrer und vom 1. Januar bis 14. Februar 1995 bei der DS-Getränke Logistik GmbH als Gabelstapler- und Kraftfahrer. Im Anschluss war er als selbstfahrender Transportunternehmer (H. - TSS) selbständig tätig.
Unter dem 19. April 2001 zeigte er das Vorliegen einer BK gegenüber der Beklagten an und machte geltend, dass er seit Ende 2000 unter starken Schmerzen an der Lendenwirbelsäule (LWS) leide. Unter dem 21. Mai 2001 zeigte der Arzt für Orthopädie Dr. G. eine BK an und fügte der Anzeige einen Krankheitsbericht sowie den EMG-Bericht des Neurologen Dr. N. vom 23. April 2001 und den Kernspinbericht vom 2. April 2001 der Fachärztin für Röntgendiagnostik Dr. G.-K. bei. Dr. N. beschrieb einen großen rechts medio-lateral gelegenen NPP L 5/S 1 mit geringgradiger Fußheberparese sowie eine digitale symmetrische Neuropathie. Dr. G.-K. berichtete über das am 30. März 2001 aufgezeichnete Kernspintomogramm (Beurteilung: abgeflachte Lordose, Chondrose L 4/5 und Osteochondrose L 5/S 1. Protrusion L 4/5, großer rechts medialer aszendierender Prolaps mit beginnender Sequestrierung im Segment L 5/S 1, Kompression der L 5 und S 1-Wurzel rechts in Höhe ihres Abgangs. Keine spinale Enge).
In seiner Stellungnahme vom 5. Juli 2001 führte der Beratungsarzt der Beklagten, der Chirurg Dr. B., aus, nach dem MRT-Befund lägen degenerative Veränderungen der beiden untersten LWS-Segmente vor, die schicksalhaft aus körpereigener Ursache entstanden seien. Es fehlten andere, belastungsadaptive Veränderungen. Da kein belastungskonformes Schadensbild vorliege, werde die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 oder 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) nicht vorgeschlagen. Der staatliche Gewerbearzt Dr. H. schlug eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV ebenfalls nicht zur Anerkennung vor, da die haftungsausfüllende Kausalität nicht wahrscheinlich gemacht werden könne (Stellungnahme vom 24. Juli 2001).
Mit Bescheid vom 28. August 2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage zur BKV u. a. mit der Begründung ab, beim Kläger liege eine anlagebedingte Streckfehlhaltung der gesamten LWS vor, nicht aber ein belastungskonformes Schadensbild.
Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2002 zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 20. Februar 2002 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) und legte u.a. Befundberichte über die am 24. August 2001 durchgeführte Nukleotomie und Sequestrotomie L 5/S 1 rechts vor sowie nach Aufforderung der Beklagten einen Belastungsfragebogen, ferner den Bericht über die durchgeführte Kathetertherapie vom 7. Oktober 2002 und die Bescheinigung des Dr. S. vom 25. Februar 2003, wonach die Erkrankung der LWS mit großer Wahrscheinlichkeit auf die starke Belastung dieses Wirbelsäulenabschnittes im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zurückzuführen sei. Der Technische Aufsichtsdienst, Technischer Aufsichtsbeamter (TAB) Dipl. Ing. E. führte in seiner Stellungnahme vom 15. Juli 2002 aus, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage zur BKV seien teilweise erfüllt; allerdings sei die Lebensbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) und der Schwellenwert der Schwingungsbelastungsdosis für die BK Nr. 2110 der Anlage zur BKV nicht erreicht. Zudem sei das Kriterium der Langjährigkeit der Belastung nicht erfüllt.
Das Gericht befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Orthopädie Dr. K. führte unter dem 5. November 2002 aus, er habe eine Bandscheibenvorwölbung L 4/5, eine chronische Ischialgie nach Operation im Bereich L 5/S 1 rechts sowie verschleißbedingte Veränderungen der Bandscheibenfächer in L 4/5 und L 5/S 1 diagnostiziert.
Durch Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2003 wies das SG die Klage ab, da bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage zur BKV nicht erfüllt seien. Daher habe auch dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts nicht stattgegeben werden müssen.
Dagegen hat der Kläger am 5. Juni 2003 Berufung eingelegt mit der Begründung, er könne fachlich keinen anderen Beruf als den des Lkw-Fahrers ausüben, gesundheitlich sei ihm dies aber nicht mehr möglich. Daher stehe ihm eine Entschädigung wegen des Vorliegens einer BK zu. Dr. S. habe auch den Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der beruflichen Belastung bejaht. Das SG habe sich nur auf den TAD verlassen.
Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,
den Gerichtsbescheid des SG vom 6. Mai 2003 sowie den Bescheid vom 28. August 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen des Vorliegens einer BK nach Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage zur BKV Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die angefochtenen Entscheidungen als zutreffend.
Nach Aufforderung des Gerichts hat der TAD die Belastungsdosis nach dem MDD erneut berechnet. Unter dem 1. August 2003 hat TAB Dipl.-Ing. E. zusammenfassend ausgeführt, es errechne sich eine Lebensbelastungsdosis des Klägers durch Heben und Tragen von 9,75 x 106,, somit deutlich unter dem MDD-Richtwert von 25 x 106. Die Schwingungsbelastungsdosis belaufe sich auf 578 x 10³ und liege damit auch unter dem Richtwert von 580 x 10³. Ab dem 1. Juli 1990 bzw. dem 23. November 1989 errechne sich nach dem MDD eine Belastungsdosis von 5,19 x 106 bzw. nach VDI 2057 von 122 x 10³.
Der Kläger legte ergänzend weitere ärztliche Befunde (Ärztliche Bescheinigungen des Dr. S. vom 22. Juli 2004 und 25. Januar 2005; Arztbrief des Dr. K. ohne Datum, vermutlich aus dem Jahr 2003) sowie die Kopie seines Schwerbehindertenausweises (Grad der Behinderung von 70 seit 27. Mai 2004) vor.
Die Berichterstatterin des Verfahrens hat mit den Beteiligten am 19. Oktober 2005 die Sach- und Rechtslage erörtert. Auf die Niederschrift vom gleichen Tag wird inhaltlich verwiesen.
Das Gericht hat die Beklagte um eine ergänzende Stellungnahme zum Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen gebeten unter Berücksichtigung einer kumulativen Berechnung der Hebe- und Tragebelastungen nach der BK nach Nr. 2108 und den Schwingungsbelastungen nach Nr. 2110 sowie um eine ergänzende beratungsärztliche Stellungnahme zur BK Nr. 2110.
Mit Bezugsschreiben vom 27. Januar 2006 hat die Beklagte die Stellungnahme des TAD und des Beratungsarztes Dr. B. vom 19. Januar 2006 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, insbesondere im aktuellen Röntgenbefund der BWS und LWS vom 8. November 2005 sei ausdrücklich kein Nachweis fortgeschrittener degenerativer Veränderungen in der nativ-radiologischen Diagnostik im Bereich der übrigen BWS und LWS beschrieben worden bei den bekannten Befunden in L 4/5 und L 5/S 1. Daneben finde sich ein MRT-Befund der BWS vom 5. November 2005 mit der Feststellung Schmorl´scher Knorpelknötchen in der mittleren BWS. Dabei handle es sich um Zeichen einer durchgemachten Scheuermann´schen Erkrankung. Zwar sei bei den mehrfach festgestellten Befunden im Bereich der Segmente L 4/5 und L 5/S 1 unter Berücksichtigung der klinischen Symptomatik von einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS auszugehen. Eine berufsbedingte Verursachung sei bei Fehlen degenerativer Veränderungen in den übrigen Segmenten der LWS aber nicht wahrscheinlich, weil ein belastungskonformes Schadensbild nicht erkennbar und die Bandscheibenerkrankung typisch lokalisiert sei wie bei Patienten ohne besondere Exposition. Degenerative Veränderungen in den oberen und mittleren Segmenten der LWS im Sinne von Spondylosen der Osteochondrosen lägen nicht vor. Daher sei eine Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2110 weiterhin nicht wahrscheinlich.
Dipl.-Ing. E. hat in seiner Stellungnahme vom 11. Januar 2006 ausgeführt, nach dem neuen Merkblatt zur BK nach Nr. 2110 sei die Berechnung einer Schwingungsbelastungsdosis nicht mehr vorgesehen. Das Merkblatt befasse sich auch nicht mehr mit dem Begriff der "Gefährdung", sondern führe in Tabelle 2 Hinweise auf, ab welchen Beurteilungsbeschleunigungen und Tätigkeitsdauern mit einem Gesundheitsrisiko zu rechnen und die Annahme der Voraussetzungen für die Anzeige einer BK angebracht sei. Da diese Tabelle darüber hinaus weder Angaben zu der Anzahl der Tage mache, an denen die in dieser Tabelle genannten Werte in der Regel oder mindestens erreicht bzw. überschritten worden sein müssen, und auch keinen Wert nenne, der als Orientierung für eine Lebensarbeitsdosis Verwendung finden könnte, um belastende gegen gefährdende Einwirkungen abzugrenzen, sei es nicht möglich, Aussagen zur Annahme einer gefährdenden Belastung im Sinne der BK Nr. 2110 zu machen. Bei der Berechnung eines orientierenden Wertes für eine Lebensarbeitsdosis, oberhalb derer mit einer gesundheitlichen Gefährdung im Hinblick auf die Entstehung bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS gerechnet werden müsse, sei es angezeigt, die bis zum Erscheinen des neuen Merkblatts verwendete Formel weiterhin anzuwenden. Daraus errechne sich eine Gesamtdosis von 1450 m²/s4 als maßgeblicher Rechenfaktor. Danach seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Annahme einer gefährdenden Belastung im Sinne der BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV bei der LPG Z. und bei der Firma F. X. O. gegeben (1. September 1981 bis 30. April 1983 und 23. April bis 30. Juni 1990). Der Schwellenwert der Tagesbeurteilungsdosis von 5.500 Nh sei mit 6.100 Nh bzw. 7.500 Nh überschritten. Nach dem MDD errechne sich eine Gesamtbelastungsdosis von 1,3 x 106 Nh, die damit unter dem Richtwert von 25 x 106 liege. Die gefährdende Belastung habe 1,9 Jahre bestanden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Annahme einer gefährdenden Belastung im Sinne der Nr. 2110 der Anlage zur BKV seien bei der LPG Z., der Industriebau L. und dem Braunkohlenwerk O. gegeben (1. September 1981 bis 30. April 1983, 4. September 1985 bis 31. Dezember 1986 und 1. Januar 1987 bis 21. September 1989). Die Gesamtbelastungsdosis erreiche mit einem Wert von 1.124 den Richtwert von 1.450 jedoch nicht. Die gefährdende Belastung habe 5,7 Jahre bestanden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Annahme einer gefährdenden Belastung im Sinne der Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV unter Verwendung eines Tagesbelastungsgrades ) 1 seien bei der LPG Z., der Industriebau L., dem Braunkohlenwerk O. und der Firma O. gegeben. Der Gesamtbelastungsgrad aller gefährdenden Tätigkeiten betrage zusammenfassend 0,828, der damit unter dem Schwellenwert von 1 liege.
Das Gericht hat Dr. H., Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 27. Mai 2006 hat er zusammenfassend ausgeführt, eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen, keinesfalls aber mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Gleiches gelte für die BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Beim Kläger liegt keine entschädigungspflichtige Berufskrankheit im Bereich der Wirbelsäule vor.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind als BK bezeichnet bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Erkrankung ursächlich waren oder sein können.
Nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV sind als BK bezeichnet bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule (HWS) durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Erkrankung ursächlich waren oder sein können.
Nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV sind des weiteren als BK bezeichnet bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Erkrankung ursächlich waren oder sein können. Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R).
Im Bereich der Halswirbelsäule liegen beim Kläger weder anamnestisch noch nach dem klinischen Bild pathologische Befunde vor, so dass jedenfalls die haftungsausfüllende Kausalität für eine BK nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV nicht zu bejahen ist.
Für die BKn nach Nr. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV ist zwar davon auszugehen, dass die Tätigkeiten des Klägers geeignet waren, zeitweise eine gefährdende Belastung darzustellen. Allerdings ist die Anerkennung der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers als BK dennoch abzulehnen, da es an der haftungsausfüllenden Kausalität fehlt.
Zur Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV wendet der Senat das MDD an. Bei dem MDD wird zur Beurteilung einer möglichen Gefährdung aus der Belastungshöhe und der Belastungsdauer eine schichtbezogene Beurteilungsdosis (Tagesdosis) errechnet. Als Belastungshöhe wird die Druckkraft auf die LWS, als Belastungsdauer die Dauer der Hebe- oder Tragevorgänge herangezogen. Dabei geht die Druckkraft gegenüber der Belastungsdauer aufgrund des höheren Schädigungspotenzials überproportional in die Berechnung der Tagesdosis ein. Als täglicher Tagesdosis-Richtwert, bei dessen Erreichen oder Überschreiten mit einer Gefährdung für das Entstehen bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule zu rechnen ist, wird ein Wert von 5,5 x 103 Nh (Newton-Stunden) für Männer (entsprechend 5500 Nh) und 3,5 x 103 Nh für Frauen (entsprechend 3500 Nh) abgeleitet, d.h. Tätigkeiten mit Dosiswerten ab diesen Werten sind als gefährdend im Sinne der BK 2108 anzusehen. Nur wenn die Tagesdosis-Richtwerte erreicht oder überschritten werden, werden die Tagesdosen zu einer Gesamtdosis addiert. Als Richtwert, bei dessen Erreichen die arbeitstechnischen Voraussetzungen zum Entstehen einer BK nach Nr. 2108 als gegeben angesehen werden können, werden 25 x 106 Nh (oder 25 Mega-Nh) für Männer und 17 x 106 Nh für Frauen vorgeschlagen (vgl. Schäfer et al., SGb 2002, S. 202). Das MDD stellt eine Zusammenfassung medizinischer Erfahrungstatsachen und damit eine Hilfe bei der Beurteilung des Kausalzusammenhangs dar. Auch nach Auffassung des BSG stellt das MDD - zumindest derzeit - ein geeignetes Modell dar, um die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das Berufsleben zu ermitteln und in Beziehung zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen (Urteile vom 18.03.2003 - B 2 U 13/02 R = BSGE 91, 23 = Breithaupt 2003, 568-575; vom 19.08.2003 - B 2 U 1/02 R). Die Vorgaben, auf denen das MDD beruht, sind nicht frei gegriffen, sondern beruhen ihrerseits auf medizinischen Erfahrungstatsachen, die sich an den in epidemiologischen Studien über besonders belastete Berufe (Pflege, Bau, Transport) gewonnenen Werten orientieren. Zwar wird das MDD aus den verschiedensten Gründen kritisiert (vgl. etwa Becker, SGb 2001, 488, 491; Liebers, Caffier, ASUMed 2001, 447, 450; zusammenfassend Hartmann, ASUMed 2002, 580). Dennoch wird das Modell auch von seinen Kritikern überwiegend als ein grundsätzlich brauchbarer Ansatz gesehen, zu dessen Weiterentwicklung derzeit eine "epidemiologische Fall-Kontroll-Studie zur Untersuchung von Dosis-Wirkung-Beziehungen bei der BK Nr. 2108" im Auftrag des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften durchgeführt wird. Im Hinblick darauf führt nach Auffassung des Senats derzeit kein Weg an der Anwendung des MDD vorbei, auch wenn man seine oben dargestellten Richtwerte mit dem BSG aaO nicht als Grenz-, sondern nur als Orientierungswerte ansieht, die eine Hilfe bei der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs zwischen versicherter Einwirkung und Erkrankung darstellen.
Voraussetzung für die Anwendung der BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV ist, dass der Versicherte beruflich langjähriger, vorwiegend vertikaler Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen ausgesetzt gewesen ist. Eine Konkretisierung der arbeitstechnischen Voraussetzungen ergibt sich dabei aus dem vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) herausgegebenen Merkblatt zu dieser BK. Dieses Merkblatt stellt eine wichtige, wenn auch nicht unbedingt ausreichende Informationsquelle für die Praxis dar. Dem Merkblatt kommt indes keinerlei rechtliche Verbindlichkeit zu (BSG SozR 3-5670; BSG SozR 3-5670; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr 16). Allerdings kann ohne die Hinweise in den Merkblättern der Regelungsbereich einer BK oft nicht ausreichend erschlossen werden (LSG Niedersachsen Breith 2002, 111, 113). Über Materialien und Merkblätter hinaus muss für die Auslegung der BKen auf den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zurückgegriffen werden, wie er sich aus der einschlägigen Fachliteratur und anderen Veröffentlichungen ergibt (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 1).
Nach dem bis 31. Mai 2005 im Merkblatt zur BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV referierten medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand hängt die gesundheitliche Gefährdung von der gesamten beruflichen Schwingungsbelastung ab. Diese setzt aus der Gesamtzahl der Expositionstage mit Beurteilungsschwingstärken von wenigstens 16,2 nach VDI 2057 (Tagesdosis) zusammen. Sofern Belastungen durch stoßhaltige Schwingungen oder solche mit ungünstiger Körperhaltung vorliegen, die zu einer höheren Gefährdung führen, waren auch solche Expositionstage mit Beurteilungsschwingstärken von wenigstens 12,5 zu berücksichtigen. Die so ermittelten Tagesdosiswerte waren zu einem Gesamtdosiswert zu addieren. Als Orientierungswert wurde ein Wert von 580 x 10³ herangezogen, ab der die Erfüllung der beruflichen Voraussetzungen der BK nach Nr. 2110 angenommen wurde.
Mit der Bekanntmachung des BMGS vom 1. Juni 2005 (veröffentlicht im Bundesarbeitsblatt 7/2005 S. 43 ff) wurde jedoch zur BK nach Nr. 2110 ein neues Merkblatt zur BK nach Nr. 2110 veröffentlicht. Abweichend von dem bis dahin geltenden Merkblatt sieht das nunmehr geltende keine konkreten Werte vor, die die Berechnung einer Schwingungsbelastungsdosis zur Ermittlung einer Gesundheitsgefährdung ermöglichen. Das Merkblatt enthält in Tabelle 2 nur noch Hinweise, ab welchen Beurteilungsbeschleunigungen und Tätigkeitsdauern unter präventiven Gesichtspunkten von einem Gesundheitsrisiko auszugehen ist. Darüber hinaus sind keine Hinweise enthalten, die eine Abgrenzung von einer lediglich gefährdenden zu einer belastenden Tätigkeit ermöglichen würden.
Daher ist zur Ermittlung einer belastenden Tätigkeit, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die bisher verwendeten Parameter auf einer unzutreffenden Grundlage beruhen, auf die bisher verwendeten orientierenden Werte abzustellen, wie durch den TAD in seiner vom Gericht erbetenen überarbeiteten Berechnung vom 11. Januar 2006 auch geschehen. Danach ist, ausgehend von einer Beurteilungsbeschleunigung von 0,81 m/s² und 221 Arbeitstagen pro Jahr, an denen die Tagesdosis von 0,81 m/s² erreicht sein muss, von einer Gesamtdosis von 1.450 m²/s4 auszugehen, ab der auch weiterhin eine gefährdende Tätigkeit angenommen werden kann.
Ausgehend vom geltenden Merkblatt zur BK nach Nr. 2110 ist jedoch, sobald Belastungen im Sinne der BK nach Nr. 2108 wie auch nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV vorliegen, von einem synergetischen Zusammenwirken beider Belastungen auszugehen, d.h. die Einwirkung von Hebe- und Tragevorgängen bzw. Arbeiten in extremen Rumpfbeugehaltungen können bei der Beurteilung der auf die Lendenwirbelsäule treffenden Belastungen nicht von den Schwingungsbelastungen nach der BK Nr. 2110 getrennt werden.
Der TAD hat in seiner zusammenfassenden Berechnung aus den nach dem MDD ermittelten Teildosen für die BK nach Nr. 2108 sowie den Belastungen im Sinne der BK nach Nr. 2110 im Verhältnis zu dem Dosisrichtwert bzw. den Teildosisschwingungen den Gesamtbelastungsgrad von 0,828 ermittelt. Damit ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG, das jedenfalls für die BK nach Nr. 2108 den einzelnen Dosisrichtwerten nur orientierende Funktion zuschreibt, jedenfalls nicht die Bedeutung von Grenzwerten (vgl. zu den Tagesdosisgrenzwerten des MDD BSGE 91, 23-32; zur Gesamtbelastungsdosis BSG, Urt. v. 19. August 2003 - B 2 U 1/02 R) von einer relevanten beruflichen Belastung der Lendenwirbelsäule des Klägers auszugehen, die jedenfalls nicht so gering ist, dass bereits unzweifelhaft die haftungsbegründende Kausalität verneint werden könnte.
Allerdings ist unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse auf medizinischem Fachgebiet nicht davon auszugehen, dass die Erkrankungen der Lendenwirbelsäule des Klägers durch die berufliche Belastung verursacht worden sind, so dass jedenfalls die haftungsausfüllende Kausalität zu verneinen ist.
Beim Kläger bestanden ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom ohne sichere neurologische Begleitstörungen im Bereich der unteren Gliedmaßen bei akutem Bandscheibenvorfall L 5/S 1 mediolateral rechts - erstmals kernspintomographisch nachgewiesen im März 2001 - mit nachfolgender mikrochirurgischer Bandscheibenoperation L 5/S 1 ohne anhaltenden Erfolg im August 2001 und einer Implantation einer künstlichen Bandscheibe im Segment L 5/S 1 im April 2003, diskrete degenerative Bandscheibenveränderungen in der Etage L 4/5 nach percutaner Thermotherapie im Oktober 2002 und gleichzeitiger Facettendenervierung in der unteren LWS mittels hypertoner Kochsalzinjektionen. Dies steht zur Überzeugung des Senats nach dem überzeugenden und schlüssigen Gutachten von Dr. H. sowie unter Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen fest. Hauptursache für die bis zum Einsatz der künstlichen Bandscheibe erheblichen Schmerzen waren, wie Dr. H. schlüssig begründet hat, die degenerativen Veränderungen in der Bandscheibe des Segments L 5/S 1, was sowohl anhand der geschilderten Beschwerden als auch der deutlichen Beschwerdebesserung nach dem operativen Eingriff in diesem Segment nachvollziehbar ist.
Für die Beurteilung, ob die bestehenden bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS durch die berufliche Belastung wesentlich verursacht worden sind, ist auf das röntgenologische Erscheinungsbild der Veränderungen abzustellen. Beim Kläger sind lediglich die Segmente L 4/5 und L 5/S 1 von degenerativen Veränderungen betroffen, Bandscheibenschäden in den übrigen LWS-Segmenten liegen jedoch, wie dem letzten Kernspinbericht bzw. der röntgenologischen Untersuchung vom November 2005 ersehen werden kann, nicht vor. Auch eine Begleitspondylose als Indiz für eine Auswirkung der beruflichen Belastungen liegt nicht vor, wie Dr. H. in seinem Gutachten zutreffend ausgeführt hat.
Auch unter Berücksichtigung einer beruflichen Einwirkung durch Schwingungsbelastung nach der BK nach Nr. 2110 der Anlage ist eine andere Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität nicht gerechtfertigt, da es auch insoweit an einem belastungskonformen Schadensbild fehlt.
Bei dem Kläger liegen nämlich, wie bereits dargestellt, neben den Veränderungen in den Segmenten L 4/5 und L 5/S 1 keine Veränderungen der LWS vor, sodass auch insoweit die Anforderungen an die haftungsausfüllende Kausalität im Rahmen der BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV nicht erfüllt sind.
Zusammenfassend ist daher die haftungsausfüllende Kausalität für die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 bzw. 2110 bzw. bereits eine haftungsbegründende Kausalitätfür die BK nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV nicht erfüllt, so dass die angefochtenen Entscheidungen im Ergebnis nicht zu beanstanden sind und die Berufung zurückzuweisen ist.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
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