L 2 R 63/05

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 30 KR 993/03
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 63/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. September 2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen. IV. Der Streitwert wird auf 792,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von über den Tod des Versicherten hinaus gezahlten Rentenbeträgen.

Der Versicherte K. B. bezog von der Klägerin seit 1. Februar 1996 Altersrente (Rentenbescheid vom 30. November 1995). Der Beigeladene übersandte der Klägerin im August 2000 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 21. Juli 2000. Dieser war ausgestellt worden in der Zwangsvollstreckungssache M. B., vertreten durch den Beigeladenen, gegen den Versicherten.

Mit Schreiben vom 28. August 2000 erklärte die Klägerin, sie erkenne die gepfändete Forderung an. Sie zahle Rente in Höhe von 2.585,19 DM monatlich an den Versicherten. Ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt werde jeweils ein bestimmter Betrag monatlich an der Rente einbehalten und zugunsten des M. B. an den Beigeladenen auf dessen Konto bei der Beklagten gezahlt.

Der Versicherte verstarb am 20. November 2001. Über den Tod des Versicherten hinaus wurden Rentenbeträge geleistet für Dezember 2001 und Januar 2002. Auf das Konto des Beigeladenen bei der Beklagten wurde ein Betrag von 792,- EUR (505,- EUR für Dezember 2001 und 287,- EUR für Januar 2002) überzahlt. Mit Schreiben vom 23. September 2002 bat die Klägerin die Beklagte um die Rücküberweisung der zu viel gezahlten Rentenbeträge bzw. um Auskunft nach § 118 Abs. 4 S. 2 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI). Mit Schreiben vom 21. Oktober 2002 forderte die Klägerin die Beklagte erneut auf, dem Rückforderungsersuchen zu entsprechen bzw. mitzuteilen: den Kontostand im Zeitpunkt der Gutschrift der Zahlung, den Kontostand im Zeitpunkt des Rückforderungsersuchens, sämtliche Kontenbewegungen in der Zeit zwischen diesen Eckpunkten und einen etwaigen Zugriff der Beklagten zur Befriedigung eigener Forderungen. Nachdem es die Beklagte mit Schreiben vom 21. November 2002 abgelehnt hatte, dem Rückforderungsersuchen zu entsprechen, erhob die Klägerin am 18. März 2003 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main.

Die Beklagte hielt den Rechtweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht für gegeben.

Mit Urteil vom 20. September 2004 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte, 792,- EUR an die Klägerin zu zahlen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Sozialgericht aus, der Rechtsweg zu den Sozialgerichten werde bejaht. Die Klägerin habe Anspruch auf Zahlung der für Dezember 2001 und Januar 2002 überwiesenen Summe von 792,- EUR gem. § 118 Abs. 3 SGB VI. Die Voraussetzungen der Vorschrift seien erfüllt. Anhaltspunke dafür, dass der Rückforderungsanspruch des Rentenversicherungsträgers dann ausgeschlossen sein solle, wenn die Rentenzahlung nicht auf ein Konto des Berechtigten, sondern auf das anderer Personen erfolgt sei, ergäben sich weder aus dem gesetzlichen Wortlaut noch aus der Regelungssystematik oder dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Werde bei Überweisung auf ein Konto im Inland die Zahlung nur unter Vorbehalt getätigt, komme es nicht darauf an, auf wessen Konto die Überweisung erfolgt sei, weil der gesetzlich festgelegte Vorbehalt gegenüber jedermann gelte. § 118 Abs. 4 SGB VI regele darüber hinaus einen Anspruch des Rentenversicherungsträgers auch gegen weitere Verfügungsberechtigte des Kontos, auf das die Rentenzahlung erfolgt sei. Die Überweisung des gepfändeten und zur Einziehung an den Gläubiger überwiesenen Betrages gelte als unter Vorbehalt erbracht, weshalb die Beklagte zur Rücküberweisung verpflichtet sei. Die Beklagte sei auch verpflichtet, der Klägerin die nach § 118 Abs. 4 SGB VI maßgeblichen Auskünfte zu erteilen. Diesen Mitwirkungspflichten sei die Beklagte weder im vorprozessualen noch im Gerichtsverfahren in dem Sinne nachgekommen, dass das Gericht vom Vorliegen entsprechender Ausschlusstatbestände habe ausgehen können. Vertragliche Vereinbarungen zwischen der Beklagten und den Kontoinhabern könnten dem nicht entgegenstehen. Darüber hinaus seien solche Vereinbarungen, jedenfalls soweit sie die Rechte der Klägerin auf Auskunftserteilung ausschließen würden, als ein Vertrag zu Lasten Dritter der Klägerin gegenüber unwirksam.

Mit ihrer am 20. Dezember 2004 eingelegten Berufung richtet sich die Beklagte gegen das ihr am 1. Dezember 2004 zugestellte Urteil. Nach Auffassung der Beklagten sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht zuständig zur Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch. Auch sei die Beklagte nicht passivlegitimiert. Es handele sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit auf der Rechtsgrundlage des § 812 Bürgerliches Gesetzbuch. Die Klägerin habe die Rentenbeträge aufgrund der Pfändung gezahlt auf das Konto des Beigeladenen, der Prozessbevollmächtigter des Gläubigers M. B. sei. Die Drittschuldnerzahlungen seien am 29. November bzw. 27. Dezember 2001 auf dem bei der Beklagten unterhaltenen Konto des Gläubigervertreters eingegangen. Dieses Konto habe bereits vor der Gutschrift der Zahlungen ein Guthaben aufgewiesen. Rentenbeträge seien nicht zum Ausgleich eigener Forderungen gegen den Gläubigervertreter verwandt worden. Eigene Forderungen der Beklagten gegen M. B. hätten nie zur Diskussion gestanden. Die Drittschuldnerzahlungen hätten sich nie in der Verfügungsgewalt der Beklagten befunden, sondern auf dem Konto des Gläubigervertreters, und hätten mangels Verfügungsgewalt der Beklagten über das Konto des Beigeladenen nicht zum Ausgleich solcher Ansprüche benutzt werden können. Die Beklagte hat Auszüge aus dem Handelsbuch der Beklagten für die Zeit vom 28. bis 30. November 2001 und für die Zeit vom 21. bis 28. Dezember 2001 und betreffend die Zeit vom 1. September bis 31. Oktober 2002 vorgelegt, aus denen der jeweilige Stand des Kontos des Beigeladenen hervorgeht.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. September 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und bezieht sich auf ein Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. August 2003, Az.: S 18 RA 160/03. Auch hieraus ergebe sich, dass ein Rückforderungsanspruch des Rentenversicherungsträgers nach § 118 Abs. 3 SGB VI nicht ausgeschlossen sei, wenn die Rentenzahlung nicht auf ein Konto des Berechtigten, sondern auf das einer anderen Person erfolgt sei.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Rentenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind zur Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit zuständig (§ 51 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Die Klägerin macht einen öffentlich-rechtlichen Anspruch geltend, der nach der Vorschrift des § 118 SGB VI zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az.: B 4 RA 64/01 R).

Die Berufung ist zulässig, aber sachlich unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die durch die Rentenüberzahlung entstandene Summe in Höhe von 792,- EUR zurückzuzahlen.

Nach § 118 Abs. 3 SGB VI gelten Geldzahlungen, die für die Zeit nach dem Tode des Berechtigten auf ein Konto bei einem Postgiroamt oder bei einem anderen Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurück zu überweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern. Dabei besteht eine Verpflichtung zur Rücküberweisung nach § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung von dem Bankinstitut bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Zur Befriedigung eigener Forderungen darf das Geldinstitut den überwiesenen Betrag nicht verwenden (§ 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI).

Die Beklagte ist das zur Rückzahlung der von der Klägerin geltend gemachten Rentenbeträge verpflichtete Geldinstitut. Zwar ist grundsätzlich nach § 118 Abs.3 SGB VI rückzahlungsverpflichtet das Geldinstitut, bei dem der Versicherte sein Konto hatte. Etwas anderes gilt aber auch dann nicht, wenn die Rentenleistung infolge eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bei einem anderen Geldinstitut eingegangen ist, das das Konto eines Dritten (wie hier des Gläubigers des Versicherten) führt. Das Geldinstitut muss dem Rückzahlungsbegehren des Rentenversicherungsträgers nachkommen, solange der Wert der überwiesenen Geldleistung noch nicht in das Vermögen des Kontoinhabers durch eine entsprechende Gutschrift gelangt ist, weil zu diesem Zeitpunkt dem Geldinstitut die faktische Verfügungsmacht alleine zusteht. Eine Rückzahlungsverpflichtung besteht aber auch, soweit das Konto im Zeitpunkt der Gutschrift und des Rückzahlungsverlangens kein Minus aufweist oder soweit durch die Gutschrift ein Guthaben des Kontoinhabers begründet wird und damit ein endgültiger Vermögensübergang zu seinen Gunsten eingetreten ist (BSG, a.a.O. und Urteil vom 13. Dezember 2005, Az.: B 4 RA 28/05 R m.w.H.). Hier überlagern die speziellen öffentlich-rechtlichen Regelungen des § 118 Abs. 3 SGB VI als Sonderrecht des Staates die privatrechtlichen, bankrechtlichen Beziehungen zwischen dem Geldinstitut und dem jeweiligen Kontoinhaber. Sie ermächtigen das Geldinstitut, auch nach Übertragung der überzahlten Rentenbeträge in das Vermögen des Kontoinhabers das Rücküberweisungsverlangen des Rentenversicherungsträgers durch Zugriff auf ein Guthaben des Kontoinhabers zu erfüllen (BSG a.a.O.).

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten den Anspruch auf Rücküberweisung zuviel gezahlter Rentenbeträge vollständig und ausdrücklich geltend gemacht. Der Rentenversicherungsträger muss den Zeitpunkt der Überweisung der Geldleistung, das Konto, den Namen des Zahlungsadressaten, dessen Todeszeitpunkt, die bezeichnete Art der Geldleistung, deren Höhe sowie deren Bezugszeitraum benennen und das ernstliche Verlangen aussprechen, dass der Wert der Geldleistung im Hinblick darauf zu erstatten ist, dass die Vermögensverschiebung wegen des Todes des Versicherten zu Unrecht erfolgt ist. Dem hat die Klägerin entsprochen. Auch waren die nach dem Tode des Versicherten gezahlten Rentenbeträge zu Unrecht erbracht worden, da mit dem Tod des Versicherten dessen Rentenanspruch untergegangen und der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 21. Juli 2000 hinfällig geworden war.

Im vorliegenden Fall kann sich die Beklagte nicht wirksam auf eine Entreicherung gemäß § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI berufen. Denn nach ihren Angaben im Berufungsverfahren wies das Konto des Beigeladenen schon vor dem Eingang der überwiesenen Beträge im November und Dezember 2001 ein Guthaben auf. Auch bei Eingang des Rücküberweisungsbegehrens der Klägerin bei der Beklagten im September 2002 und ebenso im Oktober 2002 wies das Konto des Beigeladenen ein Guthaben auf, das eine Erstattung des Betrages in Höhe von 792,- EUR ermöglicht hätte, wie sich aus den von der Beklagten vorgelegten Kontoauszügen für die Monate September und Oktober 2002 ergibt. Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Diese schließt die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen mit ein.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG fehlt.
Rechtskraft
Aus
Saved