L 11 KR 44/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 88 KR 269/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 44/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 138/06 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.04.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kosten für Anzüchtung und Lieferung von autologen Chondrozyten in Höhe von 4.860,40 Euro. Diese Kosten sind im Rahmen einer stationären Behandlung, anläßlich der einer autologe Chondrozytentransplantation (ATC) vorgenommen worden ist, angefallen. Bei dieser Behandlungsmethode wird der defekte Knorpel durch körpereigenen hyalinen Gelenkknorpel ersetzt, wobei zunächst aus dem zu behandelnden Gelenk Knorpelzellen entnommen werden, die zur Züchtung einer ausreichenden Menge Chrondrozyten verwendet werden, die anschließend in den Defektbereich implantiert werden.

Die Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Bei einer Kniegelenkathroskopie am 15.07.2003 wurde ein Knorpeldefekt festgestellt. Der Operateur Dr. C entnahm bei diesem Eingriff Knorpelzellen, die anschließend der Firma ORMED GmbH & Co. KG zur Zellzüchtung übersandt worden. Im Rahmen einer stationären Behandlung wurde am 16.09.2003 die Implantation des gezüchteten Knorpelgewerbes vorgenommen. Die Beklagte hatte die Kosten des stationären Aufenthalts in Höhe der Pflegesätze getragen. Für die am 15.07.2003 in Auftrag gegebene Zellzüchtung hat die Klägerin an die Firma ORMED GmbH & Co. KG einen Betrag von 4.860,40 Euro gezahlt.

Die Beklagte hatte vor der Knorpelimplantation der Klägerin mit Schreiben vom 24.07.2003 mitgeteilt, dass sie zwar die Kosten der stationären Krankenhausbehandlung im Rahmen der vereinbarten Pflegesätze übernehme, darüber hinausgehende Kosten für die Züchtung und Wiedereinsetzung der Zellen jedoch von der Klägerin selbst zu tragen seien.

Mit Schreiben vom 02.04.2004 beantragte die Klägerin die Erstattung der Kosten der Chondrozytenzüchtung. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.04.2004 ab, da sich die Technik der autologen Chondrozytentransplantation noch im Stadium der klinischen Erprobung befinde und eine Übernahme der Kosten neben den Kosten einer Krankenhausbehandlung damit ausscheide. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass es sich bei der ATC um eine längst erprobte Behandlung handele und in ihrem Falle eine Behandlung des festgestellten Knorpelschadens nur mit Hilfe dieser Methode möglich gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Zur Begründung der am 07.09.2004 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Knorpeltransplantation sei zur Heilung des Knorpelschadens erforderlich gewesen. Es handele sich um eine wissenschaftlich längst anerkannte Behandlungsmethode. Im Übrigen sei die Beklagte schon deshalb zur Kostenübernahme verpflichtet, weil sie die Krankenhauskosten übernommen habe und es sich bei der Chondrozytenzüchtung nur um die notwendige Vorbereitungsmaßnahme gehandelt habe. Bei der Entnahme des Knorpelgewebes am 15.07.2003 habe es sich um eine unaufschiebbare Behandlung gehandelt, denn eine Entnahme nach einer vorher erteilten Kostenzusage hätte eine weitere Arthroskopie erforderlich gemacht. Im Hinblick auf die mit der Arthroskopie verbundenen Behandlungsrisiken wäre eine zweite Arthroskopie nur zur Entnahme von Knorpelgewebe nicht zumutbar gewesen.

Mit Urteil vom 26.04.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zwar sei die ATC im Rahmen der stationären Behandlung nicht als Behandlungsmethode ausgeschlossen. Mit den vereinbarten Vergütungssätzen seien jedoch alle Teilleistungen angewandter Methoden zu Lasten der Krankenkassen abgegolten.

Gegen das ihr am 26.05.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.06.2006 Berufung eingelegt. Unter Aufrechterhaltung ihres Vortrages betont sie, dass es sich bei der Knorpelentnahme um eine unaufschiebbare Maßnahme gehandelt habe, da eine zweite Operation mit dem Ziel der Entnahme von Knorpelgewebe nicht zumutbar gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.04.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2004 zu verurteilen, ihr 4.860,40 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr an die Firma ORMED GmbH & Co. KG gezahlten Kosten.

Der Senat kann dahinstehen lassen, ob ein Kostenerstattungsanspruch nach der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) schon daran scheitert, dass die Klägerin den Auftrag zur Zellzüchtung an die ORMED bereits am 15.07.2003 erteilt hat, bevor die Beklagte überhaupt mit diesem Vorgang befasst war. Erst mit Schreiben vom 24.07.2003 hat sie eine Kostenübernahme für die Züchtung der Zellen abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt war die Zahlungsverpflichtung der Klägerin bereits entstanden. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin annimmt, es habe der Fall einer unaufschiebbaren Leistung vorgelegen, weil - so der Vortrag der Klägerin - Dr. C vor der Arthroskopie nie über die Möglichkeit einer ACT gesprochen habe und sie sich erst nach der (in diesem Fall eigenmächtigen) Entnahme des Knorpelgewebes für die sofortige Auftragsvergabe entschieden habe, um nicht eine nochmalige Arthroskopie durchführen lassen zu müssen, scheitert ein Kostenerstattungsanspruch daran, dass dieser nur für solche medizinische Maßnahmen besteht, die ihre Art nach von der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung zu erbringen sind (vgl. nur BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 14, 22). Das ist hier nicht der Fall.

Zwar ist die ATC im Kniegelenk als Behandlungsmethode im Rahmen einer stationären Behandlung nicht ausgeschlossen. Nach § 137 c SGB V bedürfen im stationären Bereich grundsätzlich neuartige Methoden keiner vorherigen Zulassung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss; alle Behandlungsmethoden können zu Lasten der Krankenkassen angewandt werden, so lange sie der Gemeinsame Bundesausschuss nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat (BSG SozR 4-2500 § 137 c Nr. 1). Für den stationären Bereich ist lediglich mit Beschluss vom 26.03.2003 (BAnz. Nr. 72 vom 12.04.2003) die ATC für die Anwendung im Schultergelenk und in den Fingergelenken ausgeschlossen.

Ein Kostenerstattungsanspruch besteht jedoch deshalb nicht, weil der von der Klägerin wegen der Zellzüchtung an die Firma ORMED GmbH & Co. KG gezahlte Betrag nicht zu den erstattungsfähigen Kosten zählt.

Die Knorpelimplantation ist im Rahmen einer stationären Behandlung durchgeführt worden. Die Kosten dieses stationären Aufenthalts hat die Beklagte in Höhe des Pflegesatzes übernommen. Mit der Zahlung der Pflegesätze hat die Beklagte ihre Leistungspflicht gemäß den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen erfüllt. Der Senat schließt sich der Auffassung des 5. Senats des LSG NRW im Urteil vom 19.07.2004 (L 5 KR 63/02) an, dass bei einer stationären Behandlung alle medizinisch notwendigen Maßnahmen ausschließlich durch die von der Beklagten übernommenen Pflegesätze vergütet werden. Für eine im Rahmen der Krankenhausbehandlung erforderliche Maßnahme darf das Krankenhaus in keinem Fall eine "Zusatzvergütung" fordern oder vom Patienten verlangen, sich auf eigene Rechnung eine für die Behandlung notwendige (Teil)Leistung zu beschaffen. Auf die den Beteiligten bekannten Gründe der Entscheidung vom 19.07.2004 wird ergänzend Bezug genommen.

Zudem werden von der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nur solche Kosten erfasst, von denen der Versicherte bei regulärer Leistungserbringung befreit wäre. Andere Kosten, wie etwa die Verpflichtung gegenüber einem Anderen als dem krankenversicherungsrechtlich zulässigen Leistungserbringer lösen keinen Anspruch aus, da sonst die krankenversicherungsrechtliche Bindung an die zulässigen Formen der Leistungserbringung durch den Anspruch auf Kostenerstattung ohne weiteres durchbrochen werden könnte (BSGE 80, 181, 182; 86, 66, 99). Die Firma ORMED GmbH & Co. KG zählt als "Züchter" der Knorpelzellen nicht zu den im 4. Kapitel des SGB V genannten Leistungserbringern, so dass ein Kostenerstattungsanspruch wegen der Chondrozytenzüchtung ausscheidet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Für eine Zulassung der Revision besteht kein Anlass, insbesondere hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), nachdem drei übereinstimmende Urteile von Landessozialgerichten zur ATC vorliegen und im Revisionsverfahren gegen das genannte Urteil des 5. Senats des LSG NRW der dortige Kläger die Revision nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung des BSG zurückgenommen hat (Termin-Bericht Nr. 50/05 des BSG vom 29.09.2005 unter Nr. 6), also offenkundig seine Revision keine Aussicht auf Erfolg hatte.
Rechtskraft
Aus
Saved