L 1 RA 71/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 10 RA 6710/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 RA 71/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) (AVItech) für den Zeitraum 16. Oktober 1969 bis 30. Juni 1990 sowie die Feststellung der in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte.

Er ist 1941 geboren und erlangte im Februar 1967 die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom". Von Oktober 1959 bis Juni 1962 sowie von Oktober 1967 bis 15. Oktober 1969 war er bei der Nationalen Volksarmee beschäftigt und in deren Sonderversorgungssystem einbezogen. Ab dem 16. Oktober 1969 war er bis zum 30. Juni 1990 beim ingenieurtechnischen Außenhandel (ITA) beschäftigt und zwar bis zum 31. Dezember 1976 als Importkaufmann und ab dem 1. Januar 1977 als wissenschaftlicher Mitarbeiter (Ingenieurökonom des Kraftverkehrs). Am 1. November 2000 beantragte er die Anerkennung zusätzlicher Zeiten bei der AVItech. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Juni 2001 ab. Auch sein Widerspruch hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2002). Der Kläger habe weder eine Versorgungszusage erhalten gehabt, noch habe er -wie es für einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage Voraussetzung gewesen wäre-, in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem solchen Betrieb gleichgestellten Betrieb gearbeitet. Hiergegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben. Er sei im Rahmen seiner Tätigkeit beim ITA verantwortlich für die Sicherstellung des Imports von technischen Ausrüstungen gewesen, die Produktionsbetriebe benötigt hätten. Dadurch habe er einen bedeutenden Einfluss auf die Produktionsprozesse dieser Betriebe gehabt. Sein Arbeitgeber sei ein Betrieb im Sinne der zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) der einschlägigen Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech vom 17. August 1950, GBl. I S. 844). Er sei ein Produktionsbetrieb gewesen, weil er staatlicherseits durch besondere Versorgung begünstigt gewesen sei. Der Betrieb habe unter anderem wie Produktionsbetriebe Treueprämien und Treueurlaub gewähren können. Zumindest sei der Betrieb gleichgestellt nach § 1 Abs. 2 2. DB. Schließlich sei der ITA Nachfolgeorganisation der Ingenieur-technischen Hauptverwaltung. Er sei auf Grund einer Verfügung des Ministers für Außenhandel und innerdeutschen Handel gegründet worden. Offiziere des Ministeriums für nationale Verteidigung hätten ihn geleitet. Zu den Hauptaufgaben hätte die materiell-technische Sicherstellung der Landesverteidigung mit Importerzeugnissen gehört. Partnerorganisationen in den anderen Warschauer Vertragsstaaten bzw. Mitgliedsstaaten des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe seien die Ingenieur-Hauptverwaltungen bzw. technischen Hauptverwaltungen dieser Staaten gewesen.

Mit Urteil vom 2. August 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Einen Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung in der AVItech hätten Personen, die berechtigt gewesen seien, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, und eine entsprechende Tätigkeit ausgeführt hätten, sofern diese in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesen gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen seien. Für die Auslegung der Voraussetzung volkseigener Produktionsbetrieb komme es auf den staatlichen Sprachgebrauch der DDR am 30. Juni 1990 an, an den der Bundesgesetzgeber angeknüpft habe. Ein Produktionsbetrieb sei ein VEB, der organisatorisch der industriellen Produktion als Sektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet gewesen und dessen verfolgter Hauptzweck die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern gewesen sei. Umgekehrt seien Betriebe des Handels und des Dienstleistungssektors keine volkseigenen Produktionsbetriebe. Danach habe es sich beim ITA nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb gehandelt. Dies belege bereits dessen Statut vom 1. Januar 1966. Das Unternehmen sei nicht einem Industrieministerium sondern dem Ministerium für Außenhandel und innerdeutschen Handel unterstellt gewesen. Gegenstand des Unternehmens sei der Im- und Export militärtechnischer Erzeugnisse gewesen. Dies lasse sich dem Begriff des Produktionsbetriebes nicht unterordnen. Aus den gesetzlichen Bestimmungen der DDR zu volkseigenen Außenhandelsbetrieben, konkret der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Außenhandelsbetriebe vom 10. Januar 1974, ergebe sich, dass diese nicht dem engeren Bereich der Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens zugeordnet worden seien. Der ITA sei auch kein gleichgestellter Betrieb gewesen. Insbesondere habe es sich nicht um eine Hauptverwaltung gehandelt. Zwar sei er Rechtsnachfolger einer Hauptverwaltung gewesen, wurde jedoch seit 1966, und somit während der gesamten Beschäftigungszeit des Klägers, nicht mehr in dieser Rechtsform geführt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen. Gemäß einer Ordnung des Vorsitzenden des Ministerrates sei der Betrieb zu den Betrieben mit spezieller Produktion zu zählen. Seine Strukturen hätten denjenigen der Ingenieur-technischen Hauptverwaltung entsprochen. Wie bei Hauptverwaltungen üblich sei er direkt dem Außenhandelsministerium unterstellt gewesen. Die 2.DB hätte bezweckt, auch diejenigen Personen in den Genuss der zusätzlichen Altersversorgung zu bringen, die durch ihre Arbeit bedeutenden Einfluss auf den Produktionsprozess ausgeübt hätten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. August 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 16.10.1969 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung, auf die der Senat nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verweist, abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG. Der Kläger war am 01. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft in der AVItech im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Er hatte – unstreitig – bis zum 30. Juni 1990 eine diesbezügliche Versorgungszusage in der DDR nicht erhalten und ihm war auch nicht im Rahmen einer Einzelentscheidung eine Versorgung zugesagt worden. § 1 Abs. 1 AAÜG ist zwar im Wege verfassungskonformer Auslegung dahin auszulegen, dass den tatsächlich einbezogenen Personen diejenigen gleichzustellen sind, die aus bundesrechtlicher Sicht aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen (fingierten) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG), welcher der Senat folgt, hängt der fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Versorgungsberechtigung im Bereich der AVItech gemäß § 1 VO-AVItech und § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 2. DB jedoch von drei Voraussetzungen ab ( vgl. u. a. BSG Urteil vom 12. Juni 2001 -B 4 RA 117/00 R-, SozR 3-8570 § 5 Nr. 6; Urteil vom 10. April 2002 -B 4 RA 10/02 R- SozR 3-8570 § 1 Nr. 5; Urteil vom 6. Mai 2004, Az: B 4 RA 44/03 R). Der Betroffene muss - berechtigt gewesen sein, eine der in § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB genannten Berufsbezeich¬nungen zu führen, und - eine diesem Beruf entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben und zwar - für einen Arbeitgeber, der ein volkseigener Produktionsbetrieb im Bereich der In¬dustrie oder des Bauwesens oder der einem solchen Betrieb durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellt worden war. Die betriebliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung eines Betroffenen in die AVItech zum 1. August 1991 ist nur erfüllt, wenn der VEB ein Produktionsbetrieb der In¬dustrie oder des Bauwesens war. Materiell-rechtlich kommt es allein darauf an, ob der vom arbeitgebenden VEB tatsächlich verfolgte Hauptzweck auf die industrielle Fertigung (Fabrika¬tion, Herstellung, Produktion) von Sachgütern ausgerichtet war. Die Frage, was der tatsächliche Hauptzweck eines bestimmten VEB war, ist keine Rechtsfrage; sie betrifft vielmehr die Haupttatsache, von deren Vorliegen die Erfüllung der o.g. betrieblichen Voraussetzung abhängt. Welche Aufgabe dem VEB faktisch das Gepräge gegeben hat, kann allein aufgrund der konkreten tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen VEB beurteilt werden (BSG, Urteil vom 6. Mai 2004, Az: B 4 RA 44/03 R). Auf die Eigenschaft als Betrieb spezieller Produktion kommt es nicht an.

Danach überwiegen hier die Kriterien, welche gegen eine Zuordnung des ITA als Produktionsbetrieb oder einen diesem gleichgestellten Betrieb sprechen. Maßgeblich ist insbesondere, dass er einem Handelsministerium unterstellt war und – insoweit unstreitig – nicht selbst produziert hat.

Unabhängig von der Frage, aus welchem Grund der DDR-Verordnungsgeber die 2. DB geschaffen hat, ist der Betrieb des Klägers keine Hauptverwaltung gewesen, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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