L 3 AS 2764/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 552/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 2764/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 4. April 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 01.11.2005 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu gewähren hat.

Mit Bescheid vom 09.05.2005 bewilligte die Antragsgegnerin dem am 29.07.1966 geborenen Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.10.2005. Am 12.10.2005 stellte der Antragsteller den Antrag auf Weitergewährung der Leistungen. Auf Anforderung der Antragsgegnerin legte er den am 01.05.2005 mit Frau R. geschlossenen Untermietvertrag vor, die ausweislich der Auskunft des Einwohnermeldeamts Geislingen seit dem 20.10.2003 unter der gleichen Adresse wie der Antragsteller gemeldet ist. Danach begann das Untermietverhältnis am 01.05.2005 bei einem Mietzins von 200.- EUR monatlich. Der Aufforderung der Antragsgegnerin, Kontoauszüge für die Zeit von Juni bis November 2005 vorzulegen, kam der Antragsteller nicht nach.

Mit Bescheid vom 10.01.2006 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen ab dem 01.11.2005 ab mit der Begründung, der Antragsteller sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Den am 02.02.2006 hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2006 zurück. Hiergegen ist beim Sozialgericht (SG) Ulm eine am 24.03.2006 erhobene Klage anhängig (S 6 AS 1150/06).

Am 13.02.2006 beantragte der Antragsteller, ihm im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu gewähren.

Mit Beschluss vom 04.04.2006 lehnte das SG Ulm den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Die bisher vorliegenden Unterlagen sprächen mehr für als gegen das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen dem Antragsteller und Frau R ... Diese wohnten seit Oktober 2003 in einer gemeinsamen Wohnung. Nach Angaben des Antragstellers erfolge erst seit Mai 2005 eine Mietzahlung durch Frau R., um leistungsrechtliche Nachteile zu vermeiden. Auch bestehe eine persönliche Bindung. Hieraus folge, dass eine Bedarfsgemeinschaft vorliege und gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) auch das Einkommen und Vermögen des Partners bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen sei. Angaben über Einkommen und Vermögen von Frau R. lägen bisher nicht vor, so dass die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft nicht nachgewiesen sei.

Gegen den am 10.04.2006 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 05.05.2006 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, die Antragsgegnerin sei nicht berechtigt, die Vorlage von Kontoauszügen für die letzten 6 Monate zu verlangen. Im Klageverfahren hat der Beschwerdeführer Kontoauszüge für die Zeit vom 06.06. bis 11.11.2005 mit teilweisen Schwärzungen vorgelegt. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 23.05.2006) und sie dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg vorgelegt.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 4. April 2006 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlichem Umfang bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu gewähren.

Die Beschwerdegegnerin hat keinen Antrag gestellt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Beschwerde ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat es im angefochtenen Beschluss zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1 [sog. Sicherungsanordnung]). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 [sog. Regelungsanordnung]).

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist dabei nach § 86b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. mit § 920 ZPO sowohl für die Sicherungsanordnung als auch für die Regelungsanordnung, dass der Antragsteller die Gefährdung eines eigenen Individualinteresses (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft macht. Außerdem darf eine stattgebende Entscheidung die Hauptsache grundsätzlich nicht - auch nicht zeitlich befristet - vorwegnehmen, es sei denn, dass dies zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes unerlässlich ist.

Danach scheidet der Erlass einer Regelungsanordnung vorliegend aus. Dem Beschwerdeführer steht hinsichtlich der erstrebten Leistung nicht mit so überwiegender Wahrscheinlichkeit sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch zur Seite, dass die insoweit begehrte teilweise Vorwegnahme der Hauptsache zur Vermeidung schwerer und unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Nachteile gerechtfertigt wäre (vgl. Beschluss des Senats vom 05.08.2005 - L 3 AS 2864/05 ER-B).

Ein Anordnungsanspruch ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft mit der Folge der Einkommens- und Vermögensanrechnung gemäß § 9 Abs. 2 SGB III auch die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt.

Anhaltspunkte für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft sind zum einen darin zu sehen, dass die gemeinsame Wohnung bereits seit Oktober 2003 bewohnt wird und Frau R. anfänglich mietfrei wohnen konnte. Der Abschluss eines Mietvertrages mit Mietzahlungen in Höhe von 200,- EUR erfolgte erst im Mai 2005 und mit dem Motiv, leistungsrechtliche Nachteile zu vermeiden. Ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft ist auch die Angabe des Klägers bei der Vorsprache am 10.08.2005, er lebe mit seiner Freundin zusammen.

Weitere Gründe, die vorliegend den Erlass einer einstweiligen Anordnung gebieten könnten, liegen nicht vor. Soweit der Beschwerdeführer vorgetragen hat, die Nichtgewährung der Leistung führe dazu, dass seine Kinder E. und T. ohne Leistungsbezug nicht krankenversichert seien, wird darauf hingewiesen, dass die Familienversicherung nach § 10 SGB V auch über die Mutter der Kinder möglich ist. Für die Beurteilung des Anspruchs auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist auch unbeachtlich, ob die Antragsgegnerin zu Recht die Leistungsbewilligung wegen fehlender Mitwirkung des Antragstellers abgelehnt hat. Dies ist vielmehr Gegenstand des noch beim SG Ulm anhängigen Rechtsstreits S 6 AS 1150/06.

Schließlich wird darauf hingewiesen, dass auch Bedenken gegen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes bestehen. Ausweislich des mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorgelegten Kontoauszuges vom 04.10.2005 war das Konto des Antragstellers mit 2.249,41 EUR im Soll. Demgegenüber befand sich sein Konto ausweislich einer im Widerspruchsverfahren vorgelegten Auskunft der Volksbank Göppingen am 31.01.2006 lediglich noch mit 1.847,37 EUR im Soll, obwohl der Kläger zwischenzeitlich keine Leistungen der Antragsgegnerin bezogen hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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