L 3 R 2844/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 RA 2783/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 2844/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Der am 19.10.1956 geborene Kläger war ab dem 16.03.1999 alleiniger, vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiter Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH, an deren Stammkapital er mit 40 Prozent beteiligt war. Für die Zeit vom 16.03.1999 bis zum 31.12.2002 wurden Beiträge zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung im Lohnabzugsverfahren entrichtet. Vom 9. bis 30.05.2002 führte der Kläger eine ihm von der Beklagten gewährte stationäre Heilbehandlung durch. Mit Bescheid vom 22.01.2003 entschied die AOK Biberach (AOK) im Rahmen eines im November 2002 eingeleiteten Statusfeststellungsverfahrens, dass der Kläger als geschäftsführender Gesellschafter ab dem 16.03.1999 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege und die zu Unrecht gezahlten Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung vom 16.03.1999 bis zum 31.12.2002 grundsätzlich zu erstatten seien.

Den am 22.01.2003 bei der AOK eingegangenen Beitragserstattungsantrag des Klägers vom 18.12.2002 leitete diese am 23.01.2003 an die Beklagte weiter. Am 02.05.2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Hinweis auf den Bescheid der AOK vom 22.01.2003 die schriftliche Bestätigung deren sozialversicherungsrechtlicher Beurteilung, was die Beklagte mit Schreiben vom 22.05.2003 unter Hinweis auf die bereits erfolgte sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellung ablehnte.

Mit Bescheid vom 28.03.2003 entschied die Beklagte, dass wegen der Rehabilitationsmaßnahme vom 09. bis 30.05.2002 die Beiträge bis zum 30.04.2002 (Vormonat des Beginns der Maßnahme) von der Erstattung ausgeschlossen seien. Die Beiträge für die Zeit vom 01.05. bis 31.12.2002 könnten erstattet werden.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und führte zur Begründung aus, er sei im Rahmen einer Rentenberatung am 09.07.2000 zwar darauf hingewiesen worden, dass er nicht sozialversicherungspflichtig sei und die Beiträge zur Rentenversicherung vier Jahre lang "zurückfordern" könne, ihm sei allerdings nicht mitgeteilt worden, dass durch eine Leistungsinanspruchnahme eine Rückzahlung der Sozialversicherungsbeiträge ausgeschlossen sei. Als er dann die Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt habe, sei ihm nicht bekannt und auch nicht bewusst gewesen, dass diese von der Beklagten auf deren Kosten durchgeführt worden sei. Er sei vielmehr davon ausgegangen, dass die AOK die Kosten getragen habe. Sobald festgestellt worden sei, dass er nicht sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter sei, sei er nicht mehr Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen, so dass die Beklagte die Rehabilitationsmaßnahme überhaupt nicht mehr hätte gewähren dürfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2003 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf § 26 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zurück und den Kläger wiederholt auf die Möglichkeit der Umwandlung der Beiträge in freiwillige Beiträge hin.

Dagegen hat der Kläger am 31.10.2003 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben, mit der er sein Erstattungsbegehren im Wesentlichen mit der bisherigen Begründung weiterverfolgt hat.

Das SG hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2004 durch Urteil vom selben Tag abgewiesen.

Es hat unter Darstellung der für die hier streitige Erstattung erforderlichen Voraussetzungen und hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften entschieden, dass die bis zum Beginn der ab dem 09.05.2002 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme entrichteten Beiträge von der Erstattung ausgeschlossen seien. Es sei unerheblich, ob der Kläger gegebenenfalls anlässlich einer Rentenberatung im Juli 2000 nicht auf diesen Umstand hingewiesen worden sei, da es anlässlich einer solchen Rentenberatung im Jahr 2000 keine Veranlassung gegeben habe, die zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht absehbare und im Mai 2002 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme unter beitragsrechtlichen Gesichtspunkten zu besprechen. Auch der Irrtum des Klägers, die AOK habe die Maßnahme getragen, sei unerheblich. Entscheidend sei allein, ob die Beklagte Leistungen erbracht habe oder nicht. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 22.06.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.07.2004 Berufung eingelegt, mit der er sein Klagebegehren mit der bisherigen Begründung weiterverfolgt.

Er ist der Auffassung, dass er anlässlich der Beratung im Juli 2000 dahingehend hätte beraten werden müssen, dass durch die Inanspruchnahme einer Rehabilitationsmaßnahme der Beitragserstattungsanspruch ausgeschlossen werde. Auch anlässlich von Rentenprobeberechnungen vom November 2000 und November 2001 sei er auf diesen Umstand pflichtwidrig nicht hingewiesen worden. Ferner sei ihm anlässlich einer während der Rehabilitationsmaßnahme durchgeführten Abfrage von Sozialdaten nicht mitgeteilt worden, dass die Maßnahme durch die Beklagte finanziert werde. Dies sei für ihn auch aus sonstigen Umständen nicht erkennbar gewesen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. Mai 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2003 zu verurteilen, ihm die Rentenversicherungsbeiträge auch für die Zeit vom 16. März 1999 bis 30. April 2002 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend und ist der Auffassung, dass sich vor dem Beginn des Statusfeststellungsverfahrens im November 2002 nicht die Frage gestellt habe, ob zu Unrecht entrichtete Pflichtbeiträge vorhanden seien und welche Auswirkungen die Durchführung einer Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung in diesem Zusammenhang habe. Ferner weist die Beklagte nach, dass der Kläger zwar am 07.09.2000 (und nicht wie vorgetragen am 09.07.2000) einen Beratungstermin gehabt, diesen jedoch nicht wahrgenommen habe. Einen Beratungstermin habe der Kläger am 02.11.2000 wahrgenommen, dessen Inhalt aber nicht dokumentiert sei. Es sei davon auszugehen, dass die sich im Mutterschutz befindliche Beraterin sich an den Inhalt des Gesprächs nicht mehr erinnern könne. Unabhängig davon habe aber keine Veranlassung zu der vom Kläger geltend gemachten Beratung bestanden. Ein entsprechendes konkretes Beratungsbegehren sei nicht vorgebracht worden und es habe zum Zeitpunkt des Beratungstermins im November 2000 auch kein konkreter Anlass bestanden, den Kläger auf eine "klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeit" hinzuweisen. Ein entsprechender Anlass hätte allenfalls dann bestehen können, wenn zum Beratungszeitpunkt sowohl die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme im Raum gestanden als auch die versicherungsrechtliche Beurteilung bekannt gewesen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm in der Zeit vom 16.03.1999 bis zum 30.04.2002 entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und der Begründung der streitgegenständlichen Bescheide folgend als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 SGG).

Der Senat muss nicht entscheiden, ob sich aus der vom Kläger geltend gemachten Beratungspflichtverletzung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die von ihm begehrte Rechtsfolge der Erstattung der streitgegenständlichen Rentenversicherungsbeiträge ergeben kann, weil auch nach Auffassung des Senats die Voraussetzungen eines solchen Herstellungsanspruchs nicht erfüllt sind.

Das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs setzt auf seiner Tatbestandseite voraus, dass der Versicherungsträger eine ihm entweder auf Grund Gesetzes oder auf Grund eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung sowie zu einer dem konkreten Anlass entsprechenden "verständnisvollen Förderung", verletzt und dadurch dem Versicherten einen rechtlichen Nachteil zugefügt hat (BSG SozR 2100 § 27 Nr. 2, Seite 4). Diese - letztlich auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhenden - Pflichten sind verletzt, wenn sie - obwohl ein konkreter Anlass zu den genannten Dienstleistungen bestanden hat - nicht oder nur unzureichend erfüllt worden sind (BSG SozR 1200 § 14 Nr. 15 Seite 26).

Der Senat verneint im vorliegenden Fall eine Beratungspflichtverletzung aus den vom SG und der Beklagten dargelegten Gründen. Entscheidende Bedeutung kommt dabei insbesondere auch dem Umstand zu, dass sich nach Lage der Akten frühestens mit der Einleitung des Statusfeststellungsverfahrens im November 2002 die Frage der Erstattung gegebenenfalls zu Unrecht entrichteter Rentenversicherungsbeiträge stellen konnte. Zu diesem Zeitpunkt waren Beratung, Probeberechnung und Rehabilitationsmaßnahme bereits abgeschlossen. Abgesehen davon, dass es aus den dargelegten Gründen auf den Inhalt des Beratungsgesprächs vom November 2000 nicht ankommt, spricht aber nach Auffassung des Senats der Umstand, dass ein entsprechendes Statusfeststellungsverfahren erst im Jahr 2002 eingeleitet worden ist, dagegen, dass dem Kläger bereits im November 2000 der später festgestellte sozialversicherungsrechtliche Status mitgeteilt worden sein soll. Hiervon abgesehen ist zu dem entsprechenden Vortrag des Klägers noch darauf hinzuweisen, dass der Gewährung einer stationären Heilbehandlungsmaßnahme stets ein entsprechender Bewilligungsbescheid zugrunde liegt, aus welchem sich ergibt, welcher Versicherungsträger die Maßnahme durchführt.

Vor diesem Hintergrund vom Senat nicht zu entscheiden ist die Rechtsfrage, ob selbst im Falle der Annahme eines Beratungsfehlers der geltend gemachte Anspruch deshalb nicht greifen könnte, weil der Besuch der Reha-Maßnahme als ein tatsächliches Geschehen im Rahmen der Prüfung eines Herstellungsanspruchs nicht hinweggedacht werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved