Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 2158/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3730/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des SG Heilbronn vom 7.7.2006 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragstellerin.
Gründe:
I.
Die Ast. bezieht von der Ag. Leistungen zum Lebensunterhalt nach zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Für den Zeitraum 1.2.2006 bis 30.06.2006 wurden 458,72 EUR monatlich bewilligt. Vom 1.2.2006 bis 15.3.2006 befand sich die Ast. in stationärer Behandlung und seit dem 21.04.2006 befindet sie sich in Untersuchungshaft. Mit Bescheid vom 11.5.2006 erteilte die Ag. einen Änderungsbescheid in dem sie für den Zeitraum der stationären Unterbringung den Regelsatz um die Kosten der Ernährung kürzte, und für den Zeitpunkt ab dem Beginn der Untersuchungshaft beschränkte die Ag. den Regelsatz auf die Kosten der Unterkunft.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Ast. vor dem SG Heilbronn Klage gegen den Änderungsbescheid und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie trug vor, dass es für die Kürzung des Regelsatzes keine Rechtsgrundlage gebe. Von dem Regelsatz seien auch Bedürfnisse erfasst, die während einer Untersuchungshaft nicht weggefallen seien. Mit eigenen Mitteln seien zusätzliche Hygieneartikel, Zwischenmahlzeiten, warme Getränke, Porto etc, Zeitung und der Fernsehempfang zu bestreiten. Die Ast. verfüge nicht über das Geld mit ihrer Betreuerin oder ihrer Familie Kontakt halten zu können.
Mit Beschluss vom 7.7.2006 erließ das SG eine einstweilige Anordnung des Inhalts, dass die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit wiederhergestellt wurde als die Regelleistung um 35 EUR gekürzt wurde. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der erlassene Verwaltungsakt teilweise rechtswidrig sein dürfte, da die Ast. während ihrer Untersuchungshaft einen Anspruch auf Taschengeld in Höhe von 10 v. H. des Regelsatzes, also 35 EUR monatlich habe. Im übrigen sei die Kürzung des Regelbedarfs wohl zulässig. Die aufschiebende Wirkung der Klage sei herzustellen, da der Ast. das Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten sei.
Gegen diese Entscheidung die Ag. Beschwerde ein, welche nach Nichtabhilfe dem LSG zur Entscheidung vorgelegt wurde. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass nach § 3 Abs. 3 SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden dürften, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden könne. Es sei davon auszugehen, dass Inhaftierte alle für ihren Lebensunterhalt erforderlichen Leistungen durch die Justizvollzuganstalt erhielten. Es bestehe in den ersten 6 Monaten jedoch ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für Unterkunft, wenn diese weiterhin anfielen. Die Justizvollzuganstalt habe alle für die Führung eines menschenwürdigen Daseins erforderlichen fürsorgerechtlichen Bedarfe zu erbringen.
Die Ag. beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 7.7.2006 aufzuheben und insgesamt den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Ast. beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Sowohl bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs bzw. einer Anfechtungsklage nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG als auch bei der Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung nach Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift entscheidet das Gericht nach Ermessen auf der Grundlage einer Interessenabwägung, wobei das private Interesse des belasteten Bescheidadressaten an der Aufhebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl., § 86b Rdn. 12 ff.). Da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung im vorliegenden Fall zunächst einmal angeordnet hat, besteht Anlass davon abzuweichen nur, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 86b Rdn. 12a). Maßstab sind einerseits die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und andererseits die wirtschaftliche Bedeutung der fraglichen Leistung für den Empfänger. Handelt es sich - wie hier - um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen und damit das Existenzminimum absichern, muss die überragende Bedeutung dieser Leistung für den Empfänger mit der Folge beachtet werden, dass ihm im Zweifel die Leistung - gegebenenfalls vermindert auf das absolut erforderliche Minimum - aus verfassungsrechtlichen Gründen vorläufig zu gewähren ist.
Entgegen der Auffassung der Ag. bestehen nach summarischer Prüfung hier durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 11.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6.06.2006.
Zutreffend hat das SG Heilbronn die Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Ast. ein Taschengeld zu gewähren, sodass die Beschwerde der Ag. als unbegründet zurückzuweisen ist.
Es begegnet keinen Bedenken, die Ast. als hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II anzusehen. Die Ast. verfügt über kein Einkommen oder Vermögen, wie es sich aus seinem früheren Bezug von Leistungen nach dem SGB II ergibt, und sie kann aufgrund ihres Aufenthalts in der Untersuchungshaft ihren Lebensunterhalt nicht durch eigene Anstrengungen - insbesondere Arbeit - sichern. Daher war es bereits nach der früheren Rechtsprechung zum BSHG anerkannt, dass bei Unterbringung in einer JVA während der Untersuchungshaft ein sozialhilferechtlich anzuerkennender ergänzender Bedarf bestand (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.Okt.1993 - 5 C 38/92 - FEVS 44, 225). Dass sich an dieser Rechtslage und dieser Behandlung der Bedürftigkeit von Untersuchungshäftlingen etwas durch die neu geschaffenen SGB II und SGB XII ändern sollte, ist nicht ersichtlich. Soweit die Ag. in diesem Zusammenhang auf die Auffassung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit verweist, führt dies nicht zu einer anderen Einschätzung. Es mag zwar sein, dass es Aufgabe der Justizvollzugseinrichtungen - und damit der einzelnen Bundesländer - ist, dafür Sorge zu tragen, dass Untersuchungshäftlinge mit den Leistungen und Gegenständen ausgestattet werden, die für ein menschenwürdiges Dasein auch in der Haft notwendig sind. Indessen besteht für den Antragsteller kein Anspruch darauf, dass diese eventuell im Strafvollzugsrecht gegenwärtig bestehende Lücke durch ein Tätigwerden des ( Landes-) Gesetzgebers geschlossen wird. Fest steht, dass den Untersuchungshäftlingen im Gegensatz zu den Strafgefangenen kein Taschengeld gewährt wird. Eine konkrete Möglichkeit zur Selbsthilfe steht der Ast. nicht zur Verfügung. Vielmehr ist im gegenwärtig bestehenden System der Sozialleistungen an den Bedürftigkeitsvoraussetzungen des SGB II anzuknüpfen, da ein weiteres gesetzliches System - so zu sagen als letztes Netz der sozialen Sicherung - daneben nicht mehr besteht. Der Senat schließt sich daher der bereits in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung an, für erwerbsfähige Untersuchungshäftlinge könne - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form eines Taschengeldes bestehen (so auch: SG Schleswig, Beschluss vom 25.Mai 2005 - S 3 AS 173/05 ER -; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 14.Nov. 2005 - L 9 B 260/05 SO ER-).
Hinsichtlich der Höhe des von der Ast. geltend gemachten Anspruchs sieht der Senat eines Taschengeldanspruch in Höhe von 10. v.H. des Regelsatzes als angemessen und erforderlich an.
Schließlich hat die Ast. auch einen Anordnungsgrund glaubhaft dargetan. Zwar trifft es zu, dass die Ast. während ihres Aufenthalt in der JVA verköstigt und beherbergt wird. Gleichwohl bestehen bei ihr anzuerkennende Bedürfnisse, die ohne die streitige Leistung nicht befriedigt werden können. Dazu zählen insbesondere Briefpapier und Briefmarken, Telefonkarten und in geringerem Umfang Genussmittel wie Tabak. Insbesondere im Hinblick darauf, dass bei einem Untersuchungshäftling ein erhöhtes Bedürfnis an Kommunikation mit der Außenwelt besteht – soweit es ihm nach den strafrechtlichen Vorschriften erlaubt ist – erscheint es dem Senat nicht angebracht, die von der Ag. vorgesehenen Einschränkungen während der Dauer einer Untersuchung als zumutbar für den Betreffenden anzusehen. Auch wenn der Aufenthalt als Untersuchungshäftling nur von einem vorübergehenden Zeitraum geprägt ist, so hat gleichwohl der "arme" Untersuchungshäftling Anspruch darauf, dass ihm durch ein Taschengeld in geringem Umfang eine Kommunikation mit der Außenwelt und die Befriedigung kleiner persönlicher Bedürfnisse im Rahmen seines Lebens unter menschenwürdigen Umständen erhalten bleibt. Wirksamer Rechtsschutz wäre durch ein späteres Hauptsacheverfahren nicht mehr zu erreichen.
Der Anspruch auf Taschengeld für die Zeit der Untersuchungshaft besteht jedoch nur für längstens 6 Monate. Danach greift der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II ein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Entscheidung kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragstellerin.
Gründe:
I.
Die Ast. bezieht von der Ag. Leistungen zum Lebensunterhalt nach zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Für den Zeitraum 1.2.2006 bis 30.06.2006 wurden 458,72 EUR monatlich bewilligt. Vom 1.2.2006 bis 15.3.2006 befand sich die Ast. in stationärer Behandlung und seit dem 21.04.2006 befindet sie sich in Untersuchungshaft. Mit Bescheid vom 11.5.2006 erteilte die Ag. einen Änderungsbescheid in dem sie für den Zeitraum der stationären Unterbringung den Regelsatz um die Kosten der Ernährung kürzte, und für den Zeitpunkt ab dem Beginn der Untersuchungshaft beschränkte die Ag. den Regelsatz auf die Kosten der Unterkunft.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Ast. vor dem SG Heilbronn Klage gegen den Änderungsbescheid und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie trug vor, dass es für die Kürzung des Regelsatzes keine Rechtsgrundlage gebe. Von dem Regelsatz seien auch Bedürfnisse erfasst, die während einer Untersuchungshaft nicht weggefallen seien. Mit eigenen Mitteln seien zusätzliche Hygieneartikel, Zwischenmahlzeiten, warme Getränke, Porto etc, Zeitung und der Fernsehempfang zu bestreiten. Die Ast. verfüge nicht über das Geld mit ihrer Betreuerin oder ihrer Familie Kontakt halten zu können.
Mit Beschluss vom 7.7.2006 erließ das SG eine einstweilige Anordnung des Inhalts, dass die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit wiederhergestellt wurde als die Regelleistung um 35 EUR gekürzt wurde. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der erlassene Verwaltungsakt teilweise rechtswidrig sein dürfte, da die Ast. während ihrer Untersuchungshaft einen Anspruch auf Taschengeld in Höhe von 10 v. H. des Regelsatzes, also 35 EUR monatlich habe. Im übrigen sei die Kürzung des Regelbedarfs wohl zulässig. Die aufschiebende Wirkung der Klage sei herzustellen, da der Ast. das Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten sei.
Gegen diese Entscheidung die Ag. Beschwerde ein, welche nach Nichtabhilfe dem LSG zur Entscheidung vorgelegt wurde. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass nach § 3 Abs. 3 SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden dürften, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden könne. Es sei davon auszugehen, dass Inhaftierte alle für ihren Lebensunterhalt erforderlichen Leistungen durch die Justizvollzuganstalt erhielten. Es bestehe in den ersten 6 Monaten jedoch ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für Unterkunft, wenn diese weiterhin anfielen. Die Justizvollzuganstalt habe alle für die Führung eines menschenwürdigen Daseins erforderlichen fürsorgerechtlichen Bedarfe zu erbringen.
Die Ag. beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 7.7.2006 aufzuheben und insgesamt den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Ast. beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Sowohl bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs bzw. einer Anfechtungsklage nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG als auch bei der Aufhebung bzw. Aussetzung der Vollziehung nach Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift entscheidet das Gericht nach Ermessen auf der Grundlage einer Interessenabwägung, wobei das private Interesse des belasteten Bescheidadressaten an der Aufhebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl., § 86b Rdn. 12 ff.). Da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung im vorliegenden Fall zunächst einmal angeordnet hat, besteht Anlass davon abzuweichen nur, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 86b Rdn. 12a). Maßstab sind einerseits die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und andererseits die wirtschaftliche Bedeutung der fraglichen Leistung für den Empfänger. Handelt es sich - wie hier - um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen und damit das Existenzminimum absichern, muss die überragende Bedeutung dieser Leistung für den Empfänger mit der Folge beachtet werden, dass ihm im Zweifel die Leistung - gegebenenfalls vermindert auf das absolut erforderliche Minimum - aus verfassungsrechtlichen Gründen vorläufig zu gewähren ist.
Entgegen der Auffassung der Ag. bestehen nach summarischer Prüfung hier durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 11.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6.06.2006.
Zutreffend hat das SG Heilbronn die Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Ast. ein Taschengeld zu gewähren, sodass die Beschwerde der Ag. als unbegründet zurückzuweisen ist.
Es begegnet keinen Bedenken, die Ast. als hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II anzusehen. Die Ast. verfügt über kein Einkommen oder Vermögen, wie es sich aus seinem früheren Bezug von Leistungen nach dem SGB II ergibt, und sie kann aufgrund ihres Aufenthalts in der Untersuchungshaft ihren Lebensunterhalt nicht durch eigene Anstrengungen - insbesondere Arbeit - sichern. Daher war es bereits nach der früheren Rechtsprechung zum BSHG anerkannt, dass bei Unterbringung in einer JVA während der Untersuchungshaft ein sozialhilferechtlich anzuerkennender ergänzender Bedarf bestand (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.Okt.1993 - 5 C 38/92 - FEVS 44, 225). Dass sich an dieser Rechtslage und dieser Behandlung der Bedürftigkeit von Untersuchungshäftlingen etwas durch die neu geschaffenen SGB II und SGB XII ändern sollte, ist nicht ersichtlich. Soweit die Ag. in diesem Zusammenhang auf die Auffassung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit verweist, führt dies nicht zu einer anderen Einschätzung. Es mag zwar sein, dass es Aufgabe der Justizvollzugseinrichtungen - und damit der einzelnen Bundesländer - ist, dafür Sorge zu tragen, dass Untersuchungshäftlinge mit den Leistungen und Gegenständen ausgestattet werden, die für ein menschenwürdiges Dasein auch in der Haft notwendig sind. Indessen besteht für den Antragsteller kein Anspruch darauf, dass diese eventuell im Strafvollzugsrecht gegenwärtig bestehende Lücke durch ein Tätigwerden des ( Landes-) Gesetzgebers geschlossen wird. Fest steht, dass den Untersuchungshäftlingen im Gegensatz zu den Strafgefangenen kein Taschengeld gewährt wird. Eine konkrete Möglichkeit zur Selbsthilfe steht der Ast. nicht zur Verfügung. Vielmehr ist im gegenwärtig bestehenden System der Sozialleistungen an den Bedürftigkeitsvoraussetzungen des SGB II anzuknüpfen, da ein weiteres gesetzliches System - so zu sagen als letztes Netz der sozialen Sicherung - daneben nicht mehr besteht. Der Senat schließt sich daher der bereits in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung an, für erwerbsfähige Untersuchungshäftlinge könne - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form eines Taschengeldes bestehen (so auch: SG Schleswig, Beschluss vom 25.Mai 2005 - S 3 AS 173/05 ER -; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 14.Nov. 2005 - L 9 B 260/05 SO ER-).
Hinsichtlich der Höhe des von der Ast. geltend gemachten Anspruchs sieht der Senat eines Taschengeldanspruch in Höhe von 10. v.H. des Regelsatzes als angemessen und erforderlich an.
Schließlich hat die Ast. auch einen Anordnungsgrund glaubhaft dargetan. Zwar trifft es zu, dass die Ast. während ihres Aufenthalt in der JVA verköstigt und beherbergt wird. Gleichwohl bestehen bei ihr anzuerkennende Bedürfnisse, die ohne die streitige Leistung nicht befriedigt werden können. Dazu zählen insbesondere Briefpapier und Briefmarken, Telefonkarten und in geringerem Umfang Genussmittel wie Tabak. Insbesondere im Hinblick darauf, dass bei einem Untersuchungshäftling ein erhöhtes Bedürfnis an Kommunikation mit der Außenwelt besteht – soweit es ihm nach den strafrechtlichen Vorschriften erlaubt ist – erscheint es dem Senat nicht angebracht, die von der Ag. vorgesehenen Einschränkungen während der Dauer einer Untersuchung als zumutbar für den Betreffenden anzusehen. Auch wenn der Aufenthalt als Untersuchungshäftling nur von einem vorübergehenden Zeitraum geprägt ist, so hat gleichwohl der "arme" Untersuchungshäftling Anspruch darauf, dass ihm durch ein Taschengeld in geringem Umfang eine Kommunikation mit der Außenwelt und die Befriedigung kleiner persönlicher Bedürfnisse im Rahmen seines Lebens unter menschenwürdigen Umständen erhalten bleibt. Wirksamer Rechtsschutz wäre durch ein späteres Hauptsacheverfahren nicht mehr zu erreichen.
Der Anspruch auf Taschengeld für die Zeit der Untersuchungshaft besteht jedoch nur für längstens 6 Monate. Danach greift der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II ein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Entscheidung kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
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