L 10 AL 264/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 389/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 264/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 31.05.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger - gesetzlich vertreten durch seine Mutter O. R. als Betreuerin - begehrt die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von Aufnahme in den Berufsbildungsbereich (früher: "Arbeitstrainingsbereich") der Behinderteneinrichtung "H. Werkstätten" in H. und die Gewährung von Zusatzmaßnahmen zur Integration, zur Entwicklung und Eingliederung am Arbeitsplatz und in die Gruppe in den "H. Werkstätten" in H. sowie zur gesamtheitlichen Weiterentwicklung/Persönlichkeitsentwicklung.

Der 1976 geborene Kläger leidet auf Grund eines frühkindlichen Hirnschadens unter dauerhaften massiven psychischen wie physischen Behinderungen. Er ist als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen "B", "G", "H" und "RF" anerkannt. Mit Abschluss des Schuljahres 1993/1994 (Sonderschule für geistig Behinderte) hatte er seine Schulpflicht und Berufsschulpflicht erfüllt. In der Zeit vom 25.09.1994 bis 25.01.1995 war der Kläger in den Dr.-L.-Einrichtungen in W. auf Kosten des für ihn zuständigen überörtlichen Sozialhilfeträgers, des Bezirks Oberfranken, untergebracht. Ende Februar 1995 wurde dem Kläger der Heimvertrag gekündigt, weil seine gesetzliche Vertreterin einer höheren Medikamentendosis nicht zugestimmt hatte, die seitens der Heimleitung für erforderlich erachtet worden war. Daraufhin beantragte die gesetzliche Vertreterin des Klägers am 15.02.1995 bei der Beklagten (damals: Bundesanstalt für Arbeit) seine Unterbringung in eine Werkstatt für Behinderte (WfB). Eine in diesem Zusammenhang veranlasste arbeitsamtsärztliche Begutachtung des Klägers vom 23.03.1995 ergab, dass seine Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund seiner Behinderung nicht möglich sei. Hinsichtlich der Unterbringung in einer WfB äußerte der amtsärztliche Gutachter ebenfalls Zweifel an der Gemeinschaftsfähigkeit des Klägers und schlug eine psychologische Begutachtung sowie ein Probetraining in einer WfB vor. Die psychologische Gutachterin gelangte in ihrem Gutachten vom 12.05.1995 zu dem Ergebnis, dass der Kläger mindestens eine Betreuungsperson für sich allein benötige; sofern dieses Betreuungsverhältnis in einer WfB nicht zu bewerkstelligen sei, solle die Aufnahme in eine internatsgebundene Einrichtung (Behindertenheim) erwogen werden. Daraufhin lehnte der Fachausschuss der WfB H. am 20.06.1995 die Aufnahme des Klägers in die WfB mangels Gemeinschaftsfähigkeit zunächst ab; auf Widerspruch des Klägers wurde dieser jedoch vom 02.10.1995 für längstens drei Monate in den Eingangsbereich der WfB H. eingegliedert. Am 16.11.1995 konstatierte der Fachausschuss nach Beendigung des Eingangsverfahrens, dass es nicht möglich gewesen sei, den Kläger in die Gruppe zu integrieren. Mangels Gemeinschaftsfähigkeit könne keine Übernahme des Klägers in den Arbeitstrainingsbereich der WfB erfolgen. Der anschließende Versuch, den Kläger auf Kosten des überörtlichen Sozialhilfeträgers in die Fördergruppe der WfB H. zu integrieren und damit seine Verhaltensweise zu festigen, war bereits am 22.12.1995 beendet.

Den von der gesetzlichen Vertreterin des Klägers am 03.08.1996 gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen zur beruflichen Rehabilitation Behinderter lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.08.1996 mangels Vorliegens der Werkstattfähigkeit des Klägers ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.1996 zurück. Die am 20.09.1996 zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobene Klage nahm die gesetzliche Vertreterin des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 26.02.1997 zurück.

Ab September 1996 wurde der Kläger durch eine vollstationäre Maßnahme im Heim E. in A. auf Kosten des Sozialhilfeträgers Bezirk Oberfranken gefördert.

Die vollstationäre Unterbringung des Klägers im Heim E. in A. wurde am 06.01.1997 auf Grund seines unkontrollierbaren aggressiven Verhaltens gegen Mitbewohner ebenfalls wieder beendet. Im Juli 1997 wurde der Kläger im Heim der Lebenshilfe e.V. in W. aufgenommen. Nach Aufnahme in den Arbeitstrainingsbereich der WfB W. wurden die Trainingsmaßnahmen am 30.09.1998 wegen Aggressivität des Klägers gegen andere Mitbewohner abgebrochen. Am 03.10.1998 siedelte er in das Wohnheim der Lebenshilfe e.V. nach E. über. Bereits am 10.11.1998 wurden auch diese Fördermaßnahmen beendet, nachdem die Heimleitung in E. in Übereinstimmung mit der Werkstattleitung am 03.11.1998 festgestellt hatte, dass der Kläger weder in das Heim noch in die Arbeitsgruppe integriert werden könne.

Auf Antrag der gesetzlichen Vertreterin des Klägers vom 11.02.1999 wurde dieser in die WfB H. aufgenommen. Nachdem es zwischen ihr und der Heimleitung zu Differenzen gekommen war, endete die Aufnahme des Klägers in der dortigen Fördergruppe im Juli 1999.

Am 23.09.1999 beantragte die gesetzliche Vertreterin des Klägers erneut die Gewährung von Leistungen zur beruflichen Rehabilitation in Form von Aufnahme des Klägers in den Arbeitsbereich der WfB in H ... Mit Bescheid vom 05.10.1999 lehnte die Beklagte den Antrag insbesondere mit der Begründung ab, der Kläger benötige eine Eins-zu-Eins-Betreuung, diese sei in der WfB in H. aber nicht vorgesehen. Den hiergegen am 28.10.1999 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.1999 als unbegründet zurück. Mit der hiergegen beim SG Bayreuth am 04.01.2000 eingelegten Klage (Az: S 8 AL 3/00) beantragte die gesetzliche Vertreterin des Klägers die "umgehende Bewilligung der Arbeitsaufnahme-Fortsetzung der Arbeitstrainingsmaßnahme bei der Lebenshilfe e.V. H. als zuständige Behinderteneinrichtung im Einzugsgebiet am Wohnort".

Ferner beantragte die gesetzliche Vertreterin des Klägers am 11.10.2000 die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Az: S 8 AL 441/00 ER). In dem am 06.11.2000 durchgeführten Erörterungstermin nahm die gesetzliche Vertreterin des Klägers diesen Antrag zurück, nachdem eine gutachterliche Beurteilung der Werkstattfähigkeit des Klägers im Bezirkskrankenhaus B. durch den Sachverständigen Dr.L. vereinbart worden war.

Nach 14-tägiger teilstationärer Unterbringung des Klägers kam der Sachverständige in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 05.06.2001 zu dem Ergebnis, dass der Kläger auf Grund seiner psychischen und physischen Konstitution nicht als werkstattfähig für die Eingliederung in den Eingangs- bzw. in den Arbeitstrainingsbereich einer WfB anzusehen sei.

Mit Urteil vom 20.09.2001 wies das SG Bayreuth die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der Kläger für die Eingliederung in den Eingangs- bzw. in den Arbeitstrainingsbereich einer WfB nicht als werkstattfähig anzusehen sei. Die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die WfB lägen weder im Eingangs- noch im Berufsbildungsbereich im Sinne des §§ 40 iVm 136 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB IX- vor, denn vom Kläger sei eine erhebliche Selbst- und Fremdgefährdung zu erwarten. Ein Rechtsanspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Gewährung von besonderen Leistungen der beruflichen Rehabilitation im Sinne der §§ 102 ff Drittes Buch Sozialgesetzbuch -SGB III- iVm §§ 40, 136 SGB IX bestehe deshalb nicht.

Ausgangspunkt des anhängigen Berufungsverfahrens ist der von der gesetzlichen Vertreterin des Klägers am 24.08.2002 gestellte Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von Aufnahme des Klägers in die WfB sowie Förder- und Weiterentwicklungsmaßnahmen als besondere Leistungen zur beruflichen Rehabilitation. Nach einem Vermerk eines Beraters des Arbeitsamtes H. vom 11.04.2002 über ein Gespräch mit dem Kläger und dessen Betreuerin gab diese an, dass der Kläger seit der Urteilsverkündung im September 2001 lediglich eine Ergotherapeutin aufgesucht habe, eine stationäre Maßnahme oder Heimunterbringung habe in der Zwischenzeit nicht stattgefunden. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.09.2002 den Antrag des Klägers ab und wies insbesondere darauf hin, dass sich an der fehlenden Gemeinschaftsfähigkeit des Klägers nichts geändert haben könne. Mit Schriftsatz vom 29.09.2002, bei der Beklagten am 30.09.2002 eingegangen, legte die gesetzliche Vertreterin des Klägers Widerspruch ein und machte nochmals einen Anspruch auf umgehende Aufnahme in die Werkstätten der Lebenshilfe H. und zwar in eine Kleingruppe (sechs Personen) mit besonderem Förderbedarf (Einzelbetreuung und Unterstützung des Gruppenführers) geltend. In der Anlage übersandte sie einen Bericht über die ergotherapeutische Diagnostik und den Behandlungsverlauf der Praxis für Ergotherapie S. vom 28.10.2001 sowie eine ärztliche Bescheinigung des Nervenarztes Dr.L. vom Bezirksklinikum O. vom 19.09.2002.

Gestützt auf eine Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Beklagten vom 31.10.2002 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers vom 29.09.2002 in vollem Umfang ab und hob mit Bescheid vom 12.11.2002 den Bescheid vom 17.09.2002 auf. In der Begründung des Bescheids wies die Beklagte insbesondere darauf hin, dass der Kläger nach der stationären und anschließend ambulanten Behandlung gegenwärtig die Voraussetzungen für die Aufnahme in das Eingangsverfahren bei den "H. Werkstätten H." erfülle.

Der Kläger hatte sich nämlich einer stationären und ambulanten psychiatrischen Behandlung in der Institutsambulanz des Bezirksklinikums O. unterzogen. Der Nervenarzt Dr.L. befürwortete in seiner ärztlichen Bescheinigung vom 19.09.2002 ausdrücklich die Werkstattaufnahme des Klägers, weil sich seine Aggressivität, Ängstlichkeit, Unruhe und seine Anfälle unter stationärer und nachfolgend ambulanter Weiterbehandlung soweit gebessert haben, dass man von einer umgänglichen, ruhigeren und ausgeglicheneren Symptomatik sprechen könne. Mit Schriftsatz vom 12.01.2003 machte die gesetzliche Vertreterin des Klägers erneut zusätzliche Förder-Therapie-Maßnahmen geltend. Daraufhin teilte die Beklagte der gesetzlichen Vertreterin des Klägers mit Schriftsatz vom 06.02.2003 mit, dass es Förderangebote bezüglich individueller Einzel-Fördertherapien in den "H. Werkstätten" H. nicht gebe und diese auch nicht - wenn vorhanden - von der Beklagten finanziert werden könnten.

Nach Aufnahme des Klägers in das Eingangsverfahren der "H. Werkstätten" in H. am 01.04.2003 entschied die Fachausschusssitzung der "H. Werkstätten" am 25.06.2003, dass der Kläger nicht in den Berufsbildungsbereich der WfB übernommen werden könne, weil er nicht gemeinschaftsfähig sei. Der Entscheidung lag der Bericht über das Eingangsverfahren vom 10.06.2003 zugrunde, wonach während des Zeitraums seit dem 01.04.2003 kaum ein Tag vergangen sein soll, an dem der Kläger kein aggressives Verhalten an den Tag gelegt habe. In diesem Zusammenhang soll es zu körperlichen Übergriffen auf andere Werkstattteilnehmer, aber auch zu Sachbeschädigungen gekommen sein. Mit Schriftsatz vom 01.07.2003, bei der Beklagten am 02.07.2003 eingegangen, forderte die gesetzliche Vertreterin des Klägers dessen sofortige Wiederaufnahme und Fortsetzung der Eingliederung in den Arbeitstrainingsbereich einer geeigneten Kleingruppe geistig Behinderter unter Zu-/Beiordnung einer Hilfskraft, welche nach dem Schwerbehindertengesetz zu beanspruchen sei. Insofern legte sie "vorsorglich Widerspruch" ein.

Mit Bescheid vom 11.07.2003 entschied die Beklagte, dass die Voraussetzungen zur Gewährung von Leistungen gemäß den §§ 97 ff SGB III iVm §§ 39 ff SGB IX nicht erfüllt seien und dem Antrag vom 24.08.2002 daher nicht ensprochen werden könne. Beim Kläger sei eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten. Ferner sei auf das Angebot des zuständigen Sozialhilfeträgers zu verweisen, die Kosten für eine vollstationäre Unterbringung in einer anderen geeigneten Einrichtung zu übernehmen. Mit Schriftsatz vom 14.06.2003, bei der Beklagten am 16.07.2003 eingegangen, legte die gesetzliche Vertreterin des Klägers hiergegen Widerspruch verbunden mit der Aufforderung ein, den Kläger umgehend wieder aufzunehmen und die Eingliederung in den Arbeitstrainingsbereich fortzusetzen. Insbesondere seien die Berichte, Aussagen und Aufzeichnungen der WfB H. ihr zu übersenden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In den Gründen führte sie insbesondere folgendes aus: Aus den Stellungnahmen der "H. Werkstätten" ergebe sich zweifelsfrei, dass auch das zukünftige Verhalten des Klägers eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung erwarten lasse. Darüberhinaus sei festzustellen, dass das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung des Klägers im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulasse.

Mit Schriftsatz vom 05.09.2003, beim SG Bayreuth am 09.09.2003 eingegangen (Az: S 5 AL 389/03), hat die Betreuerin des Klägers hiergegen Klage eingelegt und die Klage auch erstreckt auf 1. das Arbeitsamt H. - Rehaabteilung -, 2. die "H. Werkstätten" der Lebenshilfe H. (WfB), den Bezirk 3. Oberfranken - Sozialverwaltung - 95411 Bayreuth, 4. die im Fachausschuss mitwirkenden Personen (Fachausschuss-Tagung vom 25.06.2003), nämlich Frau P. , G. , K. sowie die Herren S. , W. , M. , K. , D. , R. und B ... Ferner richtete sich die Klage gegen eine Frau Dr.S. vom Gesundheitsamt H ...

Mit Beschluss vom 27.05.2005 hat das SG die Klagen gegen diese Behörden und Personen abgetrennt und sie unter dem Az: S 5 AL 215/05 fortgeführt.

Auf gerichtliche Nachfrage vom 26.11.2004, ob die Betreuerin mit einer Begutachtung des Klägers durch den Nervenarzt Dr.L. einverstanden sei bzw. einer Begutachtung des Klägers überhaupt nicht mehr zustimmen wolle, hat diese mit Schriftsatz vom 09.12.2004 mitgeteilt, dass sie die Begutachtung des Klägers durch Dr.L. als Chefarzt im Strafvollzug ablehne. Sollte trotz Sinnlosigkeit einer Begutachtung von Seiten des Gerichts darauf bestanden werden, hänge die diesbezügliche Zustimmung von den gerichtlicherseits noch bekanntzugebenden Detailablauf-Fragen ab.

Das SG hat im Erörterungstermin am 26.01.2005 die Zeugin C. G. ("H. Werkstätten H.") und den Zeugen H.-J. M. ("H. Werkstätten H.") uneidlich einvernommen.

Auf weitere gerichtliche Nachfrage vom 01.03.2005, ob die Betreuerin des Klägers bereit sei, an der weiteren Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken, hat diese mit Schriftsatz vom 25.03.2005 u.a. mitgeteilt, dass sie einer weiteren Begutachtung des Klägers nicht zustimme, ebenfalls nicht eventuellen ärztlichen Diagnosestellungen bzw. Untersuchungen.

Mit Gerichtsbescheid vom 31.05.2005 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 11.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2003 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben für die Aufnahme in den Berufsbildungsbereich einer WfB, weil er nicht gemeinschaftsfähig sei, d.h. trotz einer der Behinderung des Klägers angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten sei. Nach den überzeugenden Aussagen der Zeugen M. und G. im Termin vom 26.01.2005 stehe fest, dass der Kläger im Rahmen des Werkstattbetriebs auf Grund seines fremdaggressiven Verhaltens, das im Wesentlichen im Werfen von Gegenständen gegen Glas und dem Schlagen von Mitarbeitern zum Ausdruck gekommen und aus Sicht der Zeugen meistens nicht vorhersehbar gewesen sei, stets eine Gefahr für Mitarbeiter und Angestellte der "H. Werkstätten" gewesen sei. Nach Aussage des Zeugen M. haben die Übergriffe des Klägers letztlich dazu geführt, dass schwächere Mitarbeiter Angst vor dem Kläger gehabt und sich die Eltern von Mitarbeitern über das Verhalten des Klägers bei der Leitung der "H. Werkstätten" beschwert haben. Demgegenüber seien die Vorwürfe der Betreuerin des Klägers unsubstantiiert, insbesondere weil sie auch keine Punkte vorgetragen habe, die nachvollziehbar ein Fehlverhalten der "H. Werkstätten" oder ihrer Angestellten belegten. Der für die Aufnahme in den Berufsbildungsbereich der WfB zuständige Fachausschuss habe eine Aufnahme des Klägers in den Berufsbildungsbereich ausschließen dürfen, denn eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung des Klägers sei - trotz angemessener Betreuung durch die WfB - nicht zu erwarten gewesen. Für das Gericht habe auch keine weitere Möglichkeit bestanden, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, insbesondere um festzustellen, welche Betreuung und Maßnahmen für den Kläger erforderlich gewesen wären, um ihn in den Berufsbildungsbereich einer WfB integrieren zu können. Hierzu wäre nämlich eine nervenärztliche Begutachtung erforderlich gewesen. Eine derartige Begutachtung sei jedoch nach der Weigerung der Betreuerin des Klägers nicht mehr möglich gewesen; insoweit habe lediglich auf Grund des bisherigen Beweisergebnisses, d.h. nach Lage der Akten unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen im Termin vom 26.01.2005 eine Entscheidung getroffen werden können.

Im Hinblick auf das Begehren des Klägers, dass die Beklagte für seine Aufnahme in die WfB der "H. Werkstätten" in H. Sorge tragen solle, sei auszuführen, dass es hierfür keine Rechtsgrundlage gebe. Die Aufnahme in eine WfB erfolge nur im Rahmen einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen der aufnehmenden Einrichtung und dem Behinderten; die Beklagte könne den Abschluss einer solchen Vereinbarung nicht erzwingen.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30.06.2005 beim SG Berufung eingelegt.

Zur Berufungsbegründung trägt der Kläger insbesondere Folgendes vor: Die Rechtslage sei im Gerichtsbescheid widersprüchlich und einseitig zu seinem Nachteil dargelegt worden und missachte Schwerbehindertenrechte. Ihm seien Förder-Zusatz-Aufbau-Maßnahmen zu gewähren. Rechtliche Grundlage hierfür sei das SGB IX, in dem die rechtlichen Ansprüche auf Eingliederung/Aufnahme jedes einzelnen Behinderten vorgeschrieben werden. Persönlichkeitsbildende Maßnahmen und Förderungen seien ebenfalls im SGB IX geregelt und vorgeschrieben. Der Gerichtsbescheid verstoße gegen sämtliche Schwerbehindertengesetze und Rechte, welche jedem einzelnen behinderten Menschen ohne wenn und aber zustünden. Die ausgewiesenen Behinderteneinrichtungen- und werkstätten seien für jeden behinderten Menschen zuständig. Die geistig behinderten Menschen haben einen gesetzlichen Anspruch auf Eingliederung. Die Eingliederung, d.h. Gemeinschaftsfähigkeit, sei Aufgabe der Vermittlung der zuständigen Lebenshilfe und WfB H ...

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des SG vom 31.05.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 1. ihn in den Berufsbildungsbereich der "H. Werkstätten H." aufzunehmen bzw. einzugliedern, 2. ihm Förder-Zusatz-Aufbau-Maßnahmen zur Integration, Entwicklung am Arbeitsplatz der WfB, Eingliederung am Arbeitsplatz - in die Gruppe -, in die Gesellschaft sowie 3. Fördermaßnahmen zur gesamtheitlichen Weiterentwicklung / Persönlichkeitsentwicklung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 31.05.2005 zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und bezieht sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie auf die Darlegungen im Tatbestand des Gerichtsbescheids.

Das Gericht hat im Verfahren die BAB-Akten der Beklagten Bände I und II sowie die Akten des Sozialgerichts Bayreuth mit den Az: S 7 AL 267/96; S 8 AL 3/00; S 8 AL 441/00 ER; S 5 AL 389/03; S 5 AL 215/05; S 5 AL 6/06; S 5 AL 7/06 beigezogen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG); insbesondere ist die Berufung form- und fristgerecht eingelegt worden.

Der Rechtsstreit war nicht gemäß § 159 Abs 1 SGG an das SG zurückzuverweisen, denn das SG hat im Gerichtsbescheid vom 31.05.2005 umfassend über die Klageanträge entschieden. Der Tenor des Gerichtsbescheids ist im vorliegenden Fall unter Heranziehung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe auszulegen (BSG SozR 136 Nr 1).

Zwar hat das SG den Antrag des Klägers auf individuelle Fördermaßnahmen im Tatbestand des Gerichtsbescheids nicht ausdrücklich erfasst und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen seine Entscheidung zur Abweisung des Klageantrags "Aufnahme in den Berufsbildungsbereich der H. Werkstätten H." begründet. Das SG hat jedoch in den Entscheidungsgründen auch zum Klageantrag "individuelle Fördermaßnahmen" Stellung genommen und eine weitere Sachaufklärung aus den von ihm dargelegten Gründen (mangelnde Mitwirkung des Klägers) nicht für möglich gehalten, so dass das SG letztlich auch über diesen Klageantrag mit entschieden hat.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben in Form von Aufnahme in den Bildungsbereich der "H. Werkstätten" in H. bzw. einer anderen Werkstatt für Behinderte (WfB) oder / und Fördermaßnahmen zur Integration in den Arbeitsplatz - bzw. Gruppe - oder / und zur allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung zu, §§ 97 Abs 1, 98 Abs 2, 102 Abs 1, 2 SGB III iVm §§ 40 Abs 1, 136 Abs 1-3 SGB IX.

Zur Überzeugung des Senats steht auf Grund des Verhaltens des Klägers im Eingangsverfahren der "H. Werkstätten" in H. im Zeitraum ab 01.04.2003 nämlich fest, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine Aufnahme in den Berufsbildungsbereich nicht erfüllt, denn es ist bei ihm eine erhebliche Selbst- und Fremdgefährdung trotz einer der Behinderung angemessenen Betreuung zu erwarten (§ 136 Abs 2 Satz 2 SGB IX). Somit kann nicht erwartet werden, dass der Kläger bei Aufnahme in den Berufsbildungsbereich einer WfB wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringt, § 136 Abs 2 Satz 1 SGB IX.

Behinderten Menschen können Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wieder herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, § 97 Abs 1 SGB III.

Für behinderte Menschen können erbracht werden allgemeine Leistungen sowie besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und diese ergänzende Leistungen, § 98 Abs 1 SGB III, wobei besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur erbracht werden, soweit nicht bereits durch die allgemeinen Leistungen eine Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann, § 98 Abs 2 SGB III.

Die besonderen Leistungen sind anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung einschl. Berufsvorbereitung sowie blindentechnischer und vergleichbarer spezieller Grundausbildungen zu erbringen, wenn Art oder Schwere der Behinderungen oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen oder einer sonstigen auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichteten Maßnahme unerlässlich machen oder die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderungen erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen, § 102 Abs 1 Satz 1 SGB III.

In besonderen Einrichtungen für behinderte Menschen können auch Aus- und Weiterbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung gefördert werden, § 102 Abs 1 Satz 2 SGB III.

Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen werden nach § 40 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB IX- erbracht, § 102 Abs 2 SGB III.

Leistungen im Berufsbildungsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen erhalten behinderte Menschen im Berufsbildungsbereich, wenn die Leistungen erforderlich sind, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit des behinderten Menschen soweit wie möglich zu entwickeln, zu verbessern oder wieder herzustellen und erwartet werden kann, dass der behinderte Mensch nach Teilnahme an diesen Leistungen in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 136 SGB IX zu erbringen, § 40 Abs 1 Nr 2 SGB IX.

Die Werkstatt steht allen behinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1 unabhängig von der Schwere der Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden, § 136 Abs 2 Satz 1 SGB IX.

Dies ist nicht der Fall bei behinderten Menschen, bei denen trotz einer der Behinderung angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten ist oder das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege die Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich oder sonstige Umstände ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen, § 136 Abs 2 Satz 2 SGB IX.

Auf Grund des Verhaltens des Klägers im Eingangsverfahren der "H. Werkstätten" in H. im Zeitraum ab 01.04.2003, das mit einer erheblichen Selbst- und Fremdgefährdung verbunden war, scheidet eine Aufnahme des Klägers in den Berufsbildungsbereich einer WfB und damit auch der "H. Werkstätten" aus. Der Kläger ist nämlich nicht gemeinschafts- und werkstattfähig (s. zur Voraussetzung der Werkstattfähigkeit für die Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich: BSG, Urteil vom 10.03.1994 - 7 RAr 22/93 -). Dies ergibt sich auf Grund einer Würdigung des gesamten Akteninhalts, insbesondere auf Grund der konkreten und in sich widerspruchsfreien Aussagen der im Erörterungstermin vor dem SG am 26.01.2005 vernommenen Zeugen C.G. und H.-J.M ... Die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils zur mangelnden Gemeinschafts- und Werkstattfähigkeit des Klägers macht sich der Senat zu eigen und sieht insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 Satz 1 SGG.

Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich die volle Verwertbarkeit der Aussage der Zeugin G. im Erörterungstermin vom 26.01.2005 insbesondere auch aus ihrer differenzierten Darstellung von Vorfällen ergibt, die sie selbst gesehen hat (Schlagen des Klägers gegen Fensterscheiben) und solchen, die ihr lediglich von dritter Seite berichtet worden sind (Schlagen oder Spucken des Klägers). Die Aussage der Zeugin G. war konkret, präzise und in sich schlüssig.

Auch der Zeuge M. konnte sich im Termin aus eigener Wahrnehmung konkret an einen Vorfall erinnern, als der Kläger nach dem Besuch der Oberfrankenausstellung fast die Busscheibe zerschlagen und einem Mitarbeiter ohne ersichtlichen Grund ins Gesicht geschlagen hat. Auch am sechsten Tag seines Wochenberichts hatte der Zeuge M. agressive Ausfälle des Klägers vermerkt, die er selbst wahrgenommen hat (Werfen von Gegenständen durch die Gegend, meistens gegen Glas, Schlagen auf einen Schrank und auf Mitarbeiter). Die aggressiven Ausbrüche des Klägers waren nach den Aussagen der Zeugen G. und M. auch nicht vorhersehbar. Das selbst- und fremdgefährdende Verhalten des Klägers änderte sich auch dann nicht, als die "H. Werkstätten" in H. unter Einschaltung einer Psychologin versucht haben, den Arbeitsplatz des Klägers umzugestalten und den Tagesablauf neu zu strukturieren. Darüber hinaus war der Kläger in eine kleinere als sonst übliche Gruppe (sechs bis sieben Mitarbeiter) mit nur vier Mitarbeitern aufgenommen worden und eine Praktikantin für Ergotherapie war dem Gruppenleiter zu dessen Unterstützung zugeteilt worden. Dieser Personalschlüssel stellt eine für werkstattfähige Behinderte iSd § 136 Abs 2 Satz 2 SGB IX "angemessene" Betreuung dar.

Die Aussagen der Zeugen G. und M. stimmen auch mit den Berichten der Mitarbeiter der "H. Werkstätten" in H. überein, in denen seit dem 01.04.2003 nahezu täglich über aggressive Ausfälle des Klägers berichtet worden war.

Die vom Nervenarzt Dr.L. vom Bezirksklinikum O. am 19.09.2002 getroffene prognostische Beurteilung einer Besserung der Aggressivität und Ängstlichkeit des Klägers wurde somit durch das tatsächliche Verhalten des Klägers im Eingangsverfahren der "H. Werkstätten" in H. ab dem 01.04.2003 widerlegt.

Zu diesem Ergebnis kommt der Senat im Rahmen seiner Beweiswürdigung. Die aggressiven Ausbrüche des Klägers hatten auch schon in der Vergangenheit mehrfach dazu geführt, dass der Kläger nicht dauerhaft in Arbeitstrainingsbereiche der WfB eingegliedert werden konnte (Aufnahme des Klägers in den Eingangsbereich der WfB H. endete im November 1995; der Versuch, den Kläger in die Fördergruppe der WfB H. zu integrieren, war am 22.12.1995 beendet; vollstationäre Unterbringung des Klägers im Haus E. in A. wurde am 06.01.1997 beendet; Abbruch der Trainingsmaßnahmen in der WfB W. am 30.09.1998; Abbruch der Förderungsmaßnahmen im Wohnheim der Lebenshilfe in E. am 10.11.1998). Somit hat der Fachausschuss der H. Werkstätten am 25.06.2003 zutreffend entschieden, dass der Kläger nicht in den Berufsbildungsbereich der WfB übernommen werden kann.

Demgegenüber sind die Einwendungen des Klägers im Klageverfahren und in der Berufungsbegründung (s. Schriftsätze vom 30.06.2005 und 16.08.2005) zu unsubstantiiert, um die schlüssigen und nachvollziehbaren Aussagen der Zeugen G. und M. zu widerlegen oder ernsthaft in Frage zu stellen. Die Behauptung des Klägers, sein Hinauswurf und seine Ausgrenzung sei zwischen den Teilnehmern des Fachausschusses und der Beklagten sowie dem Bezirk Oberfranken - Sozialverwaltung - abgesprochen, entbehrt jeder tatsächlichen Grundlage und wird auch nicht ansatzweise belegt.

Im Übrigen weist das erstinstanzliche Gericht im Gerichtsbescheid vom 31.05.2005 zu Recht darauf hin, dass es für die Aufnahme des Klägers in eine konkrete WfB (hier: H. Werkstätten in H.) keine Rechtsgrundlage gibt, denn die Beklagte kann den Abschluss einer Vereinbarung zwischen der aufnehmenden Einrichtung und dem Behinderten nicht erzwingen. Aus § 40 Abs 1 SGB IX ergibt sich nämlich für behinderte Menschen nur ein Anspruch auf Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer anerkannten Werkstätte für behinderte Menschen ...

Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Fördermaßnahmen in Einrichtungen bzw. Gruppen zu, die der Integration in den Arbeitsplatz bzw. in die Gruppe oder der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung dienen, denn der Kläger ist nicht werkstatt- und gemeinschaftsfähig und die Beklagte ist hierfür nicht der zuständige Leistungsträger. Gemäß § 136 Abs 3 SGB IX sollen behinderte Menschen, die die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer Werkstatt nicht erfüllen, in Einrichtungen oder Gruppen betreut und gefördert werden, die der Werkstatt angegliedert sind.

Für die Bewilligung derartiger Fördermaßnahmen als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist die Beklagte nicht der zuständige Leistungsträger, weil im vorliegenden Fall nur solche Maßnahmen bzw. Leistungen geeignet und auch erforderlich sind, die die Gemeinschafts- und damit Werkstattfähigkeit des Klägers herstellen: Maßnahmen zur Rehabilitation Behinderter, die inhaltlich ihr Schwergewicht (noch) in der sozialen Betreuung und Persönlichkeitsbildung haben, sind nicht dem Risikobereich der Beklagten zuzuordnen. Ausdrücklich weist § 22 Abs 1 SGB III darauf hin, dass Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nur erbracht werden dürfen, wenn nicht andere Leistungsträger oder andere öffentlich-rechtliche Stellen zur Erbringung gleichartiger Leistungen gesetzlich verpflichtet sind.

Das Bundessozialgericht hat bereits mit Urteil vom 26.05.1976 (Az: 12/7 RAr 41/75 in SozR 4100 § 56 Nr 4) Kriterien zur Abgrenzung der nicht in den Bereich der beruflichen Förderung fallenden Maßnahmen der sozialen Eingliederung Behinderter zu Maßnahmen der Förderung beruflicher Bildung, für die die Beklagte gemäß § 56 AFG zuständig ist, aufgezeigt. § 56 Abs 1 Satz 1 AFG entspricht dem Absatz 1 des mit Wirkung vom 01.01.1998 eingeführten § 97 SGB III, Absatz 2 des § 56 AFG hat im Wesentlichen die Regelungen des § 56 Abs 1 Satz 2 und 3 AFG übernommen. Nach § 56 AFG beschränkte sich die Zuständigkeit der Beklagten auf die Förderung beruflicher Bildung. Berufliche Bildung - und dazu gehören auch die berufsvorbereitenden Maßnahmen - dient dem Erlernen beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten. Nicht dazu gehören regelmäßig alle Maßnahmen, die die Voraussetzungen für das Erlernen beruflicher Fähigkeiten erst herstellen oder verbessern sollen, also Maßnahmen, die die Behinderungen beseitigen, bessern oder ihrer Verschlechterung entgegenwirken sollen. Im Bereich geistig Behinderter gehören zu diesem nicht der Zuständigkeit der Beklagten zuzuordnenden Bereich alle Maßnahmen zur Stabilisierung der Persönlichkeit und solche, die der Gewöhnung an Einordnung und an den Umgang mit anderen Menschen dienen, auch soweit dieses Ziel durch eine Beschäftigungstherapie oder die Ausübung von Arbeit angestrebt wird. Das Gleiche gilt für Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, sowohl die für das Leben als auch für eine berufliche Tätigkeit unerlässlichen Basisqualifikationen (Allgemeinbildung, Kommunikationsfähigkeit) zu vermitteln.

Die zur Verbesserung bzw. Herstellung der Gemeinschafts- und Werkstattfähigkeit des Klägers erforderlichen Maßnahmen therapeutisch/medizinischer oder/und sozialer Natur sind Maßnahmen zur Stabilisierung der Persönlichkeit und solche, die der Gewöhnung an Einordnung in eine Gruppe und an den Umgang mit anderen Menschen dienen sowie die allgemeine Kommunikationsfähigkeit vermitteln, wobei der Kläger insbesondere dazu befähigt werden sollte, sein Aggressionspotenzial zu beherrschen. Das Schwergewicht der für den Kläger erforderlichen Maßnahmen liegt somit eindeutig in der Persönlichkeitsbildung und sozialen Betreuung.

Durch die § 56 AFG nachfolgende Regelung des § 97 SGB III, die im Kontext mit § 102 SGB III und §§ 40, 136 SGB IX zu interpretieren ist, hat sich keine Änderung in der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der Beklagten im Verhältnis zu anderen Sozialleistungsträgern bzw. zum Sozialhilfeträger ergeben.

Schon nach dem Wortlaut der §§ 97, 102 SGB III ist die Beklagte nur für solche Maßnahmen zuständig, die sich unmittelbar auf die Erwerbsfähigkeit bzw. berufliche Bildung des behinderten Menschen richten. So können nach § 97 Abs 1 SGB III behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Nach § 102 Abs 1 SGB III sind die besonderen Leistungen anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung einschl. Berufsvorbereitung sowie blindentechnischer und vergleichbarer spezieller Grundausbildungen zu erbringen. Gemäß § 40 Abs 1 Nr 2 SGB IX erhalten behinderte Menschen Leistungen im Berufsbildungsbereich einer anerkannten Werkstätte für behinderte Menschen, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit des behinderten Menschen so weit wie möglich zu entwickeln ... Auch die in § 136 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB IX normierten Leistungen dienen der Leistungs- und Erwerbsfähigkeit der behinderten Menschen und nicht vorrangig der Persönlichkeitsentwicklung, was sich aus der Formulierung " ... und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln ..." zweifelsfrei ergibt.

Die Abgrenzung des Zuständigkeitsbereichs der Beklagten von denen anderer Sozialleistungsträger nach inhaltlichen Kriterien entspricht somit dem Wortlaut der Systematik und dem Sinn und Zweck der genannten Vorschriften. § 136 Abs 3 SGB IX bietet hingegen insofern keinen Lösungsansatz (s. auch SG Dresden, Beschluss vom 11.07.2003, Az: S 6 AL 1041/03 ER).

Ob zur Herstellung der Gemeinschafts- bzw. Werkstattfähigkeit des Klägers Maßnahmen sozialer Rehabilitation oder / und medizinisch / therapeutische Maßnahmen erforderlich sind, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist die Beklagte hierfür nicht der zuständige Leistungsträger.

Der Senat war somit nicht gehalten, gemäß §§ 103, 106 SGG zu ermitteln, welche weiteren Fördermaßnahmen im vorliegenden Fall in Betracht kommen und ob der Kläger insoweit zur Mitwirkung in Form einer Untersuchung durch einen ärztlichen Sachverständigen bereit ist.

Die Berufung ist im Ergebnis zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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