Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 2401/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 930/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Januar 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Erkrankung des Klägers an einer Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME) auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen ist.
Der 1958 geborene Kläger betreibt einen Malerbetrieb und ist bei der Beklagten versichert.
Mit Schreiben vom 06.07.2001 teilte er u.a. mit, er habe am Mittwoch, 02.05.2001 an der Fassade des Wohnhauses der Fam. St. in S. Außenarbeiten durchgeführt. Dieses Gebäude liege in extremer Ortsrandlage mit Wald- und Wiesenanschluss. Er habe die Sträucher und Büsche vor dem Haus mit Hilfe von Seilen und Gurten und dem Einsatz des ganzen Körpers von der zu streichenden Fläche fernhalten müssen. Nach der Arbeit, als er unter die Dusche habe gehen wollen, habe ihn seine Ehefrau auf eine Wunde in der linken Kniekehle aufmerksam gemacht. Es habe sich hierbei um eine kleinfingernagelgroße blutige und nun verschorfte Wunde gehandelt. Tagsüber hätte es an dieser Stelle gejuckt, er habe dort gekratzt. Sie beide hätten angenommen, dass es sich um einen Insektenstich gehandelt hätte. Am 05. und 06.05.2001 sei er an Fieber erkrankt, vom 07.05. bis 11.05.2001 sei er wieder seiner Arbeit nachgegangen, wobei er sich jedoch schlapp und müde gefühlt habe. Am Sonntag, den 13.05.2001 habe er wiederum Fieber gehabt und sei am Dienstag, den 15. Mai 2001 in das Überlinger Krankenhaus eingeliefert worden, wo sich der Verdacht auf FSME bestätigt habe.
In dem von der Beklagten veranlassten Befundbericht der Dres. Sch. und G., Kliniken Schmieder, A., vom 14.08.2001 (stationärer Aufenthalt am 20.06.2001) wurde u.a. ein Zustand nach FSME diagnostiziert und angegeben, ein Zeckenbiss sei im erstbehandelnden Krankenhaus nicht erinnert worden, aber bei Arbeiten in Gärten an Außenfassaden immer möglich. Der behandelnde Internist Dr. Schn. teilte unter dem 19.10.2001 u.a. mit, die ihn vertretende Ärztin Dr. B. habe bei ihrem Hausbesuch keinen Zeckenbiss mehr feststellen können, weil dieser sicherlich schon vor zwei bis drei Wochen geschehen sein musste. Der Kläger sei danach ausdrücklich befragt worden und habe angegeben, dass dies sehr wahrscheinlich sei, weil er bei Außenarbeiten in seinem Malerbetrieb häufig von Zecken gebissen werde. Der Oberarzt Dr. W., Städt. Krankenhaus Ü., teilte mit Schreiben vom 15.10.2001 mit, bei der Eigenanamnese des bei der Aufnahme allerdings somnolenten Patienten sei ein Zeckenbiss zunächst verneint worden. Die Ehefrau habe einen Zeckenbiss im Bereich des rechten Oberschenkels am 02.05.2001 bejaht. Im Übrigen wurde das Vorliegen einer kompliziert verlaufenden FSME bejaht. In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 16.11.2001 bestätigten die Dres. Sch. und G. (Kliniken Schmieder) erneut eine FSME-Infektion des Klägers. Auch bei Aufnahme hier habe der Kläger keine Angaben zu einem erinnerten Zeckenbiss eventuell mit sich ausbreitender Rötung oder Entzündung machen können. Die Infektionsquelle könne nicht eindeutig festgestellt werden. Die Beklagte holte das Gutachten nach Aktenlage des Facharztes für Allgemeinmedizin und Dipl. Chemikers Prof. Dr. H., Bergische Universität Gesamthochschule W., vom 23.04.2002 ein. Dieser führte u.a. aus, bei einem Teil der (FSME-)infizierten Menschen komme es nach 4 bis 21 Tagen zu grippalen Symptomen. Nach Abflauen der Symptomatik und weitgehender Beschwerdefreiheit von 4 bis 14 Tagen trete die typische Erkrankung auf. Der Kläger habe am 02.05.2001 nach der Erledigung von Maleraußenarbeiten eine Wunde in der linken Kniekehle bemerkt, die sich bei näherem Hinsehen als große blutige unverschorfte Stelle erwiesen habe. Eine Zecke sei nicht zu sehen gewesen, der Kläger habe jedoch angegeben, dort auf einen Juckreiz hin gekratzt zu haben. Vier Tage später sei Fieber aufgetreten, es habe vom 07.05. bis 11.05., d.h. vom 6. bis zum 10. Tage nach dem Stich wieder Beschwerdefreiheit bestanden. Am 12. Tag nach dem Stich sei erneut Fieber aufgetreten, was mit dem normalen Verlauf der FSME vereinbar sei. Die Vorgeschichte erscheine eindeutig, wobei Infektionen zurück bis zum 15.04.2001 denkbar erschienen. Nach den bisher gemachten Ausführungen sei der Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit, dem Verdacht auf Zustand nach Zeckenstich und FSME "hoch wahrscheinlich".
Mit Bescheid vom 09.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Es sei nicht erwiesen, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit den Zeckenstich erlitten habe, der zu der FSME-Erkrankung geführt habe. Sie wies insbesondere darauf hin, dass widersprüchliche Angaben des Klägers und seiner Ehefrau vorlägen. Während der Kläger wiederholt angegeben habe, sich an einen Zeckenbiss nicht erinnern zu können, habe seine Ehefrau gegenüber Dr. W. angegeben, es habe am 02.05.2001 ein Zeckenbiss im Bereich des rechten Oberschenkels vorgelegen.
Am 20.12.2002 hat der Kläger hiergegen zum Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Der Kläger hat erneut vorgetragen, seine Ehefrau habe am 02.05.2001 eine Wunde in der linken Kniekehle entdeckt. Weiter hat der Kläger seine privaten und beruflichen Aktivitäten in dem Zeitraum vom 15.04.2001 bis zum 02.05.2001 geschildert sowie Fotos von den Gebäuden, an denen er in der genannten Zeit Außenarbeiten verrichtet hatte, und seiner Privatwohnung und Werkstatt vorgelegt.
Das SG hat am 29.04.2003 die Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen. Bezüglich der Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Mit Urteil vom 29.01.2004 hat das SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Zeckenbiss als Arbeitsunfall anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es u.a. ausgeführt, es liege ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall vor. Der Kläger und seine Ehefrau hätten lückenlos die beruflichen und Freizeitaktivitäten in der Zeit vom 15.04.2001 bis 02.05.2001 dargelegt, sodass nur die Möglichkeit bestanden habe, dass sich der Kläger den Zeckenbiss bei der beruflichen Tätigkeit zugezogen habe.
Gegen das am 23.02.2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 04.03.2004. Sie führt aus, es sei nicht bewiesen, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit den Zeckenbiss erlitten habe. Der Schlussfolgerung des SG, dass auf Grund der Schilderungen des Klägers ein Zeckenbiss im privaten Bereich nicht möglich gewesen sei, könne nicht gefolgt werden, zumal auch das Wohnhaus des Klägers und seine Werkstatt in einem ländlichen Gebiet lägen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Januar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im Übrigen behalte er sich die Geltendmachung einer Entschädigung als Berufskrankheit in einem besonderen Verwaltungsverfahren vor.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die Berufung ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, gem. § 151 SGG frist- und formgerecht eingelegt und somit zulässig. Das SG hat den angefochtenen Bescheid zu Unrecht aufgehoben und die Beklagte dazu verurteilt, den Zeckenbiss als Arbeitsunfall anzuerkennen und Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 09.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2002, mit dem die Beklagte die Anerkennung der FSME- Erkrankung als Folge eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat. Der Bevollmächtigte des Klägers hat den Anspruch ausdrücklich auf die Geltendmachung eines Arbeitsunfalls beschränkt. Dem hat die Beklagte zugestimmt. Streitgegenstand ist somit nicht das Vorliegen einer Berufskrankheit. Hierzu wird die Beklagte ein gesondertes Verwaltungsverfahren durchzuführen haben.
Nach § 8 Abs.1 Sozialgesetzbuch 7. Buch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2,3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Unfallereignis) und die Gesundheitsstörung, derentwegen Entschädigungsleistungen begehrt werden, erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. BSGE 58, 80, 83 = SozR § 555a Nr. 1, BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 538 Nr. 84).Voller Beweis ist dann erbracht, wenn die zu beweisende Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben ist.
Nach Ansicht des Senats kann hier nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass sich der Zeckenbiss, der die FSME- Erkrankung ausgelöst hat, bei einer versicherten Tätigkeit des Klägers ereignet hat. Selbst die Aufnahme der Zecke während einer beruflichen Tätigkeit - was der Senat ausreichen ließe - kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
Hierbei ist zunächst dem SG darin zuzustimmen, dass unterstellt werden kann, obwohl ein konkreter Zeckenbiss nicht feststeht, dass die FSME-Erkrankung nur durch einen Zeckenbiss hat verursacht werden können, zumal nach dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. H. vom 23.04.2002 für diese Infektionserkrankung lediglich ein Zeckenbiss oder eine Lebensmittelübertragung in Betracht kommt, jedoch in Deutschland eine Übertragung durch Lebensmittel bislang nicht aufgetreten ist. Der Sachverständige hat zugleich darauf hingewiesen, dass insbesondere auch der Bodenseeraum als Gebiet anzusehen ist, in dem besonders viele hochpositive Zecken festgestellt worden sind.
Entgegen der Ansicht des SG kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Kläger den Zeckenbiss und die Aufnahme der Zecke bei einer privaten Tätigkeit zugezogen hat. Es kann bereits nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Kläger, wie von dem Gutachter Prof. Dr. Dr. H. unterstellt, sich am 02.05.2001 den angeschuldigten Zeckenbiss zugezogen hat. Nach den Schilderungen des Klägers und seiner Ehefrau hat die Ehefrau des Klägers am 02.05.2001 zwar eine kleinfingernagelgroße verschorfte Wunde in der linken Kniekehle des Klägers entdeckt. Ein konkreter Zeckenbiss an diesem Tag konnte jedoch weder der Kläger noch seine Ehefrau schildern. Aus welchen Gründen sich eine Wunde dort befunden hat - in Betracht käme ebenfalls ein Insektenstich - hat nicht weiter aufgeklärt werden können. Nach dem genannten Gutachten des Prof. Dr. Dr. H. hat die Infektion ausgehend von dem Auftritt der ersten Symptome ab dem 15.04.2001 stattfinden können. Entgegen der Auffassung des SG ergibt sich jedoch aus den Schilderungen der privaten und beruflichen Tätigkeiten des Klägers nicht, dass der die Krankheit auslösende Zeckenbiss ausschließlich bei beruflichen Tätigkeiten stattgefunden haben kann. Hierbei unterstellt der Senat ausdrücklich, dass der Kläger und seine Ehefrau hierzu wahrheitsgemäße Angaben gemacht haben. Der Zeckenbiss kann sich jedoch bei jeder alltäglichen Verrichtung außerhalb des Hauses ereignet haben, an die sich weder der Kläger selbst noch seine Ehefrau erinnern können. Sowohl die Werkstatt als auch das Wohnhaus des Klägers befinden sich in ländlichem Gebiet, sodass sich bei jedem privaten Aufenthalt außerhalb des Wohnhauses oder dem Gang zu privaten Verrichtungen eine Infektion ereignet haben kann, insbesondere vor dem Hintergrund des vom Gutachter hervorgehobenen hohen Infektionsrisikos im Wohngebiet des Klägers. Es bleiben daher ernsthafte Zweifel daran, dass sich der Kläger den Zeckenbiss bzw. die Zecke bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen hat, sodass der volle Beweis hierfür nicht erbracht ist. Angesichts der vorliegenden Umstände, nämlich dass nicht feststeht, wann bzw. bei welcher Verrichtung der Zeckenbiss erfolgt ist bzw. die Zecke aufgenommen wurde und der in dem Hochrisikogebiet bestehenden allgegenwärtigen Gefahr, fehlen Anknüpfungstatsachen, die selbst bei Annahme einer Beweiserleichterung (siehe hierzu Bereiter-Hahn/Mehrtens SGB VII § 8 Anm. 10.2) zum Nachweis führen könnten. Das vom Bevollmächtigten des Klägers zitierte Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) 8 RKn 5/90 betrifft die Kausalitätslehre, nämlich die Frage "der wesentlichen Bedingung" und ist für die Beantwortung der hier maßgeblichen Frage der "versicherten Tätigkeit" deshalb nicht maßgebend.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SGG) liegen nicht vor. Die Frage der Beweiserleichterung stellt sich aus den o.g. Gründen hier nicht.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Erkrankung des Klägers an einer Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME) auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen ist.
Der 1958 geborene Kläger betreibt einen Malerbetrieb und ist bei der Beklagten versichert.
Mit Schreiben vom 06.07.2001 teilte er u.a. mit, er habe am Mittwoch, 02.05.2001 an der Fassade des Wohnhauses der Fam. St. in S. Außenarbeiten durchgeführt. Dieses Gebäude liege in extremer Ortsrandlage mit Wald- und Wiesenanschluss. Er habe die Sträucher und Büsche vor dem Haus mit Hilfe von Seilen und Gurten und dem Einsatz des ganzen Körpers von der zu streichenden Fläche fernhalten müssen. Nach der Arbeit, als er unter die Dusche habe gehen wollen, habe ihn seine Ehefrau auf eine Wunde in der linken Kniekehle aufmerksam gemacht. Es habe sich hierbei um eine kleinfingernagelgroße blutige und nun verschorfte Wunde gehandelt. Tagsüber hätte es an dieser Stelle gejuckt, er habe dort gekratzt. Sie beide hätten angenommen, dass es sich um einen Insektenstich gehandelt hätte. Am 05. und 06.05.2001 sei er an Fieber erkrankt, vom 07.05. bis 11.05.2001 sei er wieder seiner Arbeit nachgegangen, wobei er sich jedoch schlapp und müde gefühlt habe. Am Sonntag, den 13.05.2001 habe er wiederum Fieber gehabt und sei am Dienstag, den 15. Mai 2001 in das Überlinger Krankenhaus eingeliefert worden, wo sich der Verdacht auf FSME bestätigt habe.
In dem von der Beklagten veranlassten Befundbericht der Dres. Sch. und G., Kliniken Schmieder, A., vom 14.08.2001 (stationärer Aufenthalt am 20.06.2001) wurde u.a. ein Zustand nach FSME diagnostiziert und angegeben, ein Zeckenbiss sei im erstbehandelnden Krankenhaus nicht erinnert worden, aber bei Arbeiten in Gärten an Außenfassaden immer möglich. Der behandelnde Internist Dr. Schn. teilte unter dem 19.10.2001 u.a. mit, die ihn vertretende Ärztin Dr. B. habe bei ihrem Hausbesuch keinen Zeckenbiss mehr feststellen können, weil dieser sicherlich schon vor zwei bis drei Wochen geschehen sein musste. Der Kläger sei danach ausdrücklich befragt worden und habe angegeben, dass dies sehr wahrscheinlich sei, weil er bei Außenarbeiten in seinem Malerbetrieb häufig von Zecken gebissen werde. Der Oberarzt Dr. W., Städt. Krankenhaus Ü., teilte mit Schreiben vom 15.10.2001 mit, bei der Eigenanamnese des bei der Aufnahme allerdings somnolenten Patienten sei ein Zeckenbiss zunächst verneint worden. Die Ehefrau habe einen Zeckenbiss im Bereich des rechten Oberschenkels am 02.05.2001 bejaht. Im Übrigen wurde das Vorliegen einer kompliziert verlaufenden FSME bejaht. In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 16.11.2001 bestätigten die Dres. Sch. und G. (Kliniken Schmieder) erneut eine FSME-Infektion des Klägers. Auch bei Aufnahme hier habe der Kläger keine Angaben zu einem erinnerten Zeckenbiss eventuell mit sich ausbreitender Rötung oder Entzündung machen können. Die Infektionsquelle könne nicht eindeutig festgestellt werden. Die Beklagte holte das Gutachten nach Aktenlage des Facharztes für Allgemeinmedizin und Dipl. Chemikers Prof. Dr. H., Bergische Universität Gesamthochschule W., vom 23.04.2002 ein. Dieser führte u.a. aus, bei einem Teil der (FSME-)infizierten Menschen komme es nach 4 bis 21 Tagen zu grippalen Symptomen. Nach Abflauen der Symptomatik und weitgehender Beschwerdefreiheit von 4 bis 14 Tagen trete die typische Erkrankung auf. Der Kläger habe am 02.05.2001 nach der Erledigung von Maleraußenarbeiten eine Wunde in der linken Kniekehle bemerkt, die sich bei näherem Hinsehen als große blutige unverschorfte Stelle erwiesen habe. Eine Zecke sei nicht zu sehen gewesen, der Kläger habe jedoch angegeben, dort auf einen Juckreiz hin gekratzt zu haben. Vier Tage später sei Fieber aufgetreten, es habe vom 07.05. bis 11.05., d.h. vom 6. bis zum 10. Tage nach dem Stich wieder Beschwerdefreiheit bestanden. Am 12. Tag nach dem Stich sei erneut Fieber aufgetreten, was mit dem normalen Verlauf der FSME vereinbar sei. Die Vorgeschichte erscheine eindeutig, wobei Infektionen zurück bis zum 15.04.2001 denkbar erschienen. Nach den bisher gemachten Ausführungen sei der Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit, dem Verdacht auf Zustand nach Zeckenstich und FSME "hoch wahrscheinlich".
Mit Bescheid vom 09.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Es sei nicht erwiesen, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit den Zeckenstich erlitten habe, der zu der FSME-Erkrankung geführt habe. Sie wies insbesondere darauf hin, dass widersprüchliche Angaben des Klägers und seiner Ehefrau vorlägen. Während der Kläger wiederholt angegeben habe, sich an einen Zeckenbiss nicht erinnern zu können, habe seine Ehefrau gegenüber Dr. W. angegeben, es habe am 02.05.2001 ein Zeckenbiss im Bereich des rechten Oberschenkels vorgelegen.
Am 20.12.2002 hat der Kläger hiergegen zum Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Der Kläger hat erneut vorgetragen, seine Ehefrau habe am 02.05.2001 eine Wunde in der linken Kniekehle entdeckt. Weiter hat der Kläger seine privaten und beruflichen Aktivitäten in dem Zeitraum vom 15.04.2001 bis zum 02.05.2001 geschildert sowie Fotos von den Gebäuden, an denen er in der genannten Zeit Außenarbeiten verrichtet hatte, und seiner Privatwohnung und Werkstatt vorgelegt.
Das SG hat am 29.04.2003 die Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen. Bezüglich der Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Mit Urteil vom 29.01.2004 hat das SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Zeckenbiss als Arbeitsunfall anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es u.a. ausgeführt, es liege ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall vor. Der Kläger und seine Ehefrau hätten lückenlos die beruflichen und Freizeitaktivitäten in der Zeit vom 15.04.2001 bis 02.05.2001 dargelegt, sodass nur die Möglichkeit bestanden habe, dass sich der Kläger den Zeckenbiss bei der beruflichen Tätigkeit zugezogen habe.
Gegen das am 23.02.2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 04.03.2004. Sie führt aus, es sei nicht bewiesen, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit den Zeckenbiss erlitten habe. Der Schlussfolgerung des SG, dass auf Grund der Schilderungen des Klägers ein Zeckenbiss im privaten Bereich nicht möglich gewesen sei, könne nicht gefolgt werden, zumal auch das Wohnhaus des Klägers und seine Werkstatt in einem ländlichen Gebiet lägen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Januar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im Übrigen behalte er sich die Geltendmachung einer Entschädigung als Berufskrankheit in einem besonderen Verwaltungsverfahren vor.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die Berufung ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, gem. § 151 SGG frist- und formgerecht eingelegt und somit zulässig. Das SG hat den angefochtenen Bescheid zu Unrecht aufgehoben und die Beklagte dazu verurteilt, den Zeckenbiss als Arbeitsunfall anzuerkennen und Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 09.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2002, mit dem die Beklagte die Anerkennung der FSME- Erkrankung als Folge eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat. Der Bevollmächtigte des Klägers hat den Anspruch ausdrücklich auf die Geltendmachung eines Arbeitsunfalls beschränkt. Dem hat die Beklagte zugestimmt. Streitgegenstand ist somit nicht das Vorliegen einer Berufskrankheit. Hierzu wird die Beklagte ein gesondertes Verwaltungsverfahren durchzuführen haben.
Nach § 8 Abs.1 Sozialgesetzbuch 7. Buch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2,3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Unfallereignis) und die Gesundheitsstörung, derentwegen Entschädigungsleistungen begehrt werden, erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. BSGE 58, 80, 83 = SozR § 555a Nr. 1, BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 538 Nr. 84).Voller Beweis ist dann erbracht, wenn die zu beweisende Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben ist.
Nach Ansicht des Senats kann hier nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass sich der Zeckenbiss, der die FSME- Erkrankung ausgelöst hat, bei einer versicherten Tätigkeit des Klägers ereignet hat. Selbst die Aufnahme der Zecke während einer beruflichen Tätigkeit - was der Senat ausreichen ließe - kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
Hierbei ist zunächst dem SG darin zuzustimmen, dass unterstellt werden kann, obwohl ein konkreter Zeckenbiss nicht feststeht, dass die FSME-Erkrankung nur durch einen Zeckenbiss hat verursacht werden können, zumal nach dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. H. vom 23.04.2002 für diese Infektionserkrankung lediglich ein Zeckenbiss oder eine Lebensmittelübertragung in Betracht kommt, jedoch in Deutschland eine Übertragung durch Lebensmittel bislang nicht aufgetreten ist. Der Sachverständige hat zugleich darauf hingewiesen, dass insbesondere auch der Bodenseeraum als Gebiet anzusehen ist, in dem besonders viele hochpositive Zecken festgestellt worden sind.
Entgegen der Ansicht des SG kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Kläger den Zeckenbiss und die Aufnahme der Zecke bei einer privaten Tätigkeit zugezogen hat. Es kann bereits nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Kläger, wie von dem Gutachter Prof. Dr. Dr. H. unterstellt, sich am 02.05.2001 den angeschuldigten Zeckenbiss zugezogen hat. Nach den Schilderungen des Klägers und seiner Ehefrau hat die Ehefrau des Klägers am 02.05.2001 zwar eine kleinfingernagelgroße verschorfte Wunde in der linken Kniekehle des Klägers entdeckt. Ein konkreter Zeckenbiss an diesem Tag konnte jedoch weder der Kläger noch seine Ehefrau schildern. Aus welchen Gründen sich eine Wunde dort befunden hat - in Betracht käme ebenfalls ein Insektenstich - hat nicht weiter aufgeklärt werden können. Nach dem genannten Gutachten des Prof. Dr. Dr. H. hat die Infektion ausgehend von dem Auftritt der ersten Symptome ab dem 15.04.2001 stattfinden können. Entgegen der Auffassung des SG ergibt sich jedoch aus den Schilderungen der privaten und beruflichen Tätigkeiten des Klägers nicht, dass der die Krankheit auslösende Zeckenbiss ausschließlich bei beruflichen Tätigkeiten stattgefunden haben kann. Hierbei unterstellt der Senat ausdrücklich, dass der Kläger und seine Ehefrau hierzu wahrheitsgemäße Angaben gemacht haben. Der Zeckenbiss kann sich jedoch bei jeder alltäglichen Verrichtung außerhalb des Hauses ereignet haben, an die sich weder der Kläger selbst noch seine Ehefrau erinnern können. Sowohl die Werkstatt als auch das Wohnhaus des Klägers befinden sich in ländlichem Gebiet, sodass sich bei jedem privaten Aufenthalt außerhalb des Wohnhauses oder dem Gang zu privaten Verrichtungen eine Infektion ereignet haben kann, insbesondere vor dem Hintergrund des vom Gutachter hervorgehobenen hohen Infektionsrisikos im Wohngebiet des Klägers. Es bleiben daher ernsthafte Zweifel daran, dass sich der Kläger den Zeckenbiss bzw. die Zecke bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen hat, sodass der volle Beweis hierfür nicht erbracht ist. Angesichts der vorliegenden Umstände, nämlich dass nicht feststeht, wann bzw. bei welcher Verrichtung der Zeckenbiss erfolgt ist bzw. die Zecke aufgenommen wurde und der in dem Hochrisikogebiet bestehenden allgegenwärtigen Gefahr, fehlen Anknüpfungstatsachen, die selbst bei Annahme einer Beweiserleichterung (siehe hierzu Bereiter-Hahn/Mehrtens SGB VII § 8 Anm. 10.2) zum Nachweis führen könnten. Das vom Bevollmächtigten des Klägers zitierte Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) 8 RKn 5/90 betrifft die Kausalitätslehre, nämlich die Frage "der wesentlichen Bedingung" und ist für die Beantwortung der hier maßgeblichen Frage der "versicherten Tätigkeit" deshalb nicht maßgebend.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SGG) liegen nicht vor. Die Frage der Beweiserleichterung stellt sich aus den o.g. Gründen hier nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved