L 5 KR 123/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 271/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 123/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 84/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 29. März 2005 aufgehoben und die Klage gegen die Bescheide vom 21. September 1993 und 5. November 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2002 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger als Empfänger von beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen sowie als freiwilliges Mitglied der Beklagten nur den hälftigen oder den vollen Beitragssatz zur Krankenversicherung seit 01.11.1993 zu tragen hat.

Der 1928 geborene Kläger ist seit 1943 Mitglied der Beklagten. Vom 01.01.1950 bis 31.03.1953 war er ihr Pflichtmitglied und ab 01.04.1953 mit Eintritt in ein Beamtenverhältnis freiwillig Versicherter. Seit dem 01.02.1989 ist der Kläger pensioniert und empfängt Versorgungsbezüge. Seit 01.11.1993 bezieht er eine Regelaltersrente.

Mit Bescheiden vom 21.09.1993/05.11.1993 stufte die Beklagte den Kläger mit dem vollen Beitragssatz ein und versagte ihm die Gewährung des hälftigen Beitragssatzes. Das dagegen angestrengte Widerspruchsverfahren, das der Kläger mit einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von freiwillig Versicherten und pflichtversicherten Mitgliedern begründete, wurde übereinstimmend zum Ruhen gebracht. Mit Schreiben vom 25.03.2002 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 15.03.2000 die Wiederaufnahme des Widerspruchverfahrens. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, weil der Kläger als freiwillig krankenversicherter Ruhestandsbeamter aus dem Ruhegehalt Beiträge nach dem vollen Beitragssatz zu entrichten habe. Er habe erst 1993 Anspruch auf die gesetzliche Rente erhalten, so dass er von Alt- und Übergangsregelungen nicht erfasst sei. Ruhestandsbeamte seien anders zu behandeln als andere freiwillig Versicherte, auf welche sich ausschließlich die zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezögen.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg erhoben, welches mit Gerichtsbescheid vom 29.03.2005 die Verwaltungsentscheidung dahingehend abgeändert hat, dass der Kläger seit dem 27.05.1993 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten sei. Wie das Bundessozialgericht 1996 sowie das Bundesverfassungsgericht 2000 entschieden habe, müssten freiwillig versicherte und pflichtversicherte Mitglieder gleich behandelt werden, so dass der Kläger nur mit dem hälftigen Beitragssatz belegt werden dürfe. Auch habe der Gesetzgeber die den Kläger eigentlich schützende Übergangsregelung zum 31.12.1993 nicht durch das Gesundheitsstrukturgesetz auf den 31.12.1992 vorverlegen dürfen.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 29.03.2005 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide vom 21.09.1993 und 05.11.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2002 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 29.03.2005 zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2006 waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakte beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151, 153 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch begründet. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 21.09.1993 und vom 05.11.1993, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2002, soweit dem Kläger dort der volle und nicht der hälftige Beitragssatz abverlangt wurde. Diese Entscheidung ist zu Recht ergangen, so dass der entgegenstehende Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 29.03.2005 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen ist. Der Kläger kann als Ruhestandsbeamter und freiwilliges Mitglied der Beklagten nicht den hälftigen Beitragssatz beanspruchen.

Der Kläger gehört seit dem 01.11.1993 zum Personenkreis der Beamten im Ruhestand, die neben den Versorgungsbezügen eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten. Er war bis Anfang 1953 beschäftigter Arbeitnehmer, welcher in der Kranken- und Rentenversicherung versicherungspflichtig war. Mit der Übernahme ins Beamtenverhältnis 1953 wurde der Kläger versicherungsfrei, hat sich aber aus eigener Entscheidung in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Beklagten freiwillig weiterversichert und ist auch im Ruhestand freiwillig Versicherter geblieben.

Ein Anspruch darauf, dass ab Rentenbeginn im November 1993 auf das Ruhegehalt als Versorgungsbezug (§ 229 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB V) nur die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes anzuwenden wäre, ergibt sich für den Kläger nicht aus § 248 Abs.1 SGB V in der Fassung durch das Gesundheits-Reformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl.I S.2477). Diese Regelung (inzwischen ersetzt durch § 248 SGB VI in der Fassung des 3. SGB V Änderungsgesetzes vom 10.05.1995 - BGBl.I S.678) gilt nur für Versicherungspflichtige. Der Kläger ist jedoch nicht aufgrund des Rentenbezuges Versicherungspflichtiger geworden, sondern er ist freiwilliges Mitglied der Beklagten geblieben. Denn der Kläger hat Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs.1 Nr.1 SGB VI in der ab 1. Januar 1989 geltenden Fassung nicht erlangt, bei ihm fehlt die sog. Halbbelegungszeit, (die zwischenzeitlich durch die 9/10-Belegung der zweiten Hälfte der Versicherungsbiographie ersetzt worden ist). Das sog. Altersprivileg gemäß § 248 Abs.2 SGB V kommt dem Kläger, welcher den Rentenantrag erst 1993 gestellt hat und diese erst ab 01.01.1993 bezogen hat, nicht mehr zu, denn diese Regelung ist durch Art.1 Nr.138 GRG (vom 21. Dezember 1992 - BGBl.I S.226) mit Wirkung vom 1. Januar 1993 gestrichen worden.

Die Auffassung des Klägers, diese Regelung sei verfassungswidrig, trifft nicht zu. Wie das Bundessozialgericht überzeugend ausgeführt hat (Urteil vom 26.06.1996 - 12 RK 12/94; Beschluss vom 21.08.1997 - 12 BK 61/97) sind Beamte mit Anspruch auf Beihilfe sowie Fortzahlung der Dienstbezüge im Krankheitsfall grundsätzlich in einem anderem Vorsorgesystem gesichert als pflichtversicherte Beschäftigte. Kommt - wie beim Kläger - der gesetzlichen Rente im Vergleich zu den Versorgungsbezügen nur die Rolle einer Nebeneinnahme zu, besteht keine Veranlassung, von der Erhebung einer zweiten Beitragshälfte abzusehen. Denn der Kläger war während der gesamten Zeit als Beamter und freiwillig Versicherter mit dem vollen Beitragssatz belastet worden, und es ist kein Grund ersichtlich hieran etwas bei Eintritt in die gesetzliche Rente zu ändern. Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zu pflichtversicherten Mitgliedern, die während des Erwerbslebens und der Mitgliedschaft als Beschäftigte nur den halben Beitragssatz zu zahlen haben und deren Arbeitgeber den zweiten hälftigen Beitrag entrichtet.

Zudem ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, den Kläger nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Beitragsleistung heranzuziehen. Die Streichung des Altersprivilegs war somit nicht die Beseitigung einer von Verfassungs wegen gebotenen Regelung, sondern die Beseitigung einer systemwidrigen Bevorzugung.

Im Übrigen hatte der Gesetzgeber - wie das Bundessozialgericht, a.a.O., ausgeführt hat - Veranlassung, die hälftige Beitragsentlastung für freiwillig versicherte Ruhestandsbeamte zu streichen, weil 1992 die finanzielle Entwicklung der Krankenversicherung dramatisch war und umgehende Abhilfe geboten war. Dabei stand dem Gesetzgeber die Auswahlentscheidung zu, welche Maßnahmen zu ergreifen waren; diese Entscheidung entzieht sich der Kontrolle durch die Gerichte (vgl. BVerfGE 72, 9, 23).

Auch im Übrigen ergeben sich keine Gesichtspunkte, die der genannten Entscheidung des Bundessozialgerichts entgegen zu halten wären. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass das Bundessozialgericht am 26.06.1996 die zitierte Entscheidung zu Ruhestandsbeamten getroffen hat, während es die Regelung im Übrigen für andere freiwillige Mitglieder - Belastung mit dem hälftigen Beitragssatz statt dem vollen - dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat. Dieses hat daraufhin mit der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung Verfassungswidrigkeit der fraglichen Regelung festgestellt - aber eben gerade nicht für den Fall vom Ruhestandsbeamten, zu welchen der Kläger zählt.

Auf die Berufung der Beklagten war deshalb der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 29.03.2005 aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 SGG).

In Anbetracht der beiden Entscheidungen des Bundessozialgerichts zum vollen Beitragssatz für freiwillig versicherte Ruhestandsbeamte ist die strittige Rechtsfrage als geklärt anzusehen. Tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte, die zu einer Abweichung von dieser Entscheidung veranlassen könnten, sind weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zudem hat das Bundessozialgericht die Systemwidrigkeit der hälftigen Beitragslast für freiwillig versicherte Versorgungsbezügeempfänger erneut dargelegt und die endgültige Abschaffung dieses ungerechtfertigten Privilegs auch für Bestandsschutzfälle gutgeheißen (BSG Urteil vom 10.05.2006 - B 12 KR 6/05 R)
Rechtskraft
Aus
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