Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 5289/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 4535/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. August 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht Stuttgart (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) an die Antragstellerin zu 1. - Mehrbedarfszuschlag nach § 21 Abs. 3 SGB II - bzw. an den Antragsteller zu 2. als deren Sohn - Sozialgeld nach § 28 SGB II - im Wege der einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung (Abs. 2 Satz 1 a.a.O.)), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnrn. 25 ff.; Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 7, 11.). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO § 123 Rdnrn. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927 ff.); Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnr. 58; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnrn. 95, 99 ff.). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ggf. ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, a.a.O.; NVwZ 2005, a.a.O.). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris), 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -, FEVS 57, 72 - und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -, FEVS 57, 164 (jeweils m.w.N. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung); Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. Rdnrn. 165 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 79; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O. Rdnr. 62).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn es fehlt im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats bereits an einem Anordnungsgrund. Die Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung im Sinne der notwendigen Behebung einer gegenwärtigen Notlage ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht; die vorgebrachte Gefahr für die Rechtsposition muss objektiv bestehen, subjektive Einschätzungen und Befürchtungen des Antragstellers genügen grundsätzlich nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 - (Juris) m.w.N.). Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass der notwendige Lebensunterhalt der Antragsteller akut und existentiell gefährdet ist. Denn der Antragstellerin zu 1. steht - soweit ersichtlich - derzeit für sich und den Antragsteller zu 2. ein monatlich verfügbarer Betrag von insgesamt 1663,- Euro zur Verfügung, der sich zusammengesetzt aus 420,- Euro Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, Praktikumsvergütung 614,- Euro, Mietzuschuss 205,- Euro, Stipendium 100,- Euro, Unterhaltsvorschuss 170,- Euro und Kindergeld 154,- Euro; bis einschließlich September 2006 waren es - bedingt durch den niedrigeren Unterhaltsvorschuss von 127,- Euro - 1620,- Euro. Es ist nicht glaubhaft gemacht (§ 86b SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)), dass damit der notwendige Unterhalt der Bedarfsgemeinschaft nicht gesichert werden konnte bzw. kann. Auch den von der Antragstellerin zu 1. vorgelegten Aufstellungen lässt sich nicht entnehmen, dass die laufenden Aufwendungen der Bedarfsgemeinschaft den monatlich verfügbaren Betrag übersteigen, welcher übrigens - selbst unter Anerkennung eines Mehrbedarfszuschlags nach § 21 Abs. 3 SGB II - deutlich über dem maximalen Leistungsbetrag nach dem SGB II von 1276,20 Euro (Regelsatz 345,- Euro, Mehrbedarfzuschlag 124,20 Euro, Sozialgeld für das Kind 207,- Euro und Unterkunftskosten 600,- Euro) liegt, den die Bedarfsgemeinschaft ohne Erzielung von eigenem Einkommen beanspruchen könnte.
Damit ist eine vorläufige Regelung zur Sicherung des Lebensunterhalts und der Unterkunft derzeit nicht geboten, ohne dass es auf die weiteren Voraussetzungen der begehrten einstweiligen Anordnung, also auch auf das Vorliegen des vom SG eingehend geprüften Anordnungsanspruchs ankommt. Die Prüfung der sich insoweit stellenden schwierigen, ausweislich der aktenkundigen Korrespondenz der Antragstellerin zu 1. mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales kontrovers beurteilten materiell-rechtlichen Fragen ist damit der Prüfung in einem möglichen Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht Stuttgart (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) an die Antragstellerin zu 1. - Mehrbedarfszuschlag nach § 21 Abs. 3 SGB II - bzw. an den Antragsteller zu 2. als deren Sohn - Sozialgeld nach § 28 SGB II - im Wege der einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung (Abs. 2 Satz 1 a.a.O.)), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnrn. 25 ff.; Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 7, 11.). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO § 123 Rdnrn. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927 ff.); Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnr. 58; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnrn. 95, 99 ff.). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ggf. ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, a.a.O.; NVwZ 2005, a.a.O.). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris), 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -, FEVS 57, 72 - und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -, FEVS 57, 164 (jeweils m.w.N. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung); Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. Rdnrn. 165 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 79; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O. Rdnr. 62).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn es fehlt im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats bereits an einem Anordnungsgrund. Die Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung im Sinne der notwendigen Behebung einer gegenwärtigen Notlage ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht; die vorgebrachte Gefahr für die Rechtsposition muss objektiv bestehen, subjektive Einschätzungen und Befürchtungen des Antragstellers genügen grundsätzlich nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 - (Juris) m.w.N.). Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass der notwendige Lebensunterhalt der Antragsteller akut und existentiell gefährdet ist. Denn der Antragstellerin zu 1. steht - soweit ersichtlich - derzeit für sich und den Antragsteller zu 2. ein monatlich verfügbarer Betrag von insgesamt 1663,- Euro zur Verfügung, der sich zusammengesetzt aus 420,- Euro Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, Praktikumsvergütung 614,- Euro, Mietzuschuss 205,- Euro, Stipendium 100,- Euro, Unterhaltsvorschuss 170,- Euro und Kindergeld 154,- Euro; bis einschließlich September 2006 waren es - bedingt durch den niedrigeren Unterhaltsvorschuss von 127,- Euro - 1620,- Euro. Es ist nicht glaubhaft gemacht (§ 86b SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)), dass damit der notwendige Unterhalt der Bedarfsgemeinschaft nicht gesichert werden konnte bzw. kann. Auch den von der Antragstellerin zu 1. vorgelegten Aufstellungen lässt sich nicht entnehmen, dass die laufenden Aufwendungen der Bedarfsgemeinschaft den monatlich verfügbaren Betrag übersteigen, welcher übrigens - selbst unter Anerkennung eines Mehrbedarfszuschlags nach § 21 Abs. 3 SGB II - deutlich über dem maximalen Leistungsbetrag nach dem SGB II von 1276,20 Euro (Regelsatz 345,- Euro, Mehrbedarfzuschlag 124,20 Euro, Sozialgeld für das Kind 207,- Euro und Unterkunftskosten 600,- Euro) liegt, den die Bedarfsgemeinschaft ohne Erzielung von eigenem Einkommen beanspruchen könnte.
Damit ist eine vorläufige Regelung zur Sicherung des Lebensunterhalts und der Unterkunft derzeit nicht geboten, ohne dass es auf die weiteren Voraussetzungen der begehrten einstweiligen Anordnung, also auch auf das Vorliegen des vom SG eingehend geprüften Anordnungsanspruchs ankommt. Die Prüfung der sich insoweit stellenden schwierigen, ausweislich der aktenkundigen Korrespondenz der Antragstellerin zu 1. mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales kontrovers beurteilten materiell-rechtlichen Fragen ist damit der Prüfung in einem möglichen Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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