Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VG 4/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 13/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.11.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1982 geborene Kläger begehrt Leistungen nach §§ 1 ff des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) i.V.m. §§ 1 ff des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Nach seinen Angaben ist er gelernter Papiermacher und arbeitslos. Er habe sich am 16.11. 2002 am Abend im "T." in N. aufgehalten und sei dort ca. ab 22.00 Uhr von dem betrunkenen A. S. angepöbelt worden. Im Rahmen der sich anschließenden tätlichen Auseinandersetzung habe der Kläger eine Schädelbasisfraktur erlitten und leide seitdem an ganztägigen Kopfschmerzen, Spannungen der Kopfhaut, Schwindelgefühlen und Übelkeit meist des Nachts sowie Augenschmerzen.
Von Seiten des Beklagten sind die Akten der Polizeiinspektion N. beigezogen und ausgewertet worden. Der Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion N. vom 15.01.2003 hat Folgendes ergeben: Bei dem Eintreffen der Polizei am 16.11.2002 um 22.30 Uhr sind der Kläger und sein Kontrahent A. S. vor dem Lokal stehend in ein Streitgespräch vertieft gewesen. Der Kläger hat angegeben, geschlagen worden zu sein. Er nannte bei der anschließenden Befragung zusammenhangslos die Namen K. , R. und S ... Eine klare Aussage bezüglich des Täters machte er nicht bzw. konnte er nicht mehr machen. Der Alcotest um 22.40 Uhr ergab 2,48 Promille.
A. S. gab auf Befragen an, er habe den Kläger nicht geschlagen. Er habe auch nichts von einer Körperverletzung mitbekommen. Bei ihm ergab der Alcotest 3,16 Promille.
K. hielt sich nach eigenen Angaben ständig im Lokal auf und sei an keiner Auseinandersetzung beteiligt gewesen. Der Alcotest ergab 1,66 Promille.
R. wusste ebenfalls nichts von einem handgreiflichen Streit. Er hatte 1,3 Promille.
Bei dem "T. " handelt es sich um eine Begegnungsstätte der Stadt N ... Der Inhaber des Hausrechts Herr F. (nüchtern) gab auf Befragen an, der Kläger habe während des Abends wiederholt Lokalgäste "angestänkert". Unmittelbar nachdem er deshalb die Polizei verständigt habe, habe der Kläger das Lokal verlassen. Im "T. " sei der Kläger nicht geschlagen worden. - Die übrigen Lokalgäste machten einen alkoholisierten Eindruck und gaben auf Befragen an, nichts von einer Schlägerei gesehen zu haben.
Nach den Unterlagen der AOK Bayern ist der Kläger vom 21.11.bis 13.12.2002 wegen der diagnostizierten Schädelbasisfraktur arbeitsunfähig gewesen. Die Behandlung ist im Krankenhauszweckverband A. durchgeführt worden.
Der Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 08.09.2003 den Antrag auf Beschädigtenversorgung vom 08.05.2003 abgelehnt. Der Sachverhalt lasse sich nicht aufklären. Dies gehe nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers. In seinem Fall sei ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff auf Grund des Ergebnisses der polizeilichen Ermittlungen nicht nachgewiesen.
Mit Widerspruchsbegründung vom 11.12.2003 hat der Kläger darauf aufmerksam gemacht, er habe den Bruch erst am 20.11.2002 bemerkt, als viel Blut den Rachen hinunter lief. Am 21.11.2002 sei er im Zentralklinikum in A. operiert worden. Am 28.07.2003 sei die eingesetzte Metallplatte wieder operativ entfernt worden. Auch auf Grund des "Bügelschnittes" von einem zum anderen Ohr leide er an täglichen Kopfschmerzen, Rückenverspannungen, Sehstörungen und psychischen Problemen.
Der Widerspruch vom 24.09.2003 gegen den Bescheid des Amts für Versorgung und Familienförderung M. ist mit Widerspruchsbescheid des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 24.11.2003 zurückgewiesen worden: Bei der Anzeigeerstattung am 16.11.2002 seien keine äußeren Verletzungen feststellbar gewesen. Nach einem an diesem Tag angefertigten Lichtbild seien nur Rötungen im Gesicht erkennbar gewesen. Eine konkrete Aussage zum Tatgeschehen bzw. zum Tathergang sei auf Grund der Alkoholisierung nicht möglich gewesen. Die im Lokal befragten Personen hätten übereinstimmend angegeben, von einer Auseinandersetzung nichts mitbekommen zu haben. Erst am 14.01. 2003 seien von dem Kläger telefonisch nähere Angaben zum Tathergang gemacht worden. Die Staatsanwaltschaft habe nach der Sachlage das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs.2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt, da die Täterschaft, die Tat oder die Tatumstände nicht nachweisbar gewesen seien.
Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 10. November 2004 die Klage abgewiesen: Neuerliche Ermittlungen durch das Sozialgericht würden zwei Jahre nach dem Ereignis keinen Erfolg versprechen. Soweit rekonstruierbar habe man sich das Geschehen am 16.11.2002 als schwerfällige Rangelei zwischen zwei stark betrunkenen Männern vorzustellen, bei der eine Verteilung der Schuld unmöglich sei und deren Folgen von den Beteiligten zu tragen seien, ohne dass die staatliche Gemeinschaft zum Ausgleich verpflichtet werden könnte.
Die Berufungsschrift vom 10.12.2004 ging am 21.12.2004 im Sozialgericht München ein. - In dem Berufungsverfahren hat das Bayer. Landessozialgericht die erstinstanzlichen Akten, die Akten des Beklagten sowie die Unterlagen der Staatsanwaltschaft I. beigezogen.
Auf das Ersuchen des Bayer. Landessozialgerichts vom 28.01. 2005, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.11.2004 bis 18.02.2005 zu begründen, hat der Kläger mit Berufungsbegründung vom 15.02.2005 hervorgehoben, sein Rechtsanwalt habe ihm gesagt, dass ihm sehr viel zustehen würde (monatliche Rente oder eine Einmalzahlung bis in fünfstelliger Höhe). Zeugen müssten noch einmal befragt werden. Er habe immer noch schwere Folgeschäden, könne nicht mehr schwer arbeiten und müsse vom Arbeitslosengeld II leben. Auf Grund des zweimaligen Abziehens der Kopfhaut (Operationsfolge) sehe man immer noch die riesen Narbe, die vom rechten bis zum linken Ohr gehe.
In der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2006 ist der Kläger nicht erschienen. Er stellt sinngemäß den Antrag, der Bescheid des Amts für Versorgung und Familienförderung M. vom 08.09.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 24.11.2003 sowie das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.11.2004 - S 30 VG 4/04 - werden aufgehoben. Ihm werden Versorgungsleistungen für die Folgen der am 16.11.2002 erlittenen Gewalttat im Sinne von § 1 Abs.1 OEG bewilligt.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Unterlagen des Beklagten, die Akten der Staatsanwaltschaft I. sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber unbegründet: Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 10.11.2004 - S 30 VG 4/04 - zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 08.09.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 24.11.2003 ist zutreffend ergangen. Dem Kläger steht aufgrund des Vorfalles vom 16.11.2002 keine Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) zu.
Nach § 1 Abs.1 Satz 1 OEG erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes (oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug) infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
Hier sind weder die Täterschaft, die Tat oder die Tatumstände im einzelnen nachgewiesen. - Gesichert ist aufgrund der Aussage des einzig nüchternen Zeugen F. (Inhaber des Hausrechts des "T. "), dass der Kläger im Lokal nicht in eine handgreifliche Auseinandersetzung oder eine Schlägerei verwickelt gewesen ist. - Weiterhin ist entsprechend dem Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion N. vom 15.01.2003 gesichert: Bei dem Eintreffen der Polizei am 16.11.2002 um 22.30 Uhr sind der Kläger und sein Kontrahent A. S. vor dem Lokal stehend in ein Streitgespräch vertieft gewesen. Der Kläger hat angegeben, geschlagen worden zu sein. Er nannte bei der anschließenden Befragung zusammenhanglos die Namen K. , R. und S ... Eine klare Aussage bezüglich des Täters machte er nicht bzw. konnte er nicht mehr machen. Der Alcotest um 22.40 Uhr ergab bei ihm 2,48 Promille, bei A. S. 3,16 Promille.
Es ist daher ungeklärt, wie der Streit entstanden ist, wer als Angreifer im Sinne von § 1 Abs.1 OEG anzusehen ist und welche Schädigungen der Kläger tatsächlich erlitten hat. - Vor allem: Seine Angaben, er habe im Rahmen der tätlichen Auseinandersetzung vom 16.11.2002 einen Schädelbasisbruch erlitten, können zutreffen; dies ist jedoch nicht zwingend. Denn nach einem an diesem Tag angefertigten Lichtbild sind nur Rötungen im Gesicht erkennbar gewesen. - Das Vorbringen des Klägers mit Widerspruchsbegründung vom 11.12.2003, er habe den Bruch erst am 20.11.2002 bemerkt, als viel Blut den Rachen hinunter lief, genügt für sich allein nicht, den geltend gemachten Schädelbasisbruch und seine Folgen auf den vorgetragenen Kopfstoß im Rahmen der Auseinandersetzung mit A. S. vom 16.11.2002 als bewiesen anzusehen. - Selbst wenn man in Berücksichtigung von § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG) diesen Umstand als glaubhaft erachtet, sind die übrigen Tatumstände und der Tathergang im einzelnen nicht geklärt. Vor allem fehlt es an einem Nachweis im Hinblick auf § 1 Abs.1 OEG dahingehend, dass A. S. der Angreifer ist. - Der Unterlegene einer handgreiflichen Auseinandersetzung ist nicht notwendig das Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriffs im Sinne von § 1 Abs.1 OEG.
In diesem Zusammenhang geht es zu Lasten des Klägers, dass er selbst bei der Erstbefragung durch die Polizei am 16.11.2002 aufgrund seiner Alkoholisierung zu einer klaren Aussage nicht mehr fähig gewesen ist bzw. nicht einmal mehr den Täter hat bezeichnen können. Nachdem der beteiligte A. S. nichts von einer Körperverletzung mitbekommen haben will (bei ihm ergab der Alcotest 3,16 Promille), ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt ungeklärt. - Die übrigen Befragten K. und R. , ebenfalls erheblich alkoholisiert, haben sich nach eigenen Angaben ständig im Lokal aufgehalten bzw. nichts von einem handgreiflichen Streit mitbekommen.
Zusammenfassend: Nachdem der Kläger am 16.11.2002 gegen 22.00 Uhr den "T. " verlassen hat, ist der Geschehensablauf bis zum Eintreffen der Polizei um 22.30 Uhr ungeklärt. Eine nochmalige Befragung der Beteiligten ist im Hinblick auf den Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion N. vom 15.01. 2003 nicht erforderlich gewesen. Der fehlende Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne von § 1 Abs.1 OEG auf seine Person geht zu Lasten des Klägers.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1982 geborene Kläger begehrt Leistungen nach §§ 1 ff des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) i.V.m. §§ 1 ff des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Nach seinen Angaben ist er gelernter Papiermacher und arbeitslos. Er habe sich am 16.11. 2002 am Abend im "T." in N. aufgehalten und sei dort ca. ab 22.00 Uhr von dem betrunkenen A. S. angepöbelt worden. Im Rahmen der sich anschließenden tätlichen Auseinandersetzung habe der Kläger eine Schädelbasisfraktur erlitten und leide seitdem an ganztägigen Kopfschmerzen, Spannungen der Kopfhaut, Schwindelgefühlen und Übelkeit meist des Nachts sowie Augenschmerzen.
Von Seiten des Beklagten sind die Akten der Polizeiinspektion N. beigezogen und ausgewertet worden. Der Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion N. vom 15.01.2003 hat Folgendes ergeben: Bei dem Eintreffen der Polizei am 16.11.2002 um 22.30 Uhr sind der Kläger und sein Kontrahent A. S. vor dem Lokal stehend in ein Streitgespräch vertieft gewesen. Der Kläger hat angegeben, geschlagen worden zu sein. Er nannte bei der anschließenden Befragung zusammenhangslos die Namen K. , R. und S ... Eine klare Aussage bezüglich des Täters machte er nicht bzw. konnte er nicht mehr machen. Der Alcotest um 22.40 Uhr ergab 2,48 Promille.
A. S. gab auf Befragen an, er habe den Kläger nicht geschlagen. Er habe auch nichts von einer Körperverletzung mitbekommen. Bei ihm ergab der Alcotest 3,16 Promille.
K. hielt sich nach eigenen Angaben ständig im Lokal auf und sei an keiner Auseinandersetzung beteiligt gewesen. Der Alcotest ergab 1,66 Promille.
R. wusste ebenfalls nichts von einem handgreiflichen Streit. Er hatte 1,3 Promille.
Bei dem "T. " handelt es sich um eine Begegnungsstätte der Stadt N ... Der Inhaber des Hausrechts Herr F. (nüchtern) gab auf Befragen an, der Kläger habe während des Abends wiederholt Lokalgäste "angestänkert". Unmittelbar nachdem er deshalb die Polizei verständigt habe, habe der Kläger das Lokal verlassen. Im "T. " sei der Kläger nicht geschlagen worden. - Die übrigen Lokalgäste machten einen alkoholisierten Eindruck und gaben auf Befragen an, nichts von einer Schlägerei gesehen zu haben.
Nach den Unterlagen der AOK Bayern ist der Kläger vom 21.11.bis 13.12.2002 wegen der diagnostizierten Schädelbasisfraktur arbeitsunfähig gewesen. Die Behandlung ist im Krankenhauszweckverband A. durchgeführt worden.
Der Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 08.09.2003 den Antrag auf Beschädigtenversorgung vom 08.05.2003 abgelehnt. Der Sachverhalt lasse sich nicht aufklären. Dies gehe nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers. In seinem Fall sei ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff auf Grund des Ergebnisses der polizeilichen Ermittlungen nicht nachgewiesen.
Mit Widerspruchsbegründung vom 11.12.2003 hat der Kläger darauf aufmerksam gemacht, er habe den Bruch erst am 20.11.2002 bemerkt, als viel Blut den Rachen hinunter lief. Am 21.11.2002 sei er im Zentralklinikum in A. operiert worden. Am 28.07.2003 sei die eingesetzte Metallplatte wieder operativ entfernt worden. Auch auf Grund des "Bügelschnittes" von einem zum anderen Ohr leide er an täglichen Kopfschmerzen, Rückenverspannungen, Sehstörungen und psychischen Problemen.
Der Widerspruch vom 24.09.2003 gegen den Bescheid des Amts für Versorgung und Familienförderung M. ist mit Widerspruchsbescheid des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 24.11.2003 zurückgewiesen worden: Bei der Anzeigeerstattung am 16.11.2002 seien keine äußeren Verletzungen feststellbar gewesen. Nach einem an diesem Tag angefertigten Lichtbild seien nur Rötungen im Gesicht erkennbar gewesen. Eine konkrete Aussage zum Tatgeschehen bzw. zum Tathergang sei auf Grund der Alkoholisierung nicht möglich gewesen. Die im Lokal befragten Personen hätten übereinstimmend angegeben, von einer Auseinandersetzung nichts mitbekommen zu haben. Erst am 14.01. 2003 seien von dem Kläger telefonisch nähere Angaben zum Tathergang gemacht worden. Die Staatsanwaltschaft habe nach der Sachlage das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs.2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt, da die Täterschaft, die Tat oder die Tatumstände nicht nachweisbar gewesen seien.
Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 10. November 2004 die Klage abgewiesen: Neuerliche Ermittlungen durch das Sozialgericht würden zwei Jahre nach dem Ereignis keinen Erfolg versprechen. Soweit rekonstruierbar habe man sich das Geschehen am 16.11.2002 als schwerfällige Rangelei zwischen zwei stark betrunkenen Männern vorzustellen, bei der eine Verteilung der Schuld unmöglich sei und deren Folgen von den Beteiligten zu tragen seien, ohne dass die staatliche Gemeinschaft zum Ausgleich verpflichtet werden könnte.
Die Berufungsschrift vom 10.12.2004 ging am 21.12.2004 im Sozialgericht München ein. - In dem Berufungsverfahren hat das Bayer. Landessozialgericht die erstinstanzlichen Akten, die Akten des Beklagten sowie die Unterlagen der Staatsanwaltschaft I. beigezogen.
Auf das Ersuchen des Bayer. Landessozialgerichts vom 28.01. 2005, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.11.2004 bis 18.02.2005 zu begründen, hat der Kläger mit Berufungsbegründung vom 15.02.2005 hervorgehoben, sein Rechtsanwalt habe ihm gesagt, dass ihm sehr viel zustehen würde (monatliche Rente oder eine Einmalzahlung bis in fünfstelliger Höhe). Zeugen müssten noch einmal befragt werden. Er habe immer noch schwere Folgeschäden, könne nicht mehr schwer arbeiten und müsse vom Arbeitslosengeld II leben. Auf Grund des zweimaligen Abziehens der Kopfhaut (Operationsfolge) sehe man immer noch die riesen Narbe, die vom rechten bis zum linken Ohr gehe.
In der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2006 ist der Kläger nicht erschienen. Er stellt sinngemäß den Antrag, der Bescheid des Amts für Versorgung und Familienförderung M. vom 08.09.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 24.11.2003 sowie das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.11.2004 - S 30 VG 4/04 - werden aufgehoben. Ihm werden Versorgungsleistungen für die Folgen der am 16.11.2002 erlittenen Gewalttat im Sinne von § 1 Abs.1 OEG bewilligt.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Unterlagen des Beklagten, die Akten der Staatsanwaltschaft I. sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber unbegründet: Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 10.11.2004 - S 30 VG 4/04 - zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 08.09.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 24.11.2003 ist zutreffend ergangen. Dem Kläger steht aufgrund des Vorfalles vom 16.11.2002 keine Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) zu.
Nach § 1 Abs.1 Satz 1 OEG erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes (oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug) infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
Hier sind weder die Täterschaft, die Tat oder die Tatumstände im einzelnen nachgewiesen. - Gesichert ist aufgrund der Aussage des einzig nüchternen Zeugen F. (Inhaber des Hausrechts des "T. "), dass der Kläger im Lokal nicht in eine handgreifliche Auseinandersetzung oder eine Schlägerei verwickelt gewesen ist. - Weiterhin ist entsprechend dem Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion N. vom 15.01.2003 gesichert: Bei dem Eintreffen der Polizei am 16.11.2002 um 22.30 Uhr sind der Kläger und sein Kontrahent A. S. vor dem Lokal stehend in ein Streitgespräch vertieft gewesen. Der Kläger hat angegeben, geschlagen worden zu sein. Er nannte bei der anschließenden Befragung zusammenhanglos die Namen K. , R. und S ... Eine klare Aussage bezüglich des Täters machte er nicht bzw. konnte er nicht mehr machen. Der Alcotest um 22.40 Uhr ergab bei ihm 2,48 Promille, bei A. S. 3,16 Promille.
Es ist daher ungeklärt, wie der Streit entstanden ist, wer als Angreifer im Sinne von § 1 Abs.1 OEG anzusehen ist und welche Schädigungen der Kläger tatsächlich erlitten hat. - Vor allem: Seine Angaben, er habe im Rahmen der tätlichen Auseinandersetzung vom 16.11.2002 einen Schädelbasisbruch erlitten, können zutreffen; dies ist jedoch nicht zwingend. Denn nach einem an diesem Tag angefertigten Lichtbild sind nur Rötungen im Gesicht erkennbar gewesen. - Das Vorbringen des Klägers mit Widerspruchsbegründung vom 11.12.2003, er habe den Bruch erst am 20.11.2002 bemerkt, als viel Blut den Rachen hinunter lief, genügt für sich allein nicht, den geltend gemachten Schädelbasisbruch und seine Folgen auf den vorgetragenen Kopfstoß im Rahmen der Auseinandersetzung mit A. S. vom 16.11.2002 als bewiesen anzusehen. - Selbst wenn man in Berücksichtigung von § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG) diesen Umstand als glaubhaft erachtet, sind die übrigen Tatumstände und der Tathergang im einzelnen nicht geklärt. Vor allem fehlt es an einem Nachweis im Hinblick auf § 1 Abs.1 OEG dahingehend, dass A. S. der Angreifer ist. - Der Unterlegene einer handgreiflichen Auseinandersetzung ist nicht notwendig das Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriffs im Sinne von § 1 Abs.1 OEG.
In diesem Zusammenhang geht es zu Lasten des Klägers, dass er selbst bei der Erstbefragung durch die Polizei am 16.11.2002 aufgrund seiner Alkoholisierung zu einer klaren Aussage nicht mehr fähig gewesen ist bzw. nicht einmal mehr den Täter hat bezeichnen können. Nachdem der beteiligte A. S. nichts von einer Körperverletzung mitbekommen haben will (bei ihm ergab der Alcotest 3,16 Promille), ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt ungeklärt. - Die übrigen Befragten K. und R. , ebenfalls erheblich alkoholisiert, haben sich nach eigenen Angaben ständig im Lokal aufgehalten bzw. nichts von einem handgreiflichen Streit mitbekommen.
Zusammenfassend: Nachdem der Kläger am 16.11.2002 gegen 22.00 Uhr den "T. " verlassen hat, ist der Geschehensablauf bis zum Eintreffen der Polizei um 22.30 Uhr ungeklärt. Eine nochmalige Befragung der Beteiligten ist im Hinblick auf den Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion N. vom 15.01. 2003 nicht erforderlich gewesen. Der fehlende Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne von § 1 Abs.1 OEG auf seine Person geht zu Lasten des Klägers.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
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