Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 34 AS 274/06 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Vorlage von Kontoauszügen kann für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit verlangt werden. Die Grenzen der Mitwirkungspflicht gemäß § 65 SGB I werden dadurch nicht überschritten. Ein Verdacht des Leistungsmissbrauchs ist nicht Voraussetzung. Wegen der Verantwortung vor dem Steuerzahler, der für diese Leistungen aufkommt, muß sich der Leistungsträger nicht auf die bloßen Angaben der jeweiligen Antragsteller zur (vermeintlichen) Hilfebedürftigkeit verlassen.
I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II, ohne ihre Kontoauszüge vorlegen zu müssen.
Die 1968 geborene Antragstellerin stellte am 09.11.2005 einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.01.2006. Die Antragstellerin wurde gebeten, Kontoauszüge für das letzte halbe Jahr vorzulegen zwecks Überprüfung der Hilfebedürftigkeit. Bereits mit Schreiben vom 08.11.2005 weigerte sich die Antragstellerin, die Kontoauszüge vorzulegen. Sie verwies auf einen Beschluss des Hessischen LSG, Az. 7 AS 32/05 ER, wonach die Buchungen auf Kontoauszügen zu geschützten Sozialdaten gehören würden.
Mit Schreiben vom 19.12.2005 und vom 06.01.2006 mahnte die Antragstellerin den Antragsgegner an, ihren Antrag vom 08.11.2005 zu bearbeiten.
Mit Bescheid vom 06.01.2006 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen für den Monat Januar 2006 als Darlehen, da die Hilfebedürftigkeit nicht abschließend habe geklärt werden können. Sie habe sich geweigert, die verlangten Kontoauszüge vorzulegen. Kontoauszüge hätten einen Beweiswert für Zahlungsabgänge und Zahlungseingänge. Das Verlangen ihrer Beibringung sei verhältnismäßig und angemessen. Wenn die Antragstellerin bis zum 25.01.2006 ihrer Mitwirkungspflicht nachkäme und sich ein ungekürzter Anspruch ergäbe, würde die darlehensweise Gewährung in eine laufende Leistung umgestellt werden.
Mit Schreiben vom 16.01.2006 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.01.2006 ein. Sie lehne eine darlehensweise Bewilligung der Leistung ab. Zu einer Vorlage der Kontoauszüge sei sie aber nicht bereit.
Mit Bescheid vom 17.02.2006 hob der Antragsgegner die Bewilligung vom 06.01.2006 auf und stellte die darlehensweise Gewährung in eine laufende Leistungsgewährung um. Der Antragstellerin würden Leistungen für Januar und Februar 2006 bewilligt. Ab 01.03.2006 werde die Leistung eingestellt, da die Hilfebedürftigkeit nicht abschließend geklärt werden könne.
Am 22.02.2006 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Dresden Antrag auf einstweiligen Rechtschutz gestellt. Sie begehrt Leistungen nach dem SGB II über den 28.02.2006 hinaus. Sie ist der Ansicht, sie müsse die verlangten Kontoauszüge nicht vorlegen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin über den 28.02.2006 hinaus Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Antragsgegner führt in seiner Antragserwiderung aus, für den Erfolg des Antrags fehle es sowohl am Anordnungsanspruch als auch am Anordnungsgrund. Ob die Antragstellerin einen Anspruch auf Leistungen habe, könne derzeit nicht festgestellt werden, da sie die verlangten Kontoauszüge nicht vorlege. Auch an der Eilbedürftigkeit fehle es. Die Antragstellerin habe den Verzug der Leistung selber veranlasst durch ihre fehlende Mitwirkung. Sie sei rechtzeitig aufgefordert worden, die Nachweise zu erbringen. Das habe sie trotz mehrfacher Aufforderung nicht getan.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war abzuweisen, da er bereits unzulässig ist. Es fehlt im vorliegenden Fall am Rechtschutzbedürfnis.
Am Rechtsschutzbedürfnis fehlt es, wenn das angestrebte Ziel auf einfachere Weise erreicht werden kann. Dies ist hier gegeben. Die Antragstellerin begehrt Leistungen nach dem SGB II über den Februar 2006 hinaus. Darüber hätte einfacher und schneller durch den Antragsgegner entschieden werden können, wenn die Antragstellerin ihm die verlangten Kontoauszüge vorgelegt hätte, wie es ihrer Mitwirkungspflicht aus § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I entsprochen hätte.
Die Pflicht zur Vorlage der Kontoauszüge ergibt sich aus der Mitwirkungspflicht gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 SGB I. Danach hat der, der Sozialleistungen beantragt,
1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3. Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Hier hat die Antragstellerin Arbeitslosengeld II beantragt. Arbeitslosengeld II erhält gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II nur, wer hilfebedürftig ist. Gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Durchsicht der angeforderten Kontoauszüge durch den Antragsgegner dient dem Zweck der Überprüfung der Hilfebedürftigkeit. Die Vorlage der Kontoauszüge ist geeignet, um die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin festzustellen. Aus den Kontoauszügen sind neben dem jeweiligen Kontostand auch die zurückliegenden Kontobewegungen ersichtlich. Aus ihnen geht hervor, ob die Antragstellerin Zuwendungen Dritter erhalten oder größere Beträge transferiert hat und welche sonstigen leistungserheblichen Transaktionen bisher vorgenommen wurden. Wenn die Antragstellerin also vorträgt, über keinerlei Einkommen und Vermögen zu verfügen, sind Kontoauszüge ein geeignetes Mittel, die finanziellen Verhältnisse der Antragstellerin als Entscheidungsgrundlage für die Bewilligung des Arbeitslosengeldes II zu überprüfen.
Die Vorlage der Kontoauszüge zu verlangen, ist auch erforderlich. Es gibt kein anderes, milderes Mittel zur Überprüfung der Einkommenssituation. Wenn der Leistungsträger gezwungen wäre, einfach den Angaben der Arbeitssuchenden ohne jeglichen Nachweis zu vertrauen, würde dem Leistungsmissbrauch erheblichen Vorschub leisten. Im Interesse an einer Vermeidung von aus Steuermitteln finanzierten ungerechtfertigten Leistungen sind Nachweise über die finanziellen Verhältnisse in den letzten Monaten notwendig. Für die Feststellung, ob Einkommen und Vermögen vorhanden ist, genügt der aktuelle Kontoauszug nicht, da die Prüfung der Kontenbewegungen der letzten Monate zur vollständigen Ermittlung von Einkommen und Vermögen erforderlich ist. Ansonsten könnte dem Leistungsträger entgehen, wenn der Arbeitssuchende Zuwendungen Dritter erhalten oder größere Beträge transferiert hat und welche sonstigen leistungserheblichen Transaktionen bisher vorgenommen wurden.
Die Grenzen der Mitwirkungspflicht gemäß § 65 SGB I sind nicht überschritten. Gemäß § 65 Abs. 1 SGB I bestehen die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 nicht, soweit
1. ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2. ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3. der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.
Die Vorlage der Kontoauszüge steht in einem angemessenen Verhältnis zum beantragten Arbeitslosengeld II (Nr. 1). Bei der Gewährung von Arbeitslosengeld II kann es sich um monatliche Leistungen in Höhe von mehreren hundert Euro handeln. Im Hinblick darauf ist der Nachweis über den Kontostand und Kontobewegungen in den letzten Monaten nicht unangemessen.
Es ist auch kein wichtiger Grund ersichtlich, warum der Antragstellerin die Beibringung der Unterlagen nicht zugemutet werden könne (Nr. 2). Weder das Sozialgeheimnis noch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sprechen gegen die Pflicht zur Vorlage der Kontoauszüge.
Da es sich bei den angeforderten Kontoauszügen um leistungserhebliche Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 60 Abs. 1 SGB I handelt, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Sozialverwaltung erforderlich sind (§ 67 a SGB X), steht der Schutz der Sozialdaten aus §§ 35 SGB I, 67ff. SGB X dem Verlangen nicht entgegen (siehe auch SG München, Urteil vom 09.09.2005, Az. S 50 AS 472/05 ER; SG Nürnberg, Beschluss vom 15.02.06, Az. S 20 AS 75/06 ER).
Auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht beeinträchtigt (SG München, Urteil vom 09.09.2005, Az. S 50 AS 472/05 ER; SG Nürnberg, Beschluss vom 15.02.06, Az. S 20 AS 75/06 ER; Schoch, LPK - SGB II und ständige Rechtsprechung zur Sozialhilfe). Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird durch § 60 SGB I eingeschränkt. Grundrechte gelten nicht schrankenlos. Sie sind entweder durch die Grundrechte selbst oder durch einfach gesetzliche Regelungen beschränkt. Garantiert wird nur der Wesensgehalt. Dieser ist hier aber nicht verletzt, da die Daten nur im Rahmen der Bearbeitung des Leistungsantrags erhoben werden, für den sie erheblich sind.
Einen Verdacht auf beabsichtigten Leistungsmissbrauch im Einzelfall, wie ihn das Hessische LSG, Beschluss vom 22.08.2005, AZ. L 7 AS 32/05 ER, als Voraussetzung für das Verlangen der Vorlage für notwendig erachtet, hält das Gericht nicht erforderlich (ebenso Schoch, LPK - SGB II und ständige Rechtsprechung zur Sozialhilfe). Sobald ein Verdacht im Einzelfall besteht, ist natürlich die Durchsicht der Kontounterlagen unerlässlich. Aber auch in anderen Fällen – ohne Verdacht des Leistungsmissbrauchs – kann man aus der Verantwortung vor dem Steuerzahler heraus, der für diese Leistungen ja aufkommt, nicht die bloßen Angaben der jeweiligen Antragsteller zur vermeintlichen Hilfebedürftigkeit genügen lassen.
Der Antragsgegner kann sich die erforderlichen Kenntnisse nicht selbst durch einen geringeren Aufwand als die Antragstellerin beschaffen (Nr. 3). Die Antragstellerin bräuchte die Kontoauszüge lediglich anlässlich einer Vorsprache vorlegen. Es ist nicht erkennbar, inwieweit der Antragsgegner diese Unterlagen mit einem geringeren Aufwand beschaffen könnte. Im Gegenteil, der der Antragstellerin zugemutete Aufwand ist sehr gering.
Die Antragstellerin hat diese Mitwirkungspflicht nicht erfüllt, mit der Folge, dass der Antragsgegner nach § 66 Abs. 1 SGB I berechtigt ist, die Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung zu versagen. Die Antragstellerin ist auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden, § 66 Abs. 3 SGB I.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II, ohne ihre Kontoauszüge vorlegen zu müssen.
Die 1968 geborene Antragstellerin stellte am 09.11.2005 einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.01.2006. Die Antragstellerin wurde gebeten, Kontoauszüge für das letzte halbe Jahr vorzulegen zwecks Überprüfung der Hilfebedürftigkeit. Bereits mit Schreiben vom 08.11.2005 weigerte sich die Antragstellerin, die Kontoauszüge vorzulegen. Sie verwies auf einen Beschluss des Hessischen LSG, Az. 7 AS 32/05 ER, wonach die Buchungen auf Kontoauszügen zu geschützten Sozialdaten gehören würden.
Mit Schreiben vom 19.12.2005 und vom 06.01.2006 mahnte die Antragstellerin den Antragsgegner an, ihren Antrag vom 08.11.2005 zu bearbeiten.
Mit Bescheid vom 06.01.2006 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen für den Monat Januar 2006 als Darlehen, da die Hilfebedürftigkeit nicht abschließend habe geklärt werden können. Sie habe sich geweigert, die verlangten Kontoauszüge vorzulegen. Kontoauszüge hätten einen Beweiswert für Zahlungsabgänge und Zahlungseingänge. Das Verlangen ihrer Beibringung sei verhältnismäßig und angemessen. Wenn die Antragstellerin bis zum 25.01.2006 ihrer Mitwirkungspflicht nachkäme und sich ein ungekürzter Anspruch ergäbe, würde die darlehensweise Gewährung in eine laufende Leistung umgestellt werden.
Mit Schreiben vom 16.01.2006 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.01.2006 ein. Sie lehne eine darlehensweise Bewilligung der Leistung ab. Zu einer Vorlage der Kontoauszüge sei sie aber nicht bereit.
Mit Bescheid vom 17.02.2006 hob der Antragsgegner die Bewilligung vom 06.01.2006 auf und stellte die darlehensweise Gewährung in eine laufende Leistungsgewährung um. Der Antragstellerin würden Leistungen für Januar und Februar 2006 bewilligt. Ab 01.03.2006 werde die Leistung eingestellt, da die Hilfebedürftigkeit nicht abschließend geklärt werden könne.
Am 22.02.2006 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Dresden Antrag auf einstweiligen Rechtschutz gestellt. Sie begehrt Leistungen nach dem SGB II über den 28.02.2006 hinaus. Sie ist der Ansicht, sie müsse die verlangten Kontoauszüge nicht vorlegen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin über den 28.02.2006 hinaus Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Antragsgegner führt in seiner Antragserwiderung aus, für den Erfolg des Antrags fehle es sowohl am Anordnungsanspruch als auch am Anordnungsgrund. Ob die Antragstellerin einen Anspruch auf Leistungen habe, könne derzeit nicht festgestellt werden, da sie die verlangten Kontoauszüge nicht vorlege. Auch an der Eilbedürftigkeit fehle es. Die Antragstellerin habe den Verzug der Leistung selber veranlasst durch ihre fehlende Mitwirkung. Sie sei rechtzeitig aufgefordert worden, die Nachweise zu erbringen. Das habe sie trotz mehrfacher Aufforderung nicht getan.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war abzuweisen, da er bereits unzulässig ist. Es fehlt im vorliegenden Fall am Rechtschutzbedürfnis.
Am Rechtsschutzbedürfnis fehlt es, wenn das angestrebte Ziel auf einfachere Weise erreicht werden kann. Dies ist hier gegeben. Die Antragstellerin begehrt Leistungen nach dem SGB II über den Februar 2006 hinaus. Darüber hätte einfacher und schneller durch den Antragsgegner entschieden werden können, wenn die Antragstellerin ihm die verlangten Kontoauszüge vorgelegt hätte, wie es ihrer Mitwirkungspflicht aus § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I entsprochen hätte.
Die Pflicht zur Vorlage der Kontoauszüge ergibt sich aus der Mitwirkungspflicht gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 SGB I. Danach hat der, der Sozialleistungen beantragt,
1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3. Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Hier hat die Antragstellerin Arbeitslosengeld II beantragt. Arbeitslosengeld II erhält gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II nur, wer hilfebedürftig ist. Gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Durchsicht der angeforderten Kontoauszüge durch den Antragsgegner dient dem Zweck der Überprüfung der Hilfebedürftigkeit. Die Vorlage der Kontoauszüge ist geeignet, um die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin festzustellen. Aus den Kontoauszügen sind neben dem jeweiligen Kontostand auch die zurückliegenden Kontobewegungen ersichtlich. Aus ihnen geht hervor, ob die Antragstellerin Zuwendungen Dritter erhalten oder größere Beträge transferiert hat und welche sonstigen leistungserheblichen Transaktionen bisher vorgenommen wurden. Wenn die Antragstellerin also vorträgt, über keinerlei Einkommen und Vermögen zu verfügen, sind Kontoauszüge ein geeignetes Mittel, die finanziellen Verhältnisse der Antragstellerin als Entscheidungsgrundlage für die Bewilligung des Arbeitslosengeldes II zu überprüfen.
Die Vorlage der Kontoauszüge zu verlangen, ist auch erforderlich. Es gibt kein anderes, milderes Mittel zur Überprüfung der Einkommenssituation. Wenn der Leistungsträger gezwungen wäre, einfach den Angaben der Arbeitssuchenden ohne jeglichen Nachweis zu vertrauen, würde dem Leistungsmissbrauch erheblichen Vorschub leisten. Im Interesse an einer Vermeidung von aus Steuermitteln finanzierten ungerechtfertigten Leistungen sind Nachweise über die finanziellen Verhältnisse in den letzten Monaten notwendig. Für die Feststellung, ob Einkommen und Vermögen vorhanden ist, genügt der aktuelle Kontoauszug nicht, da die Prüfung der Kontenbewegungen der letzten Monate zur vollständigen Ermittlung von Einkommen und Vermögen erforderlich ist. Ansonsten könnte dem Leistungsträger entgehen, wenn der Arbeitssuchende Zuwendungen Dritter erhalten oder größere Beträge transferiert hat und welche sonstigen leistungserheblichen Transaktionen bisher vorgenommen wurden.
Die Grenzen der Mitwirkungspflicht gemäß § 65 SGB I sind nicht überschritten. Gemäß § 65 Abs. 1 SGB I bestehen die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 nicht, soweit
1. ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2. ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3. der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.
Die Vorlage der Kontoauszüge steht in einem angemessenen Verhältnis zum beantragten Arbeitslosengeld II (Nr. 1). Bei der Gewährung von Arbeitslosengeld II kann es sich um monatliche Leistungen in Höhe von mehreren hundert Euro handeln. Im Hinblick darauf ist der Nachweis über den Kontostand und Kontobewegungen in den letzten Monaten nicht unangemessen.
Es ist auch kein wichtiger Grund ersichtlich, warum der Antragstellerin die Beibringung der Unterlagen nicht zugemutet werden könne (Nr. 2). Weder das Sozialgeheimnis noch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sprechen gegen die Pflicht zur Vorlage der Kontoauszüge.
Da es sich bei den angeforderten Kontoauszügen um leistungserhebliche Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 60 Abs. 1 SGB I handelt, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Sozialverwaltung erforderlich sind (§ 67 a SGB X), steht der Schutz der Sozialdaten aus §§ 35 SGB I, 67ff. SGB X dem Verlangen nicht entgegen (siehe auch SG München, Urteil vom 09.09.2005, Az. S 50 AS 472/05 ER; SG Nürnberg, Beschluss vom 15.02.06, Az. S 20 AS 75/06 ER).
Auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht beeinträchtigt (SG München, Urteil vom 09.09.2005, Az. S 50 AS 472/05 ER; SG Nürnberg, Beschluss vom 15.02.06, Az. S 20 AS 75/06 ER; Schoch, LPK - SGB II und ständige Rechtsprechung zur Sozialhilfe). Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird durch § 60 SGB I eingeschränkt. Grundrechte gelten nicht schrankenlos. Sie sind entweder durch die Grundrechte selbst oder durch einfach gesetzliche Regelungen beschränkt. Garantiert wird nur der Wesensgehalt. Dieser ist hier aber nicht verletzt, da die Daten nur im Rahmen der Bearbeitung des Leistungsantrags erhoben werden, für den sie erheblich sind.
Einen Verdacht auf beabsichtigten Leistungsmissbrauch im Einzelfall, wie ihn das Hessische LSG, Beschluss vom 22.08.2005, AZ. L 7 AS 32/05 ER, als Voraussetzung für das Verlangen der Vorlage für notwendig erachtet, hält das Gericht nicht erforderlich (ebenso Schoch, LPK - SGB II und ständige Rechtsprechung zur Sozialhilfe). Sobald ein Verdacht im Einzelfall besteht, ist natürlich die Durchsicht der Kontounterlagen unerlässlich. Aber auch in anderen Fällen – ohne Verdacht des Leistungsmissbrauchs – kann man aus der Verantwortung vor dem Steuerzahler heraus, der für diese Leistungen ja aufkommt, nicht die bloßen Angaben der jeweiligen Antragsteller zur vermeintlichen Hilfebedürftigkeit genügen lassen.
Der Antragsgegner kann sich die erforderlichen Kenntnisse nicht selbst durch einen geringeren Aufwand als die Antragstellerin beschaffen (Nr. 3). Die Antragstellerin bräuchte die Kontoauszüge lediglich anlässlich einer Vorsprache vorlegen. Es ist nicht erkennbar, inwieweit der Antragsgegner diese Unterlagen mit einem geringeren Aufwand beschaffen könnte. Im Gegenteil, der der Antragstellerin zugemutete Aufwand ist sehr gering.
Die Antragstellerin hat diese Mitwirkungspflicht nicht erfüllt, mit der Folge, dass der Antragsgegner nach § 66 Abs. 1 SGB I berechtigt ist, die Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung zu versagen. Die Antragstellerin ist auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden, § 66 Abs. 3 SGB I.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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