L 13 R 757/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 R 4229/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 757/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 R 199/06 B
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29. Juli 2005 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit über den 28.02.2001 hinaus.

Auf den Rentenantrag der Klägerin vom 25.05.1998 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 20.01.1999 Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit vom 08.09.1998 bis 30.09.1999 gewährt und bis einschließlich 28.02.2001 weiter geleistet. Nach weiterer Sachaufklärung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.03.2001 die Weitergewährung der EU-Rente ab. Die Klägerin sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und auch in ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Stationshilfe wieder vollschichtig einsatzfähig. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch hin fertigten Dr. V. auf internistischem Fachgebiet und Dr. S. auf dem Gebiet der Neurologie und Psychatrie Gutachten an, wonach insbesondere aus nervenärztlicher Sicht keinerlei quantitative Leistungseinschränkungen festzustellen seien. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2003 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut erhobenen, welches zahlreiche Arztberichte sowie Unterlagen des Versorgungsamtes L. beizog und ebenfalls ein internistisches (Dr. H.) und neurologisch/psychiatrisches Gutachten (Dr. S.) einholte. Dabei ist auch eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 20.01. bis 27.04.2004 im Bezirksklinikum M. gewürdigt worden. Eine Untersuchung bei den Sachverständigen hat nicht stattgefunden, zuletzt weil die Klägerin am 11.02.2005 mitteilte, als Hartz-IV-Empfängerin die Fahrtkosten nicht aufbringen zu können.

Durch Urteil vom 29.07.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei ab März 2001 nicht mehr vermindert erwerbsfähig. Bezüglich der Weigerung, sich untersuchen zu lassen, lasse sich aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen und den vorgelegten Attesten eine Verhinderung aus gesundheitlichen Gründen nicht nachvollziehen.

Das Urteil des Sozialgericht Landshut (SG) vom 29.07.2005 ist der Klägerin, die in der mündlichen Verhandlung nicht zugegen und nicht vertreten war, ausweislich des Rückscheins der deutschen Post am 17.09.2005 zugestellt worden.

Am 18.10.2005, einem Dienstag, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beim SG Berufung eingelegt und nach Hinweis des Bayer. Landessozialgericht (LSG) am 23.11.2005 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er angeführt, die Zustellung an einen Verfahrenshandlungsunfähigen, wie die Klägerin, habe die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt. Des weiteren sei die Klägerin wegen Krankheit (eingeschränkte Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit) an der rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels gehindert gewesen. Sie habe sich schon früher im Bezirksklinikum M. aufgehalten.

Die Klägerin beantragt,

ihr Wiedereinsetzung zu gewähren und die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 29.07.2005 sowie des Bescheides vom 07.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides und 24.06.2003 zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Ihrer Meinung nach liege zwar eine Störung in der Persönlichkeit der Klägerin vor, die jedoch nicht einer fortschreitenden seelischen Erkrankung gleich komme und keinen psychiatrischen Krankeitswert aufweise.

II.

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden (§ 158 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Klägerin hatte Gelegenheit, sich zur Versäumung der Berufungsfrist zu äußern (§ 128 Abs. 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin ist verspätet und damit unzulässig. Die Einhaltung der Berufungsfrist ist von Amts wegen zu prüfen und Zulässigkeitsvoraussetzung für die Berufung (vgl. Meyer-Ladewig, 8. Aufl., Rdnr. 1 zu § 151, SGG). Gründe für die Wiedereinsetzung bestehen nicht.

Nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung beim Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist nach § 151 Abs. 2 SGG auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht, welches das Urteil erlassen hat - wie hier -, eingelegt wird. Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf der Berufungsfrist mit dem Tag nach der Zustellung des Urteils. Eine Ausfertigung des vollständigen Urteils des Sozialgerichts vom 29.07.2005 ist der nicht mehr durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Klägerin laut Rückschein am 17.09.2005 übergeben worden. Damit hat die Berufungsfrist am Montag, dem 17.10.2005 (vgl. § 64 Absätze 1 und 2 SGG) geendet. Die Berufungsschrift ist erst am 18.10.2005 beim SG und am 21.10.2005 beim LSG eingegangen. Die Berufung ist damit verfristet.

Die Berufungsfrist von einem Monat kann auch nicht verlängert oder verkürzt werden. Diese Frist des eine gesetzliche Fristenregelung, die aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu den Rechtsmaterien gehört, die eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes nicht zulassen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nach dem gegebenen Sachverhalt nicht in Betracht. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist jemandem auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen.

Die Kürze der Fristüberschreitung - hier ein Tag - rechtfertigt für sich allein die Wiedereinsetzung nicht (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O. Rdnr. 3 zu § 67). Verschulden ist grundsätzlich anzunehmen ist, wenn ein Beteiligter diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die für einen gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des Falles zuzumuten war. Damit entschuldigt nicht jede Erkrankung. Eine Krankheit schließt Verschulden nur aus, wenn der Beteiligter so schwer erkrankt ist, dass er außerstande ist, seine Angelegenheiten selbst wahrzunehmen oder einen Dritten hiermit zu beauftragen (Beschluss des BSG vom 25. Februar 1992, Az: 9a BVg 10/91). Die Rechtsprechung ist hier streng (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. Rdnr. 7c). Eine derartige Verhinderung im Sinne einer Handlungsunfähigkeit muss nicht einmal während der Dauer eines Krankenhausaufenthaltes angenommen werden.

Ein derart gravierender Verhinderungsgrund ist durch die Klägerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. So ist nicht ersichtlich, dass sie sich gerade in der Zeit vom 07.09.2005 bis zum 18.10.2005 im Bezirkskrankenhaus aufgehalten hat. Ebenso wenig ist durch das Attest des Dr. N. vom 25.10.2005 belegt, dass die Klägerin im genannten Zeitraum geschäftsunfähig gewesen und damit die Zustellung an eine handlungs- und willensunfähige Person erfolgt sei. Bei der vom Bevollmächtigten der Klägerin zitierten Entscheidung des BSG vom 26.07.1956 handelt es sich insoweit nicht um einen vergleichbaren Sachverhalt. Zur Beeinträchtigung des Gesundheitszustands und eines dadurch nicht zu vertretenden Fristversäumnis ist es nach übereinstimmender Rechtsmeinung erforderlich, dass der Beteiligte krankheitsbedingt gehindert war, die fristwahrende Handlung selbst vorzunehmen oder eine andere Person damit zu betrauen. Wenn ein Beteiligter - wie die Klägerin am 25.10.2005 - zum Arzt gehen konnte, um sich ein Attest wie das vorgelegte ausstellen zu lassen, liegt kein glaubhaft gemachtes persönliches Unvermögen vor, einen Rechtsanwalt 7 Tage eher als tatsächlich geschehen zu beauftragen, um Berufung einzulegen. Aus dem Attest von Dr. N. ist in keinerlei Weise ersichtlich, dass sich gerade von einem auf den andern Tag eine wesentliche Zäsur im Gesundheitszustand der Klägerin ergeben hat. Darin ist vielmehr geschildert, dass die Patientin seit vielen Jahren im ambulanter nervenärztlicher Betreuung stehe und seit Jahren eine chronifizierte Depression mit Somatisierungstendenz und Schmerzstörungen vorliege. Eine wesentliche klinische Besserung habe sie nicht erzielen lassen. Die Klägerin sei daher vollkommen erwerbsunfähig.

Insoweit weist auch die Beklagte zutreffend darauf hin, dass sich anlässlich der letztmaligen nervenärztlichen Begutachtung der Klägerin am 15.02.2005 (richtig: 18.03.2005) kein in die Zukunft wirkendes Leiden gezeigt habe, das bei der Klägerin zu einer eingeschränkten Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit führte. In dem allerdings nach Aktenlage erstellten Gutachten der Sachverständigen Dr. S. vom 18.03.2005 wird auf die im Gutachten des Dr. S. vorgenommene Untersuchung sowie die im Bezirksklinikum M. erhobenen Befunde abgestellt. Unter Berücksichtigung der übrigen vorhandenen ärztlichen Befunden schlussfolgert die Gutachterin zurecht, dass das Leistungsvermögen der Klägerin auf Dauer nicht wesentlich beeinträchtigt ist.

Schließlich war die Klägerin auch im Stande am Tage nach dem Fristablauf die Kanzlei ihres Bevollmächtigten aufzusuchen oder diesen auf andere Weise mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu betrauen.

Damit ist die Berufung verfristet und unzulässig. Sie ist nach § 158 Abs. 1 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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