Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 1218/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 782/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. Dezember 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1302 und/oder 1317 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der im 1938 geborene Kläger, bei dem vom Versorgungsamt R. ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie das Merkzeichen "G" seit Februar 1994 (Verwaltungsakte (VA) Band (Bd) II, Blatt (Bl) 254) anerkannt ist und der seit 1. Juli 1994 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellten (BfA; heute: Deutsche Rentenversicherung Bund - DRVB -) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht (VA Bd II, Bl 255), arbeitete nach einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung zum Kfz-Elektriker ab 1958 bei der G. GmbH, in deren Zweigwerk in B. er als Vorarbeiter und zuletzt Fertigungsleiter eingesetzt war. Am 9. Februar 1993 meldete die GmbH Konkurs an, das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde vom Sequester zum 30. September 1993 gekündigt; einen gleichzeitig angebotenen Arbeitsplatz im Hauptwerk nahm der Kläger aus persönlichen Gründen nicht an. Zur betrieblichen Tätigkeit des Klägers zählte das Umrüsten, Einstellen und Instandhalten sämtlicher Fertigungsmaschinen, ferner die Entleerung, Reinigung und Befüllung der aus 4 Wasch- und 1 Trockenkammer bestehenden, mit einer Randabsaugung versehenen, im Übrigen aber nach oben offenen bis in die 70er Jahre mit Tri-, danach mit Perchloräthylen (Per) gefahrenen Metallreinigungsanlage sowie - bei Personalmangel - deren zeitweise Bedienung. Neben Tri und Per war der Kläger beruflich gegenüber Lacken, Lösungs-, Schmier- und Kühlmitteln exponiert (vgl. im Einzelnen VA Bd 1, Bl 17 und 45). Nach dem Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten vom 31. August 1993 (VA Bd I, Bl 67) wurden bei einer Schadstoffmessung am 19. Januar 1989 an der Per-Reinigungsanlage an 2 Messpunkten MAK-Wert-Überschreitungen festgestellt; ebenso lagen am Kontrollplatz und bei der Raummessung in diesem Betriebsteil die Schadstoffkonzentrationen über der Auslöseschwelle (VA Bd I, Bl 67-72).
Nach der Unfallanzeige der Arbeitgeberin erlitt der Kläger am 1. April 1993 bei Reinigungsarbeiten an der Waschanlage, bei denen er in die Trockenkammer einsteigen musste, um an der Oberfläche des daneben liegenden Per-Bades Verunreinigungen abzuschöpfen, eine akute Per-Intoxikation; er klagte über Ohrensausen, Kopfschmerzen und Hustenanfälle mit heftigem Brechreiz. Die Erstbehandlung erfolgte bei Dr. G., der den Kläger am selben Tag um 11.20 Uhr ins Kreiskrankenhaus (KKH) B. überwies; dort befundete der aufnehmende Arzt Dr. E. Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerz, Schmerzen beim Einatmen, Hustenreiz und Atemnot und leitete ihn an die Innere Abteilung des KKH - Prof. Dr. Gr. - weiter (Durchgangsarztbericht vom 1. April 1993, VA Bd I, Bl 1). Nach Entlassung aus dem KKH am 7. April 1993 stellte sich der Kläger erneut am 8., 14. und 23. April 1993 wegen persistierender Cephalgien bei Dr. G. vor, der über eine bislang nicht bekannte Kreislaufdysregulation bei simultaner Dyspnoe, muköser Dyskrinie sowie deutlicher Tachykardie berichtete (VA Bd I, Bl 44). Eine am 20. April 1993 durchgeführte computertomographische Untersuchung des Schädels ergab bezüglich der mitgeteilten klinischen Angaben keinen pathologischen Befund (VA Bd I, Bl 93). Bei der Nachuntersuchung am 4. Mai 1993 klagte der Kläger über zunehmende Kopfschmerzen und Unwohlsein (VA Bd I, Bl 13). Auf Anfrage der Beklagten teilte Prof. Dr. Gr. anlässlich der ambulanten Untersuchung am 5. Mai 1993 mit, auffällig seien in der Lungenfunktion - bei Klagen über schleimigen Auswurf - eine obstruktive Ventilationsstörung sowie ein Leberparenchymschaden bei erhöhter GPT und GGT gewesen. Der ehemalige Betriebsarzt Dr. P. äußerte gegenüber der Beklagten im September 1993, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt eine eigene Gefährdung oder körperliche Symptome in Folge von Einwirkungen durch Per oder andere chemische Stoffe angegeben (VA Bd I, Bl 81). Am 18. und 19. November 1993 wurde der Kläger von Prof. Dr. T., Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität H., begutachtet. Dort gab der Kläger an, arbeitsplatzbezogene Beschwerden habe er bis zum Unfalltag am 1. April 1993 nicht festgestellt; seither bestünden multiple Kopfbeschwerden - insbesondere Hinterhaupt-Kopfschmerzen - Schwindelgefühl mit Gangunsicherheit, vermehrte Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen, wobei die Schwindel- und Konzentrationsbeschwerden fortschreitend seien. Im Gutachten vom 21. Juni 1994 führte Prof. Dr. T. aus, bei Intoxikationen durch Per könnten Schäden im Bereich des zentralen Nervensystems und der Leber auftreten; typischerweise zeigten sich bei einer akuten Exposition Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheit, bei hoher Exposition zusätzlich pränarkotische Beschwerden mit Übelkeit, Brechreiz und Schwindel bis hin zur Narkose. Die Angaben des Klägers stimmten mit den allgemeinen arbeitsmedizinischen Erfahrungen überein, sodass von einer schweren akuten Per-Intoxikation am 1. April 1993 auszugehen sei. Als Zeichen der Reversibilität seien die Bewusstseinsstörungen bereits beim Eintreffen bei Dr. E. abgeklungen gewesen und trotz angegebener Schmerzen beim Einatmen, Hustenreizes und Atemnot sei klinisch und röntgenologisch kein auffälliger Lungenbefund (z. B. toxisches Lungenödem) erhoben worden. Die Lungenfunktions-Untersuchungen zum Zeitpunkt der Begutachtung seien unauffällig gewesen, sodass es sich bei der im Kaltluft-Provokationstest und im arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest festgestellten leichtgradigen Obstruktion am ehesten um eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität auf dem Boden infektiöser Atemwegserkrankungen (Vorbefunde: 1985 Bronchopneumonie, 1991 Sinusitis, Rhinitis, Bronchtis) als entscheidender Faktor für deren Entstehung handele. Hinsichtlich der geklagten Kopfschmerzen, die seit dem Unfall ohne symptomfreie Zeiträume anhielten, obwohl seither Lösungsmittel-Expositionskarenz besteht, wies der Gutachter darauf hin, dass dieser Verlauf nicht typisch für eine Per-Intoxikation sei. Sie könnten zwar als Begleitsymptom einer Lösungsmittel induzierten Encephalopathie auftreten, doch seien im - allerdings in sich widersprüchlichen - Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. Gl. vom 15. Juni 1993 (VA Bd I, Bl 173) bei der neurologischen Untersuchung keine kognitiven Störungen aufgefallen, die für eine toxische Verursachung im Sinne einer toxischen Enzephalopathie sprechen könnten. Auch im Begutachtungszeitpunkt seien die orientierende neurologische, die neurophysiologischen und die laborchemischen Untersuchungen (letztere im Wesentlichen) unauffällig gewesen. Zusammenfassend ist der Sachverständige daher bei synoptischer Betrachtung von Anamnese, Krankheitsbildern, Krankheitsverlauf und der Befunde zum Zeitpunkt der Begutachtung zum Ergebnis gekommen, dass kein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen einerseits der akuten Per-Intoxikation am 1. April 1993, andererseits einer chronischen Lösungsmittel-Exposition und den vom Kläger geklagten Beschwerden bestehe. Eine BK nach Nr. 1302 liege mit Wahrscheinlichkeit nicht vor. In der Folgezeit wandten sich sowohl Dr. Gl. als auch der Kläger erneut an die Beklagte. Dr. Gl. wies nachdrücklich auf die anhaltenden Beschwerden hin, während der Kläger, der nunmehr ausdrücklich eine Verletztenrente beantragte, ausführlich seine Tätigkeit an der Waschanlage beschrieb und erstmals angab, es sei bei ihm während seiner Tätigkeit regelmäßig zu Rauschzuständen mit starker Benommenheit, Sehstörungen und verändertem Hörvermögen gekommen; seine von Anfang an geklagten Kopfschmerzen, seine Vergesslichkeit und seine Konzentrationsschwierigkeiten seien unverändert vorhanden, seit Beginn des Jahres (1994) habe er starke unerklärliche Muskel- und Gelenkschmerzen - am schlimmsten betroffen seien Knie und Ellbogen -, er leide seit einiger Zeit an erhöhter Schweißbildung, er höre deutlich schlechter und verspüre nachts ein Pelzigwerden und Kribbeln der Hände; darüber hinaus legte er einen handschriftlichen Unfallbericht, einen Bericht zur Unfallursache mit Zeichnung der Waschanlage sowie einer fotografierten Teilansicht vor ( VA Bd II, Bl 188-199). Mit Schreiben vom 2. August 1994 kritisierte der Kläger im Gutachten von Prof. Dr. T. getroffene tatsächliche Feststellungen und beanstandete, Prof. Dr. T. weder gesehen noch gesprochen zu haben. Im weiteren Verlauf übersandte der Kläger ein für die Vereinte Versicherungen erstelltes nervenärztliches Gutachten (mit fachpsychologischen Zusatzgutachten) von Dr. Sc., Krankenhaus R. - Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie -, vom 16. Mai 1995. An subjektiven Beschwerden zum Zeitpunkt der dortigen Begutachtung (11. bis 13. April 1995), die der Kläger vollständig auf den Unfall vom 1. April 1993 zurückführte, brachte er vor: morgendliche Schleimbildungen, Dauerkopfschmerzen, Schwitzen bei Nacht, Durchschlafstörungen, Gangunsicherheit mit Stürzen (erstmalig Mitte bis Ende Mai 1993, zunehmend von Frühjahr bis Anfang Herbst 1994, seither konstant), weitgehender Verlust des Kurzzeitgedächtnisses und Bluthochdruck. Zusammenfassend kam Dr. Sc. zu der Beurteilung, als Unfallfolgen sei ein pseudoneurasthenisches Syndrom mit einem leichten organischen Psychosyndrom, einem depressiven Syndrom und einer Affektlabilität anzusehen; bei der Progredienz dieser Symptome im letzten Jahr sei jedoch von einer unfallunabhängigen Zweiterkrankung unklarer Genese auszugehen. Eine darüber hinaus bestehende Schwindelsymptomatik, unspezifische Kopfschmerzen und eine allgemein erhöhte Erregbarkeit seien allenfalls als mittelbare Folgen anzusehen, die neurologisch nachweisbare leichte Polyneuropathie sei unfallunabhängig, da sie erst mit einer Latenz von ca. 1 Jahr nach der Intoxikation aufgetreten sei. Insgesamt sei die Minderung der Leistungsfähigkeit mit 70% einzuschätzen; "als mittelbare Unfallfolgen unter Berücksichtigung der Unfallverarbeitung seien hiervon ca. 30% einzustufen". Daraufhin ließ die Beklagte den Kläger bei Prof. Dr. L., Klinikum der Stadt L. am R., begutachten. Dieser diagnostizierte beim Kläger auf Grund stationärer Untersuchung vom 12. bis 14. September 1995 eine sensible und motorische Polyneuropathie der unteren Extremitäten toxischer Genese, ein depressives Syndrom sowie ein chronisches Wurzelreiz-Syndrom L4 beidseits und führte aus, die periphere Polyneuropathie mit Denervierungszeichen als Ausdruck der peripheren Nervenschädigung und die Veränderung der Nervenleitgeschwindigkeit sei als toxisch verursacht anzusehen, da andere Ursachen (Diabetes mellitus, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch) bis zum Unfallereignis auszuschließen seien. Auf Grund des Unfalls, mit dem daraus folgenden Arbeitsverlust durch Krankheit, sei es auch zu einem schweren depressiven Syndrom gekommen. Für die Polyneuropathie sei eine MdE von 30 vH für das depressives Syndrom eine MdE von 50 vH zu veranschlagen. Wegen der unterschiedlichen gutachtlichen Beurteilungen holte die Beklagte die gutachtliche Stellungnahme nach Aktenlage bei Prof. Dr. M., em. Ärztlicher Direktor der Neurologischen Poliklinik und Abteilung Neuropsychologie der Universität T., vom 21. Mai 1996 ein. Darin führte Prof. Dr. M. aus, die Beurteilung der Polyneuropathie als toxisch bedingt sei unrichtig. Die neurologische Untersuchung bei Prof. Dr. T. habe regelrechte Befunde ergeben, die im Klinikum L. festgestellte Polyneuropathie, deren funktionelle Auswirkungen als gering einzustufen seien, habe sich demnach in der Zwischenzeit entwickelt. Ein solcher Verlauf mit Entwicklung einer toxischen Polyneuropathie erst 2 Jahre nach einer akuten Intoxikation und nach Ende einer - unterstellten - chronischen Exposition sei im wissenschaftlichen Schrifttum nicht bekannt. Hinsichtlich des als mittelbare Unfallfolge angesehenen depressiven Syndroms sei die von Prof. Dr. L. gegebene Begründung psychopathologisch und psychodynamisch zu einfach und daher nicht ausreichend. Wesentlich sei insofern, dass die seit dem Unfall am 1. April 1993 anhaltende Arbeitsunfähigkeit nicht Folge einer anhaltenden toxischen Schädigung sei. Er halte eine erneute neurologisch-psychiatrische Untersuchung für erforderlich, die der Kläger jedoch abgelehnt hätte. Im Ergebnis könne er weder eine toxische Schädigung der peripheren Nerven (Polyneuropathie) und des Gehirns (Enzephalopathie) noch eine reaktive Depression als mittelbare Folge der Per-Intoxikation am 1. April 1993 bejahen. Schließlich holte die Beklagte im Hinblick auf die BK nach Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) die weitere Stellungnahme vom 3. Februar 1997 bei Prof. Dr. T. ein. Zum Krankheitsbild der Polyneuropathie führte dieser aus, im wissenschaftlichen Schrifttum sei, obgleich Per seit mehreren Jahrzehnten in großem Umfang als Reinigungsmittel verwendet werde, nicht beschrieben, dass eine berufliche Per-Exposition grundsätzlich geeignet sei, beim Menschen eine Polyneuropathie der Beine zu verursachen. Die Annahme einer toxisch bedingten Polyneuropathie sei auch mit den neurophysiologischen und elektromyographischen Befunden vom 25. September 1995 wenig vereinbar, da nach dortiger Befundkonstellation von einer vorwiegend demyelinisierenden (Demyelinisierung = Entmarkung) motorischen wie sensiblen Polyneuropathie ausgegangen werde, demgegenüber es sich bei der toxischen Polyneuropathie - hervorgerufen durch organische Lösungsmittel - primär um die Folgen einer Schädigung des Axons (Fortsatz der Nervenzelle) handele. Zum psychischen Beschwerdebild führte er aus, die Diagnose eines "leichten organischen Psychsyndroms" könnte mit der BK einer toxischen Enzephalopathie in Einklang gebracht werden, wenn der Kläger einer entsprechenden (chronischen) Exposition ausgesetzt gewesen sei, was bisher unklar sei. Für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs sei der Krankheitsverlauf nach Beendigung der Exposition bedeutsam. Nach derzeitiger wissenschaftlicher Erkenntnis werde bei der Lösungsmittel induzierten Enzephalopathie leichter Ausprägung davon ausgegangen, dass es nach Expositionsende zu einer wesentlichen Besserung bzw. einer vollständigen Rückbildung der psychischen Störungen komme. Ein solcher Krankheitsverlauf liege beim Kläger jedoch nicht vor. Zusammenfassend ergebe sich kein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen der Per-Exposition und der Polyneuropathie; bezüglich des neuro-psychiatrischen Krankheitsbildes sei eine abschließende Beurteilung mangels zuverlässiger Feststellungen des TAD zur chronischen Per-Exposition nicht möglich. Nach den daraufhin veranlassten ergänzenden Feststellungen des TAD (Schreiben vom 11. Juli 1997, VA Bd III, Bl 411) lag hinsichtlich der Tätigkeit "Bedienen der Per-Anlage" mit zwei Stunden pro Woche kein Überschreiten der Auslöseschwelle (50 ppm) als Belastungskonzentration vor (beim Reinigen wurde seit den 80ger Jahren Atemschutz benutzt), dagegen hat der Kläger am 1. April 1993 Per-Konzentrationen von über 10.000 ppm eingeatmet. Mit Bescheid vom 22. Dezember 1999 lehnte die Beklagte die Feststellung und Entschädigung einer BK nach Nr. 1302 oder 1317 ab. Der - nicht begründete - Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. April 2000).
Deswegen hat der Kläger am 11. Mai 2000 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und weitere - zum Teil bereits bekannte - ärztliche Unterlagen vorgelegt, u.a. - auszugsweise - den Arztbrief der Kreisklinik H. vom 4. August 2000 mit dem Hinweis auf ein beim Kläger 2000 festgestelltes Rectum- sowie Nierenzellkarzinom sowie einen Bericht des Dr. G. vom 8. Mai 2002, in dem die depressive Verstimmung des Klägers auf die Krebserkrankungen zurückgeführt werden. Das SG hat von der BfA ärztliche Unterlagen beigezogen (Bl 19-25) und das arbeitsmedizinisch-toxikologische Gutachten nach Aktenlage bei Prof. Dr. N. vom 15. Juli 2001 eingeholt. Darin ist der Sachverständige in Übereinstimmung mit Prof. Dr. M. und Prof. Dr. T. zum Ergebnis gekommen, dass eine BK nach Nr. 1317 wegen des beim Kläger gegebenen atypischen Verlaufs nicht vorliege. Dagegen hat er das Vorliegen einer BK nach Nr. 1302 wegen des dokumentierten Leberschadens für diskussionswürdig erachtet, wobei jedoch weitere spezielle Untersuchungen unter Berücksichtigung hausärztlicher Befunde aus der Zeit vor 1993 notwendig seien. Darüber hinaus hat er jedoch beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung (PTB) im Sinne einer schweren reaktiven Depression mit andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung festgestellt, diese als mittelbare Unfallfolge beurteilt und die MdE ab April 1993 mit 50 vH eingeschätzt. Zur Frage des Vorliegens einer BK nach Nr. 1302 und/oder 1317 hat das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Prof. Dr. G., Institut für Toxikologie und Umwelthygiene der Technischen Universität M.mit der Begutachtung beauftragt. In seinem Gutachten vom 27. Mai 2002 hat der Sachverständige eine berufsbedingte Polyneuropathie (BK 1317) verneint, hinsichtlich der von Prof. Dr. N. angenommenen schweren reaktiven Depression die Einholung eines Fachgutachtens empfohlen und im Übrigen im Wesentlichen Ausführungen zur Verursachung eines Nierenzellkarzinoms durch Tri-Exposition gemacht und insoweit eine BK nach Nr. 1302 bejaht. Im weiteren Verfahrensverlauf hat die Beklagte das nach Aktenlage erstellte fachpsychiatrische Gutachten des Prof. Dr. M. vom 13. Juli 2003 mit ergänzender Stellungnahme vom 5. August 2003 vorgelegt. Nach Würdigung aller aktenkundigen Befunde hat Prof. Dr. M. eine toxisch determinierte Polyneuropathie verneint; dasselbe gilt nach seinen Ausführungen für die (somatische) Enzephalopathie. Hinsichtlich des Vorliegens psychovegetativer Störungen nach Per-Exposition müsse man - die Einwirkung subtoxischer Dosen in chronischer Form im Laufe von 35 Jahren unterstellt - leichtere psychovegetative Schädigungen annehmen; allerdings bildeten sich so geartete Störungen nach der Literatur innerhalb von 1 bis 2 Jahren nach Expositionsende weitgehend zurück, sodass die überdauernden Störungen nicht der beruflichen toxischen Belastung zuzurechnen seien. In Betracht komme insoweit eine Anerkennung psychovegetativer Irritationen für 2 Jahre nach Beendigung der beruflichen Arbeit mit einer MdE um 20 vH Soweit Prof. Dr. L. ein schweres depressives Syndrom diagnostiziert habe, könne dem angesichts der (in Ludwigshafen und Rottenmünster) geschilderten wechselnden Zustandsbilder nicht gefolgt werden; unter Berücksichtigung der dokumentierten Befunde könne entgegen Prof. Dr. N. eine posttraumatische Belastungsstörung (PTB) im Hinblick auf das Fehlen der so genannten typischen Merkmale und den zeitlichen Verlauf nicht festgestellt werden. Mit Urteil vom 18. Dezember 2003 hat das SG - gestützt auf die Gutachten von Dr. Schl., Dr. Sc. und Prof. Dr. L. - ein depressives Syndrom mit Persönlichkeitsveränderungen und kognitiven Störungen als nachgewiesen erachtet, einen ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Exposition bejaht, weil sich das depressive Syndrom unmittelbar aus den durch Per verursachten psychovegetativen Störungen entwickelt habe, und die Beklagte unter Anerkennung einer BK nach Ziffer 1302 der Anlage 1 zur BKV zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um 50 v.H. verurteilt.
Gegen das ihr am 6. Februar 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. Februar 2004 Berufung eingelegt und im Einzelnen die Beweiswürdigung des SG angegriffen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. Dezember 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die mündliche Verhandlung zu vertagen und den Gutachter Prof. Dr. St. zur Erläuterung seines Gutachtens in die mündliche Verhandlung zu laden.
Der Kläger hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Zur Untermauerung seiner Kritik an dem vom Senat eingeholten Gutachten von Prof. Dr. St. hat der Kläger mit Fax vom 21. September 2006 einen Untersuchungsbefund des Augenarztes Dr. H. vom 10. November 2004 vorgelegt und vorgetragen, hieraus ergebe sich - entgegen dem Sachverständigen - eine Sehnervenbeteiligung. Der Senat hat den Hausarzt Dr. G., der zahlreiche Befundunterlagen übersandt hat, sowie den behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. Gl. als sachverständige Zeugen schriftlich befragt (Aussagen vom 5. November 2004 und 14. Dezember 2004) und sodann von Amts wegen das Gutachten vom 7. April 2005 von Prof. Dr. St., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität T., eingeholt. Auf Grund ambulanter neurologischer, psychiatrischer und psychologischer Untersuchung am 5. April 2005 ist der Sachverständige zum Ergebnis gekommen, beim Kläger liege auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine seit 1995 belegte Neuropathie vor, die jedoch nicht ursächlich auf die Per-Exposition zurückzuführen sei, dagegen bestehe weder eine depressive Störung noch ein hirnorganisches Psychosyndrom. Eine BK nach Nr. 1317 sei nicht gegeben, zu einer BK nach Nr. 1302 hinsichtlich des Nierenzellkarzinoms könne er von neurologisch-psychiatrischer Seite aus keine Stellung nehmen. Auf die kritischen Anmerkungen des Klägers zu diesem Gutachten, das er nicht für verwertbar hält, ist der Sachverständige in der ergänzenden Stellungnahme vom 13. Oktober 2005 eingegangen, ohne an seiner Beurteilung etwas zu ändern.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten (3 Bände) sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil sie wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung einer Verletztenrente verurteilt, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig mit der Folge, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung und Entschädigung der geltend gemachten BKen hat.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 22. Dezember 1999 in Ge-stalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2000, mit dem die Beklagte in Bezug auf das vom Kläger geklagte und im Tatbestand dargestellte Krankheitsbild die Feststellung einer BK nach Nr. 1302 und 1317 sowie einer daraus resultierenden Entschädigung abgelehnt hat. Nicht Streitgegenstand sind die Feststellung des beim Kläger im Jahr 2000 diagnostizierten Nierenzellkarzinoms und - auf Grund der Einigung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - eine mögliche Leberschädigung als BK 1302; insoweit führt die Beklagte ein gesondertes Verwaltungsverfahren durch.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger erhobenen Ansprüche sind die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der Versicherungsfall einer BK 1993 und damit bereits weit vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten wäre (vgl. Art. 36 Satz 1 des Unfallversicherung-Einordnungsgesetzes vom 7. August 1996 ( BGBl I S. 1254); §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII). Heranzuziehen sind ferner die Bestimmungen der bis 30. November 1997 geltenden BKVO vom 20. Juni 1968 (BGBl I S. 721), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl I S. 2343) und hinsichtlich der BK nach Nr. 1317 die der ab 1. Dezember 1997 geltenden BKV vom 31. Oktober 1997. Hieraus ergeben sich jedoch gegenüber den von der Beklagten herangezogenen Regelungen des SGB VII (in Verbindung mit der BKV) keine Änderungen.
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der ihr folgenden Bestimmungen Leistungen, insbesondere bei Vorliegens einer MdE um wenigstens ein Fünftel (20 vH) Verletztenrente in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 auf VU). Dabei gilt nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO als Arbeitsunfall auch eine BK. BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als BKen bezeichnet, und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Eine BK nach der hier geltend gemachten Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKVO sind "Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe" und nach der erst durch die BKV vom 31. Oktober 1997 eingeführten Listen-Nr. 1317 "Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische". Hinsichtlich dieser BK ist grundsätzlich die Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 2 BKV zu beachten, nach der die Anerkennung einer BK nach dieser Listen-Nr. nur dann in Betracht kommt, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. Dezember 1992 eingetreten ist.
Der vom Kläger für seinen Erkrankungsbild (multiple Kopfbeschwerden, Schwindelgefühl mit Gangunsicherheit, vermehrte Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen, psychovegetatives Syndrom/depressive Erkrankung, Polyneuropathie, Enzephalopathie) angeschuldigte Stoff Per gehört zu den Halogenkohlenwasserstoffen bzw. organischen Lösungsmitteln und ist demnach ein "Listenstoff "im Sinne der Nrn. 1302 und 1317 der Anlage 1 zur BKVO bzw. Anlage zur BKV (vgl. I 1.1 des "Merkblatts für die ärztliche Untersuchung" zur Listen-Nr. 1302 (BArbBl 6/1985) und I 1.1 des Merkblatts zur Listen-Nr. 1317 (BArbBl 3/2005); abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 1302 und M 1317), wobei die Begriffe Perchlorethylen, Tetrachlorethylen und Tetrachlorethen den selben Stoff bezeichnen.
Die Krankheitsbilder, die sich aus den hier geltend gemachten Listen-Nrn. ergeben, sind vom Verordnungsgeber hinsichtlich der BK Nr. 1317 eindeutig benannt - (toxische) Polyneuropathie und Enzephalopathie -, dagegen bei der BK Nr. 1302 nur mit "Erkrankungen" umschrieben. Damit will der Verordnungsgeber - ohne weitere Einschränkungen - alle denkbaren Krankheiten zu BKen erklären, die nach den fortschreitenden Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die Einwirkungen durch den jeweiligen Listenstoff zurückzuführen sind. Zielorgane der BK Nr. 1302 sind nach derzeitiger wissenschaftlicher Erkenntnis die Haut, das Zentrale Nervensystem (ZNS), die Leber und die Niere (vgl. Mehrtens/Perlebach,Die Berufskrankheitenverordnung, M 1302 III). Daraus folgt für den Senat, dass die geltend gemachten psychischen Beschwerden auch mit Blick auf die BK Nr. 1302 zu prüfen sind.
Im Unfallversicherungsrecht müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen (versicherte Tätigkeit, schädigende Einwirkungen, Krankheit) erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (ständige Rechtsprechung; vgl. BSGE 58, 80,83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84). Hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkungen (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkungen und der Gesundheitsstörung (haftungsausfüllende Kausalität) genügt dagegen der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 58, 80,83; 61, 127,1 129); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 285,2 286 = SozR 2200 § 548 Nr. 38; SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 S. 81 ff). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE die 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast nach Ausschöpfung aller Beweismittel zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet (vgl. BSGE 70, 72; BSG SozR 3-1500 § 128 Nr. 11).
In Ansehung dieser rechtlichen Grundsätze ist zwischen den Beteiligten unumstritten, dass der Kläger als Vorarbeiter und Fertigungsleiter von 1958 bis 1993 eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, in deren Verlauf er regelmäßig gegenüber Per exponiert gewesen ist. Dabei ist insbesondere die am 1. April 1993 stattgehabte akute Intoxikation nachgewiesen, bei der er nach den Feststellungen des TAD Per-Konzentrationen von über 10.000 ppm eingeatmet hat. Dagegen ist die Höhe der chronischen Exposition des Klägers nicht eindeutig geklärt. Die hierzu vorliegenden Feststellungen des TAD vom 31. August 1993 und 11. Juli 1997 sind widersprüchlich, weil 1993 nach Auswertung der Messdaten von Januar 1989 sowohl eine Überschreitung des MAK-Wertes als auch der Auslöseschwelle festgestellt, dagegen 1997 ausgehend von den Angaben des Klägers (Bedienen der Per-Anlage mit 2 Stunden pro Woche) ein Überschreiten der Auslöseschwelle (50 ppm) verneint worden ist. Auf die Höhe der (chronischen) Exposition kommt es im Rahmen der Prüfung der arbeitstechnischen Voraussetzungen jedoch nicht an, weil der Verordnungsgeber eine bestimmte Expositionshöhe tatbestandlich nicht vorgegeben hat. Demnach sind sowohl die versicherte Tätigkeit als auch (dem Grunde nach) die schädigende Einwirkung nachgewiesen. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen ist das Vorliegen einer Polyneuropathie erwiesen; das ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. Schied vom Mai 1995, Prof. Dr. Lowitsch vom Januar 1996 und Prof. Dr. St. vom April 2005. Diese Diagnose ist auch von den nach Aktenlage beurteilenden Sachverständigen Prof. Dres. M., N., M. und G. entsprechend den dokumentierten Befunden als vorliegend erachtet worden, wobei es hier entscheidungsunerheblich ist, ob bereits der von Dr. Schied im April 1995 erhobene Befund diese Diagnose rechtfertigt - so Prof. Dr. St. - oder erst der von Prof. Dr L. im September 1995 erhobene - so Prof. Dr. M. -. Hinsichtlich des Vorliegens einer Enzephalopathie gehen die Beurteilungen der Sachverständigen auseinander. Prof. Dr. T. hat eine solche in seinem Gutachten vom 21. Juni 1994 nicht diagnostiziert, jedoch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. Februar 1997 ausgeführt, für den Fall, dass eine chronische (mindestens 10jährig) und erhebliche (Überschreitung des zulässigen MAK-Wertes um mindestens das Doppelte) Per-Exposition bestanden habe, könnte dies im Hinblick auf die Frage einer toxischen Enzephalopathie möglicherweise zu einer anderen Einschätzung führen. Dr. Schied hat keine für den Senat erkennbare klare Diagnose bezüglich einer Enzephalopathie gestellt; die von ihm durchgeführte computertomographische Kontrolle hat nach seinen Ausführungen keinen Hinweis auf eine organische (Hirn-)Läsion ergeben - was dagegen sprechen könnte -, andererseits hat er unter Bezugnahme auf die Vorbegutachtung bei Prof. Dr. T. und auf Grund seiner testpsychologischen Untersuchung ein pseudoneurasthenisches Syndrom mit leichtem organischen Psychosyndrom festgestellt. Prof. Dr. M., dem Bd I und Bd II der VA mit den Berichten der behandelnden Ärzte und insbesondere den Gutachten der Prof. Dres. T. und L. vorlagen, hat eine toxische Enzephalopathie nicht zu bejahen vermocht, wobei für ihn ausschlaggebend gewesen ist, dass die seit April 1993 bestehende anhaltende Arbeitsunfähigkeit nicht mit einer toxischen Schädigung begründet werden kann, sich eine toxische Enzephalopathie nicht und ausschließlich in einem depressiven Syndrom - wie von Prof. Dr. L. beschrieben - äußert, die sich in erster Linie zeigenden intellektuellen und kognitiven Beeinträchtigungen dem Gutachten von Prof. Dr. L. mangels Durchführung psychodiagnostischer und neuropsychologischer Testverfahren nicht zu entnehmen sind, anlässlich der Begutachtung bei Prof. Dr. T. keine Beobachtungen dokumentiert worden sind, die für eine toxische Enzephalopathie hinweisend sein könnten und schließlich auch die bildgebenden Verfahren (CT und Kernspintomographie) von April und August 1993 keine Strukturschäden am Gehirn erfasst haben. Auch Prof. Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 15. Juli 2001 das Vorliegen einer Enzephalopathie beim Kläger verneint (S. 18 seines Gutachtens). Der Wahlgutachter Prof. Dr. G. hat zum Vorliegen einer Enzephalopathie keine Aussage getroffen. Ferner hat Prof. Dr. M. (Gutachten nach Aktenlage vom 13. Juli 2003) eine (somatische) Enzaphalopathie nicht festgestellt, weil die apparativen Untersuchungen keine Schädigungen im Bereich des Groß- und Kleinhirns gezeigt haben, andererseits hat er - eine Exposition gegenüber subtoxischen Dosen in chronischer Form über 35 Jahre unterstellt - das Vorliegen leichterer psychovegetativer Schädigungen (Konzentrationseinbußen, eingeschränktes Kurzzeitgedächtnis, starke Müdigkeit wie auch leichtere Einbußen der assoziativen Beweglichkeit und der visuell-motorischen Organisation, Perzeption und Begriffsbildung aus bekannten Gegenständen und Formen) angenommen, was nach seinen Erläuterungen zum Begriff "Enzephalopathie" (vgl. S. 15 bis 18 seines Gutachtens) vom Senat im Ergebnis als Bejahung der Diagnose einer Enzephalopathie im Sinne der BK Nr. 1317 gewertet wird. Dagegen hat Prof. Dr. St. das Vorliegen einer Enzephalopathie wieder verneint (vgl. S. 31 seines Gutachtens). Der Senat schließt sich insoweit der von der Mehrheit der befragten Sachverständigen vertretenen Auffassung aus den von diesen dargelegten Gründen an und sieht daher eine Enzephalopathie im Sinne der BK Nr. 1317 nicht als nachgewiesen an. Die vom Kläger geklagten psychischen Störungen sind von den Sachverständigen ebenfalls in unterschiedlicher Weise diagnostisch beurteilt worden. Während Dr. Schied - ebenso Prof. Dr. M. (s.o.) - diese Störungen als pseudoneurasthenisches Syndrom mit leichtem organischem Psychosyndrom, depressiven Syndrom und Affektlabilität und Prof. Dr. L. sie als schweres depressives Syndrom beurteilt hat, vermochte Prof. Dr. St. weder ein hirnorganisches Psychosyndrom noch eine depressive Störung festzustellen. In Würdigung der vorliegenden Gutachten schließt sich der Senat der Beurteilung von Prof. Dr. St. an, der anlässlich seiner eigenen Untersuchung einen wesentlichen psychopathologischen Befund beim Kläger nicht erhoben hat, der aber auch für die Vergangenheit auf Grund der vorliegenden Befunde eine wesentliche depressive Symptomatik nicht zu erkennen vermochte. Denn nach dem psychopathologischen Befund von Dr. Schied bestand an Auffälligkeiten eine leichte Verlangsamung, eine subdepressive - also keine manifeste depressive - Grundstimmung sowie ein leicht verminderter Antrieb bei von Dr. Schied vermuteter latenter Suizidalität; dieser Befund deckt sich im Wesentlichen mit dem von Dr. Gl. im Juni 1993 (Bl 51 LSG-Akte). Der Sachverständige hat ferner zu Recht darauf hingewiesen, dass der psychische Befund im Juli/August 2002 (Heilverfahren in der Reha-Klinik N., Bad K.) ebenfalls als unauffällig beschrieben worden ist und im Gegensatz hierzu allein die Befunderhebung von Dr. L. steht. Im zeitlichen Querschnitt ergibt sich somit keine anhaltende depressive Erkrankung. Gestützt wird diese Beurteilung auch durch den Ärztlichen Befundbericht zum Reha-Antrag des Dr. G. vom 8. Mai 2002, in dem dieser eine psychoreaktive- bzw. endoreaktive-depressive Verstimmung erst seit der Krebserkrankung im Jahre 2000 beschreibt, die jedoch - wie oben dargelegt - im Heilverfahren nicht mehr festzustellen war, und die deshalb von Prof. Dr. St. zu Recht nicht als depressive Störung, sondern als - vorübergehende - Anpassungsstörung bewertet worden ist. Im Gegensatz zu Dr. Sc. hat Prof. Dr. St. auch das Vorliegen eines organischen Psychosyndroms verneint. Die hierfür vom Sachverständigen in der Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Dr. Sc. genannten Argumente (vgl. S. 34/35 seines Gutachtens) überzeugen den Senat; insbesondere hat der Sachverständige zu Recht darauf hingewiesen, dass Zweifel an der im Wesentlichen auf der psychologischen Untersuchung basierenden Diagnosestellung gerechtfertigt sind, weil die damaligen testpsychologischen Ergebnisse mit den bei Prof. Dr. St. erzielten vergleichbar sind; der Kläger hat im Wesentlichen regelrechte Leistungen erbracht, jedoch in den anstrengungsabhängigen Leistungen unplausibel niedrige Werte erreicht. Trotz offensichtlicher Hinweise, die sich im Bereich der Persönlichkeitsdiagnostik hinsichtlich Hypochondrie und Hysterie ergaben, und deutlicher demonstrativer Komponenten, hat keine - erkennbare - kritische Bewertung der psychologischen Befunde stattgefunden oder ist der Versuch unternommen worden, die Validität der Befunde durch entsprechende Kontrollverfahren zu sichern. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte folgt der Senat der diagnostischen Beurteilung von Prof. Dr. St ... Die vom Kläger gegen diese Beurteilung erhobenen Einwendungen sind in Ansehung der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 13. Oktober 2005 nicht geeignet, das Gutachten ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die von Prof. Dr. N. fachfremd gestellte psychiatrische Diagnose einer schweren reaktiven Depression mit andauernder Persönlichkeitsveränderung im Sinne einer PTB in keiner Weise nachvollziehbar ist; insoweit schließt sich der Senat der Kritik von Prof. Dr. St. (S. 37 seines Gutachtens) uneingeschränkt an; auch Prof. Dr. M. hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine PTB mit Blick auf das Fehlen der typischen Merkmale und den zeitlichen Verlauf nicht festgestellt werden kann. Damit ist im Ergebnis lediglich eine Polyneuropathie als beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörung erwiesen. Das hat zur Folge, dass der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung einer Enzephalopathie als BK nach Nr. 1317 und einer psychischen Störung als BK nach Nr. 1302 bereits am fehlenden Nachweis dieser Gesundheitsstörungen scheitert.
Hinsichtlich der nachgewiesenen Erkrankung Polyneuropathie scheitert der geltend gemachte Anspruch daran, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dieser Erkrankung und der chronischen und/oder akuten Per-Exposition nicht wahrscheinlich zu machen ist. Der Senat stützt seine Entscheidung insoweit auf die Gutachten von Dres. Prof. N., Prof. G., Prof. St., Prof. M. und Schied, die übereinstimmend einen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang verneint haben und dies im Wesentlichen überzeugend damit begründet haben, eine Erstmanifestation der Polyneuropathie nach Ablauf von 2 Jahren nach Expositionsende sei nach dem wissenschaftlichen Schrifttum nicht bekannt, somit ein atypischer Verlauf, und spreche gegen eine toxische Verursachung. Hinzu kommt der progrediente Verlauf, der ebenfalls gegen eine toxische Verursachung spricht. Der vom Kläger zum Schluss noch vorgelegte Befund von Dr. H. vom 10. November 2004 begründet an der Richtigkeit dieser Beurteilungen keinen Zweifel. Der Kläger leidet - nach telefonischer Auskunft des Dr. H. (s. hierzu Aktenvermerk vom 22. September 2006) - an einem grünen Star (Glaukom); dessen wesentliches pathologisches Merkmal ist eine Erhöhung des Augeninnendruckes, die akut oder über einen jahrelangen Verlauf eine Druckschädigung des Sehnervs hervorruft. Pathogenetisch spielt eine Störung des Kammerwasserabflusses, die mit zunehmendem Alter durch Ablagerung granulären Materials im Trabekelwerk entsteht, eine entscheidende Rolle, weswegen nach klinischer Beobachtung das Glaukom eine Alterskrankheit ist (vgl. Martin Reim, Augenheilkunde, 5., durchges. Aufl., S. 234). Dementsprechend hat Dr. H. in seiner telefonischen Auskunft bekundet, von einer Verursachung durch Per bzw. chemische Stoffe noch nie etwas gehört zu haben. Eine andere Kausalitätsbeurteilung (hinsichtlich der Polyneuropathie) hat lediglich Prof. Dr. L. vorgenommen, dessen Begründung jedoch einer kritischen Überprüfung nicht standhält, weil er weder auf den wesentlichen Umstand der Erstmanifestation 2 Jahre nach Expositionsende noch auf den progredienten Verlauf eingegangen ist und auch im Zusammenhang mit dem von ihm diskutierten Medikamentenmissbrauch die sehr hohe Schmerzmitteleinnahme des Klägers nach dem 1. April 1993, wie sie bspw. im Arztbrief von Dr. He., KKH B., vom 20. Juni 1994 (Bd I S 121 VA) und im Gutachten von Dr. Schied dokumentiert worden ist, nicht berücksichtigt hat.
Der Senat käme jedoch auch dann nicht zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis, wenn die Diagnose eines psychovegetativen Syndroms (als umfassender Begriff für die vom Kläger geklagten psychischen Störungen) erwiesen wäre. In diesem Fall würde der geltend gemachte Anspruch gleichermaßen daran scheitern, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dieser Erkrankung und der (chronischen oder akuten) Per-Exposition nicht wahrscheinlich ist. Eine Kausalität in diesem Sinne haben Dr. Schied sowie die Sachverständigen Prof. Dr. L. und Prof. Dr. M. bejaht. Diese Beurteilungen überzeugen den Senat jedoch nicht. Dr. Schied hat - außer einem zeitlichen Zusammenhang (der allein nicht ausreichend ist) keine Kausalitätserwägungen angestellt, sondern sie nur festgestellt hat, was dem Senat eine Plausibilitätsprüfung nicht erlaubt. Prof. Dr. L. hat die Kausalität mit dem aus dem Unfallereignis vom 1. April 1993 "folgenden Arbeitsverlust durch Krankheit" begründet, was ebenfalls nicht überzeugt, denn der Verlust des Arbeitsplatzes ist nicht durch Krankheit, sondern durch die bereits zuvor erfolgte Kündigung und die Ablehnung des angebotenen Arbeitsplatzes von Seiten des Klägers entstanden. Schließlich kann der Senat auch nicht der Kausalitätsbeurteilung von Prof. Dr. M. folgen; die Kritik, die Prof. Dr. St. (S. 37/38) in Auseinandersetzung mit diesem Gutachten angebracht hat, macht sich der Senat zu eigen. Soweit sich das SG zur Begründung seiner positiven Entscheidung auch auf das Gutachten von Dr. Schl. vom 13. September 1994 gestützt hat, kann der Senat dem nicht folgen. Als Allgemeinmediziner verfügt Dr. Schl. nicht über eine ausreichende fachliche Kompetenz um über Erkrankungen des neurologischen und psychiatrischen Gebiets zu urteilen; davon abgesehen hat er in dem im Rahmen eines Antrags auf medizinische Rehabliltation erstellten Gutachtens vom 13. September 1994 keine Befunde dokumentiert, die die von ihm genannten Diagnosen nachvollziehbar machen; hinsichtlich der diagnostizierten Polyneuropathie fehlen jegliche apparative Untersuchungsergebnisse und mit dem nur 2-zeiligen psychischen Befund lassen sich die Diagnosen "psychoorganisches Syndrom und Enzephalopathie" nicht plausibel begründen.
Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag hat der Senat nicht stattgegeben, weil Prof. Dr. St. auf die im Schriftsatz des Klägers vom 6. Juli 2005 vorgetragenen Einwendungen in seiner Stellungnahme vom 13. Oktober 2005 erschöpfend eingegangen ist und weitere Punkte des Gutachtens, die auf Seiten des Klägers einer Erläuterung bedurft hätten, nicht aufgezeigt worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1302 und/oder 1317 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der im 1938 geborene Kläger, bei dem vom Versorgungsamt R. ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie das Merkzeichen "G" seit Februar 1994 (Verwaltungsakte (VA) Band (Bd) II, Blatt (Bl) 254) anerkannt ist und der seit 1. Juli 1994 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellten (BfA; heute: Deutsche Rentenversicherung Bund - DRVB -) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht (VA Bd II, Bl 255), arbeitete nach einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung zum Kfz-Elektriker ab 1958 bei der G. GmbH, in deren Zweigwerk in B. er als Vorarbeiter und zuletzt Fertigungsleiter eingesetzt war. Am 9. Februar 1993 meldete die GmbH Konkurs an, das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde vom Sequester zum 30. September 1993 gekündigt; einen gleichzeitig angebotenen Arbeitsplatz im Hauptwerk nahm der Kläger aus persönlichen Gründen nicht an. Zur betrieblichen Tätigkeit des Klägers zählte das Umrüsten, Einstellen und Instandhalten sämtlicher Fertigungsmaschinen, ferner die Entleerung, Reinigung und Befüllung der aus 4 Wasch- und 1 Trockenkammer bestehenden, mit einer Randabsaugung versehenen, im Übrigen aber nach oben offenen bis in die 70er Jahre mit Tri-, danach mit Perchloräthylen (Per) gefahrenen Metallreinigungsanlage sowie - bei Personalmangel - deren zeitweise Bedienung. Neben Tri und Per war der Kläger beruflich gegenüber Lacken, Lösungs-, Schmier- und Kühlmitteln exponiert (vgl. im Einzelnen VA Bd 1, Bl 17 und 45). Nach dem Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten vom 31. August 1993 (VA Bd I, Bl 67) wurden bei einer Schadstoffmessung am 19. Januar 1989 an der Per-Reinigungsanlage an 2 Messpunkten MAK-Wert-Überschreitungen festgestellt; ebenso lagen am Kontrollplatz und bei der Raummessung in diesem Betriebsteil die Schadstoffkonzentrationen über der Auslöseschwelle (VA Bd I, Bl 67-72).
Nach der Unfallanzeige der Arbeitgeberin erlitt der Kläger am 1. April 1993 bei Reinigungsarbeiten an der Waschanlage, bei denen er in die Trockenkammer einsteigen musste, um an der Oberfläche des daneben liegenden Per-Bades Verunreinigungen abzuschöpfen, eine akute Per-Intoxikation; er klagte über Ohrensausen, Kopfschmerzen und Hustenanfälle mit heftigem Brechreiz. Die Erstbehandlung erfolgte bei Dr. G., der den Kläger am selben Tag um 11.20 Uhr ins Kreiskrankenhaus (KKH) B. überwies; dort befundete der aufnehmende Arzt Dr. E. Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerz, Schmerzen beim Einatmen, Hustenreiz und Atemnot und leitete ihn an die Innere Abteilung des KKH - Prof. Dr. Gr. - weiter (Durchgangsarztbericht vom 1. April 1993, VA Bd I, Bl 1). Nach Entlassung aus dem KKH am 7. April 1993 stellte sich der Kläger erneut am 8., 14. und 23. April 1993 wegen persistierender Cephalgien bei Dr. G. vor, der über eine bislang nicht bekannte Kreislaufdysregulation bei simultaner Dyspnoe, muköser Dyskrinie sowie deutlicher Tachykardie berichtete (VA Bd I, Bl 44). Eine am 20. April 1993 durchgeführte computertomographische Untersuchung des Schädels ergab bezüglich der mitgeteilten klinischen Angaben keinen pathologischen Befund (VA Bd I, Bl 93). Bei der Nachuntersuchung am 4. Mai 1993 klagte der Kläger über zunehmende Kopfschmerzen und Unwohlsein (VA Bd I, Bl 13). Auf Anfrage der Beklagten teilte Prof. Dr. Gr. anlässlich der ambulanten Untersuchung am 5. Mai 1993 mit, auffällig seien in der Lungenfunktion - bei Klagen über schleimigen Auswurf - eine obstruktive Ventilationsstörung sowie ein Leberparenchymschaden bei erhöhter GPT und GGT gewesen. Der ehemalige Betriebsarzt Dr. P. äußerte gegenüber der Beklagten im September 1993, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt eine eigene Gefährdung oder körperliche Symptome in Folge von Einwirkungen durch Per oder andere chemische Stoffe angegeben (VA Bd I, Bl 81). Am 18. und 19. November 1993 wurde der Kläger von Prof. Dr. T., Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität H., begutachtet. Dort gab der Kläger an, arbeitsplatzbezogene Beschwerden habe er bis zum Unfalltag am 1. April 1993 nicht festgestellt; seither bestünden multiple Kopfbeschwerden - insbesondere Hinterhaupt-Kopfschmerzen - Schwindelgefühl mit Gangunsicherheit, vermehrte Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen, wobei die Schwindel- und Konzentrationsbeschwerden fortschreitend seien. Im Gutachten vom 21. Juni 1994 führte Prof. Dr. T. aus, bei Intoxikationen durch Per könnten Schäden im Bereich des zentralen Nervensystems und der Leber auftreten; typischerweise zeigten sich bei einer akuten Exposition Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheit, bei hoher Exposition zusätzlich pränarkotische Beschwerden mit Übelkeit, Brechreiz und Schwindel bis hin zur Narkose. Die Angaben des Klägers stimmten mit den allgemeinen arbeitsmedizinischen Erfahrungen überein, sodass von einer schweren akuten Per-Intoxikation am 1. April 1993 auszugehen sei. Als Zeichen der Reversibilität seien die Bewusstseinsstörungen bereits beim Eintreffen bei Dr. E. abgeklungen gewesen und trotz angegebener Schmerzen beim Einatmen, Hustenreizes und Atemnot sei klinisch und röntgenologisch kein auffälliger Lungenbefund (z. B. toxisches Lungenödem) erhoben worden. Die Lungenfunktions-Untersuchungen zum Zeitpunkt der Begutachtung seien unauffällig gewesen, sodass es sich bei der im Kaltluft-Provokationstest und im arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest festgestellten leichtgradigen Obstruktion am ehesten um eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität auf dem Boden infektiöser Atemwegserkrankungen (Vorbefunde: 1985 Bronchopneumonie, 1991 Sinusitis, Rhinitis, Bronchtis) als entscheidender Faktor für deren Entstehung handele. Hinsichtlich der geklagten Kopfschmerzen, die seit dem Unfall ohne symptomfreie Zeiträume anhielten, obwohl seither Lösungsmittel-Expositionskarenz besteht, wies der Gutachter darauf hin, dass dieser Verlauf nicht typisch für eine Per-Intoxikation sei. Sie könnten zwar als Begleitsymptom einer Lösungsmittel induzierten Encephalopathie auftreten, doch seien im - allerdings in sich widersprüchlichen - Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. Gl. vom 15. Juni 1993 (VA Bd I, Bl 173) bei der neurologischen Untersuchung keine kognitiven Störungen aufgefallen, die für eine toxische Verursachung im Sinne einer toxischen Enzephalopathie sprechen könnten. Auch im Begutachtungszeitpunkt seien die orientierende neurologische, die neurophysiologischen und die laborchemischen Untersuchungen (letztere im Wesentlichen) unauffällig gewesen. Zusammenfassend ist der Sachverständige daher bei synoptischer Betrachtung von Anamnese, Krankheitsbildern, Krankheitsverlauf und der Befunde zum Zeitpunkt der Begutachtung zum Ergebnis gekommen, dass kein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen einerseits der akuten Per-Intoxikation am 1. April 1993, andererseits einer chronischen Lösungsmittel-Exposition und den vom Kläger geklagten Beschwerden bestehe. Eine BK nach Nr. 1302 liege mit Wahrscheinlichkeit nicht vor. In der Folgezeit wandten sich sowohl Dr. Gl. als auch der Kläger erneut an die Beklagte. Dr. Gl. wies nachdrücklich auf die anhaltenden Beschwerden hin, während der Kläger, der nunmehr ausdrücklich eine Verletztenrente beantragte, ausführlich seine Tätigkeit an der Waschanlage beschrieb und erstmals angab, es sei bei ihm während seiner Tätigkeit regelmäßig zu Rauschzuständen mit starker Benommenheit, Sehstörungen und verändertem Hörvermögen gekommen; seine von Anfang an geklagten Kopfschmerzen, seine Vergesslichkeit und seine Konzentrationsschwierigkeiten seien unverändert vorhanden, seit Beginn des Jahres (1994) habe er starke unerklärliche Muskel- und Gelenkschmerzen - am schlimmsten betroffen seien Knie und Ellbogen -, er leide seit einiger Zeit an erhöhter Schweißbildung, er höre deutlich schlechter und verspüre nachts ein Pelzigwerden und Kribbeln der Hände; darüber hinaus legte er einen handschriftlichen Unfallbericht, einen Bericht zur Unfallursache mit Zeichnung der Waschanlage sowie einer fotografierten Teilansicht vor ( VA Bd II, Bl 188-199). Mit Schreiben vom 2. August 1994 kritisierte der Kläger im Gutachten von Prof. Dr. T. getroffene tatsächliche Feststellungen und beanstandete, Prof. Dr. T. weder gesehen noch gesprochen zu haben. Im weiteren Verlauf übersandte der Kläger ein für die Vereinte Versicherungen erstelltes nervenärztliches Gutachten (mit fachpsychologischen Zusatzgutachten) von Dr. Sc., Krankenhaus R. - Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie -, vom 16. Mai 1995. An subjektiven Beschwerden zum Zeitpunkt der dortigen Begutachtung (11. bis 13. April 1995), die der Kläger vollständig auf den Unfall vom 1. April 1993 zurückführte, brachte er vor: morgendliche Schleimbildungen, Dauerkopfschmerzen, Schwitzen bei Nacht, Durchschlafstörungen, Gangunsicherheit mit Stürzen (erstmalig Mitte bis Ende Mai 1993, zunehmend von Frühjahr bis Anfang Herbst 1994, seither konstant), weitgehender Verlust des Kurzzeitgedächtnisses und Bluthochdruck. Zusammenfassend kam Dr. Sc. zu der Beurteilung, als Unfallfolgen sei ein pseudoneurasthenisches Syndrom mit einem leichten organischen Psychosyndrom, einem depressiven Syndrom und einer Affektlabilität anzusehen; bei der Progredienz dieser Symptome im letzten Jahr sei jedoch von einer unfallunabhängigen Zweiterkrankung unklarer Genese auszugehen. Eine darüber hinaus bestehende Schwindelsymptomatik, unspezifische Kopfschmerzen und eine allgemein erhöhte Erregbarkeit seien allenfalls als mittelbare Folgen anzusehen, die neurologisch nachweisbare leichte Polyneuropathie sei unfallunabhängig, da sie erst mit einer Latenz von ca. 1 Jahr nach der Intoxikation aufgetreten sei. Insgesamt sei die Minderung der Leistungsfähigkeit mit 70% einzuschätzen; "als mittelbare Unfallfolgen unter Berücksichtigung der Unfallverarbeitung seien hiervon ca. 30% einzustufen". Daraufhin ließ die Beklagte den Kläger bei Prof. Dr. L., Klinikum der Stadt L. am R., begutachten. Dieser diagnostizierte beim Kläger auf Grund stationärer Untersuchung vom 12. bis 14. September 1995 eine sensible und motorische Polyneuropathie der unteren Extremitäten toxischer Genese, ein depressives Syndrom sowie ein chronisches Wurzelreiz-Syndrom L4 beidseits und führte aus, die periphere Polyneuropathie mit Denervierungszeichen als Ausdruck der peripheren Nervenschädigung und die Veränderung der Nervenleitgeschwindigkeit sei als toxisch verursacht anzusehen, da andere Ursachen (Diabetes mellitus, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch) bis zum Unfallereignis auszuschließen seien. Auf Grund des Unfalls, mit dem daraus folgenden Arbeitsverlust durch Krankheit, sei es auch zu einem schweren depressiven Syndrom gekommen. Für die Polyneuropathie sei eine MdE von 30 vH für das depressives Syndrom eine MdE von 50 vH zu veranschlagen. Wegen der unterschiedlichen gutachtlichen Beurteilungen holte die Beklagte die gutachtliche Stellungnahme nach Aktenlage bei Prof. Dr. M., em. Ärztlicher Direktor der Neurologischen Poliklinik und Abteilung Neuropsychologie der Universität T., vom 21. Mai 1996 ein. Darin führte Prof. Dr. M. aus, die Beurteilung der Polyneuropathie als toxisch bedingt sei unrichtig. Die neurologische Untersuchung bei Prof. Dr. T. habe regelrechte Befunde ergeben, die im Klinikum L. festgestellte Polyneuropathie, deren funktionelle Auswirkungen als gering einzustufen seien, habe sich demnach in der Zwischenzeit entwickelt. Ein solcher Verlauf mit Entwicklung einer toxischen Polyneuropathie erst 2 Jahre nach einer akuten Intoxikation und nach Ende einer - unterstellten - chronischen Exposition sei im wissenschaftlichen Schrifttum nicht bekannt. Hinsichtlich des als mittelbare Unfallfolge angesehenen depressiven Syndroms sei die von Prof. Dr. L. gegebene Begründung psychopathologisch und psychodynamisch zu einfach und daher nicht ausreichend. Wesentlich sei insofern, dass die seit dem Unfall am 1. April 1993 anhaltende Arbeitsunfähigkeit nicht Folge einer anhaltenden toxischen Schädigung sei. Er halte eine erneute neurologisch-psychiatrische Untersuchung für erforderlich, die der Kläger jedoch abgelehnt hätte. Im Ergebnis könne er weder eine toxische Schädigung der peripheren Nerven (Polyneuropathie) und des Gehirns (Enzephalopathie) noch eine reaktive Depression als mittelbare Folge der Per-Intoxikation am 1. April 1993 bejahen. Schließlich holte die Beklagte im Hinblick auf die BK nach Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) die weitere Stellungnahme vom 3. Februar 1997 bei Prof. Dr. T. ein. Zum Krankheitsbild der Polyneuropathie führte dieser aus, im wissenschaftlichen Schrifttum sei, obgleich Per seit mehreren Jahrzehnten in großem Umfang als Reinigungsmittel verwendet werde, nicht beschrieben, dass eine berufliche Per-Exposition grundsätzlich geeignet sei, beim Menschen eine Polyneuropathie der Beine zu verursachen. Die Annahme einer toxisch bedingten Polyneuropathie sei auch mit den neurophysiologischen und elektromyographischen Befunden vom 25. September 1995 wenig vereinbar, da nach dortiger Befundkonstellation von einer vorwiegend demyelinisierenden (Demyelinisierung = Entmarkung) motorischen wie sensiblen Polyneuropathie ausgegangen werde, demgegenüber es sich bei der toxischen Polyneuropathie - hervorgerufen durch organische Lösungsmittel - primär um die Folgen einer Schädigung des Axons (Fortsatz der Nervenzelle) handele. Zum psychischen Beschwerdebild führte er aus, die Diagnose eines "leichten organischen Psychsyndroms" könnte mit der BK einer toxischen Enzephalopathie in Einklang gebracht werden, wenn der Kläger einer entsprechenden (chronischen) Exposition ausgesetzt gewesen sei, was bisher unklar sei. Für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs sei der Krankheitsverlauf nach Beendigung der Exposition bedeutsam. Nach derzeitiger wissenschaftlicher Erkenntnis werde bei der Lösungsmittel induzierten Enzephalopathie leichter Ausprägung davon ausgegangen, dass es nach Expositionsende zu einer wesentlichen Besserung bzw. einer vollständigen Rückbildung der psychischen Störungen komme. Ein solcher Krankheitsverlauf liege beim Kläger jedoch nicht vor. Zusammenfassend ergebe sich kein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen der Per-Exposition und der Polyneuropathie; bezüglich des neuro-psychiatrischen Krankheitsbildes sei eine abschließende Beurteilung mangels zuverlässiger Feststellungen des TAD zur chronischen Per-Exposition nicht möglich. Nach den daraufhin veranlassten ergänzenden Feststellungen des TAD (Schreiben vom 11. Juli 1997, VA Bd III, Bl 411) lag hinsichtlich der Tätigkeit "Bedienen der Per-Anlage" mit zwei Stunden pro Woche kein Überschreiten der Auslöseschwelle (50 ppm) als Belastungskonzentration vor (beim Reinigen wurde seit den 80ger Jahren Atemschutz benutzt), dagegen hat der Kläger am 1. April 1993 Per-Konzentrationen von über 10.000 ppm eingeatmet. Mit Bescheid vom 22. Dezember 1999 lehnte die Beklagte die Feststellung und Entschädigung einer BK nach Nr. 1302 oder 1317 ab. Der - nicht begründete - Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. April 2000).
Deswegen hat der Kläger am 11. Mai 2000 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und weitere - zum Teil bereits bekannte - ärztliche Unterlagen vorgelegt, u.a. - auszugsweise - den Arztbrief der Kreisklinik H. vom 4. August 2000 mit dem Hinweis auf ein beim Kläger 2000 festgestelltes Rectum- sowie Nierenzellkarzinom sowie einen Bericht des Dr. G. vom 8. Mai 2002, in dem die depressive Verstimmung des Klägers auf die Krebserkrankungen zurückgeführt werden. Das SG hat von der BfA ärztliche Unterlagen beigezogen (Bl 19-25) und das arbeitsmedizinisch-toxikologische Gutachten nach Aktenlage bei Prof. Dr. N. vom 15. Juli 2001 eingeholt. Darin ist der Sachverständige in Übereinstimmung mit Prof. Dr. M. und Prof. Dr. T. zum Ergebnis gekommen, dass eine BK nach Nr. 1317 wegen des beim Kläger gegebenen atypischen Verlaufs nicht vorliege. Dagegen hat er das Vorliegen einer BK nach Nr. 1302 wegen des dokumentierten Leberschadens für diskussionswürdig erachtet, wobei jedoch weitere spezielle Untersuchungen unter Berücksichtigung hausärztlicher Befunde aus der Zeit vor 1993 notwendig seien. Darüber hinaus hat er jedoch beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung (PTB) im Sinne einer schweren reaktiven Depression mit andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung festgestellt, diese als mittelbare Unfallfolge beurteilt und die MdE ab April 1993 mit 50 vH eingeschätzt. Zur Frage des Vorliegens einer BK nach Nr. 1302 und/oder 1317 hat das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Prof. Dr. G., Institut für Toxikologie und Umwelthygiene der Technischen Universität M.mit der Begutachtung beauftragt. In seinem Gutachten vom 27. Mai 2002 hat der Sachverständige eine berufsbedingte Polyneuropathie (BK 1317) verneint, hinsichtlich der von Prof. Dr. N. angenommenen schweren reaktiven Depression die Einholung eines Fachgutachtens empfohlen und im Übrigen im Wesentlichen Ausführungen zur Verursachung eines Nierenzellkarzinoms durch Tri-Exposition gemacht und insoweit eine BK nach Nr. 1302 bejaht. Im weiteren Verfahrensverlauf hat die Beklagte das nach Aktenlage erstellte fachpsychiatrische Gutachten des Prof. Dr. M. vom 13. Juli 2003 mit ergänzender Stellungnahme vom 5. August 2003 vorgelegt. Nach Würdigung aller aktenkundigen Befunde hat Prof. Dr. M. eine toxisch determinierte Polyneuropathie verneint; dasselbe gilt nach seinen Ausführungen für die (somatische) Enzephalopathie. Hinsichtlich des Vorliegens psychovegetativer Störungen nach Per-Exposition müsse man - die Einwirkung subtoxischer Dosen in chronischer Form im Laufe von 35 Jahren unterstellt - leichtere psychovegetative Schädigungen annehmen; allerdings bildeten sich so geartete Störungen nach der Literatur innerhalb von 1 bis 2 Jahren nach Expositionsende weitgehend zurück, sodass die überdauernden Störungen nicht der beruflichen toxischen Belastung zuzurechnen seien. In Betracht komme insoweit eine Anerkennung psychovegetativer Irritationen für 2 Jahre nach Beendigung der beruflichen Arbeit mit einer MdE um 20 vH Soweit Prof. Dr. L. ein schweres depressives Syndrom diagnostiziert habe, könne dem angesichts der (in Ludwigshafen und Rottenmünster) geschilderten wechselnden Zustandsbilder nicht gefolgt werden; unter Berücksichtigung der dokumentierten Befunde könne entgegen Prof. Dr. N. eine posttraumatische Belastungsstörung (PTB) im Hinblick auf das Fehlen der so genannten typischen Merkmale und den zeitlichen Verlauf nicht festgestellt werden. Mit Urteil vom 18. Dezember 2003 hat das SG - gestützt auf die Gutachten von Dr. Schl., Dr. Sc. und Prof. Dr. L. - ein depressives Syndrom mit Persönlichkeitsveränderungen und kognitiven Störungen als nachgewiesen erachtet, einen ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Exposition bejaht, weil sich das depressive Syndrom unmittelbar aus den durch Per verursachten psychovegetativen Störungen entwickelt habe, und die Beklagte unter Anerkennung einer BK nach Ziffer 1302 der Anlage 1 zur BKV zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um 50 v.H. verurteilt.
Gegen das ihr am 6. Februar 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. Februar 2004 Berufung eingelegt und im Einzelnen die Beweiswürdigung des SG angegriffen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. Dezember 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die mündliche Verhandlung zu vertagen und den Gutachter Prof. Dr. St. zur Erläuterung seines Gutachtens in die mündliche Verhandlung zu laden.
Der Kläger hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Zur Untermauerung seiner Kritik an dem vom Senat eingeholten Gutachten von Prof. Dr. St. hat der Kläger mit Fax vom 21. September 2006 einen Untersuchungsbefund des Augenarztes Dr. H. vom 10. November 2004 vorgelegt und vorgetragen, hieraus ergebe sich - entgegen dem Sachverständigen - eine Sehnervenbeteiligung. Der Senat hat den Hausarzt Dr. G., der zahlreiche Befundunterlagen übersandt hat, sowie den behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. Gl. als sachverständige Zeugen schriftlich befragt (Aussagen vom 5. November 2004 und 14. Dezember 2004) und sodann von Amts wegen das Gutachten vom 7. April 2005 von Prof. Dr. St., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität T., eingeholt. Auf Grund ambulanter neurologischer, psychiatrischer und psychologischer Untersuchung am 5. April 2005 ist der Sachverständige zum Ergebnis gekommen, beim Kläger liege auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine seit 1995 belegte Neuropathie vor, die jedoch nicht ursächlich auf die Per-Exposition zurückzuführen sei, dagegen bestehe weder eine depressive Störung noch ein hirnorganisches Psychosyndrom. Eine BK nach Nr. 1317 sei nicht gegeben, zu einer BK nach Nr. 1302 hinsichtlich des Nierenzellkarzinoms könne er von neurologisch-psychiatrischer Seite aus keine Stellung nehmen. Auf die kritischen Anmerkungen des Klägers zu diesem Gutachten, das er nicht für verwertbar hält, ist der Sachverständige in der ergänzenden Stellungnahme vom 13. Oktober 2005 eingegangen, ohne an seiner Beurteilung etwas zu ändern.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten (3 Bände) sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil sie wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung einer Verletztenrente verurteilt, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig mit der Folge, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung und Entschädigung der geltend gemachten BKen hat.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 22. Dezember 1999 in Ge-stalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2000, mit dem die Beklagte in Bezug auf das vom Kläger geklagte und im Tatbestand dargestellte Krankheitsbild die Feststellung einer BK nach Nr. 1302 und 1317 sowie einer daraus resultierenden Entschädigung abgelehnt hat. Nicht Streitgegenstand sind die Feststellung des beim Kläger im Jahr 2000 diagnostizierten Nierenzellkarzinoms und - auf Grund der Einigung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - eine mögliche Leberschädigung als BK 1302; insoweit führt die Beklagte ein gesondertes Verwaltungsverfahren durch.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger erhobenen Ansprüche sind die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der Versicherungsfall einer BK 1993 und damit bereits weit vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten wäre (vgl. Art. 36 Satz 1 des Unfallversicherung-Einordnungsgesetzes vom 7. August 1996 ( BGBl I S. 1254); §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII). Heranzuziehen sind ferner die Bestimmungen der bis 30. November 1997 geltenden BKVO vom 20. Juni 1968 (BGBl I S. 721), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl I S. 2343) und hinsichtlich der BK nach Nr. 1317 die der ab 1. Dezember 1997 geltenden BKV vom 31. Oktober 1997. Hieraus ergeben sich jedoch gegenüber den von der Beklagten herangezogenen Regelungen des SGB VII (in Verbindung mit der BKV) keine Änderungen.
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der ihr folgenden Bestimmungen Leistungen, insbesondere bei Vorliegens einer MdE um wenigstens ein Fünftel (20 vH) Verletztenrente in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 auf VU). Dabei gilt nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO als Arbeitsunfall auch eine BK. BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als BKen bezeichnet, und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Eine BK nach der hier geltend gemachten Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKVO sind "Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe" und nach der erst durch die BKV vom 31. Oktober 1997 eingeführten Listen-Nr. 1317 "Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische". Hinsichtlich dieser BK ist grundsätzlich die Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 2 BKV zu beachten, nach der die Anerkennung einer BK nach dieser Listen-Nr. nur dann in Betracht kommt, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. Dezember 1992 eingetreten ist.
Der vom Kläger für seinen Erkrankungsbild (multiple Kopfbeschwerden, Schwindelgefühl mit Gangunsicherheit, vermehrte Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen, psychovegetatives Syndrom/depressive Erkrankung, Polyneuropathie, Enzephalopathie) angeschuldigte Stoff Per gehört zu den Halogenkohlenwasserstoffen bzw. organischen Lösungsmitteln und ist demnach ein "Listenstoff "im Sinne der Nrn. 1302 und 1317 der Anlage 1 zur BKVO bzw. Anlage zur BKV (vgl. I 1.1 des "Merkblatts für die ärztliche Untersuchung" zur Listen-Nr. 1302 (BArbBl 6/1985) und I 1.1 des Merkblatts zur Listen-Nr. 1317 (BArbBl 3/2005); abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 1302 und M 1317), wobei die Begriffe Perchlorethylen, Tetrachlorethylen und Tetrachlorethen den selben Stoff bezeichnen.
Die Krankheitsbilder, die sich aus den hier geltend gemachten Listen-Nrn. ergeben, sind vom Verordnungsgeber hinsichtlich der BK Nr. 1317 eindeutig benannt - (toxische) Polyneuropathie und Enzephalopathie -, dagegen bei der BK Nr. 1302 nur mit "Erkrankungen" umschrieben. Damit will der Verordnungsgeber - ohne weitere Einschränkungen - alle denkbaren Krankheiten zu BKen erklären, die nach den fortschreitenden Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die Einwirkungen durch den jeweiligen Listenstoff zurückzuführen sind. Zielorgane der BK Nr. 1302 sind nach derzeitiger wissenschaftlicher Erkenntnis die Haut, das Zentrale Nervensystem (ZNS), die Leber und die Niere (vgl. Mehrtens/Perlebach,Die Berufskrankheitenverordnung, M 1302 III). Daraus folgt für den Senat, dass die geltend gemachten psychischen Beschwerden auch mit Blick auf die BK Nr. 1302 zu prüfen sind.
Im Unfallversicherungsrecht müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen (versicherte Tätigkeit, schädigende Einwirkungen, Krankheit) erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (ständige Rechtsprechung; vgl. BSGE 58, 80,83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84). Hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkungen (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkungen und der Gesundheitsstörung (haftungsausfüllende Kausalität) genügt dagegen der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 58, 80,83; 61, 127,1 129); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 285,2 286 = SozR 2200 § 548 Nr. 38; SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 S. 81 ff). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE die 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast nach Ausschöpfung aller Beweismittel zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet (vgl. BSGE 70, 72; BSG SozR 3-1500 § 128 Nr. 11).
In Ansehung dieser rechtlichen Grundsätze ist zwischen den Beteiligten unumstritten, dass der Kläger als Vorarbeiter und Fertigungsleiter von 1958 bis 1993 eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, in deren Verlauf er regelmäßig gegenüber Per exponiert gewesen ist. Dabei ist insbesondere die am 1. April 1993 stattgehabte akute Intoxikation nachgewiesen, bei der er nach den Feststellungen des TAD Per-Konzentrationen von über 10.000 ppm eingeatmet hat. Dagegen ist die Höhe der chronischen Exposition des Klägers nicht eindeutig geklärt. Die hierzu vorliegenden Feststellungen des TAD vom 31. August 1993 und 11. Juli 1997 sind widersprüchlich, weil 1993 nach Auswertung der Messdaten von Januar 1989 sowohl eine Überschreitung des MAK-Wertes als auch der Auslöseschwelle festgestellt, dagegen 1997 ausgehend von den Angaben des Klägers (Bedienen der Per-Anlage mit 2 Stunden pro Woche) ein Überschreiten der Auslöseschwelle (50 ppm) verneint worden ist. Auf die Höhe der (chronischen) Exposition kommt es im Rahmen der Prüfung der arbeitstechnischen Voraussetzungen jedoch nicht an, weil der Verordnungsgeber eine bestimmte Expositionshöhe tatbestandlich nicht vorgegeben hat. Demnach sind sowohl die versicherte Tätigkeit als auch (dem Grunde nach) die schädigende Einwirkung nachgewiesen. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen ist das Vorliegen einer Polyneuropathie erwiesen; das ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. Schied vom Mai 1995, Prof. Dr. Lowitsch vom Januar 1996 und Prof. Dr. St. vom April 2005. Diese Diagnose ist auch von den nach Aktenlage beurteilenden Sachverständigen Prof. Dres. M., N., M. und G. entsprechend den dokumentierten Befunden als vorliegend erachtet worden, wobei es hier entscheidungsunerheblich ist, ob bereits der von Dr. Schied im April 1995 erhobene Befund diese Diagnose rechtfertigt - so Prof. Dr. St. - oder erst der von Prof. Dr L. im September 1995 erhobene - so Prof. Dr. M. -. Hinsichtlich des Vorliegens einer Enzephalopathie gehen die Beurteilungen der Sachverständigen auseinander. Prof. Dr. T. hat eine solche in seinem Gutachten vom 21. Juni 1994 nicht diagnostiziert, jedoch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. Februar 1997 ausgeführt, für den Fall, dass eine chronische (mindestens 10jährig) und erhebliche (Überschreitung des zulässigen MAK-Wertes um mindestens das Doppelte) Per-Exposition bestanden habe, könnte dies im Hinblick auf die Frage einer toxischen Enzephalopathie möglicherweise zu einer anderen Einschätzung führen. Dr. Schied hat keine für den Senat erkennbare klare Diagnose bezüglich einer Enzephalopathie gestellt; die von ihm durchgeführte computertomographische Kontrolle hat nach seinen Ausführungen keinen Hinweis auf eine organische (Hirn-)Läsion ergeben - was dagegen sprechen könnte -, andererseits hat er unter Bezugnahme auf die Vorbegutachtung bei Prof. Dr. T. und auf Grund seiner testpsychologischen Untersuchung ein pseudoneurasthenisches Syndrom mit leichtem organischen Psychosyndrom festgestellt. Prof. Dr. M., dem Bd I und Bd II der VA mit den Berichten der behandelnden Ärzte und insbesondere den Gutachten der Prof. Dres. T. und L. vorlagen, hat eine toxische Enzephalopathie nicht zu bejahen vermocht, wobei für ihn ausschlaggebend gewesen ist, dass die seit April 1993 bestehende anhaltende Arbeitsunfähigkeit nicht mit einer toxischen Schädigung begründet werden kann, sich eine toxische Enzephalopathie nicht und ausschließlich in einem depressiven Syndrom - wie von Prof. Dr. L. beschrieben - äußert, die sich in erster Linie zeigenden intellektuellen und kognitiven Beeinträchtigungen dem Gutachten von Prof. Dr. L. mangels Durchführung psychodiagnostischer und neuropsychologischer Testverfahren nicht zu entnehmen sind, anlässlich der Begutachtung bei Prof. Dr. T. keine Beobachtungen dokumentiert worden sind, die für eine toxische Enzephalopathie hinweisend sein könnten und schließlich auch die bildgebenden Verfahren (CT und Kernspintomographie) von April und August 1993 keine Strukturschäden am Gehirn erfasst haben. Auch Prof. Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 15. Juli 2001 das Vorliegen einer Enzephalopathie beim Kläger verneint (S. 18 seines Gutachtens). Der Wahlgutachter Prof. Dr. G. hat zum Vorliegen einer Enzephalopathie keine Aussage getroffen. Ferner hat Prof. Dr. M. (Gutachten nach Aktenlage vom 13. Juli 2003) eine (somatische) Enzaphalopathie nicht festgestellt, weil die apparativen Untersuchungen keine Schädigungen im Bereich des Groß- und Kleinhirns gezeigt haben, andererseits hat er - eine Exposition gegenüber subtoxischen Dosen in chronischer Form über 35 Jahre unterstellt - das Vorliegen leichterer psychovegetativer Schädigungen (Konzentrationseinbußen, eingeschränktes Kurzzeitgedächtnis, starke Müdigkeit wie auch leichtere Einbußen der assoziativen Beweglichkeit und der visuell-motorischen Organisation, Perzeption und Begriffsbildung aus bekannten Gegenständen und Formen) angenommen, was nach seinen Erläuterungen zum Begriff "Enzephalopathie" (vgl. S. 15 bis 18 seines Gutachtens) vom Senat im Ergebnis als Bejahung der Diagnose einer Enzephalopathie im Sinne der BK Nr. 1317 gewertet wird. Dagegen hat Prof. Dr. St. das Vorliegen einer Enzephalopathie wieder verneint (vgl. S. 31 seines Gutachtens). Der Senat schließt sich insoweit der von der Mehrheit der befragten Sachverständigen vertretenen Auffassung aus den von diesen dargelegten Gründen an und sieht daher eine Enzephalopathie im Sinne der BK Nr. 1317 nicht als nachgewiesen an. Die vom Kläger geklagten psychischen Störungen sind von den Sachverständigen ebenfalls in unterschiedlicher Weise diagnostisch beurteilt worden. Während Dr. Schied - ebenso Prof. Dr. M. (s.o.) - diese Störungen als pseudoneurasthenisches Syndrom mit leichtem organischem Psychosyndrom, depressiven Syndrom und Affektlabilität und Prof. Dr. L. sie als schweres depressives Syndrom beurteilt hat, vermochte Prof. Dr. St. weder ein hirnorganisches Psychosyndrom noch eine depressive Störung festzustellen. In Würdigung der vorliegenden Gutachten schließt sich der Senat der Beurteilung von Prof. Dr. St. an, der anlässlich seiner eigenen Untersuchung einen wesentlichen psychopathologischen Befund beim Kläger nicht erhoben hat, der aber auch für die Vergangenheit auf Grund der vorliegenden Befunde eine wesentliche depressive Symptomatik nicht zu erkennen vermochte. Denn nach dem psychopathologischen Befund von Dr. Schied bestand an Auffälligkeiten eine leichte Verlangsamung, eine subdepressive - also keine manifeste depressive - Grundstimmung sowie ein leicht verminderter Antrieb bei von Dr. Schied vermuteter latenter Suizidalität; dieser Befund deckt sich im Wesentlichen mit dem von Dr. Gl. im Juni 1993 (Bl 51 LSG-Akte). Der Sachverständige hat ferner zu Recht darauf hingewiesen, dass der psychische Befund im Juli/August 2002 (Heilverfahren in der Reha-Klinik N., Bad K.) ebenfalls als unauffällig beschrieben worden ist und im Gegensatz hierzu allein die Befunderhebung von Dr. L. steht. Im zeitlichen Querschnitt ergibt sich somit keine anhaltende depressive Erkrankung. Gestützt wird diese Beurteilung auch durch den Ärztlichen Befundbericht zum Reha-Antrag des Dr. G. vom 8. Mai 2002, in dem dieser eine psychoreaktive- bzw. endoreaktive-depressive Verstimmung erst seit der Krebserkrankung im Jahre 2000 beschreibt, die jedoch - wie oben dargelegt - im Heilverfahren nicht mehr festzustellen war, und die deshalb von Prof. Dr. St. zu Recht nicht als depressive Störung, sondern als - vorübergehende - Anpassungsstörung bewertet worden ist. Im Gegensatz zu Dr. Sc. hat Prof. Dr. St. auch das Vorliegen eines organischen Psychosyndroms verneint. Die hierfür vom Sachverständigen in der Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Dr. Sc. genannten Argumente (vgl. S. 34/35 seines Gutachtens) überzeugen den Senat; insbesondere hat der Sachverständige zu Recht darauf hingewiesen, dass Zweifel an der im Wesentlichen auf der psychologischen Untersuchung basierenden Diagnosestellung gerechtfertigt sind, weil die damaligen testpsychologischen Ergebnisse mit den bei Prof. Dr. St. erzielten vergleichbar sind; der Kläger hat im Wesentlichen regelrechte Leistungen erbracht, jedoch in den anstrengungsabhängigen Leistungen unplausibel niedrige Werte erreicht. Trotz offensichtlicher Hinweise, die sich im Bereich der Persönlichkeitsdiagnostik hinsichtlich Hypochondrie und Hysterie ergaben, und deutlicher demonstrativer Komponenten, hat keine - erkennbare - kritische Bewertung der psychologischen Befunde stattgefunden oder ist der Versuch unternommen worden, die Validität der Befunde durch entsprechende Kontrollverfahren zu sichern. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte folgt der Senat der diagnostischen Beurteilung von Prof. Dr. St ... Die vom Kläger gegen diese Beurteilung erhobenen Einwendungen sind in Ansehung der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 13. Oktober 2005 nicht geeignet, das Gutachten ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die von Prof. Dr. N. fachfremd gestellte psychiatrische Diagnose einer schweren reaktiven Depression mit andauernder Persönlichkeitsveränderung im Sinne einer PTB in keiner Weise nachvollziehbar ist; insoweit schließt sich der Senat der Kritik von Prof. Dr. St. (S. 37 seines Gutachtens) uneingeschränkt an; auch Prof. Dr. M. hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine PTB mit Blick auf das Fehlen der typischen Merkmale und den zeitlichen Verlauf nicht festgestellt werden kann. Damit ist im Ergebnis lediglich eine Polyneuropathie als beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörung erwiesen. Das hat zur Folge, dass der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung einer Enzephalopathie als BK nach Nr. 1317 und einer psychischen Störung als BK nach Nr. 1302 bereits am fehlenden Nachweis dieser Gesundheitsstörungen scheitert.
Hinsichtlich der nachgewiesenen Erkrankung Polyneuropathie scheitert der geltend gemachte Anspruch daran, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dieser Erkrankung und der chronischen und/oder akuten Per-Exposition nicht wahrscheinlich zu machen ist. Der Senat stützt seine Entscheidung insoweit auf die Gutachten von Dres. Prof. N., Prof. G., Prof. St., Prof. M. und Schied, die übereinstimmend einen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang verneint haben und dies im Wesentlichen überzeugend damit begründet haben, eine Erstmanifestation der Polyneuropathie nach Ablauf von 2 Jahren nach Expositionsende sei nach dem wissenschaftlichen Schrifttum nicht bekannt, somit ein atypischer Verlauf, und spreche gegen eine toxische Verursachung. Hinzu kommt der progrediente Verlauf, der ebenfalls gegen eine toxische Verursachung spricht. Der vom Kläger zum Schluss noch vorgelegte Befund von Dr. H. vom 10. November 2004 begründet an der Richtigkeit dieser Beurteilungen keinen Zweifel. Der Kläger leidet - nach telefonischer Auskunft des Dr. H. (s. hierzu Aktenvermerk vom 22. September 2006) - an einem grünen Star (Glaukom); dessen wesentliches pathologisches Merkmal ist eine Erhöhung des Augeninnendruckes, die akut oder über einen jahrelangen Verlauf eine Druckschädigung des Sehnervs hervorruft. Pathogenetisch spielt eine Störung des Kammerwasserabflusses, die mit zunehmendem Alter durch Ablagerung granulären Materials im Trabekelwerk entsteht, eine entscheidende Rolle, weswegen nach klinischer Beobachtung das Glaukom eine Alterskrankheit ist (vgl. Martin Reim, Augenheilkunde, 5., durchges. Aufl., S. 234). Dementsprechend hat Dr. H. in seiner telefonischen Auskunft bekundet, von einer Verursachung durch Per bzw. chemische Stoffe noch nie etwas gehört zu haben. Eine andere Kausalitätsbeurteilung (hinsichtlich der Polyneuropathie) hat lediglich Prof. Dr. L. vorgenommen, dessen Begründung jedoch einer kritischen Überprüfung nicht standhält, weil er weder auf den wesentlichen Umstand der Erstmanifestation 2 Jahre nach Expositionsende noch auf den progredienten Verlauf eingegangen ist und auch im Zusammenhang mit dem von ihm diskutierten Medikamentenmissbrauch die sehr hohe Schmerzmitteleinnahme des Klägers nach dem 1. April 1993, wie sie bspw. im Arztbrief von Dr. He., KKH B., vom 20. Juni 1994 (Bd I S 121 VA) und im Gutachten von Dr. Schied dokumentiert worden ist, nicht berücksichtigt hat.
Der Senat käme jedoch auch dann nicht zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis, wenn die Diagnose eines psychovegetativen Syndroms (als umfassender Begriff für die vom Kläger geklagten psychischen Störungen) erwiesen wäre. In diesem Fall würde der geltend gemachte Anspruch gleichermaßen daran scheitern, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dieser Erkrankung und der (chronischen oder akuten) Per-Exposition nicht wahrscheinlich ist. Eine Kausalität in diesem Sinne haben Dr. Schied sowie die Sachverständigen Prof. Dr. L. und Prof. Dr. M. bejaht. Diese Beurteilungen überzeugen den Senat jedoch nicht. Dr. Schied hat - außer einem zeitlichen Zusammenhang (der allein nicht ausreichend ist) keine Kausalitätserwägungen angestellt, sondern sie nur festgestellt hat, was dem Senat eine Plausibilitätsprüfung nicht erlaubt. Prof. Dr. L. hat die Kausalität mit dem aus dem Unfallereignis vom 1. April 1993 "folgenden Arbeitsverlust durch Krankheit" begründet, was ebenfalls nicht überzeugt, denn der Verlust des Arbeitsplatzes ist nicht durch Krankheit, sondern durch die bereits zuvor erfolgte Kündigung und die Ablehnung des angebotenen Arbeitsplatzes von Seiten des Klägers entstanden. Schließlich kann der Senat auch nicht der Kausalitätsbeurteilung von Prof. Dr. M. folgen; die Kritik, die Prof. Dr. St. (S. 37/38) in Auseinandersetzung mit diesem Gutachten angebracht hat, macht sich der Senat zu eigen. Soweit sich das SG zur Begründung seiner positiven Entscheidung auch auf das Gutachten von Dr. Schl. vom 13. September 1994 gestützt hat, kann der Senat dem nicht folgen. Als Allgemeinmediziner verfügt Dr. Schl. nicht über eine ausreichende fachliche Kompetenz um über Erkrankungen des neurologischen und psychiatrischen Gebiets zu urteilen; davon abgesehen hat er in dem im Rahmen eines Antrags auf medizinische Rehabliltation erstellten Gutachtens vom 13. September 1994 keine Befunde dokumentiert, die die von ihm genannten Diagnosen nachvollziehbar machen; hinsichtlich der diagnostizierten Polyneuropathie fehlen jegliche apparative Untersuchungsergebnisse und mit dem nur 2-zeiligen psychischen Befund lassen sich die Diagnosen "psychoorganisches Syndrom und Enzephalopathie" nicht plausibel begründen.
Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag hat der Senat nicht stattgegeben, weil Prof. Dr. St. auf die im Schriftsatz des Klägers vom 6. Juli 2005 vorgetragenen Einwendungen in seiner Stellungnahme vom 13. Oktober 2005 erschöpfend eingegangen ist und weitere Punkte des Gutachtens, die auf Seiten des Klägers einer Erläuterung bedurft hätten, nicht aufgezeigt worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
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