L 1 KR 65/04

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 13 KR 410/01
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 KR 65/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Kosten einer Verhaltenstherapie mit heilpädagogischen Maßnahmen bei einem autistischen Kind sind von der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann zu übernehmen, wenn die Krankheitsbekämpfung im Vordergrund steht (im Anschluss an BSG, Urteil vom 31.03.1998 - B 1 KR 12/96 R - , veröffentlicht in Juris; Urteil vom 03.09.2003 - B 1 KR 34/01 R - , SozR 4 - 2500 § 18 Nr 1)
2. Durch die Regelungen in § 30 SGB IX wird die Leistungsverpflichtung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erweitert. Die Träger der Jugendhilfe und der Sozialhilfe werden nicht grundsätzlich von ihrer Verpflichtung zur Kostentragung entbunden.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 16.01.2004 - S 13 KR 410/01 - wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von verhaltenstherapeutischen und heilpädagogischen Leistungen.

Der am geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger leidet an einer frühkindlichen autistischen Störung. Vom dritten bis fünften Lebensjahr erhielt er therapeutische Behandlungen zum Aufbau einer emotionalen Beziehung zu seiner Mutter und er besuchte einen Förderkindergarten der Lebenshilfe mit Ergotherapie und Kommunikationstraining. Seine intellektuelle Begabung ist altersentsprechend (Bericht der Klinik für Kinderneurologie und Sozialpädiatrie M vom 03.04.2000).

Im August 2000 wurde er in die private L -Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung eingeschult. Auf Grund der Fortschritte des Klägers empfahlen die Lehrer eine Umschulung in eine Regelgrundschule im Wege der Einzelintegration und mit Lernbegleitung durch einen Integrationshelfer. Im Zeitraum vom 10.04.2002 bis zum 19.01.2003 besuchte er die E -Grundschule an zwei Vormittagen in der Wochen und an den anderen Tagen und nachmittags weiterhin die die L -Schule. Seit dem 20.01.2003 war ein täglicher Besuch der Grundschule möglich und zum Schuljahr 2005/2006 wechselte der Kläger in eine Hauptschule. Der Beigeladene als Träger der Jugendhilfe bewilligte die Übernahme der Kosten einer Integrationshilfe ab Januar 2003 im Wege der Eingliederungshilfe nach § 35 a Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII).

Der Kläger beantragte im September 1999 bei dem Beigeladenen die Übernahme der Kosten einer therapeutischen Förderung im Therapiezentrum für Autistische Kinder, Jugendliche und Erwachsene der Arbeiterwohlfahrt e.V. in M. Dort wird nach Erstellung eines individuellen Therapie- und Förderprogramms eine Verhaltenstherapie mit heilpädagogischen Maßnahmen und enger Einbindung der Eltern durchgeführt. Als ständige Mitarbeiter sind eine Dipl.-Psychologin, eine Dipl.-Pädagogin, ein Dipl.-Sozialpädagoge, ein Dipl.-Sozialpädagoge mit der Zusatzqualifikation Psychomotorik und eine Bürokraft tätig. Es besteht eine Vereinbarung vom 01.12.2001 zum Leistungsangebot und zum Kostensatz mit dem Stadtjugendamt Mannheim. Eine Vereinbarung mit dem Beigeladenen ist nicht gegeben. Das Therapiezentrum ist nicht gemäß § 119 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern ermächtigt.

Der Beigeladene lehnte die Übernahme von Kosten der Behandlungen in dem Therapiezentrum M als Eingliederungshilfe durch Bescheid vom 07.04.2000 ab. Im Widerspruchsverfahren führte der Arzt des Gesundheitsamtes W am 18.04.2001 aus, dass die beantragte therapeutische Förderung dringend erforderlich sei und eine andere Behandlungsmöglichkeit ausscheide. Es gehe um die Behandlung einer Krankheit. In einer Stellungnahme vom 13.05.2002 bestätigten der Arzt W und die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. R vom Gesundheitsamt die Notwendigkeit der angestrebten Therapie. Daraufhin erklärte sich der Beigeladene als Träger der Jugendhilfe im Juli 2002 bereit, die Kosten von zwei monatlichen Behandlungen im Therapiezentrum M als Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII zu übernehmen. Mit Bescheid vom 13.11.2003 erteilte der Beigeladene eine Kostenzusage für monatlich drei, mit Bescheid vom 06.09.2004 für monatlich fünf und mit Bescheid vom 11.11.2004 für monatlich fünfmal je 1,5 Therapieeinheiten.
Der Kläger wird seit 31.10.2002 im Therapiezentrum M gefördert. Der Beigeladene erklärte sich gegenüber dem Therapiezentrum am 24.07.2002 mit der Übernahme von Kosten in Höhe von 56,24 EUR für je 1,5 Fördereinheiten einverstanden. Zusatzleistungen wie die Teilnahme an Hilfeplangesprächen seien gesondert in Rechnung zu stellen. Die Schwerpunkte der Förderung des Klägers liegen in den Bereichen Sprache und Lernen, um seine Kommunikationsfähigkeit zu erweitern. Außerdem wird das Spielverhalten, die Selbstständigkeit, das Sozialverhalten bei gleichzeitigem Abbau von Verhaltensauffälligkeiten und die Kognition gefördert. Dem Kläger sollen dadurch Fortschritte in seiner persönlichen Entwicklung ermöglicht und sein Verbleib an der seinen Fähigkeiten entsprechenden Schule gesichert werden (Berichte des Therapiezentrums vom 18.11.2003, 08.09.2004 und 07.10.2004). Eine ärztliche Verordnung für die Therapie liegt nicht vor. Die Förderung findet nicht unter ärztlicher Leitung oder Verantwortung statt.

Einen Antrag des Klägers vom Mai 2000 auf Übernahme der Kosten der Förderung lehnte die Beklagte durch Bescheide vom 18.04.2001 und 15.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2001 ab. Es handele sich um keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern um eine pädagogische Maßnahme. Außerdem fehle es an einer ärztlichen Verordnung. Die amtsärztliche Empfehlung des Gesundheitsamtes reiche nicht aus.

Das Sozialgericht (SG) Speyer hat eine Auskunft vom 22.07.2003 bei dem Therapiezentrum M beigezogen und die Klage durch Urteil vom 16.01.2004 abgewiesen. Die beim Kläger durchgeführten verhaltens- und heilpädagogischen Maßnahmen dienten nicht überwiegend der Kranken-behandlung und würden auch nicht von einem Arzt verantwortet.

Gegen das ihm am 06.04.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.04.2004 Berufung eingelegt.

Er trägt vor, dass die Krankheit noch nicht hinreichend erforscht sei, weshalb auch keine ärztliche Verordnung habe vorgelegt werden können. Ausreichend sei, dass die Ärzte W und Frau Dr. R die Behandlung im Therapiezentrum M empfohlen hätten. Dort werde eine ärztliche bzw. psychotherapeutische Behandlung durchgeführt. Im Übrigen könne die Behandlung auch in einer vergleichbaren Vertragseinrichtung der Beklagten erfolgen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 16.01.2004 - S 13 KR 410/01 - sowie die Bescheide der Beklagten vom 18.04.2001 und 15.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für seine Förderung im Therapiezentrum für autistische Kinder, Jugendliche und Erwachsene der Arbeiterwohlfahrt in M seit 31.10.2002 zu übernehmen,

hilfsweise,

die zukünftigen Kosten in einer vergleichbaren Vertragseinrichtung der Beklagten im Umfang von fünf Therapieeinheiten monatlich als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat den Landkreis G zum Rechtsstreit beigeladen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Der Senat hat durch Frau Dr. R /Dr. S von der Rheinhessen-Fachklinik A am 24.04.2006 ein kinder- und jugendpsychiatrisches Gutachten erstatten lassen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Verwaltungsakten des Beigeladenen Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten der seit 31.10.2002 im Therapiezentrum M durchgeführten und zukünftig in dieser oder in einer vergleichbaren Einrichtung durchzuführenden Behandlungen zu. Die Bescheide der Beklagten vom 18.04.2001 und 15.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2001 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger die begehrten Leistungen der Verhaltenstherapie einschließlich der Sozialpädagogik zu erbringen. Im vorliegenden Fall kommen als Träger von Leistungen zur Teilhabe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - SGB IX -) nach § 6 Abs. 1 Nr. 1, 6 und 7 SGB IX die gesetzlichen Krankenkassen, die öffentlichen Jugendhilfeträger und die Sozialhilfeträger für medizinische Rehabilitationsleistungen (§ 5 Nr. 1 SGB IX) in Betracht. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und der Sozialhilfe sind auch für die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 5 Nr. 4 SGB IX) zuständig. Die Vorschriften des SGB IX gelten für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen (§ 7 SGB IX).

Es besteht ein Vorrang der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber der Leistungsverpflichtung der Jugendhilfe (§ 10 Abs. 1 SGB VIII). Die Leistungen der Jugendhilfe sind angesichts des Alters des Klägers (Kind im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII) ihrerseits vorrangig gegenüber den Leistungen des Sozialhilfeträgers (§ 10 Abs. 4 SGB VIII).

2. Der Kläger ist behindert im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Bei ihm ist durch Ärzte (Prof. Dr. K /Dr. H von der Klinik M ; Sachverständige Frau Dr. R /Dr. S ) das Vorliegen eines frühkindlichen Autismus (ICD-10-Schlüssel: F 84.0) diagnostiziert. Hierbei handelt es sich um eine tief greifende Entwicklungsstörung, die abnorme Funktionen in der sozialen Interaktion, der Kommunikation und im eingeschränkten stereotyp repetitiven Verhalten aufweist. Diese Störung ist als seelische Behinderung anzusehen. Eine (zugleich) geistige Behinderung liegt bei den intellektuell nicht beeinträchtigten Kläger nicht vor. Die bei ihm gegebene Abweichung der seelischen Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand (vgl. § 35 a Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII) ist identisch mit dem Begriff der Krankheit nach dem SGB V (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V; Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, K § 35 a, Rn. 59).

3. Die vom Kläger begehrten Leistungen sind nicht von der Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst.

a.) Ein Anspruch auf medizinische Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung nach § 30 SGB IX besteht nicht. Diese Vorschrift konkretisiert § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX und in § 30 Abs. 1 Satz 2 SGB IX wird klargestellt, dass die Leistungen in engem Funktionszusammenhang mit den heilpädagogischen Maßnahmen nach § 56 SGB IX stehen und als Komplexleistung zu erbringen sind. Dabei wird ein interdisziplinär abgestimmtes System ärztlicher, medizinisch-therapeutischer, psychologischer, heilpädagogischer und sozialpädagogischer Leistungen unter Einschluss einer ambulanten Beratung angewendet und die Leistungen werden ausschließlich durch interdisziplinäre Frühförderstellen und sozialpädiatrische Zentren erbracht (vgl. § 1 der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung Behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder - FrühV - vom 30.06.2003, BGBl I 998). Als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die medizinischen Leistungen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX) und die nichtärztlichen Leistungen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IX). Alle darüber hinausgehenden heilpädagogischen Maßnahmen sind keine Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, sondern Leistungen zur Teilhabe an der Gesellschaft, die von den Trägern der Jugend- oder der Sozialhilfe zu erbringen sind (Brodkorb in Hauck/Noftz SGB IX, K § 30 Rn. 14).

Auch § 30 Abs. 2 SGB IX begründet keine generelle Kostentragungspflicht der Krankenkassen. Diese Norm bezweckt die nachhaltige Sicherung der Arbeit der interdisziplinären Frühförderstellen durch die ausdrückliche gesetzliche Verankerung und durch die Ermächtigung der Kostenträger (§ 30 Abs. 3 SGB IX) zur Vereinbarung von gemeinsamen Empfehlungen zur Finanzierung dieses Systems; der Umfang der von den Krankenkassen zu erbringenden Leistungen wird dadurch nicht erweitert. Die gesetzliche Krankenversicherung finanziert die Leistungen nur, wenn zugleich die Anspruchsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2, § 27 Abs. 1, § 43 a SGB V erfüllt sind; dies wird durch § 43 a 2. HS SGB V bestätigt, wonach § 30 SGB IX unberührt bleibt. Es werden durch die Regelung des § 30 SGB IX keine neuen Zuständigkeiten konstituiert und die anderen Leistungsträger (Jugendhilfe, Sozialhilfe) werden nicht von ihrer Verpflichtung zur Kostentragung entbunden (Brodkorb a.a.O. Rn. 21).

Der Anwendungsbereich der Frühförderung gemäß § 30 SGB IX als System von Hilfen für behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder beginnt mit der Feststellung des Entwicklungsrisikos und endet in der Regel mit dem Schuleintritt (BT-Drs. 14/5074 zu § 30). Ebenso sieht § 1 FrühV ein Ende der Leistungen mit dem Schuleintritt vor, weil die im Rahmen der Komplexleistungen zu erbringenden heilpädagogischen Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 und § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB IX nur für noch nicht eingeschulte Kinder erbracht werden. Dem Kläger können solche Frühförderungsleistungen nicht gewährt werden. Er ist bereits im August 2000 eingeschult worden. Die streitigen Leistungen werden jedoch erst seit dem 31.10.2002 erbracht. Ab dem Schuleintritt ist jedenfalls eine erstmalige Bewilligung von Leistungen zur Frühförderung nicht mehr möglich.

b.) Die Beklagte ist auch nicht nach den Regelungen des SGB V zur Übernahme der Kosten der Therapie verpflichtet.

Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenhandlung umfasst ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie, die Versorgung mit Heilmitteln sowie Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1, 3 und 6 SGB V). Bei der Krankenbehandlung ist nach § 27 Abs. 1 Satz 3 SGB V den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation kann die Krankenkasse solche Leistungen ganz oder teilweise erbringen oder fördern, die unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um das Ziel der Rehabilitation zu erreichen oder zu sichern, aber nicht zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder den Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung gehören (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Außerdem haben versicherte Kinder nach § 43 a SGB V Anspruch auf nichtärztliche sozialpädiatrische Leistungen, insbesondere auf psychologische, heilpädagogische und psychosoziale Leistungen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden und erforderlich sind, um eine Krankheit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen Behandlungsplan aufzustellen; § 30 SGB IX bleibt unberührt. Diese Leistungen nach § 43 a SGB V werden in Frühförderstellen und in ermächtigten sozialpädiatrischen Zentren (§ 119 SGB V) erbracht.

Die von Heilpädagogen, Sozialarbeitern und Psychologen erbrachte Betreuung kann nur dann in den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Kranken-versicherung fallen, wenn die Krankheitsbekämpfung im Vordergrund steht. Für die Abgrenzung zwischen medizinischen und nicht-medizinischen Maßnahmen kommt es in erster Linie auf die Zielsetzung der Maßnahme an, wobei wesentlich ist, welche Erwartung der Leistungserbringer selbst mit seinem Vorgehen verbindet. Falls eine Methode eines der in den §§ 27 Abs. 1 Satz 1 oder 11 Abs. 2 SGB V genannten Ziele verfolgt und dabei an der Krankheit selbst bzw. an ihren Ursachen ansetzt, kann ein unmittelbarer Krankheitsbezug angenommen werden. Dies stellt dann ein hinreichendes Indiz dafür dar, dass keine anderen Zwecke, wie die soziale Eingliederung, die Verbesserung schulischer oder beruflicher Fähigkeiten oder eine behindertengerechte Gesundheitsförderung im Vordergrund stehen (BSG, Urteil vom 31.03.1998 - B 1 KR 12/96 R, veröffentlicht in Juris; Urteil vom 03.09.2003 - B 1 KR 34/01 R, SozR 4 - 2500 § 18 Nr. 1).

Ein spezifisch medizinischer Charakter der beim Kläger seit 31.10.2002 im Therapiezentrum Mannheim durchgeführten Therapie ist nicht gegeben. Aus den Berichten des Therapiezentrums vom 18.11.2003, 08.09.2004 und 07.10.2004 geht hervor, dass im Bereich der Kommunikation an der Verbesserung der aktiven Sprache des Klägers u.a. durch das Bilden von ganzen Sätzen anhand von Fotogeschichten gearbeitet wurde. Im kognitiven Bereich wurde das schriftliche Üben von Bildergeschichten und der richtige Gebrauch von Adjektiven vermittelt. Außerdem wurde Rechnen (Addition und Subtraktion im Zahlenraum bis 100, das kleine Einmaleins, Messen von Gegenständen mit dem Lineal), Englisch und das Nachbauen von Formen mit Legosteinen geübt. Das Spielverhalten wurde durch das Spielen von Gesellschaftsspielen trainiert. Weiter wurde die persönliche Selbstständigkeit gefördert, indem der Kläger lernte, seine Schuhe zu binden. Zum Abschluss der Förderstunden fanden grobmotorische Betätigungen (Ballspiele, Trampolinspringen, Kegeln) in der Regel im Turnraum statt. Zusätzlich wurden die Bezugspersonen (Mutter und Schulbegleiterin) beraten. Insgesamt liegt der Schwerpunkt dieser Förderung in der Erarbeitung der Basiskompetenzen in den Bereich Sprache und Lernen, um dem Kläger Fortschritte in seiner persönlichen Entwicklung zu ermöglichen und gleichzeitig seinen Verbleib in der Schule zu sichern (Bericht des Therapiezentrums vom 08.09.2004). Die Sachverständigen Frau Dr. R /Dr. S haben auf Grund der Angaben des Klägers und seiner Mutter ergänzend dargelegt, dass der Kläger im Therapiezentrum u.a. lebenspraktische Dinge, wie das Überqueren einer Straße oder Kochen, lerne, und dass gemeinsame Freizeitaktivitäten wie Basteln, Ballspiel, Schwimmen, Kegeln und Kinobesuche angeboten würden.

Die beschriebenen Behandlungen und Therapieziele lassen Gesichtspunkte für einen konkreten Krankheitsbezug nicht erkennen. Sowohl die Nah- als auch die Fernziele der Therapie (Sprachtraining, Förderung kognitiver Prozesse zur Verbesserung der Selbstregulation, Abbau von Verhaltensauffälligkeiten, Aufbau von adäquatem Spielverhalten, prosozialen Verhaltensweisen und Selbstständigkeit) dienen nach den Darlegungen der Sachverständigen Frau Dr. R /Dr. S Zwecken der sozialen Eingliederung, der Verbesserung der schulischen Fähigkeiten und einer behindertengerechten Gesundheitsförderung. Eine medizinisch-therapeutisch orientierte Behandlung findet nicht statt. Kein Mitarbeiter des Therapiezentrums M verfügt über eine verhaltenstherapeutische Zusatzqualifikation. Vielmehr sind die pädagogisch-therapeutischen Maßnahmen an dem Ziel der sozialen und schulischen Integration des Klägers ausgerichtet. Der Hilfsantrag des Klägers auf zukünftige Gewährung der Leistung in einer dem Therapiezentrum M vergleichbaren Vertragseinrichtung der Beklagten ist auf Grund des fehlenden Krankheitsbezugs der begehrten Therapie ebenfalls unbegründet.

Nicht entschieden zu werden braucht, ob ein Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten auch deshalb ausscheidet, weil die Therapie nicht unter ärztlicher Verantwortung erbracht wird oder welcher Grad einer - stark abgestuften - ärztlichen Mitverantwortung (Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, K § 43 Rn. 15) erforderlich bzw. ausreichend ist.

4. Da eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gegeben ist, ist der Beigeladene als Träger der Jugendhilfe (weiterhin) für die Gewährung der Therapie im Wege der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche (§ 35 a SGB VIII i.V.m. § 54 SGB XII und § 26 SGB IX) verpflichtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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