S 2 R 4119/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 4119/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 25.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2003 wird abgewiesen.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Klägerin über den Monat Juli 2002 hinaus eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zusteht.

Die 1954 geborene Klägerin wurde von 1968 bis 1971 zur Bürokauffrau ausgebildet. Anschließend war sie bis 1998 als Bürokauffrau beschäftigt. Der Rentenantrag der Klägerin vom September 1995 war von der Beklagten mit Bescheid vom 23.01.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.09.1996 abgelehnt worden. Im Verfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (Az: S 12 RA 201/96) war die Klage auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente abgewiesen worden. Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (Az: L 13 RA 114/99) hatte die Beklagte mit Vergleich den Eintritt von Berufsunfähigkeit auf Zeit am 20.01.2000 anerkannt und sich verpflichtet, Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.08.2000 bis 31.07.2002 zu gewähren.

Am 08.03.2002 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Rente über den 31.07.2002 hinaus. Die Beklagte ließ die Klägerin am 10.06.2002 durch den Nervenarzt Dr. K. begutachten. Dieser erhob folgende Befunde: Zustand nach Hörsturz beidseits mit Tinnitus beidseits, rezidivierender unsystematisierter Schwindel ohne Hinweis auf eine peripher-vestibuläre Irritation, erhebliche Somatisierung mit dysphorischen Elementen, kein Nachweis von typischen Elementen eines Fibromyalgiesyndroms, rezidivierende Migräne sowie Spannungskopfschmerzsyndrom, lokales Halswirbelsäulensyndrom ohne Defizite. In seiner Leistungsbeurteilung stellte er fest, dass für die Klägerin im zuletzt ausgeübten Beruf als Bürokauffrau vollschichtige Einsatzfähigkeit bestehe. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei vollschichtige Einsatzfähigkeit für körperlich leichte Tätigkeiten in wärmgeschützter Umgebung gegeben. Deshalb lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.07.2002 den Rentenantrag ab. Mit dem festgestellten Leistungsvermögen sei die Klägerin weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig. Eine Weitergewährung der Rente wegen besonderer Notlage oder aus anderen Gründen sei nicht zulässig.

Auf den dagegen erhobenen Widerspruch hin ließ die Beklagte die Klägerin durch die Fachärztin für Innere Medizin - Rheumatologie, Internistische Onkologie, Hämatomologie Prof. Dr. R. am 10.12.2002 begutachten. Diese gelangte ebenso wie Dr. K. zu dem Schluss, dass die Klägerin als Sekretärin noch sechs Stunden und mehr täglich arbeiten könne. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zumutbar. Zu vermeiden seien dauerhafte Zwangshaltungen, ständiges Arbeiten Überkopf oder in gebückter Haltung, Arbeiten mit Absturz- oder erhöhter Unfallgefahr, Nachtschicht und Arbeiten in Kälte oder Nässe. Am 20.12.2002 ließ die Beklagte die Klägerin durch den HNO-Arzt - Sozialmedizin Dr. D. begutachten. Dieser stellte in seinem Gutachten fest, dass die Klägerin aus HNO-ärztlicher Sicht als Sekretärin bzw. Bürokauffrau sechs Stunden und mehr täglich arbeiten könne. Lediglich der Tinnitus mit Hyperakusis bedeute eine merkbare und bedeutsame Einschränkung der Erwerbsfähigkeit, die dazu führe, dass vor allem Lärmtätigkeiten vermieden werden sollten. Aus seiner Sicht gäbe es keine Bedenken gegen ein Telefonieren, auch nicht gegen die Funktionen einer Sekretärin mit Schreiben über Kopfhörer vom Band.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die Klägerin wieder in der Lage sei, in dem bisherigen Beruf als Sekretärin vollschichtig erwerbstätig zu sein.

Hiergegen hat die Klägerin am 10.04.2003 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Sie hat ausgeführt, dass ein vollschichtiges Leistungsvermögen für den Beruf als Bürokauffrau und Tätigkeiten mit Publikumsverkehr, Hektik, Stress und anderen belastenden Situationen nach wie vor nicht zumutbar seien. Durch den erheblichen Tinnitus sei es ihr nicht zuzumuten, Telefongespräche, Kundenkontakte und Stresssituationen bewältigen zu müssen. Dabei hat sie verwiesen auf Stellungnahmen der behandelnden Ärzte, insbesondere des Internisten Dr. K., des Orthopäden Dr. S. und des HNO-Arztes Dr. T.

Die Kammer hat zum Verfahren beigezogen: Die Akten der Beklagten, die Akte des Sozialgerichts Würzburg (S 12 RA 201/96), die Akte des Bayerischen Landessozialgerichtes (L 13 RA 114/99), die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes W., Unterlagen der B.-Kasse sowie Befundberichte der HNO-Ärzte Dr. K. und Dr. T., des Chirurgen Dr. S. und des Internisten Dr. K.

Zudem hat die Kammer die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W., den Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Allergologie Dr. L. und den ärztlichen Leiter des D., Klinikum B. Privatdozent Dr. Dr. F. gehört. Die gehörten Sachverständigen haben in ihren Ausführungen übereinstimmend die Beurteilung der Beklagten bestätigt. Frau Dr. W. hat am 11.07.2005 ausgeführt, dass die Klägerin an einer somatoformen Schmerzstörung bei histrionischer Persönlichkeit sowie einem beidseitigen Tinnitus mit Hyperakusis leide. Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen seien ihr leichte bis mittelschwere Arbeiten zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zumutbar. Dr. L. hat am 13.01.2006 zusammenfassend keine neuen Gesichtspunkte im Vergleich zur Vorbegutachtung durch Dr. D. feststellen können. Unter Berücksichtigung des erlernten Berufes als Bürokauffrau könnten leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Sitzen, in geschlossenen Räumen durchgeführt werden, soweit es die psychische Situation zulasse. Dr. F. hat in seinen Ausführungen vom 06.06.2006, 07.07.2006 und 07.08.2006 leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Stellung in geschlossenen Räumen vollschichtig für zumutbar gehalten. Die Klägerin sei auch in der Lage, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit einer Bürokauffrau auszuüben. Das bei der Klägerin vorgefundene Ganzkörperschmerzsyndrom, dem ätiologisch eine Somatisierungsstörung sowie eine anhaltend somatoforme Schmerzstörung zugrunde liege, sei eine Dysthymie mit einer Angststörung und der Ausprägung einer mäßiggradigen depressiven Symptomatik. Außerdem lägen vor, ein fehlstatisch-degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfallserscheinungen, ein Tinnitus aurium mit Hyperakusus beiderseits, eine Schwindelsymptomatik und ein Migräneleiden.

Zu dem Hinweis des behandelnden Internisten Dr. K., dass der Sachverständige Dr. F. in seinem ärztlichen Befundbericht vom 28.06.1999 die Klägerin bei deutlich reduzierter Belastbarkeit nur für zwei Stunden pro Tag arbeitsfähig gehalten habe, wobei nach einer Stunde eine Pause von 30 Minuten zur Erholung eingeleitet werden müsse, hat der Sachverständige Dr. F. ausgeführt, dass dem Befundbericht aus dem Jahre 1999 kein Testverfahren und keine weiterführende Labor- und Gerätediagnostik zugrundegelegen habe. Es habe sich damit nicht um ein ärztliches Gutachten, bei dem eine umfangreichere und weiterführende Diagnostik vorgenommen worden sei, gehandelt. Bei der aktuellen Begutachtung hätten wiederum die seelischen Leiden und Erkrankungen der Klägerin das Beschwerdebild dominiert. Im Ergebnis der Diagnostik anlässlich der Begutachtung sei ein Ganzkörperschmerzsyndrom, dem ätiologisch eine Somatisierungsstörung sowie eine anhaltend somatoforme Schmerzstörung zugrunde lägen, diagnostiziert worden. Die Diagnostik habe bezüglich der fachgebundenen neurologischen Untersuchung keine pathologischen Befunde der Hirnnerven, des Reflexstatus, der Motorik, der Sensibilität, der Koordination und des extrapyramidalen Systems ergeben. Die Untersuchung der Halte- und Bewegungsorgane habe normale Bewegungsausmaße der Wirbelsäule sowie der oberen und unteren Extremitäten ergeben. Die weiterführende Diagnostik, einschließlich der Laboruntersuchungen sowie der testpsychologischen Untersuchung hätten keine quantitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit ergeben. Aufgrund der seelischen und orthopädischen Leiden der Klägerin ergäben sich lediglich qualitative Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit im Berufsleben. Auch in Kenntnis der Einwände des Dr. K. sowie der CT-Befunde des Dr. A. ergebe sich keine neue oder andere sozialmedizinische Leistungsbeurteilung als die im Gutachten vom 06.06.2006.

Die Klägerin stellt den Antrag:

1. Der Bescheid vom 25.07.2002 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 25.03.2003 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Antrag vom 08.03.2003 auf Weitergewährung der Rente wegen Berufsunfähigkeit über den Wegfallmonat Juli 2002 hinaus stattzugeben.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat die Beklagte den Weitergewährungsantrag der Klägerin abgelehnt, da ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit über den Monat Juli 2002 hinaus nicht gegeben ist.

Bezüglich der Entscheidungsgründe kann im Wesentlichen auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen werden. § 136 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gibt dem Gericht die Möglichkeit, von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

Die vom Gericht beigezogenen Unterlagen und insbesondere die Sachverständigengutachten der Dr. W., des Dr. L. und des Privatdozenten Dr. Dr. F. bestätigen die Auffassung der Beklagten, dass die Klägerin die Tätigkeit einer Bürokauffrau bzw. Sekretärin, bzw. leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden täglich und mehr zumutbar verrichten kann.

Zwar ergibt sich aus den Ausführungen im Berufenet der Arbeitsagentur, dass die Tätigkeit einer Bürokauffrau häufig Termindruck mit sich bringe. Mit Überstunden müssten Bürokaufleute immer wieder rechnen. Dabei sei man körperlich nicht sehr belastet und arbeite in temperierten und oft klimatisierten Räumen. Im Prinzip gelte die 5-Tage-Woche. Unter großem Termindruck, wenn beispielsweise eine wichtige Kundenbesprechung für den nächsten Tag vorzubereiten wäre, könnten Überstunden anfallen. Arbeitszeiten bis in die Abendstunden müssten dann in Kauf genommen werden. Bürokaufleute arbeiteten eigenständig und meist im Team mit anderen Bürofachkräften- auch abteilungsübergreifend. Das sei notwendig, denn Bürokaufleute hätten in einem Betrieb viel zu verwalten und zu organisieren. Kontakte ergäben sich dabei auch zu Kunden, Lieferanten, Verbänden und Behörden.

Die Kammer ist der Überzeugung, dass dieser beschriebene Termindruck nicht mit den von den Sachverständigen ausgeschlossenen Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkord-, Fließbandarbeiten, Wechsel-, Nachtschicht, Arbeiten an laufenden Maschinen und Lärmtätigkeiten vergleichbar ist. Denn der bei der Bürokauffrau aufgeführte häufige Termindruck ist kein Dauerzustand.

Darüber hinaus gibt es eine genügend große Anzahl von Bürotätigkeiten, in denen ein häufiger Termindruck nicht zu befürchten ist. Aus eigener Kenntnis ist die Kammer der Überzeugung, dass z.B. in der Sozialgerichtsbarkeit vergleichbar entlohnte Tätigkeiten im Büro ohne häufigen Termindruck ausgeübt werden können. Auch in der Buchhaltung größerer Firmen, wie z.B. der Firma B. in S. werden Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck angeboten.

Im Hinblick auf die von den Sachverständigen festgestellte Leistungsfähigkeit der Klägerin liegt eine Berufsunfähigkeit über den Monat Juli 2002 hinaus nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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