Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 6 ER 267/06
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 3 ER 175/06 AS
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Um die Fiktion des § 8 Abs. 2 2. Alt SGB II (die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte) auszulösen, reicht die abstrakt generelle Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht aus.
2. Für Staatsangehörige der Staaten, die nach dem Vertrag vom 16.04.2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (BGBl 2003 II S. 1408) der Europäischen Union beigetreten sind, die keine qualifizierte Berufsausbildung haben und in die Bundesrepublik Deutschland ohne Arbeitsgenehmigung/Arbeitsberechtigung-EU eingereist sind, müssten, damit eine Arbeitsgenehmigung erteilt werden kann, die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 AufenthaltsG vorliegen, soweit nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages keine abweichenden Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Anwendung finden.
2. Für Staatsangehörige der Staaten, die nach dem Vertrag vom 16.04.2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (BGBl 2003 II S. 1408) der Europäischen Union beigetreten sind, die keine qualifizierte Berufsausbildung haben und in die Bundesrepublik Deutschland ohne Arbeitsgenehmigung/Arbeitsberechtigung-EU eingereist sind, müssten, damit eine Arbeitsgenehmigung erteilt werden kann, die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 AufenthaltsG vorliegen, soweit nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages keine abweichenden Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Anwendung finden.
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdegegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 18.8.2006 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten sind weder im Antrags- noch im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beschwerdeführerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist, der Beschwerdegegnerin und ihren beiden Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren.
Die 1985 geborene Beschwerdegegnerin ist slowakische Staatsangehörige. Sie ist ledig. Sie reiste eigenen Angaben zufolge im August 2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie meldete sich erstmals bei der für sie zuständigen Ausländerbehörde, der Stadt L , am 16.3.2005. Die Stadt Ludwigshafen erteilte ihr am 17.3.2005 eine Bescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU. Darin wurde ausgeführt, dass die Inhaberin der Bescheinigung zur Aufnahme einer unselbständigen, arbeitsgenehmigungspflichtigen Erwerbstätigkeit eine Arbeitserlaubnis oder Arbeitsberechtigung-EU benötige.
Nach Angaben der Beschwerdegegnerin war sie ab dem 1.3.2005 bei der Firma N A , L , als Bürohilfskraft beschäftigt. Die Firma stellte eine Arbeitsbescheinigung vom 14.3.2005 aus.
Am 3.6.2005 kam die Tochter der Beschwerdegegnerin und am 14.8.2006 ihr Sohn zur Welt.
Erstmals stellte die Beschwerdegegnerin am 18.4.2005 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. In der Folgezeit bezog sie für sich und ihre Tochter bis zum 30.9.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II. Auf ihren Antrag vom 13.9.2005 bewilligte die Beschwerdeführerin Leistungen bis zum 31.3.2006. Den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Beschwerdegegnerin und ihre Tochter vom 30.3.2006 lehnte die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 31.3.2006 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, § 7 Abs 1 S 2 SGB II in der ab dem 1.4.2006 geltenden Fassung lasse eine entsprechende Bewilligung nicht mehr zu. Der Widerspruch der Beschwerdegegnerin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 11.5.2006 zurückgewiesen. Das Schreiben wurde der Beschwerdegegnerin formlos übersandt.
Ausweislich eines Aktenvermerks sprach die Beschwerdegegnerin am 28.7.2006 bei der Beschwerdeführerin vor. Sie legte Widerspruch ein und beantragte, ihr höhere Leistungen zu gewähren. Sie legte dar, sie habe vom 1.3.2005 bis zum 31.5.2005 in einem Arbeitsverhältnis bei dem Arbeitgeber N (Altbausanierung) gestanden. Sie befinde sich im Mutterschaftsurlaub. Sie habe nach dem 31.5.2005 die Arbeit nicht wieder aufnehmen können, da sie erneut schwanger sei.
Am 31.7.2006 sprach die Beschwerdegegnerin abermals bei der Beschwerdeführerin vor. Sie legte dar, sie benötige Leistungen zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts für sich und ihre Tochter. Sie habe kein Geld für eine Heimreise. Im Übrigen halte sie diese auch aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht für zumutbar. Ihre Tochter habe keine gültigen Papiere, um in die Slowakei einzureisen. Es müsse dringend geklärt werden, wer für die Kosten ihrer Entbindung aufkomme. Die Wohnung sei ihr zwischenzeitlich gekündigt worden. Der Strom in ihrer Wohnung sei abgestellt worden. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Beschwerdegegnerin am 31.7.2006 beim Sozialgericht Speyer (SG) vorgelegt.
Im Erörterungstermin vor dem SG am 17.8.2006 hat die Beschwerdegegnerin mitgeteilt, dass sie den Widerspruchsbescheid vom 11.5.2006 erhalten habe. Den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat die Beschwerdeführerin mit mündlichem Bescheid vom 17.8.2006 mit der Begründung abgelehnt, die Beschwerdegegnerin habe nach der Neuregelung des § 7 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Hiergegen hat die Beschwerdegegnerin im Erörterungstermin vor dem SG am 17.8.2006 zu Protokoll Widerspruch eingelegt.
Durch Beschluss vom 18.8.2006 hat das SG die Beschwerdeführerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig der Beschwerdegegnerin für sich und ihre beiden Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des Kinder- und Erziehungsgeldes als Einkommen ab dem 31.7.2006 bis zum 31.10.2006 zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Aufnahme einer Erwerbsfähigkeit stehe § 8 Abs 2 SGB II nicht entgegen, da der Beschwerdegegnerin die Ausübung der Beschäftigung in dem Unternehmen N sowie deren Fortführung erlaubt werden müsste. Auch die Neuregelung des § 7 Abs 2 S 2 SGB II rechtfertige keine Ablehnung des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II für die Beschwerdegegnerin und ihre Kinder.
Gegen den am 18.8.2006 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 28.8.2006 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass die ab dem 1.4.2006 geltende Fassung des § 7 Abs 1 S 2 SGB II vorliegend Anwendung finde.
Die Beschwerdegegnerin trägt vor, sie habe einen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach § 8 Abs 2 SGB II gehabt. Die Ausübung der Erwerbstätigkeit sei lediglich durch Schwangerschaft unterbrochen worden. Die Ausführungen im Beschluss des SG seien zutreffend.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakte, der Verwaltungsakte der Beschwerdeführerin und der beigezogenen Ausländerakte der Stadt L. Er ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Beschwerdeführerin ist begründet.
Die Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beschwerdeführerin, ihr im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für sich und ihre Kinder im Zeitraum vom 31.7. bis zum 31.10.2006 zu gewähren, da es an dem erforderlichen Anordnungsanspruch fehlt.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das SG zutreffend dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat in entsprechender Anwendung des § 153 Abs 2 SGG auf die insoweit zutreffenden erstinstanzlichen Gründe Bezug.
Dem Anspruch der Beschwerdegegnerin steht bereits § 8 Abs 2 SGB II entgegen.
Nach § 8 Abs 2 SGB II können Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Eine Arbeitserlaubnis oder Arbeitsberechtigung hat die Beschwerdegegnerin nicht besessen, so dass es an der Aufnahme einer erlaubten Beschäftigung fehlt. Allerdings sind auch die Voraussetzungen der 2. Alternative des § 8 Abs 2 SGB II, dass die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte, nicht erfüllt.
Nach Sinn und Zweck sowie der Systematik des § 8 Abs 2 SGB II kann die Vorschrift nicht so verstanden werden, dass damit die gesetzgeberisch eingeräumte abstrakt-generelle Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis ausreicht, um die Fiktion des § 8 Abs 2 2. Alternative SGB II auszulösen (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.12.2005 L 25 B 1281/05 AS-ER).
Bereits aus der Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf eines 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BTDrs. 15/1516, S. 52) ergibt sich, dass die abstrakt generelle Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht ausreichend ist. In der Begründung wird ausgeführt, da die Beschäftigung von Ausländern grundsätzlich unter Erlaubnisvorbehalt stehe, sei für die in § 8 Abs 3 des Entwurfs (nunmehr in der gültigen Fassung des SGB II als § 8 Abs 2 eingefügt) geregelte Frage der Erwerbsfähigkeit nur allgemein nach den Bestimmungen des Arbeitsgenehmigungsrechts darauf abzustellen, ob rechtlich ein Zugang zum Arbeitsmarkt bestehe oder zulässig wäre, wenn keine geeigneten inländischen Arbeitskräfte verfügbar seien. Die Frage, ob ein solcher unbeschränkter oder nachrangiger Arbeitsmarktzugang rechtlich gewährt werde, richte sich dabei ausschließlich nach den durch das SGB II insoweit unberührten arbeitsgenehmigungsrechtlichen Regelungen. Bereits hieraus ergibt sich, dass eine Einschätzung der Arbeitsmarktlage vorzunehmen ist.
Gegen eine weite Auslegung des § 8 Abs 2 2.Alternative SGB II spricht ferner die systematische Überlegung, dass die 1. Alternative (faktisches Vorhandensein einer Erlaubnis) ohne Bedeutung wäre, wenn in der 2. Alternative jeder Ausländer berechtigt wäre, der nur potentiell eine Beschäftigungserlaubnis erhalten könnte (vgl hierzu LSG Berlin-Brandenburg, aaO; Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, § 7 RdNr 12; anderer Ansicht Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, Kommentar, § 8 RdNr 20).
Da die Beschwerdegegnerin slowakische Staatsangehörige ist, gilt für sie mit Wirkung vom 1.1.2005 § 284 SGB III, der durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.7.2004 (BGBl I 1950) eingeführt worden ist. Nach § 284 Abs 1 SGB III dürfen Staatsangehörige der Staaten, die nach dem Vertrag vom 16.4.2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der slowakischen Republik zur Europäischen Union (BGBl 2003 II S 1408) der Europäischen Union beigetreten sind, und deren freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen, soweit nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages abweichende Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Anwendung finden. Die Arbeitserlaubnis-EU kann nach Abs 3 des § 284 SGB III nach Maßgabe des § 39 Abs 2 bis 4 und 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthaltsG) erteilt werden.
§ 39 Abs 6 AufenthaltsG, der ebenfalls Regelungen für Angehörige der Staaten trifft, die nach dem Vertrag vom 16.4.2003 der Europäischen Union beigetreten sind, normiert Anforderungen für Beschäftigungen, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzen. Diese Vorschrift greift vorliegend nicht ein, da nicht ersichtlich ist, dass die Beschwerdegegnerin eine qualifizierte Berufsausbildung besitzt. Sie hat sich auch nicht in der Bundesrepublik Deutschland um eine Stelle bemüht, die eine entsprechende Ausbildung erfordert. Hinsichtlich der Tätigkeit bei der Firma N A handelte es sich um eine Tätigkeit als Bürohilfskraft.
§ 284 Abs 4 SGB III ist vorliegend nicht einschlägig, da die Beschwerdegegnerin sich bereits in der Bundesrepublik Deutschland aufhält.
Damit der Beschwerdegegnerin eine Arbeitsgenehmigung erteilt werden kann, müssten die Voraussetzungen des § 39 Abs 2 AufenthaltsG vorgelegen haben bzw. vorliegen, da sich die Beschwerdegegnerin bereits im Inland aufhält, nicht ersichtlich ist, dass sie über eine qualifizierte Ausbildung verfügt und sich auch nicht um eine entsprechende Stelle bemüht hat. Insoweit ist zu prüfen, ob sich durch die Beschäftigung der Beschwerdegegnerin nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur, der Regionen und der Wirtschaftszweige ergeben (§ 39 Abs 2 S 1 Nr 1 a AufenthaltsG) und für die Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt sind oder andere Ausländer, die nach dem Recht der Europäischen Union einen Anspruch auf vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, nicht zur Verfügung stehen (§ 39 Abs 2 S 1 Nr 1 b AufenthaltsG). Hinsichtlich der Tätigkeit einer Bürohilfskraft ist davon auszugehen, dass in erheblichem Umfang bevorrechtigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Hieran ändert sich nichts dadurch, dass in der Stellenbeschreibung angegeben worden ist, dass man die Beschwerdegegnerin wegen ihrer Sprachkenntnisse ausgewählt habe. Es handelt sich nach der Stellenbeschreibung um eine einfache Tätigkeit als Bürohilfskraft.
Die Beschwerdegegnerin hat und hatte auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitsberechtigung-EU nach § 284 Abs 5 SGB III iVm § 12 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArbGV), da die Beschwerdegegnerin nicht in einem un
unterbrochenen Zeitraum mindestens zwölf Monate im Bundesgebiet zum Arbeitsmarkt zugelassen war (§ 12 Abs 1 ArbGV). Sie hat zu keinem Zeitpunkt eine Arbeitserlaubnis besessen.
Da vorliegend kein Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis bzw Arbeitberechtigung-EU bestanden hat, ist hinsichtlich des offensichtlichen Fehlens einer Tatbestandsvoraussetzung für eine positive Ermessensentscheidung davon auszugehen, dass der Beschwerdegegnerin die Beschäftigung nicht erlaubt werden konnte bzw. könnte. Die Beschwerdegegnerin steht damit dem rechtlichen Arbeitsmarktzugang (noch) derart fern, dass es nicht gerechtfertigt ist, sie dem arbeitsmarktbezogenen Existenzsicherungssystem zuzuordnen (vgl hierzu LSG Berlin-Brandenburg, aaO, mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
2. Außergerichtliche Kosten sind weder im Antrags- noch im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beschwerdeführerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist, der Beschwerdegegnerin und ihren beiden Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren.
Die 1985 geborene Beschwerdegegnerin ist slowakische Staatsangehörige. Sie ist ledig. Sie reiste eigenen Angaben zufolge im August 2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie meldete sich erstmals bei der für sie zuständigen Ausländerbehörde, der Stadt L , am 16.3.2005. Die Stadt Ludwigshafen erteilte ihr am 17.3.2005 eine Bescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU. Darin wurde ausgeführt, dass die Inhaberin der Bescheinigung zur Aufnahme einer unselbständigen, arbeitsgenehmigungspflichtigen Erwerbstätigkeit eine Arbeitserlaubnis oder Arbeitsberechtigung-EU benötige.
Nach Angaben der Beschwerdegegnerin war sie ab dem 1.3.2005 bei der Firma N A , L , als Bürohilfskraft beschäftigt. Die Firma stellte eine Arbeitsbescheinigung vom 14.3.2005 aus.
Am 3.6.2005 kam die Tochter der Beschwerdegegnerin und am 14.8.2006 ihr Sohn zur Welt.
Erstmals stellte die Beschwerdegegnerin am 18.4.2005 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. In der Folgezeit bezog sie für sich und ihre Tochter bis zum 30.9.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II. Auf ihren Antrag vom 13.9.2005 bewilligte die Beschwerdeführerin Leistungen bis zum 31.3.2006. Den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Beschwerdegegnerin und ihre Tochter vom 30.3.2006 lehnte die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 31.3.2006 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, § 7 Abs 1 S 2 SGB II in der ab dem 1.4.2006 geltenden Fassung lasse eine entsprechende Bewilligung nicht mehr zu. Der Widerspruch der Beschwerdegegnerin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 11.5.2006 zurückgewiesen. Das Schreiben wurde der Beschwerdegegnerin formlos übersandt.
Ausweislich eines Aktenvermerks sprach die Beschwerdegegnerin am 28.7.2006 bei der Beschwerdeführerin vor. Sie legte Widerspruch ein und beantragte, ihr höhere Leistungen zu gewähren. Sie legte dar, sie habe vom 1.3.2005 bis zum 31.5.2005 in einem Arbeitsverhältnis bei dem Arbeitgeber N (Altbausanierung) gestanden. Sie befinde sich im Mutterschaftsurlaub. Sie habe nach dem 31.5.2005 die Arbeit nicht wieder aufnehmen können, da sie erneut schwanger sei.
Am 31.7.2006 sprach die Beschwerdegegnerin abermals bei der Beschwerdeführerin vor. Sie legte dar, sie benötige Leistungen zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts für sich und ihre Tochter. Sie habe kein Geld für eine Heimreise. Im Übrigen halte sie diese auch aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht für zumutbar. Ihre Tochter habe keine gültigen Papiere, um in die Slowakei einzureisen. Es müsse dringend geklärt werden, wer für die Kosten ihrer Entbindung aufkomme. Die Wohnung sei ihr zwischenzeitlich gekündigt worden. Der Strom in ihrer Wohnung sei abgestellt worden. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Beschwerdegegnerin am 31.7.2006 beim Sozialgericht Speyer (SG) vorgelegt.
Im Erörterungstermin vor dem SG am 17.8.2006 hat die Beschwerdegegnerin mitgeteilt, dass sie den Widerspruchsbescheid vom 11.5.2006 erhalten habe. Den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat die Beschwerdeführerin mit mündlichem Bescheid vom 17.8.2006 mit der Begründung abgelehnt, die Beschwerdegegnerin habe nach der Neuregelung des § 7 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Hiergegen hat die Beschwerdegegnerin im Erörterungstermin vor dem SG am 17.8.2006 zu Protokoll Widerspruch eingelegt.
Durch Beschluss vom 18.8.2006 hat das SG die Beschwerdeführerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig der Beschwerdegegnerin für sich und ihre beiden Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des Kinder- und Erziehungsgeldes als Einkommen ab dem 31.7.2006 bis zum 31.10.2006 zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Aufnahme einer Erwerbsfähigkeit stehe § 8 Abs 2 SGB II nicht entgegen, da der Beschwerdegegnerin die Ausübung der Beschäftigung in dem Unternehmen N sowie deren Fortführung erlaubt werden müsste. Auch die Neuregelung des § 7 Abs 2 S 2 SGB II rechtfertige keine Ablehnung des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II für die Beschwerdegegnerin und ihre Kinder.
Gegen den am 18.8.2006 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 28.8.2006 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass die ab dem 1.4.2006 geltende Fassung des § 7 Abs 1 S 2 SGB II vorliegend Anwendung finde.
Die Beschwerdegegnerin trägt vor, sie habe einen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach § 8 Abs 2 SGB II gehabt. Die Ausübung der Erwerbstätigkeit sei lediglich durch Schwangerschaft unterbrochen worden. Die Ausführungen im Beschluss des SG seien zutreffend.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakte, der Verwaltungsakte der Beschwerdeführerin und der beigezogenen Ausländerakte der Stadt L. Er ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Beschwerdeführerin ist begründet.
Die Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beschwerdeführerin, ihr im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für sich und ihre Kinder im Zeitraum vom 31.7. bis zum 31.10.2006 zu gewähren, da es an dem erforderlichen Anordnungsanspruch fehlt.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das SG zutreffend dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat in entsprechender Anwendung des § 153 Abs 2 SGG auf die insoweit zutreffenden erstinstanzlichen Gründe Bezug.
Dem Anspruch der Beschwerdegegnerin steht bereits § 8 Abs 2 SGB II entgegen.
Nach § 8 Abs 2 SGB II können Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Eine Arbeitserlaubnis oder Arbeitsberechtigung hat die Beschwerdegegnerin nicht besessen, so dass es an der Aufnahme einer erlaubten Beschäftigung fehlt. Allerdings sind auch die Voraussetzungen der 2. Alternative des § 8 Abs 2 SGB II, dass die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte, nicht erfüllt.
Nach Sinn und Zweck sowie der Systematik des § 8 Abs 2 SGB II kann die Vorschrift nicht so verstanden werden, dass damit die gesetzgeberisch eingeräumte abstrakt-generelle Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis ausreicht, um die Fiktion des § 8 Abs 2 2. Alternative SGB II auszulösen (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.12.2005 L 25 B 1281/05 AS-ER).
Bereits aus der Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf eines 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BTDrs. 15/1516, S. 52) ergibt sich, dass die abstrakt generelle Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht ausreichend ist. In der Begründung wird ausgeführt, da die Beschäftigung von Ausländern grundsätzlich unter Erlaubnisvorbehalt stehe, sei für die in § 8 Abs 3 des Entwurfs (nunmehr in der gültigen Fassung des SGB II als § 8 Abs 2 eingefügt) geregelte Frage der Erwerbsfähigkeit nur allgemein nach den Bestimmungen des Arbeitsgenehmigungsrechts darauf abzustellen, ob rechtlich ein Zugang zum Arbeitsmarkt bestehe oder zulässig wäre, wenn keine geeigneten inländischen Arbeitskräfte verfügbar seien. Die Frage, ob ein solcher unbeschränkter oder nachrangiger Arbeitsmarktzugang rechtlich gewährt werde, richte sich dabei ausschließlich nach den durch das SGB II insoweit unberührten arbeitsgenehmigungsrechtlichen Regelungen. Bereits hieraus ergibt sich, dass eine Einschätzung der Arbeitsmarktlage vorzunehmen ist.
Gegen eine weite Auslegung des § 8 Abs 2 2.Alternative SGB II spricht ferner die systematische Überlegung, dass die 1. Alternative (faktisches Vorhandensein einer Erlaubnis) ohne Bedeutung wäre, wenn in der 2. Alternative jeder Ausländer berechtigt wäre, der nur potentiell eine Beschäftigungserlaubnis erhalten könnte (vgl hierzu LSG Berlin-Brandenburg, aaO; Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, § 7 RdNr 12; anderer Ansicht Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, Kommentar, § 8 RdNr 20).
Da die Beschwerdegegnerin slowakische Staatsangehörige ist, gilt für sie mit Wirkung vom 1.1.2005 § 284 SGB III, der durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.7.2004 (BGBl I 1950) eingeführt worden ist. Nach § 284 Abs 1 SGB III dürfen Staatsangehörige der Staaten, die nach dem Vertrag vom 16.4.2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der slowakischen Republik zur Europäischen Union (BGBl 2003 II S 1408) der Europäischen Union beigetreten sind, und deren freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen, soweit nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages abweichende Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Anwendung finden. Die Arbeitserlaubnis-EU kann nach Abs 3 des § 284 SGB III nach Maßgabe des § 39 Abs 2 bis 4 und 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthaltsG) erteilt werden.
§ 39 Abs 6 AufenthaltsG, der ebenfalls Regelungen für Angehörige der Staaten trifft, die nach dem Vertrag vom 16.4.2003 der Europäischen Union beigetreten sind, normiert Anforderungen für Beschäftigungen, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzen. Diese Vorschrift greift vorliegend nicht ein, da nicht ersichtlich ist, dass die Beschwerdegegnerin eine qualifizierte Berufsausbildung besitzt. Sie hat sich auch nicht in der Bundesrepublik Deutschland um eine Stelle bemüht, die eine entsprechende Ausbildung erfordert. Hinsichtlich der Tätigkeit bei der Firma N A handelte es sich um eine Tätigkeit als Bürohilfskraft.
§ 284 Abs 4 SGB III ist vorliegend nicht einschlägig, da die Beschwerdegegnerin sich bereits in der Bundesrepublik Deutschland aufhält.
Damit der Beschwerdegegnerin eine Arbeitsgenehmigung erteilt werden kann, müssten die Voraussetzungen des § 39 Abs 2 AufenthaltsG vorgelegen haben bzw. vorliegen, da sich die Beschwerdegegnerin bereits im Inland aufhält, nicht ersichtlich ist, dass sie über eine qualifizierte Ausbildung verfügt und sich auch nicht um eine entsprechende Stelle bemüht hat. Insoweit ist zu prüfen, ob sich durch die Beschäftigung der Beschwerdegegnerin nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur, der Regionen und der Wirtschaftszweige ergeben (§ 39 Abs 2 S 1 Nr 1 a AufenthaltsG) und für die Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt sind oder andere Ausländer, die nach dem Recht der Europäischen Union einen Anspruch auf vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, nicht zur Verfügung stehen (§ 39 Abs 2 S 1 Nr 1 b AufenthaltsG). Hinsichtlich der Tätigkeit einer Bürohilfskraft ist davon auszugehen, dass in erheblichem Umfang bevorrechtigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Hieran ändert sich nichts dadurch, dass in der Stellenbeschreibung angegeben worden ist, dass man die Beschwerdegegnerin wegen ihrer Sprachkenntnisse ausgewählt habe. Es handelt sich nach der Stellenbeschreibung um eine einfache Tätigkeit als Bürohilfskraft.
Die Beschwerdegegnerin hat und hatte auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitsberechtigung-EU nach § 284 Abs 5 SGB III iVm § 12 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArbGV), da die Beschwerdegegnerin nicht in einem un
unterbrochenen Zeitraum mindestens zwölf Monate im Bundesgebiet zum Arbeitsmarkt zugelassen war (§ 12 Abs 1 ArbGV). Sie hat zu keinem Zeitpunkt eine Arbeitserlaubnis besessen.
Da vorliegend kein Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis bzw Arbeitberechtigung-EU bestanden hat, ist hinsichtlich des offensichtlichen Fehlens einer Tatbestandsvoraussetzung für eine positive Ermessensentscheidung davon auszugehen, dass der Beschwerdegegnerin die Beschäftigung nicht erlaubt werden konnte bzw. könnte. Die Beschwerdegegnerin steht damit dem rechtlichen Arbeitsmarktzugang (noch) derart fern, dass es nicht gerechtfertigt ist, sie dem arbeitsmarktbezogenen Existenzsicherungssystem zuzuordnen (vgl hierzu LSG Berlin-Brandenburg, aaO, mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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