L 7 SO 5014/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 1829/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 5014/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 19. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin, der das Sozialgericht Konstanz (SG) mit Beschluss vom 6. November 2006 nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der angefochtene Beschluss des SG vom 19. September 2006 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, da es der Antragstellerin ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479, 480; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Senatsbeschlüsse a.a.O.).

Die Voraussetzungen für die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren noch erstrebte einstweilige Anordnung sind bei der vorliegend gebotenen Prüfung nicht gegeben. Hinsichtlich der Bereits der Anordnungsanspruch ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin vermag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes weder die Übernahme der Beiträge für die von ihr abgeschlossene private Zahnzusatzversicherung noch pauschal höhere Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung durchzusetzen.

Bezüglich der Zahnzusatzversicherung fehlt es bereits am Merkmal der "Angemessenheit" der Beiträge (vgl. § 42 Satz 1 Nr. 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) i.V.m. § 32 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Dieser Gesetzesbegriff ist gerichtlich voll nachprüfbar (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 116, 342), weshalb es vorliegend nicht darauf ankommt, dass die Regelung des § 32 Abs. 2 Satz 1 SGB XII als Ermessensnorm ohnehin selbst bei - hier jedoch nicht - zu bejahender Angemessenheit der Beiträge regelmäßig keinen Rechtsanspruch auf eine Beitragsübernahme gewährt. Ob Beiträge für private Vorsorgeaufwendungen (vgl. bei Einkommensbeziehern auch § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII) angemessen sind, beurteilt sich danach, für welche Lebensrisiken und in welchem Umfang Bezieher von Einkommen knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze solche Aufwendungen unter Berücksichtigung ihrer individuellen Lebenssituation zu tätigen pflegen (vgl. BVerwGE 116, 342; 118, 211). Deshalb kommt die Übernahme der Beiträge für eine private Zusatzversicherung durch den Träger der Sozialhilfe im Rahmen des § 32 Abs. 2 Satz 1 SGB XII regelmäßig nur in Betracht, wenn diese Vorsorgeaufwendungen in einem ähnlichen Maße wie die gesetzlich vorgeschriebene Sozialversicherung notwendig sind (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 9. Juni 2006 - L 9 SO 13/06 ER - m.w.N. (juris)).

Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat das SG im angefochtenen Beschluss zu Recht die Voraussetzungen für eine Übernahme der Beiträge für die von der Antragstellerin im Oktober 2005 bei der D. Krankenversicherungs-AG abgeschlossene Zahnzusatzversicherung verneint. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin als Rentnerin in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)) und vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung die zahnärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. §§ 28 Abs. 2, 29 SGB V ebenso umfasst ist wie die Versorgung mit Zahnersatz (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a i.V.m. §§ 55 ff. SGB V). Soweit die Antragstellerin über die private Zahnzusatzversicherung noch einen weitergehenden Schutz erlangen möchte, reicht dies zur Annahme einer Angemessenheit dieser Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 32 Abs. 2 Satz 1 SGB XII nicht aus. Denn es kann bei der erforderlichen Abwägung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht davon ausgegangen werden, dass eine in beengten finanziellen Verhältnissen lebende Vergleichsperson - selbst wenn sich ihr Einkommen knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze bewegte - eine derartige Versicherung abschließen würde.

Soweit die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes u.a. mit Blick auf ihren im Juli 2004 erlittenen schweren Verkehrsunfall pauschal höhere Leistungen der Grundsicherung (vgl. hierzu § 42 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 28 SGB XII) geltend macht - die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf (§ 30 Abs. 1 2. Halbs. SGB XII) liegen offensichtlich nicht vor -, hat sie mit diesem Begehren ebenfalls keinen Erfolg. Die grundsätzliche Frage, ob der Regelsatz des SGB XII ausreichend ist, kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 1. Juni 2005 - L 7 SO 2019/05 ER-B - und vom 14. Juli 2005 - L 7 AS 2145/05 ER-B -) nicht Gegenstand eines einstweiligen Anordnungsverfahrens sein, das nur der vorläufigen Sicherung eines Rechtes oder der vorläufigen Regelung eines Zustandes dient. Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin ihre monatlichen Aufwendungen bislang nicht hinreichend individualisiert und konkretisiert (vgl. hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. März 2005 - 1 BvR 143/05 - NJW 2005, 1642), geschweige denn glaubhaft gemacht hat.

Aufgrund all dieser Umstände kommt es auf die von der Antragstellerin geltend gemachte Eilbedürftigkeit ihres Begehrens im Sinne eines Anordnungsgrundes nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. Bundessozialgericht SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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