L 6 B 354/06 AL NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 57 AL 4201/04 W05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 B 354/06 AL NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Mit der von dem Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Berlin ursprünglich erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen zwei getrennte Bescheide vom 12. Juli 2004, mit denen die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 22. April bis 3. Mai 2004 rückwirkend aufgehoben und die Erstattung der bereits geleisteten Arbeitslosenhilfe nebst Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 323,36 Euro für die Zeit vom 22. April bis 4. Mai 2004 wegen einer nicht genehmigten Ortsabwesenheit des Klägers verlangt hatte. Mit der ursprünglich erhobenen Klage hat der Kläger eine Geldleistung von weniger als 500,00 Euro begehrt, mit der Folge, dass eine Berufung der Zulassung bedarf. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nunmehr die Frage, ob das Klageverfahren durch den gerichtlichen Vergleich in der mündlichen Verhandlung am 14. November 2005 beendet wurde, Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden ist. Der Wert des gestellten Antrages festzustellen, das Verfahren sei noch nicht erledigt, kann den Wert der ursprünglichen Anfechtungsklage nicht übersteigen. Daher bedurfte die Berufung der Zulassung (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), die das SG ausweislich des Tenors, der Gründe und der Rechtsmittelbelehrung des Urteils vom 26. Juni 2006 nicht vorgenommen hat. Die gegen die Nichtzulassung der Berufung erhobene Beschwerde ist frist- und formgereicht eingelegt und damit zulässig.

Sie ist aber nicht begründet, weil ein Berufungszulassungsgrund im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG nicht vorliegt. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs.2 Nr. 1 SGG), noch weicht das Urteil des SG von einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG), des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab und beruht auf dieser Abweichung (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG), noch wird ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht, der vorliegt und auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie bisher nicht geklärte, aber klärungsbedürftige und –fähige Rechtsfragen aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 144 Rn 28). Hier sind keine Rechtssätze entscheidend, die klärungsbedürftig sind.

Die Berufung war auch nicht im Hinblick auf § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen. Bei der Nichtzulassungsbeschwerde wegen einer Abweichung, muss die Abweichung aufgezeigt werden. Abweichung meint dabei den Widerspruch im abstrakten Rechtssatz. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das SG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen Rechtssatz des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat (vgl. BSG, Beschluss vom 29. November 1989, 7 BAr 130/88 zur Revisionsnichtzulassungsbeschwerde). Es genügt nicht, wenn das SG lediglich Tatsachen anders beurteilt hat, als dies in der angezogenen Entscheidung geschehen ist. Eine Abweichung liegt daher nicht schon dann vor, wenn das Urteil des SG nicht den Kriterien entspricht, die aufgestellt worden sind, sondern erst, wenn das SG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfalle, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Berufung wegen Abweichung. Hieran gemessen hat das SG zwar die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts fehlerhaft angewendet. Das SG hat in dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass das Verfahren durch den Prozessvergleich beendet ist, obschon der Vergleich in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Sitzungsprotokolls nicht vorgelesen und genehmigt wurde. Nach der Rechtsprechung des BSG (und anderer Bundesgerichte, vgl etwa Bundesarbeitsgericht, BAGE 8,228) sind bei einem Prozessvergleich die sich sachlich deckenden Erklärungen der Beteiligten in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen und in dieser zu vermerken, dass der Vergleich vorgelesen oder zur Durchsicht vorgelegt und genehmigt worden ist (§ 162 Abs. 1 S. 1 iVm § 160 Abs. 3 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), § 122 SGG). Ohne diese Voraussetzungen kann kein wirksamer Prozessvergleich zu Stande kommen (BSG vom 28. November 2002 – B 7 AL 26/02 R, SozSich 2004, 143). Das SG Berlin hat indes keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, mit dem er sich zu der genannten Rechtsprechung in Widerspruch setzen würde.

Schließlich liegt auch der Berufungszulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht vor, da der Kläger keine Verfahrensmängel geltend macht, die vorliegen und auf denen das Urteil beruhen kann. Ein Verfahrensmangel liegt nur vor bei einem Verstoß des erstinstanzlichen Gerichts gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils. Es geht insoweit nicht um die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO, § 144 Rn 32). Ein Verfahrensmangel verpflichtet nur dann zur Zulassung der Berufung, wenn er gerügt ("geltend gemacht") wird. Dafür genügt es, wenn Tatsachen substantiiert vorgetragen werden, aus denen sich der Mangel des Verfahrens ergibt. Die ausdrückliche Bezeichnung der Norm ist aber nicht erforderlich (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO, § 144 Rn 36).

Vorliegend rügt der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, dass die Richterin erster Instanz vor Abschluss des Prozessvergleichs eine bestimmte Rechtsposition eingenommen habe und seinen Argumenten nicht zugänglich gewesen sei. Ob insoweit Verfahrensverstöße erheblicher Art gerügt werden, kann dahinstehen, denn der Kläger bezieht seine Kritik auf Verhaltensweisen des erkennenden Gerichts vor bzw. bei Abschluss des Prozessvergleichs. Gegenstand des Urteils ist indes allein die Frage, ob das Verfahren beendet ist. Verfahrensfehler bezogen auf diesen Abschnitt des Verfahrens werden aber ersichtlich nicht gerügt.

Schließlich kann auch die fehlerhafte Protokollierung des Prozessvergleichs zu keiner Berufungszulassung wegen eines Verfahrensmangels führen. Die Wirksamkeit eines in der mündlichen Verhandlung abgeschlossenen Vergleichs ist eine im Rahmen der angegriffenen Entscheidung in der Sache zu beantwortende Frage der Beendigung des Rechtsstreits. Ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, liegt darin nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.

Das Urteil des SG ist damit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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