Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 46 AL 666/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 B 718/06 AL PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 1. August 2006 wird zurückgewiesen
Gründe:
I.
Im Klageverfahren streiten die Beteiligten darum, in welcher Höhe dem Kläger von der Beklagten Arbeitslosengeld zu erbringen ist, insbesondere nach welcher Lohnsteuerklasse das Leistungsentgelt zu ermitteln ist.
Bei seinem Antrag auf Arbeitslosengeld am 05.04.2006 war der Kläger vom 01.01.2006 bis 24.03.2006 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, bei dem zu Jahresbeginn 2006 in der Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse IV und ab dem März 2006 die Lohnsteuerklasse III eingetragen war. Der Wechsel der Lohnsteuerklasse wurde vom Kläger mit Erklärung vom 25.04.2004 bestätigt. Zu den Bruttoarbeitsentgelten befragt, gab er für sich 2.301,28 Euro und für die Ehefrau von 613,20 Euro an. Weiter wurde bekannt, dass seine Ehefrau Arbeitslosengeld bezieht. Mit Bescheid vom 18.04.2006/Widerspruchsbescheid vom 11.05.2006 berechnete die Beklagte die Leistung nach einem Leistungsentgelt, bei denen die bisherige Lohnsteuerklasse IV weiterhin maßgebend sein sollte.
Mit seiner Klage an das Sozialgericht München (SG) verlangt der Kläger Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines Leistungsentgeltes, dass sich nach Lohnsteuerklasse III errechnet.
Gleichzeitig stellte der Kläger einen Antrag auf Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung der Rechtsanwältin D. P. , I ...
Mit Beschluss vom 01.08.2006 hat das SG den Antrag auf Prozesskostenhilfe und die Beiordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es angeführt, dass in Verfahren vor den Sozialgerichten keine Gerichtskosten entstünden und sich daher die Notwendigkeit der Gewährung von Prozesskostenhilfe nur im Hinblick auf die Beiordnung eines Rechtsanwaltes ergeben könne. Deren Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) seien aber nicht erfüllt. In der vorliegenden Sache sei unter Berücksichtigung des im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes die Beiordnung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich. Es handele sich weder um einen komplizierten noch um einen schwer aufzuklärenden Sachverhalt, noch um schwierige Rechtsfragen. Der Kläger könne nicht als so unbeholfen angese-hen werden, dass er sich zu den anstehenden Sach- und Streitfragen nicht sachgerecht äußern könne. Darüber hinaus sei der Kläger bei einer Selbstbeteiligung von 150,00 Euro rechtsschutzversichert. Er sei nach Maßgabe des § 115 Abs. 1 und 2 ZPO gehalten, eigenes Vermögen und eigenes Einkommen einzusetzen. Dazu gehörten Ansprüche gegen die Rechtsschutzversiche-rung. Bedürftigkeit als Voraussetzung für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe sei deshalb nicht gegeben.
Hiergegen hat der Kläger Beschwerde beim SG eingelegt, das nicht abgeholfen hat (Verfügung vom 07.09.2006).
II.
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig (§§ 73a, 172 ff. Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 127 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO -), aber nicht begründet.
Das SG hat den Antrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Zunächst ist festzustellen, dass beim Kläger - entgegen der Ansicht des SG - die wirtschaftlichen Voraussetzungen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) vorliegen und er im Sinne der Vorschriften über die PKH bedürftig ist.
Eine Rechtsschutzversicherung ist als Bestandteil des Vermögens i.S. des § 115 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) vorrangig einzusetzen, um die Kosten eines Rechtsstreits zu bestreiten (vgl. Beschluss des BSG vom 17.08.1998 - B 14 KG 13/98 R; BSG SozR 3-1500 § 73a Nr. 4). Soweit die Deckungssumme der Versicherung allerdings nicht ausreicht, bleibt der Kläger hilfebedürftig (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 115 Rdnr. 61; BGH VersR 1981, 1070). Da eine Verpflichtung zum Abschluss einer Rechtsschutzversicherung nicht besteht, kann die Gewährung von PKH hier auch nicht deshalb abgelehnt werden, weil der Kläger sich für eine Versicherung ohne Selbstbeteiligung hätte entscheiden können (Beschluss des Schleswig-Holsteinisches LSG vom 27.01.2003 - Az.: L 2 B 121/02 SB PKH, Beschluss des BSG vom 14.06.2006, Az.: B 7b AS 22/06 B).
Rechtsanwältin P. , deren Beiordnung der Kläger auf PKH beantragt, hat den Antrag auf die Übernahme der vom Kläger zu tragenden Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 Euro beschränkt. Mit der vom Kläger vorgelegten Erklärung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse hat er nachgewiesen, die Selbstbeteiligung nicht aus eigenen Mitteln aufbringen zu können. Angesichts seiner Unterhaltsverpflichtungen für vier Kinder und Wohnraumkosten von 680,00 Euro reichen die Familieneinkünfte aus dem Arbeitslosengeld des Antragstellers und seiner Ehefrau (1.032,00 Euro und 632,00 Euro) sowie aus Vermietung einer Eigentumswohnung (295,00 Euro = gesamt: 1.959,00 Euro) bei den für Einkommen abzusetzenden Beträgen im Sinne von § 115 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 (2 x 173,00 Euro, 2 x 380,00 Euro, 4 x 266,00 Euro = 2.130,00 Euro) nicht aus, um den Betrag der Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 Euro aufzubringen. Auch ein Einsatz des Vermögens kann nicht erwartet werden. Die Eigentumswohnung des Klägers ist überschuldet und eine baldige Verwertung ist nicht möglich, wenn es sich auch nicht um Schonvermögen im Sinne von § 90 Abs. 2 SGB XII handelt.
Damit wäre im Grunde anzuordnen, dass der Kläger teilweise sein Vermögen (die Ansprüche aus der bestehenden Rechtsschutzversicherung) einsetzen muss, wozu die Bereitschaft bereits aus der Beschränkung des PKH-Antrag von vornherein auf die Selbstbeteiligung ersichtlich ist, und ansonsten von der Staatskasse ein Betrag in der Höhe der Selbstbeteiligung zu verauslagen ist.
Entgegen der Ansicht des SG ist in dieser Sache dem Grunde nach auch die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich. Hierbei ist ein Auslegungsmaßstab zugrunde zu legen, der einer unbemittelten Partei im Verhältnis zu einer bemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zum Gericht ermöglicht und ihr die Rechtsverfolgung nicht unverhältnismäßig erschwert (BVerfGE 81, 347, 358). Die zu entscheidenden Sach- und Rechtsfragen sind nicht so einfach gelagert, dass ein in rechtlichen Dingen unerfahrener Kläger ohne Vertretung durch einen Rechtsanwalt keine Nachteile zu befürchten hätte. Wären die Dinge im Übrigen so einfach gelagert, wäre es für das SG ein Leichtes gewesen, Ausführungen zum voraussichtlichen Prozesserfolg zu machen. Dem steht auch keinesfalls entgegen, dass das Gericht nach § 103 SGG den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hat.
Trotz des Vorliegens der oben angeführten Umstände ist der Antrag des Klägers aber dennoch abzulehnen, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der PKH erfolgt nur eine vorläufige Prüfung. Dabei ist der verfassungsrechtlich gezogene Rahmen (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 Grundgesetz) zu beachten. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist an-zunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 8.Aufl., Rdnr. 7, 7a zu § 73a). Deshalb dürfen keine allzu überspannten Anforderungen gestellt werden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2000, Az.: 1 BvR 81/00, NJW 2000, 1936).
Auch unter Zugrundelegung dieser zu Gunsten des Klägers herabgesetzten Anforderungen ist eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht gegeben.
Die dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Tatsachen liegen unbestritten vor und sind auch mit der Beschwerde nicht angegriffen. Somit drehte es sich im wesentlichen um Rechtsfragen, die auch bei der gebotenen pauschalen Prüfung in vollem Umfange zu lösen sind und die ebenfalls nicht umstritten sind.
Der Kläger hat seinen Antrag auf Arbeitslosengeld am 05.04.2006 gestellt. Im vorangehenden Jahr 2005 stand er in einem Beschäftigungsverhältnis, zu dessen steuerlicher Abwicklung auf der Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen war. Vom 01.01.2006 bis 24.03.2006 hatte der Kläger ein anderes Beschäftigungsverhältnis. Nach den Angaben des Arbeitgebers war zu Jahresbeginn 2006 in der Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse IV und ab dem März 2006 die Lohnsteuerklasse III eingetragen. Nach der Kopie der am 20.09.2005 ausgestellten Lohnsteuerkarte für das Jahr 2006 waren die Angaben des Arbeitgebers zutref-fend. Mit Erklärung vom 25.04.2004 bestätigte der Kläger den Lohnsteuerklassenwechsel. Zu den Bruttoarbeitsentgelten teilte er für sich ein solches von 2.301,28 Euro und für die Ehefrau von 613,20 Euro mit. Weiter gab er an, dass seine Ehefrau Arbeitslosengeld bezieht. Dies bestätigte sich nach den Ermittlungen der Beklagten, die bei ihrer Berechnung dann ein monatliches Bruttoentgelt der Ehefrau von 1.787,40 Euro zu Grunde legte.
Gemäß § 133 SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23.12.2003 (Hartz III) gilt folgendes:
"(1) Leistungsentgelt ist das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Abzüge sind 1. eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 Prozent des Bemessungsentgelts, 2. die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen auf Grund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes bekannt gegebenen Pro grammablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt und 3. der Solidaritätszuschlag. Bei der Berechnung der Abzüge nach den Nrn. 2 und 3 sind Freibeträge und Pauschalen, die nicht jedem Arbeitnehmer zustehen, nicht zu berücksichtigen. (2) Die Feststellung der Lohnsteuer richtet sich nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen einge-tragen war. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen. Das Gleiche gilt, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird. (3) Haben Ehegatten die Lohnsteuerklassen gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn 1. die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder 2. sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld ergibt, das geringer ist, als das Arbeits losengeld, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe. Ein Ausfall des Arbeitsentgelts, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Entgeltersatzleistung begründet, bleibt bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitsentgelte außer Betracht. Abs. 2 Satz 3 gilt entsprechend."
Die gemäß § 133 Abs. 3 SGB III vorzunehmende Prüfung der Beklagten, ob der Wechsel der Lohnsteuerklasse zweckmäßig war, ergab ein zutreffendes - wenn auch für den Kläger negatives - Ergebnis. Das für die Ehefrau zu berücksichtigende Arbeitsentgelt (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 2 SGB III, wonach nicht das Arbeitslosengeld zu berücksichtigen ist) rechtfertigt bei vernünftigen Verhalten einen Verbleib in Lohnsteuerklasse IV bzw. die Kombination IV/IV. Die Steuerklassenkombination III/V ist immer dann zweckmäßig, wenn der Ehegatte mit der Lohnsteuerklasse V nicht mehr als 60 v.H. des Ehegatten mit der Lohnsteuerklasse III verdient; andernfalls ist die Steuerklassenkombination IV/IV zweckmäßig (vgl. Niesel, SGB III, 3. Aufl., Rdnr. 14 zu § 133). Die Ehefrau des Klägers verdiente mit 1.787,40 Euro deutlich mehr als 1.380,00 Euro (60% des Bruttoentgelts von 2.301,28 Euro des Klägers) und blieb deutlich unter dem Betrag von 40% des Gesamteinkommens (1.635,47 Euro). Dabei handelt es sich um den in der Verwaltungspraxis anerkannten Grenzwert, der das Verhältnis der Arbeitslöhne der Ehegatten zueinander hinreichend berücksichtigt. Dies hatte für die Berechnung der Lohnersatzleistung des Klägers zur Folge, dass der Wechsel der Lohnsteuerklasse unbeachtlich bleibt und sich die Feststellung der Lohnsteuer im Sinne von § 133 Abs. 2 SGB III nach der Lohnsteuerklasse richtet, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (2006), auf der Lohnsteuerkarte eingetragen war.
Diese zutreffenden Feststellungen hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 18.04.2006 bei der Bemessung des Leistungsentgeltes zutreffend umgesetzt damit ergab sich bei einem Bemessungsentgelt von täglich 82,59 Euro kein höheres Leistungsentgelt als 51,35 Euro. Dieses Ergebnis ist im Übrigen auch in der Sache der Ehefrau des Klägers insoweit beachtet worden, als die Beklagte laut Mitteilung vom 26.09.2006 auch für die Ehefrau in der Zeit vom 22.01.2006 bis 28.02.2006 ein Leistungsentgelt unter Beachtung von Lohnsteuerklasse IV zu Grunde legte, was bei dieser zu einer Nachzahlung von 252,00 Euro geführt hat.
Nach alledem ist die Beschwerde daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Im Klageverfahren streiten die Beteiligten darum, in welcher Höhe dem Kläger von der Beklagten Arbeitslosengeld zu erbringen ist, insbesondere nach welcher Lohnsteuerklasse das Leistungsentgelt zu ermitteln ist.
Bei seinem Antrag auf Arbeitslosengeld am 05.04.2006 war der Kläger vom 01.01.2006 bis 24.03.2006 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, bei dem zu Jahresbeginn 2006 in der Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse IV und ab dem März 2006 die Lohnsteuerklasse III eingetragen war. Der Wechsel der Lohnsteuerklasse wurde vom Kläger mit Erklärung vom 25.04.2004 bestätigt. Zu den Bruttoarbeitsentgelten befragt, gab er für sich 2.301,28 Euro und für die Ehefrau von 613,20 Euro an. Weiter wurde bekannt, dass seine Ehefrau Arbeitslosengeld bezieht. Mit Bescheid vom 18.04.2006/Widerspruchsbescheid vom 11.05.2006 berechnete die Beklagte die Leistung nach einem Leistungsentgelt, bei denen die bisherige Lohnsteuerklasse IV weiterhin maßgebend sein sollte.
Mit seiner Klage an das Sozialgericht München (SG) verlangt der Kläger Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines Leistungsentgeltes, dass sich nach Lohnsteuerklasse III errechnet.
Gleichzeitig stellte der Kläger einen Antrag auf Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung der Rechtsanwältin D. P. , I ...
Mit Beschluss vom 01.08.2006 hat das SG den Antrag auf Prozesskostenhilfe und die Beiordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es angeführt, dass in Verfahren vor den Sozialgerichten keine Gerichtskosten entstünden und sich daher die Notwendigkeit der Gewährung von Prozesskostenhilfe nur im Hinblick auf die Beiordnung eines Rechtsanwaltes ergeben könne. Deren Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) seien aber nicht erfüllt. In der vorliegenden Sache sei unter Berücksichtigung des im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes die Beiordnung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich. Es handele sich weder um einen komplizierten noch um einen schwer aufzuklärenden Sachverhalt, noch um schwierige Rechtsfragen. Der Kläger könne nicht als so unbeholfen angese-hen werden, dass er sich zu den anstehenden Sach- und Streitfragen nicht sachgerecht äußern könne. Darüber hinaus sei der Kläger bei einer Selbstbeteiligung von 150,00 Euro rechtsschutzversichert. Er sei nach Maßgabe des § 115 Abs. 1 und 2 ZPO gehalten, eigenes Vermögen und eigenes Einkommen einzusetzen. Dazu gehörten Ansprüche gegen die Rechtsschutzversiche-rung. Bedürftigkeit als Voraussetzung für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe sei deshalb nicht gegeben.
Hiergegen hat der Kläger Beschwerde beim SG eingelegt, das nicht abgeholfen hat (Verfügung vom 07.09.2006).
II.
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig (§§ 73a, 172 ff. Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 127 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO -), aber nicht begründet.
Das SG hat den Antrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Zunächst ist festzustellen, dass beim Kläger - entgegen der Ansicht des SG - die wirtschaftlichen Voraussetzungen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) vorliegen und er im Sinne der Vorschriften über die PKH bedürftig ist.
Eine Rechtsschutzversicherung ist als Bestandteil des Vermögens i.S. des § 115 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) vorrangig einzusetzen, um die Kosten eines Rechtsstreits zu bestreiten (vgl. Beschluss des BSG vom 17.08.1998 - B 14 KG 13/98 R; BSG SozR 3-1500 § 73a Nr. 4). Soweit die Deckungssumme der Versicherung allerdings nicht ausreicht, bleibt der Kläger hilfebedürftig (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 115 Rdnr. 61; BGH VersR 1981, 1070). Da eine Verpflichtung zum Abschluss einer Rechtsschutzversicherung nicht besteht, kann die Gewährung von PKH hier auch nicht deshalb abgelehnt werden, weil der Kläger sich für eine Versicherung ohne Selbstbeteiligung hätte entscheiden können (Beschluss des Schleswig-Holsteinisches LSG vom 27.01.2003 - Az.: L 2 B 121/02 SB PKH, Beschluss des BSG vom 14.06.2006, Az.: B 7b AS 22/06 B).
Rechtsanwältin P. , deren Beiordnung der Kläger auf PKH beantragt, hat den Antrag auf die Übernahme der vom Kläger zu tragenden Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 Euro beschränkt. Mit der vom Kläger vorgelegten Erklärung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse hat er nachgewiesen, die Selbstbeteiligung nicht aus eigenen Mitteln aufbringen zu können. Angesichts seiner Unterhaltsverpflichtungen für vier Kinder und Wohnraumkosten von 680,00 Euro reichen die Familieneinkünfte aus dem Arbeitslosengeld des Antragstellers und seiner Ehefrau (1.032,00 Euro und 632,00 Euro) sowie aus Vermietung einer Eigentumswohnung (295,00 Euro = gesamt: 1.959,00 Euro) bei den für Einkommen abzusetzenden Beträgen im Sinne von § 115 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 (2 x 173,00 Euro, 2 x 380,00 Euro, 4 x 266,00 Euro = 2.130,00 Euro) nicht aus, um den Betrag der Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 Euro aufzubringen. Auch ein Einsatz des Vermögens kann nicht erwartet werden. Die Eigentumswohnung des Klägers ist überschuldet und eine baldige Verwertung ist nicht möglich, wenn es sich auch nicht um Schonvermögen im Sinne von § 90 Abs. 2 SGB XII handelt.
Damit wäre im Grunde anzuordnen, dass der Kläger teilweise sein Vermögen (die Ansprüche aus der bestehenden Rechtsschutzversicherung) einsetzen muss, wozu die Bereitschaft bereits aus der Beschränkung des PKH-Antrag von vornherein auf die Selbstbeteiligung ersichtlich ist, und ansonsten von der Staatskasse ein Betrag in der Höhe der Selbstbeteiligung zu verauslagen ist.
Entgegen der Ansicht des SG ist in dieser Sache dem Grunde nach auch die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich. Hierbei ist ein Auslegungsmaßstab zugrunde zu legen, der einer unbemittelten Partei im Verhältnis zu einer bemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zum Gericht ermöglicht und ihr die Rechtsverfolgung nicht unverhältnismäßig erschwert (BVerfGE 81, 347, 358). Die zu entscheidenden Sach- und Rechtsfragen sind nicht so einfach gelagert, dass ein in rechtlichen Dingen unerfahrener Kläger ohne Vertretung durch einen Rechtsanwalt keine Nachteile zu befürchten hätte. Wären die Dinge im Übrigen so einfach gelagert, wäre es für das SG ein Leichtes gewesen, Ausführungen zum voraussichtlichen Prozesserfolg zu machen. Dem steht auch keinesfalls entgegen, dass das Gericht nach § 103 SGG den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hat.
Trotz des Vorliegens der oben angeführten Umstände ist der Antrag des Klägers aber dennoch abzulehnen, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der PKH erfolgt nur eine vorläufige Prüfung. Dabei ist der verfassungsrechtlich gezogene Rahmen (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 Grundgesetz) zu beachten. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist an-zunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 8.Aufl., Rdnr. 7, 7a zu § 73a). Deshalb dürfen keine allzu überspannten Anforderungen gestellt werden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2000, Az.: 1 BvR 81/00, NJW 2000, 1936).
Auch unter Zugrundelegung dieser zu Gunsten des Klägers herabgesetzten Anforderungen ist eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht gegeben.
Die dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Tatsachen liegen unbestritten vor und sind auch mit der Beschwerde nicht angegriffen. Somit drehte es sich im wesentlichen um Rechtsfragen, die auch bei der gebotenen pauschalen Prüfung in vollem Umfange zu lösen sind und die ebenfalls nicht umstritten sind.
Der Kläger hat seinen Antrag auf Arbeitslosengeld am 05.04.2006 gestellt. Im vorangehenden Jahr 2005 stand er in einem Beschäftigungsverhältnis, zu dessen steuerlicher Abwicklung auf der Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen war. Vom 01.01.2006 bis 24.03.2006 hatte der Kläger ein anderes Beschäftigungsverhältnis. Nach den Angaben des Arbeitgebers war zu Jahresbeginn 2006 in der Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse IV und ab dem März 2006 die Lohnsteuerklasse III eingetragen. Nach der Kopie der am 20.09.2005 ausgestellten Lohnsteuerkarte für das Jahr 2006 waren die Angaben des Arbeitgebers zutref-fend. Mit Erklärung vom 25.04.2004 bestätigte der Kläger den Lohnsteuerklassenwechsel. Zu den Bruttoarbeitsentgelten teilte er für sich ein solches von 2.301,28 Euro und für die Ehefrau von 613,20 Euro mit. Weiter gab er an, dass seine Ehefrau Arbeitslosengeld bezieht. Dies bestätigte sich nach den Ermittlungen der Beklagten, die bei ihrer Berechnung dann ein monatliches Bruttoentgelt der Ehefrau von 1.787,40 Euro zu Grunde legte.
Gemäß § 133 SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23.12.2003 (Hartz III) gilt folgendes:
"(1) Leistungsentgelt ist das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Abzüge sind 1. eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 Prozent des Bemessungsentgelts, 2. die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen auf Grund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes bekannt gegebenen Pro grammablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt und 3. der Solidaritätszuschlag. Bei der Berechnung der Abzüge nach den Nrn. 2 und 3 sind Freibeträge und Pauschalen, die nicht jedem Arbeitnehmer zustehen, nicht zu berücksichtigen. (2) Die Feststellung der Lohnsteuer richtet sich nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen einge-tragen war. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen. Das Gleiche gilt, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird. (3) Haben Ehegatten die Lohnsteuerklassen gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn 1. die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder 2. sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld ergibt, das geringer ist, als das Arbeits losengeld, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe. Ein Ausfall des Arbeitsentgelts, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Entgeltersatzleistung begründet, bleibt bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitsentgelte außer Betracht. Abs. 2 Satz 3 gilt entsprechend."
Die gemäß § 133 Abs. 3 SGB III vorzunehmende Prüfung der Beklagten, ob der Wechsel der Lohnsteuerklasse zweckmäßig war, ergab ein zutreffendes - wenn auch für den Kläger negatives - Ergebnis. Das für die Ehefrau zu berücksichtigende Arbeitsentgelt (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 2 SGB III, wonach nicht das Arbeitslosengeld zu berücksichtigen ist) rechtfertigt bei vernünftigen Verhalten einen Verbleib in Lohnsteuerklasse IV bzw. die Kombination IV/IV. Die Steuerklassenkombination III/V ist immer dann zweckmäßig, wenn der Ehegatte mit der Lohnsteuerklasse V nicht mehr als 60 v.H. des Ehegatten mit der Lohnsteuerklasse III verdient; andernfalls ist die Steuerklassenkombination IV/IV zweckmäßig (vgl. Niesel, SGB III, 3. Aufl., Rdnr. 14 zu § 133). Die Ehefrau des Klägers verdiente mit 1.787,40 Euro deutlich mehr als 1.380,00 Euro (60% des Bruttoentgelts von 2.301,28 Euro des Klägers) und blieb deutlich unter dem Betrag von 40% des Gesamteinkommens (1.635,47 Euro). Dabei handelt es sich um den in der Verwaltungspraxis anerkannten Grenzwert, der das Verhältnis der Arbeitslöhne der Ehegatten zueinander hinreichend berücksichtigt. Dies hatte für die Berechnung der Lohnersatzleistung des Klägers zur Folge, dass der Wechsel der Lohnsteuerklasse unbeachtlich bleibt und sich die Feststellung der Lohnsteuer im Sinne von § 133 Abs. 2 SGB III nach der Lohnsteuerklasse richtet, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (2006), auf der Lohnsteuerkarte eingetragen war.
Diese zutreffenden Feststellungen hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 18.04.2006 bei der Bemessung des Leistungsentgeltes zutreffend umgesetzt damit ergab sich bei einem Bemessungsentgelt von täglich 82,59 Euro kein höheres Leistungsentgelt als 51,35 Euro. Dieses Ergebnis ist im Übrigen auch in der Sache der Ehefrau des Klägers insoweit beachtet worden, als die Beklagte laut Mitteilung vom 26.09.2006 auch für die Ehefrau in der Zeit vom 22.01.2006 bis 28.02.2006 ein Leistungsentgelt unter Beachtung von Lohnsteuerklasse IV zu Grunde legte, was bei dieser zu einer Nachzahlung von 252,00 Euro geführt hat.
Nach alledem ist die Beschwerde daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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