L 25 B 689/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 19 AS 990/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 689/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1942 geborene Antragsteller bezieht Leistungen nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Er bewohnt mit Frau A E, die mit ihm gemeinsam den Mietvertrag abgeschlossen hat und die Hälfte der Miete trägt, eine Dreizimmerwohnung von 61,60 m² in G. Die Kaltmiete beträgt 369,00 EUR, an Betriebskosten sind monatlich 80,00 EUR vorauszuzahlen.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2006 bewilligte die Antragsgegnerin für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2006 dem Antragsteller monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von 542,50 EUR (Regelleistung: 345,00 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung [KdUuH] nur noch 197,50 EUR [zuvor: 249,50 EUR]). Die angemessenen KdU ermittelte die Antragsgegnerin wie folgt:

Grundmiete 369,00 EUR anerkannte Miete 265,00 EUR Heizung 50,00 EUR (Erdgas) Neben-/Betriebskosten 80,00 EUR insgesamt: 395,00 EUR geteilt durch 2: 197,50 EUR.

Die Absenkung der Leistung für KdU hatte die Antragsgegnerin bereits mit Schreiben vom 21. März 2006 angekündigt und damit begründet, dass die monatlichen Kosten mit insgesamt 449,00 EUR unangemessen hoch seien. Zur Prüfung der Angemessenheit habe die Antragsgegnerin die Richtlinien des Landkreises T-F für eine Wohnung mit Bezugsfertigkeit seit 1992 herangezogen; hieraus ergäben sich angemessene KdU (Grundmiete + kalte Betriebskosten) von 345,00 EUR für zwei Personen. Da die KdU den so ermittelten angemessenen Betrag um 104,00 EUR überstiegen, seien die tatsächlich zu zahlenden Mietkosten ab dem 1. Juli 2006 um insgesamt 104,00 EUR zu mindern (davon 50 % = 52,00 EUR auf den Antragsteller entfallend). Zugleich forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, bis zum 31. Mai 2006 nach Möglichkeiten zur Verringerung der monatlichen Mietkosten zu suchen und die Bemühungen durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.

Gegen den Bescheid vom 26. Juni 2006 erhob der Antragsteller Widerspruch und trug vor, dass es im Landkreis T-F keine preisgünstigeren Wohnungen gebe. Vielmehr lägen die Quadratmeterpreise bei 4,50 EUR bis 5,50 EUR für sanierte Wohnungen; der von der Antragsgegnerin zugrunde gelegte Quadratmeterpreis von 3,38 EUR sei niemanden bekannt. Ihm lägen Angebote für T und M vor, die von einer Quadratmeter-Kaltmiete von 5,64 EUR bis 6,80 EUR ausgingen. Die von ihm bewohnte Wohnung mit einer Quadratmeter-Kaltmiete von 5,67 EUR sei dementsprechend günstig. Ausweislich des von ihm eingereichten Schreibens der Wohnungsbaugesellschaft mbH G vom 27. März 2006 liege der durchschnittliche Quadratmeterpreis in G bei 5,50 EUR bis 6,50 EUR. Die vom Antragsteller bewohnte Wohnung sei im Jahr 2001 saniert worden, wobei es sich nicht um eine Luxussanierung gehandelt habe. In der Wohnungsbaugesellschaft mbH G gebe es keinen günstigeren Wohnraum und auch keinen unsanierten Wohnraum mehr. Es bestehe auch keine Möglichkeit, den Antragsteller und seine Mitmieterin umzusetzen, da der Mietpreis sich nicht verringern würde und über keine Leerstandswohnungen mehr verfügt werde.

Der Antragsteller hat am 3. Juli 2006 bei dem Sozialgericht (SG) Potsdam einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit welcher er die Übernahme der tatsächlich anfallenden KdU begehrt, da die ihm zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Begleichung der vollen Mietverbindlichkeiten ausreichten und ihm Verlust seiner Wohnung drohe.

Das Sozialgericht Potsdam hat auf entsprechenden Antrag der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 19. Juli 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, da ein Anordnungsgrund nicht vorliege. Das SG hat des Weiteren recherchiert, dass der Antragsteller mehrere kleine Verkaufsvorgänge über die Internetplattform ebay getätigt habe (z. B. Gutschriftenbuchung von 23,00 EUR unter dem 9. Juni 2006). Des Weiteren sei bei einer Sichtung der Kontoauszüge des Antragstellers aufgefallen, dass diesem unter dem 27. Juni 2006 von Frau S 50,00 EUR überwiesen worden seien und ihm unter dem 14. Juni 2006 eine Bareinzahlung von 210,00 EUR zugeflossen sei. Im Übrigen sei die Höhe des streitigen Betrages von 52,00 EUR monatlich vergleichsweise geringfügig, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass dem Antragsteller ab dem 1. Juli 2005 infolge der Regelsatzerhöhung 14,00 EUR mehr monatlich zur Deckung der Mietverbindlichkeiten zur Verfügung stünden. Schließlich weise der aktuelle Kontostand des Antragstellers 231,00 EUR aus, aus denen er die ausstehenden Mietschulden habe bezahlen können.

Gegen den ihm am 22. Juli 2006 zugestellte Beschluss hat der Antragsteller am 31. Juli 2006 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.

Mit seiner Beschwerde trägt der Antragsteller ergänzend vor, dass die Versteigerungen bei ebay sein einziges Hobby seien, er daraus aber keine Überschüsse erziele, da den vom SG festgestellten Einnahmen die jeweiligen Ausgaben entgegenzusetzen seien (ebay-Kosten für Provision, Einstellkosten, Kosten für erfolglose Einstellungen, Porto-, Verpackungs- und Versandkosten, Telefon- und Servergebühren), so dass sich die Gesamtkosten auf 76,52 EUR beliefen, denen Einnahmen von 46,44 EUR entgegenzusetzen seien.

Hinsichtlich der vom SG festgestellten Zuflüsse auf dem Konto von 50,00 EUR und von 210,00 EUR handele es sich um die Rückzahlung eines Kredites und um eine Erstattung von für Frau S verauslagten Geldern.

Die Kürzung der KdU sei auch insoweit rechtswidrig, als die Antragsgegnerin nicht geprüft habe, ob überhaupt günstigerer Wohnraum zur Verfügung stehe, was nicht der Fall sei. Vielmehr habe er nachgewiesen, dass es keine billigeren Wohnungen gebe. Er lege ein Schreiben der Wohnungsbaugesellschaft mbH G vom 5. Juli 2006 vor, aus der sich per 5. Juli 2006 Kaltmietschulden von 458,00 EUR ergäben.

Schließlich sei die Feststellung des SG, dass ihm noch 231,00 EUR auf seinem Konto zur Verfügung gestanden hätten, unrichtig, denn dieser Kontostand sei derjenige von fünf Tagen nach Erhalt der Leistungen nach dem SGB II gewesen. Tatsächlich seien ihm am 26. Juli 2006 noch 0,24 EUR übrig geblieben.

Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Juli 2006 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm weitere Leistungen in Höhe von 52,00 EUR pro Monat zur Sicherung des Lebensunterhaltes (KdU) zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Wohnungsbaugesellschaft mbH G hat auf entsprechende Anfrage der Berichterstatterin mit Schreiben vom 26. September 2006 mitgeteilt, dass sich der Mietrückstand des Antragstellers derzeit auf 156,00 EUR belaufe, da der Antragsteller seine Miete um 52,00 EUR monatlich gemindert habe. Eine Zwangsräumung sei erst dann vorgesehen, wenn die Mietschulden mehr als zwei Monatskaltmieten betrügen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verweist das Gericht auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Antragstellers sowie die Gerichtsakten (Az. des SG: S 19 AS 990/06 ER), die dem Gericht bei seiner Entscheidung vorgelegen haben.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis oder zur Sicherung eines Anspruches treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass ein Anordnungsgrund und ein Anordnungsanspruch bestehen. Beides ist glaubhaft zu machen.

Im Streitfall fehlt es jedenfalls am Anordnungsgrund. Wie sich aus dem Schreiben der Wohnungsbaugesellschaft mbH G vom 26. September 2006 ergibt, beläuft sich der Mietrückstand des Antragstellers zurzeit auf 156,00 EUR, also auf den vom ihm einbehaltenen Mietanteil für die Monate Juli bis September. Da die Wohnungsbaugesellschaft angegeben hat, dass eine Zwangsräumung erst bei Mietschulden von mehr als zwei Monatskaltmieten (739,00 EUR) betrieben würde, droht dem Antragsteller in absehbarer Zeit keine Wohnungslosigkeit. Selbst wenn er weiterhin die Miete um 52,00 EUR monatlich "mindern" würde, so drohte eine Zwangsräumung etwa erst nach Ablauf von weiteren 12 Monaten, also erst Ende des Jahres 2007, vorausgesetzt die Miete würde im Übrigen bezahlt, was derzeit nach Aktenlage der Fall zu sein scheint. Damit ist ein abdingbares Bedürfnis für eine Regelung im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht gegeben.

Das Gericht hat bei seiner Entscheidung auch berücksichtigt, dass der Antragsteller anscheinend auch in Zeiträumen vor Juli 2006 seine Miete nicht voll und ganz bezahlt hat, obgleich ihm die Antragsgegnerin bis einschließlich Juni 2006 die ungekürzten KdUuH überwiesen hat. So waren ausweislich des Schreibens der Wohnungsgesellschaft mbH G vom 5. Juli 2006 für den Antragsteller per 5. Juli 2006 369,00 EUR Kaltmietschulden aus 2005 offen. Dies zeigt, dass der Antragsteller anscheinend in der Vergangenheit die Zahlungen der Antragsgegnerin für die KdUuH für andere Zwecke ausgegeben hat.

Schließlich ist auch unter Berücksichtigung des geringfügigem Betrags von 52,00 EUR pro Monat ein eiliges Regelungsbedürfnis nicht vorhanden. Insoweit weist das Gericht darauf hin, dass Rechtsprechung existiert, der zufolge selbst bei stattgebender Entscheidung um bis zu 30 % der streitigen Summe gekürzte Leistungen zuerkannt werden können, um den Unwägbarkeiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahren Rechnung zu tragen.

Das Gericht lässt dahinstehen, ob es sich im Übrigen den Ausführungen des SG hinsichtlich der Versteigerungstätigkeit des Antragstellers bei ebay anschließen könnte. Um feststellen zu können, ob der Antragsteller aus dieser Tätigkeit tatsächlich einen Gewinn erzielt, wäre eine Darstellung der einzelnen Versteigerungsvorgänge notwendig, denen die hierdurch entstandenen Kosten gegenüber zu stellen wären.

Danach kam es auf die Prüfung eines Anordnungsanspruches nicht mehr an. Bei Gelegenheit der Entscheidung weist der Senat aber auf eine jüngste Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 hin (Az.: B 7 b AS 10/06 R), die bisher im Volltext noch nicht vorliegt. Nach der dem Senat hierzu bisher lediglich vorliegenden Medien-Information Nr. 34/06 vom 7. November 2006 dürfte für die Angemessenheit der Größe einer Wohnung auf die landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Wohnungsbaus zurückzugreifen sein. Sodann sei der Wohnungsstandard festzustellen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zustehe. Als Vergleichsmaßstab sei dabei in erster Linie der Wohnungsstandard am konkreten Wohnort heran zu ziehen. Ein Umzug in eine andere Wohngemeinde komme im Regelfall nicht in Betracht. Im Rahmen der Berücksichtigung dieser Faktoren komme es letztlich darauf an, dass das Produkt aus Wohnstandard/Wohnlage und Preis der Wohnung im Bereich der Angemessenheit liege. Erst wenn alle anderen Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft seien, könne auch die Tabelle in § 8 Wohngeldgesetz Berücksichtigung finden, so offenbar das Bundessozialgericht.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Gegen diesen Beschluss sieht das Gericht einen ordentlichen Rechtsbehelf nicht vor (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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