L 10 U 1857/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3171/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1857/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Februar 2004 und der Bescheid der Beklagten vom 16. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2001 abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. für die Zeit vom 18. Juli 2000 bis 31. Juli 2001 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat ein Viertel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung und die Gewährung einer höheren Verletztenrente streitig.

Die am 1950 geborene Klägerin stürzte am 6. Oktober 1999 auf dem Weg zu ihrer Beschäftigung als Büglerin. Diagnostiziert wurden Frakturen am rechten Fuß. Nach dem Bescheid der Beklagten vom 29. September 2000, gegen den die Klägerin keinen Widerspruch einlegte, bestand Arbeitsfähigkeit ab 18. Juli 2000.

Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., stellte im ersten Rentengutachten vom 23. Oktober 2000 knöchern konsolidierte Frakturen des Os nuneiforme mediale, des Metatarsale 2 und 3 mit reizlos einliegendem Osteosynthesematerial, eine Einschränkung der Beweglichkeit des oberen Sprunggelenkes sowie aller Zehen, weiterhin eine Dystrophie des rechten Fußes und Sensibilitätsstörungen im Bereich des Fußrückens und der Zehen fest. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde auf 20 v. H. ab Eintritt der Arbeitsfähigkeit (18. Juli 2000) für sechs Monate eingeschätzt. Um die Sensibilitätsstörungen im Bereich des Vorfußes und der Zehen zu verifizieren, wurde ein neurologisches Zusatzgutachten empfohlen. Prof. Dr. S., Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik des Klinikums L., verneinte in diesem Gutachten vom 10. Mai 2001 mit Ergänzung vom 21. Juni 2001 Nervenverletzungen, schätzte jedoch die (neurologische Teil-)MdE aufgrund eines komplex-regionalen Schmerzsyndroms (sympathische Reflexdystrophie ohne periphere Nervenverletzung) auf 25 v. H. ein. Der Nervenarzt Dr. H. stimmte in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26. Juli 2001 dem Gutachten von Prof. Dr. S. im Grundsatz zu, sah jedoch die neurologischen Unfallfolgen als in den chirurgischen vollumfänglich enthalten an und schätzte die Gesamt-MdE auf 20 v. H.

Mit Bescheid vom 16. August 2001 stellte die Beklagte als Unfallfolgen fest: "Knöchern fest verheilter Bruch des 2. und 3. Mittelfußknochens und des inneren Keilbeines rechts mit noch liegendem Fremdmaterial, geringgradige Bewegungseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk, Einschränkung der Beweglichkeit der Zehengelenke an allen Zehen rechts, Fußhebe- und Fußsenkerschwäche rechts, Muskelminderung am rechten Unterschenkel, Schwellneigung am rechten Knöchel, Minderung der Fußbeschwielung rechts, Sensibilitätsstörungen im Bereich des Fußrückens und der Zehen, reizlose Narben über dem rechten Vorfuß, Kalksalzminderung im Bruchbereich". Nicht anerkannt wurden eine Paronychie der rechten Großzehe sowie eine Beinverkürzung rechts. Die Beklagte gewährte eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v. H. ab 18. Juli 2000.

Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein mit dem Ziel der Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 30 v. H. Sie verwies auf das Gutachten von Prof. Dr. S ... Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2001 zurück.

Die Klägerin hat am 27. Dezember 2001 Klage bei dem Sozialgericht Heilbronn erhoben. Das Sozialgericht hat bei Prof. Dr. S. ein Gutachten nach Aktenlage vom 22. April 2002 eingeholt, in welchem er sich kritisch mit der Stellungnahme von Dr. H. auseinandergesetzt, seine Einschätzung einer neurologischen Teil-MdE um 25 v. H. bestätigt und die Gesamt-MdE auf 30 v. H. geschätzt hat.

Unter dem 19. Mai 2002 hat Prof. Dr. S., Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Klinikums H., das zweite Rentengutachten mit Ergänzungen vom 5. Juni 2002 und 8. August 2002 sowie unter Berücksichtigung eines neurologischen Zusatzgutachten von Dr. G. vom 30. April 2002 mit Ergänzung vom 20. Juni 2002 erstattet. Dr. G. hat zunächst gegenüber dem Gutachten vom 10. Mai 2001 einen unveränderten Befund festgestellt, die Einschätzung einer neurologischen Teil-MdE um 25 v. H. wiederholt und sich gegen die Ansicht von Dr. H. ausgesprochen, diese vollständig in die chirurgische Teil-MdE einzurechnen. Nachdem die chirurgischen Gutachter auf ihrem Fachgebiet nur noch eine Bewegungseinschränkung des rechten Fußes und ein hinkendes Gangbild festgestellt und die chirurgische Teil-MdE auf 10 v. H. eingeschätzt hatten, hat Dr. G. ausgeführt, die Schmerzsymptomatik könne angesichts der chirurgischen Feststellungen (regelrechter Knochenkalksalzgehalt) nicht durch eine sympathische Reflexdystrophie erklärt werden; die MdE aufgrund der damit noch verbliebenen geringfügigen Sensibiliätsstörungen betrage weniger als 10 v. H. Prof. Dr. S. hat daraufhin die Gesamt-MdE auf 10 v. H. geschätzt.

Nach Anhörung hat die Beklagte mit Bescheid vom 24. September 2002 die Rente mit Ablauf des Monats September 2002 entzogen und zugleich die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit abgelehnt.

Prof. Dr. R., Gutachtenambulanz der Orthopädischen Universitätsklinik H., hat in seinem für das Gericht am 14. März 2003 erstatteten Gutachten bei nachweisbarer Arthrose im Bereich des Tarsometatarsalgelenkes die orthopädische Teil-MdE ab 18. Juli 2000 auf 15 v. H., die Gesamt-MdE unter Berücksichtigung der bisherigen neurologischen Befunde auf 20 v. H. eingeschätzt. Prof. Dr. M., Oberarzt der Neurologischen Universitätsklinik H., hat in seinem Gutachten vom 10. Juli 2003 bis auf eine beginnende Polyneuropathie, die aber noch nicht zu einer wesentlichen Funktionsstörung geführt habe, keine Nervenschädigungen feststellen können. Jedoch bestehe eine so genannte Gewohnheitslähmung, die sich gut als schmerzvermeidendes Verhalten nach dem initial schmerzhaften Trauma und dem anschließend auftretenden komplex regionalen Schmerzsyndrom erklären lasse. Eine über das orthopädische Vorgutachten hinausgehende MdE bestehe nicht.

Mit Urteil vom 18. Februar 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In der Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die abweichende Beurteilung der gerichtlichen Sachverständigen gegenüber dem Gutachten von Prof. Dr. S. um nur 5 v. H. mache den angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 6. Mai 2004 zugestellte Urteil am 14. Mai 2004 Berufung eingelegt.

Dr. E., Chefarzt der Klinik für Neurologie des Klinikums am W. W., hat am 24. September 2004 für den Senat ein Gutachten erstattet. Auch er hat eine Nervenverletzung verneint. Das mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückzuführende komplexe regionale Schmerzsyndrom sei mittlerweile abgeklungen. Im Krankheitsverlauf sei es zu einer dissoziativen (psychogenen) Bewegungsstörung gekommen, die durch Minderbenutzung des rechten Beines zu einer Inaktivitätsatrophie der Muskeln geführt habe. Dies entspreche der Diagnose einer Gewohnheitslähmung im Gutachten von Prof. Dr. M ... Da unmittelbar mit dem Unfall keine existenzielle psychische Traumatisierung verbunden war, könne dieser nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als Ursache angenommen werden. Die neurologische Teil-MdE werde ab 18. Juli 2000 aufgrund der Befundbeschreibung von Prof. Dr. S. auf 25 v. H. eingeschätzt; ab 1. Oktober 2002 sei aufgrund der radiologisch nachgewiesenen Remineralisation des Fußskelettes von einer weitgehenden Remission des komplexen regionalen Schmerzsyndroms auszugehen, so dass die neurologische Teil-MdE bei unter 10 v. H. liege.

Prof. Dr. K., Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Diakonie-Krankenhauses S. H., hat am 7. März 2005 ein psychosomatisches Gutachten erstattet. Neben dem inzwischen vollständig rückläufigen komplexen regionalen Schmerzsyndrom sei eine dissoziative Störung mit Störung der Bewegung und Sinnesempfindung im Bereich des rechten Unterschenkels und Fußes überwiegend traumabedingt verursacht worden; persönlichkeitsimmanente Faktoren und die finanzielle Situation der Familie zum Zeitpunkt des Traumas kämen hinzu. Auf Grund der Befundbeschreibung im Gutachten von Prof. Dr. S. sei die neurologische Teil-MdE ab 18. Juli 2000 auf 25 v. H. einzuschätzen. Ab dem 1. Oktober 2002 sei davon auszugehen, dass das komplexe regionale Schmerzsyndrom vollständig zurückgegangen sei, gleichzeitig jedoch die Symptome der dissoziativen Störung zugenommen hätten, so dass die MdE auf psychosomatischem Fachgebiet auf 25 v. H. eingeschätzt werde. Die Beklagte hat hierzu eine kritische beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vorgelegt.

Prof. Dr. R. hat in einer gutachtlichen Stellungnahme nach Aktenlage die Gesamt-MdE bei Annahme eines unfallbedingten komplex-regionalen Schmerzsyndroms und einer Teil-MdE hierfür von 25 v. H. ab 18. Juli 2000 auf 30 v. H. eingeschätzt, ohne eine solche Annahme wie Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 26. Juli 2001, also 20 v. H.

Prof. Dr. F., Leiter der Sektion Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik T. , hat in einem Gutachten für den Senat eine mittlerweile ausgeheilte Sucke’sche Dystrohpie - wie von Prof. Dr. S. im Rahmen eines komplexen regionalen Schmerzsyncroms Typ I diagnostiziert - angenommen. Die Kriterien für eine depressive Störung, eine dissoziative Störung, eine somatoforme Schmerzstörung oder eine sonstige, durch den Unfall verursachte psychiatrische Störung hat er nicht als erfüllt angesehen. Eine Anpassungsstörung sei auch retrospektiv nicht beweisbar.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Februar 2004 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2001 abzuändern, den Bescheid vom 24. September 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. ab 18. Juli 2000 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Entgegen dem Gutachten von Dr. E. hält sie eine Gesamt-MdE um 20 v. H. bis 30. September 2002 für angemessen, jedenfalls mache die Abweichung um 5 v. H. den Rentenbescheid nicht rechtswidrig. Dem Gutachten von Prof. Dr. K., das wesentliche Mängel enthalte, sei nicht zu folgen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist teilweise begründet. Dir Klägerin hat Anspruch auf Weitergewährung einer Verletztenrente bis 31. Juli 2001 nach einer MdE um 30 v. H. Darüber hinaus besteht kein weitergehender Rentenanspruch, als er bereits durch die Beklagte erfüllt worden ist.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger nach § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII die Verletztenrente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE nach § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Dies bedeutet, dass für die Feststellung der MdE im Zusammenhang mit der Frage der Gewährung einer Dauerrente die im Zeitpunkt der Feststellung bestehende MdE unabhängig von der Frage einer wesentlichen Besserung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes gegenüber der vorläufigen Rentenbewilligung und damit unabhängig von § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) maßgeblich ist.

Der Senat kann offen lassen, ob der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit von der Beklagten durch Bescheid vom 29. September 2000 rechtmäßig festgestellt werden konnte und ob der Bescheid Bindungswirkung entfaltet. Eine erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetretene Arbeitfähigkeit der Klägerin würde jedenfalls zu keinem zeitlich weitergehenden (vgl. § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) oder höheren Rentenanspruch der Klägerin führen. Allein dieser ist hier Streitgegenstand.

Nach der Überzeugung des Senats sind die auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet bestehenden Unfallfolgen im Bescheid vom 16. August 2001 im Wesentlichen zutreffend festgestellt worden. Die beschriebenen funktionalen Einschränkungen sind insbesondere Folge der von Prof. Dr. R. diagnostizierten Arthrose. Diese Unfallfolgen bedingen ab 18. Juli 2000 eine Teil-MdE um 15 v. H. Dies ergibt sich aus den Gutachten von Prof. Dr. W. , Prof. Dr. S. und Prof. Dr. R., wobei zu berücksichtigen ist, dass insbesondere im Gutachten von Prof. Dr. W. Unfallfolgen, die dem neurologisch-psychosomatischem Fachgebiet zuzuordnen sind, schon mit berücksichtigt worden sind, weswegen eine höhere MdE ausgewiesen wurde. Eine Einschätzung der MdE um 15 v. H. steht im Einklang mit der sozialmedizinischen Literatur. Dort wird eine MdE um 20 v. H. etwa für eine Versteifung des oberen Sprunggelenks im Winkel von 90° bis 110° zum Unterschenkel oder eine schmerzhaft wackelsteife Versteifung des unteren Sprunggelenks angenommen (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003,S. 46). Demgegenüber steht die Klägerin, was die maßgeblichen Funktionseinschränkungen angeht, besser da. Prof. Dr. W. stellte eine Einschränkung der Beweglichkeit des oberen Sprunggelenkes bezüglich der Extension um 5°, bezüglich der Flexion um 10° sowie eine eingeschränkte Beweglichkeit aller Zehen (aktiv 2/3 beweglich, passiv fast nicht beweglich) fest. Prof. Dr. S. hat ein eingeschränkte Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks beim Heben und Senken des Fußes um jeweils 20° sowie des unteren Sprunggelenks um 2/3 festgestellt; auch hier war die Zehenbeweglichkeit aktiv aufgehoben, passiv jedoch frei. Prof. Dr. R. hat eine Einschränkung der Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks (Heben des Fußes) feststellen können, ebenfalls eine eingeschränkte aktive und passive Beweglichkeit des Fußes. Die Umfangmaße der unteren Extremitäten differieren zwar nach allen Gutachten, doch ergeben sich aus ihnen keine eindeutigen Hinweise auf weitergehende funktionelle Einschränkungen durch die Unfallfolgen.

Bei den Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet sind zunächst die Sensibilitätsstörungen zu nennen, die jedoch zu keinen bedeutsamen funktionalen Einschränkungen führen und damit die MdE nicht erhöhen. Nervenverletzungen hat bereits Prof. Dr. S. in seinem Gutachten vom 10. Mai 2001 ausgeschlossen. Prof. Dr. M. und Dr. E. sind zu dem gleichen Ergebnis gekommen.

Vorübergehend lag das von Prof. Dr. S. angenommene, auch von Dr. G. , Dr. E. und Prof. Dr. F. bestätigte komplex-regionale Schmerzsyndroms (sympathische Reflexdystrophie; Sudeck-Dystrophie) vor. Dies berechtigt dazu, eine neurologische Teil-MdE von 25 v. H. anzunehmen, dem übereinstimmenden Vorschlag von Prof. Dr. S., Dr. G. und Dr. E. folgend. Die gegenteilige Ansicht von Dr. H. , wonach die neurologische Teil-MdE vollumfänglich in der orthopädisch-chirurgischen enthalten sei, ist hingegen nicht zu folgen. Sie wird der von allen Gutachtern bestätigten, auch durch entsprechenden Schmerzmittelkonsum anschaulich gemachten, besonderen Schmerzhaftigkeit, die sich einer Funktionsstörung und Belastungseinschränkung vergleichbar auswirkt, nicht gerecht.

Das komplex-regionale Schmerzsyndrom war aber zum Zeitpunkt der Untersuchungen durch Prof. Dr. S. und Dr. G. nicht mehr nachweisbar, denn der Knochenkalksalzgehalt war (wieder) regelrecht. Auch hätte sich eine hierauf zurückzuführende Minderbenutzung des rechten Beines entsprechend bemerkbar machen müssen. Demgemäß hat Dr. G. die neurologische Teil-MdE nachvollziehbar auf nunmehr nur unter 10 v. H. eingeschätzt. Das Schmerzsyndrom war in den späteren Gutachten von Prof. Dr. M. und Dr. E. ebenfalls nicht mehr nachweisbar.

Auf psychiatrischer und psychosomatischer Grundlage lässt sich eine weitere Erhöhung der MdE nicht begründen. Prof. Dr. M. hat eine Gewohnheitslähmung angenommen, die aber die chirurgisch-orthopädische Teil-MdE nicht erhöhen soll. Dr. E. hat eine psychogene Bewegungsstörung diagnostiziert, die aber nicht Unfallfolge sein soll. Die anfänglich schmerzbedingte Beeinträchtigung soll sich also in eine psychosomatisch bedingte gewandelt haben, wobei letztere bereits anfänglich vorhanden gewesen sein soll. Dies überzeugt den Senat nicht - es fehlt an einer über den Bereich der Spekulation hinausgehenden Begründung. Die Diagnose lässt sich auch nicht durch das Gutachten von Prof. Dr. K. begründen. Mit Dr. H. ist einzuwenden, dass nicht nachvollziehbar ist, warum die dissoziative Störung erst geraume Zeit nach dem Unfallereignis, nach Abklingen des Schmerzsyndroms aufgetreten sein soll. Mit Prof. Dr. F. ist einzuwenden, dass die diagnostischen Kriterien für eine dissoziative Störung, wie für eine weitere Gesundheitsbeeinträchtigung auf psychiatrischem Fachgebiet, nicht erfüllt sind: Es fehlt an Hinweisen auf pathologische oder unzureichende Verarbeitungsmechanismen von Traumatisierungen von Stressreaktionen in der Vorgeschichte der Klägerin; es findet sich keine Darbietung körperlicher Symptome in Verbindung mit hartnäckigen Forderungen nach medizinischen Untersuchungen trotz wiederholter negativer Ergebnisse und der Versicherung der Ärzte, dass die Symptome nicht körperlich begründbar sind; jedenfalls steht dem die langsame, aber doch nachvollziehbare Besserung der Beschwerden entgegen. Nach der Rechtsprechung des BSG soll jedoch der Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und der Gewährung einer hierauf gestützten Verletztenrente die Feststellung der psychischen Gesundheitsstörungen anhand eines der üblichen Diagnosesysteme vorausgehen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (ICD 10, DSM-IV; vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006. B 2 U 1/05 R, für SozR vorgesehen). Schließlich sind die schwierige finanzielle Situation der Klägerin sowie andere biographische Gesichtspunkte als Konkurrenzursachen von Prof. Dr. K. zwar benannt, aber nicht wertend in Bezug zu dem Unfallereignis gesetzt worden. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Unfallhergang selbst nicht schwerwiegend war und auch bei der Behandlung keine besonderen Komplikationen aufgetreten sind.

Bei einer Gesamtbetrachtung kann sich der Senat von einer vorübergehenden Erhöhung der chirurgisch-orthpädischen MdE durch das komplex-regionale Schmerzsyndrom überzeugen, die zu einer Gesamt-MdE von 30 v. H. führte, wie auch von Prof. Dr. R. vorgeschlagen. Dieser lag vor zur Zeit der Untersuchungen durch Prof. Dr. W. (10. Oktober 2000), aber nicht bei mehr bei den Untersuchungen durch Prof. Dr. S. (18. April 2002) bzw. Dr. G. (26. April 2002). Im Zeitraum zwischen den beiden gutachtlichen Untersuchungen hat sich der Gesundheitszustand der Klägerin - so Dr. G. in seiner ergänzenden Stellungnahme und Dr. E. - somit verbessert. Wann dies genau der Fall war - es kann kaum plötzlich gewesen sein - ist schwer einzuschätzen. Weil kein konkretes Ereignis für die Verbesserung festgemacht werden kann, hält der Senat für die Festlegung des Zeitpunkts dieser Veränderung die ungefähre Mitte zwischen den Zeitpunkten der gutachtlichen Untersuchungen für sachgerecht, womit sich unter Berücksichtigung der Regelung des § 73 Abs. 2 Satz 1 SGB VII eine MdE um 30 v. H. bis 31. Juli 2001 ergibt. Auf die vom Sozialgericht angesprochene Frage, ob ein Abweichen der MdE-Einschätzung um nur 5 v. H. als innerhalb der ärztlichen Schätzungen eigenen Schwankungsbreite liegend unbeachtlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1975, 2 RU 35/75, BSGE 41, 99, 100; Urteil vom 7. Dezember 1976, 8 RU 14/76, BSGE 43, 54 f), kommt es daher nicht an.

Auf die Berufung der Klägerin sind daher das Urteil des Sozialgerichts und der Bescheid der Beklagten vom 16. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2001 dahingehend abzuändern, dass der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. für die Zeit vom 18. Juli 2000 bis 31. Juli 2001 zu gewähren ist. In der Zeit danach steht der Klägerin ein Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. aufgrund des insoweit unverändert gebliebenen Bescheids vom 16. August 2001 zu. Dieser Anspruch entfällt zum 1. Oktober 2002 aufgrund des rechtmäßigen Bescheids vom 24. September 2002.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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