L 4 KR 3862/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 1516/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3862/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 30. August 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Beiträge des Klägers zu seiner freiwilligen Krankenversicherung streitig.

Der Kläger ist seit dem 01. September 1963 freiwilliges Mitglied der Beklagten. Er war als Angestellter bei der Großhandels- und Lagerei BG als Dienstordnungs-Angestellter beschäftigt. Seit dem 01. Juli 2003 bezieht er ein Ruhegehalt von der Großhandels- und Lagerei BG. Die freiwillige Versicherung des Klägers bei der Beklagten umfasst keinen Anspruch auf Krankengeld. Er ist in die Versicherungsklasse F 12 eingruppiert. Die Beiträge wurden jeweils im Abbuchungsverfahren vom Konto des Klägers abgebucht. Direkte Mitteilungen oder Bescheide an den Kläger ergingen nicht. Über etwaige Beitragserhöhungen wurde nur allgemein durch Veröffentlichung in der Mitgliederzeitschrift der Beklagten informiert. Im Jahr 2003 belief sich sein monatlicher Beitrag zur Krankenversicherung nach der Versicherungsklasse F 12 auf 493,36 EUR. Dieser Beitrag berechnete sich nach einem ermäßigten Beitragsersatz von 14,3 Prozent, bezogen auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze, die im Jahr 2003 3450,- EUR betrug (§ 6 Abs. 7 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB V]).

Mit Schreiben vom 26. Dezember 2003, das bei der Beklagten am 07. Januar 2004 einging, teilte er mit, sein Einkommen liege für das Jahr 2004 nach wie vor über der Beitragsbemessungsgrenze (3487,50 EUR gemäß § 4 Abs. 2 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2004).

Mit Bescheid vom 03. März 2004 setzte die Beklagte den monatlichen Beitrag des Klägers zu seiner freiwilligen Krankenversicherung ab 01. Januar 2004 auf 512,66 EUR monatlich fest. Die Beklagte legte bei einem Einkommen (Versorgungsbezüge) in Höhe von 5.249,79 EUR die Beitragsbemessungsgrenze und dem allgemeinen Beitragssatz von 14,7 Prozent zugrunde.

Der Kläger legte mit Schreiben vom 07. März 2004 Widerspruch ein. Die Erhöhung des Beitragssatzes auf 14,7 Prozent sei unberechtigt. Er habe nach wie vor keinen Krankengeldanspruch und erhalte keinen Beitragszuschuss von einem Arbeitgeber. Anzuwenden sei der ermäßigte Beitragssatz von 13,8 Prozent für das Jahr 2004. Er müsse die gesamten Beiträge selbst zahlen. Darüber hinaus habe die Beklagte die Beitragsanhebung rückwirkend zum 01. Januar 2004 festgesetzt. Dies sei unzulässig. Er habe auf die Solidargemeinschaft vertraut, insbesondere im Hinblick auf die Situation im Alter. Die Einstufung verstoße gegen das Gebot der Gleichbehandlung. In den vergangenen Jahren habe sich keines seiner versicherungsrechtlich relevanten Merkmale geändert. Er stelle sich als Ruhegehaltsempfänger schlechter als ein Gehaltsempfänger. Einen Grund für die Beitragserhöhung könne er nicht sehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Bis 31. Dezember 2003 seinen Beiträge für freiwillig versicherte Mitglieder, die über keinen Krankengeldanspruch verfügen, nach dem ermäßigten Beitragssatzes erhoben worden. Daran habe sich in der Vergangenheit die Beitragsberechnung orientiert. Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) sei ab 01. Januar 2004 eine Änderung im Bereich der Beitragserhebung eingetreten. Nunmehr werde der Beitragssatz von der Art der Einnahmen abhängig gemacht. Dabei seien die Beiträge auf Versorgungsbezüge nach dem allgemeinen Beitragssatz der jeweiligen Krankenkasse zu erheben. Dieser Regelung gelte auch für freiwillig versicherte Mitglieder.

Der Kläger hat am 01. Juni 2004 Klage beim Sozialgericht Mannheim erhoben mit dem Begehren, weiterhin mit dem ermäßigten Beitragssatz von 13,8 Prozent veranlagt zu werden. Ergänzend hat er ausgeführt, die Beklagte sei in der Begründung des Widerspruchbescheids nicht darauf eingegangen, dass sie ihn für Januar und Februar 2004 nach einem Beitragssatz von 13,8 Prozent eingestuft habe. Die Ausgrenzung nicht mehr berufstätiger freiwillig Versicherter, die Ruhegehalt und keinerlei Beitragszuschüsse vom früheren Arbeitgeber erhielten, verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes (GG), das Solidarprinzip und den durch langjährige Mitgliedschaft erworbenen Vertrauensschutz.

Dem hat die Beklagte entgegengehalten, die Beitragserhebung sei kraft Gesetzes eingetreten. Der Bescheid vom 03. März 2004 habe nur deklaratorische Bedeutung war. Im Übrigen sei es ihr als öffentlich-rechtlicher Körperschaft verwehrt, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzesänderungen geltend zu machen.

Mit Urteil vom 30. August 2004, dem Kläger am 06. September 2004 zugestellt, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beitragsberechnung der Beklagten entspreche den zum 01. Januar 2004 geänderten gesetzlichen Vorgaben. Es liege auch keine rückwirkende Änderung der Beitragshöhe vor. Die Beklagte habe dem Kläger lediglich mitgeteilt, dass er ab Januar 2004 höhere Beiträge zu bezahlen habe.

Der Kläger hat am 07. September 2004 Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegt. Zur Begründung seiner Berufung bezieht er sich im Wesentlichen auf seinen bisherigen Sachvortrag.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts am Mannheim vom 30. August 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 03. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 18. Mai 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Beiträge ab 01. Januar 2004 nach einem Beitragssatz von 13,8 Prozent zu erheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurück zuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten in der nicht -öffentlichen Sitzung vom 13. Oktober 2004 erörtert. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündlicher Verhandlung erklärt. Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des Sozialgerichts und die Senatsakten Bezug genommenen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage gegen den Beitragsbescheid vom 03. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 18. Mai 2004 zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Der von der Beklagten berechnete Beitrag ist zutreffend. Nach § 238a SGB V (eingefügt durch Gesetz vom 21. Dezember 1992, BGBl. I S. 2266) werden der Beitragsbemessung für freiwillig versicherte Rentner nacheinander der Zahlbetrag der Rente, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, das Arbeitseinkommen und die sonstigen Einnahmen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds bestimmen, bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu Grunde gelegt. Der Kläger bezieht unstreitig Versorgungsbezüge in Höhe von 5.249,79 EUR. Er überschreitet damit die Beitragsbemessungsgrenze, so dass der Beitragsberechnung für das Jahr 2004 der Betrag der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze mit 3.487,50 EUR zugrunde zulegen ist. Nach § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 248 SGB V i. d. F. des GMG vom 14. November 2003 (BGBl I 2003, 2190) gilt für die Bemessung der Beiträge für freiwillig Versicherte, die Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen beziehen, seit 01. Januar 2004 der nach § 248 Abs. 1 SGB V geltende allgemeine Beitragssatz der Krankenkasse. Dieser beträgt bei der Beklagten im Jahr 2004 14,7 Prozent.

Der Beitrag ist nicht gemäß § 243 Abs. 1 SGB V nach dem ermäßigten Beitragssatz von 13,8 Prozent zu berechnen. Zwar ist für Versicherte, die wie der Kläger keinen Anspruch auf Krankengeld haben, der Beitragssatz nach § 243 Abs. 1 SGB V zu ermäßigen. Die §§ 240 Abs. 2, 248 SGB V stellen insoweit aber eine vorrangige, speziellere Regelung dar.

2. Die Beklagte durfte mit dem angefochtenen Bescheid der mit dem 01. Januar 2004 geänderten Rechtslage ab dem 01. Januar 2004 Rechnung tragen. Es handelt sich nicht um eine - nur unter den Voraussetzungen des § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zulässige - Korrektur eines etwa rechtwidrig gewordenen Verwaltungsaktes der Beklagten, sondern um die Anpassung an eine veränderte Rechtslage. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand einer früheren günstigeren Beitragshöhe für die Zukunft bestand nicht. Zum einen hat die Beklagte auch in der Vergangenheit immer wieder Beitragsänderungen ohne weiteres durchgeführt, zum anderen fehlt es an einer Festsetzung einer bestimmten Beitragshöhe durch Verwaltungsakt. Der Anwendungsbereich des § 48 SGB X, der einer rückwirkenden Änderung entgegenstehen könnte, ist deshalb nicht eröffnet (Bundessozialgericht (BSG) Urteile vom 10. Mai 2006, B 12 KR 6/05 R und B 12 KR 10/05 R sowie vom 24. August 2005, B 12 29/04 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Januar 2005, L 11 KR 4452/04, Beschluss vom 18. April 2005, L 11 KR 10/05 R und 14. Mai 2006, L 11 KR 3684/05)

3. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass § 248 SGB V n.F. verfassungswidrig ist. Das BSG hat sich mehrfach mit der Argumentation, die gesetzliche Neuregelung der Beitragslast zum 01. Januar 2004 sei verfassungswidrig, befasst (siehe nur BSG vom 10. Mai 2006, B 12 KR 6/05 R m.w.N.) und einen Verfassungsverstoß, sogar wenn er mit der Anordnung des vollen allgemeinen Beitragssatzes eine Verdoppelung der Beiträge aus den Versorgungsbezügen bewirkt wurde, nicht festgestellt. Es hat vielmehr die Auffassung vertreten, es sei geboten, aus allen Einkunftsarten, die der Beitragspflicht unterworfen sind, Beiträge von Mitgliedern stets nach dem vollen Beitragssatz zu erheben. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung nach eigener Prüfung an.

Die Berechnung der Beiträge nach dem vollen allgemeinen Beitragssatzes verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser enthält das Gebot, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfGE 71, 255, 271) und ist insbesondere dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders und nachteilig behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 103, 271, 289 = SozR 3-3300 § 23 Nr. 3 S. 9) und sich für eine Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt (BVerfGE 102, 68, 87 = SozR 3-2500 § 5 Nr. 42 S. 184). Danach verstößt die unterschiedliche Beitragslast bei Versorgungsbezügen einerseits und Arbeitsentgelt sowie Renten andererseits, die aus dem begrenzten Anwendungsbereich der Zuschussregelungen in § 257 Abs. 1 SGB V, § 106 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) bei grundsätzlicher Orientierung am allgemeinen Beitragssatz für alle Einkunftsarten folgt, nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Grund für die bisherige Beitragsberechnung nach dem halben Beitragsersatz lag in der Anwendung des in § 240 Abs. 3a SGB V auch auf freiwillig Versicherte mit Versorgungseinkünften. Diese Privilegierung stand aber bereits bisher in systematischem Widerspruch zum Grundsatz, dass freiwillig Versicherte ihre Beiträge grundsätzlich alleine tragen. Durch die Abschaffung des § 240 Abs. 3a SGB V ist deshalb nur eine bisher bestehende, systemwidrige Privilegierung entfallen. Ein Anlass für die weitere Aufrechterhaltung dieser Privilegierung bestand jedenfalls ab dem Zeitpunkt, ab dem die Anwendung des hälftigen Beitragssatzes auf Renten und Versorgungsbezüge von pflichtversicherten Rentnern wegfiel, nicht mehr. Der Kläger kann auch nicht der damit gehört werden, die Aufhebung des § 240 Abs. 3a SGB V verstoße gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes. Dem Vertrauen von Versicherten, insbesondere von älteren Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung, auf den Fortbestand einer für sie günstigen Rechtslage kommt durchaus erhebliche Bedeutung bei. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand einer günstigen Beitragsregelungen bestand allerdings hinsichtlich der Versorgungsbezüge nicht, weil der Gesetzgeber in der Krankenversicherung in der Vergangenheit wiederholt umfangreiche Änderungen im Hinblick auf die Beitragspflicht durchführte. Der Gesetzgeber hat zwar ausnahmsweise bei bestimmten freiwillig Versicherten die Beitragserhebung aus Versorgungsbezügen auf den halben Beitragssatz beschränkt, er war aber nicht gehalten, diese ungleiche Behandlung im Verhältnis zu anderen ein Einkunftsarten zukünftig aufrecht zu erhalten. Es ist vielmehr geboten, aus allen Einkunftsarten, die der Beitragspflicht unterworfen sind, Beiträge von Mitgliedern stets nach dem vollen Beitragssatz zu erheben (zum Ganzen ausführlich BSG, vom 10. Mai 2006, B 12 KR 6/05 R).

Eine Verfassungswidrigkeit der seit 01. Januar 2004 geltenden Regelung zur Erhebung von der Beiträge aus Versorgungsbezügen ist auch nicht gegeben, weil die Beiträge nach dem allgemeinen statt wie bisher nach dem ermäßigten Beitragssatz gemäß § 243 Abs. 1 SGB V erhoben werden. Auch insoweit folgt der Senat der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 10. Mai 2006, dass Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht unter dem Gesichtspunkt verletzt ist, dass die Erhebung von Beiträgen nach dem allgemeinen Beitragssatz erfolgt und nicht nach einem ermäßigten Beitragssatz, weil es sich bei der Gruppe der Empfänger von Versorgungsbezügen und der Rentner um eine abgrenzbare Gruppe mit besonderen Versicherungsrisiken handelt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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