L 4 P 3385/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 P 467/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 3385/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger ab 01. August 2003 von der Zahlung von Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung (PV) nach § 56 Abs. 4 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) befreit ist.

Der am 1924 geborene verheiratete Kläger bezieht seit 01. August 1988 Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von der jetzigen Deutschen Rentenversicherung Bund (DRVB). Ferner erhält er als Ruhestandsbeamter seit 01. August 1988 Versorgungsbezüge vom Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg und ist insoweit auch beihilfeberechtigt. Als Rentner ist er seit 01. August 1988 bei der Barmer Ersatzkasse im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) krankenversichert. Seit 01. Januar 1995 ist er deswegen auch bei der Beklagten im Rahmen der Pflegeversicherung der Rentner (PVdR) pflegeversichert. Im Hinblick auf seine Beihilfeberechtigung beträgt für ihn nach § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB XI der Beitragssatz zur PV nur 0,85 vom Hundert (v.H.). Die Ehefrau des Klägers E. E., geboren am 1926, ist ebenfalls bei der Barmer Ersatzkasse wegen des Bezugs von Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der KVdR krankenversichert und bei der Beklagten pflegeversichert. Der Kläger ist bei schädigungsbedingtem Verlust des rechten Oberarms Kriegsbeschädigter. Nach dem früheren Schwerbehindertengesetz (SchwbG, jetzt Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB IX]) besteht bei ihm seit 01. Dezember 1976 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100; es sind bei ihm auch die Merkzeichen G, B, 1. Kl sowie ab 01. August 2003 das Merkzeichen H festgestellt. Seit 01. August 2003 anerkannte die Beklagte beim Kläger nach Durchführung einer Begutachtung, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I vorlägen mit einem Anspruch auf Pflegegeld in Höhe von monatlich EUR 102,50. Der Kläger wird in seiner häuslichen Umgebung von der Ehefrau gepflegt. Im Rahmen eines beim Sozialgericht (SG) Mannheim anhängig gewesenen Rechtsstreits (S 2 V 3453/03) anerkannte das Land Baden-Württemberg beim Kläger am 06. August 2004 einen seit 01. August 2003 bestehenden Anspruch auf Pflegezulage der Stufe I nach § 35 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), die monatlich EUR 262,00 beträgt. Im Hinblick auf dieses Anerkenntnis vom 06. August 2004, von dem der Kläger die Beklagte unterrichtet hatte, teilte diese ihm mit Bescheid vom 03. September 2004 mit, dass nach § 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI der Anspruch auf Pflegeleistungen ruhe, soweit Versicherte Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach § 35 BVG erhielten. Der Zahlbetrag des Versorgungsamts sei höher als das zu gewährende Pflegegeld. Daher ruhe der Anspruch gegen die Pflegekasse. Die Beiträge zur gesetzlichen PV seien jedoch weiterhin zur Hälfte zu entrichten. Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die Feststellung der fortbestehenden Pflicht zur Zahlung der Beiträge zur PV trotz des Ruhens des Anspruchs auf Pflegegeld. Mit Schreiben vom 14. September 2004 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass der für ihn maßgebende Beitragssatz bei 0,85 v.H. liege. Für die Beitragsberechnung würden die gesetzliche Rente und die Versorgungsbezüge bis zu einem monatlichen Betrag von EUR 3.487,50 (für das Jahr 2004) herangezogen. Die Beitragsfreiheit sehe das Recht der PV nur in Ausnahmefällen nach § 56 SGB XI vor. Danach könnten u.a. Versicherte, die sich auf nicht absehbare Dauer in stationärer Pflege befänden und eine Pflegezulage bezögen, auf Antrag von der Beitragszahlung befreit werden. Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor. Sein Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten eingesetzten Widerspruchsausschusses II vom 20. Januar 2005).

Deswegen erhob der Kläger am 17. Februar 2005 Klage beim SG Mannheim. Er reichte zahlreiche Unterlagen ein und trug vor, im Hinblick auf seine Schwerkriegsbeschädigung werde er Zeit seines Lebens im Hinblick auf das Ruhen vom Bezug von Pflegeleistungen nach dem SGB XI ausgeschlossen bleiben. Deswegen sei die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen nicht mehr gerechtfertigt, zumal seitens seiner Frau die dauernd notwendige Pflege sichergestellt sei. Bei ihm sei vom Standard her ein Pflegebedarf im häuslichen Bereich notwendig, der dem Standard einer stationären Pflege gleichkomme. Die einschränkende Auslegung des § 56 Abs. 4 SGB XI beachte den Vorrang häuslicher Pflege nicht und berücksichtige nicht, dass bei ihm durch die Pflege durch seine Ehefrau höhere Kosten für eine Heimpflege erspart würden. Wenn die häusliche Pflege anstelle einer stationären Dauerpflege sichergestellt sei, sei auch insoweit die Bejahung einer Beitragsfreiheit nach § 56 Abs. 4 SGB XI geboten. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Mit Urteil vom 15. Juli 2005, das dem Kläger durch Einschreiben mit Rückschein am 20. Juli 2005 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Es führte aus, auf Pflegebedürftige, die sich in häuslicher Pflege befänden, sei § 56 Abs. 4 SGB XI nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 27. Januar 2000 - B 12 P 1/99 R = SozR 3-3300 § 56 Nr. 1) nicht entsprechend anwendbar. Ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) liege nicht vor. Bei Versicherten, die zu Hause gepflegt wurden, sei zumindest theoretisch noch davon auszugehen, dass trotz der ihnen gewährten Entschädigungsleistungen Leistungen der Pflegeversicherung noch in Betracht kommen könnten. Dies gelte insbesondere für die Leistungen für Pflegepersonen nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XI.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 16. August 2005 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er hat verschiedene Unterlagen vorgelegt und trägt vor, bei ihm stelle die Belastung mit Beiträgen zur PV eine Verletzung des Rechts auf Gleichbehandlung dar. Allein der Umstand, dass er sich nicht in stationärer Dauerpflege befinde, rechtfertige die Beitragsbelastung nicht. Er habe keine Familienangehörigen, für die eine beitragsfreie Familienversicherung nach § 25 SGB XI bestehe. Er habe keine Kinder. Auch seine Ehefrau sei aufgrund ihrer früheren Berufstätigkeit und des Rentenbezugs selbst pflegeversichert. Gemäß § 5 Abs. 4 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) wäre es für die Zukunft auch ausgeschlossen, dass für seine Ehefrau Beiträge der Beklagten zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen wären. Im Übrigen könnte auch bei ihm nie die Situation eintreten, dass die Beklagte für ihn Geld- oder Sachleistungen wegen Pflegebedürftigkeit zu erbringen hätte. Denn die Pflegezulage würde stets höher sein als ein durch die Beklagte zu gewährendes Pflegegeld. Dies ergebe sich bei ihm aus der Art des Kriegsleidens und seines Alters. Es entfalle auch jegliche Inanspruchnahmemöglichkeit der gesetzlichen PV selbst für solche Sachleistungen, die für schädigungsunabhängige Funktionsstörungen benötigt würden. Die vom SG herangezogene Entscheidung des BSG sei in seinem Fall nicht einschlägig. Das Urteil des BSG könne nicht so verstanden werden, dass in allen Fällen, in denen es an einer stationären Pflege fehle, weiterhin eine Beitragspflicht bestehen solle. Auch für die große Sondergruppe der "Kriegsbeschädigten" müsse eine Beitragsfreiheit vorgesehen werden, denn diese Personen würden weitgehend dauernd häuslich gepflegt. Dabei spiele es zudem eine Rolle, dass gemäß neuerer Erkenntnisse die häusliche Pflege im Gegensatz zur stationären Pflege zu bevorzugen sei, und zwar im Hinblick auf die Würde des Menschen, welche es gebiete, dem alten Menschen in seinem Alter möglichst eine weitere enge familiäre Beziehung und ein Leben in der gewohnten häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Insoweit sei auch das Sozialstaatsprinzip heranzuziehen. Von § 56 Abs. 4 SGB XI seien auch diejenigen Schwerbehinderten zu erfassen, bei denen bei geeigneter gesicherter häuslicher Dauerpflege feststehe, dass auf Dauer eine intensive Pflege unbedingt erforderlich sei. Dieses Erfordernis treffe auf jeden Fall für alle Schwerbehinderten mit einem GdB von 100 zu. Bei einer derartigen Anknüpfung wäre keine aufwendige Einzelfallprüfung zusätzlich notwendig. Bei ihm ergebe sich, dass er aufgrund der Art seiner Schwerkriegsbeschädigung und seines hohen Alters nie mehr Leistungen der gesetzlichen PV in Anspruch nehmen könne. Er entlaste auch die Staatskasse bzw. die Gemeinschaft, indem bei ihm nur bei stationärer Dauerpflege entstehende Leistungen nach § 35 Abs. 6 BVG wegfielen. Die getroffene generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelung sei hier verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, denn die ihn treffende Härte sei keineswegs nur unter Schwierigkeiten vermeidbar. Der Gesetzgeber sei verfassungsrechtlich gehalten, die derzeitige Ungleichbehandlung, wie sie auch bei ihm eintrete, durch eine Neuregelung zu beseitigen. Die Beitragsfreiheit zur gesetzlichen PV müsse auch für diejenigen Dauerpflegebedürftigen bejaht werden, welche sich auf nicht absehbare Dauer in häuslicher Pflege befänden, damit keine Leistungen nach den in § 56 Abs. 4 SGB XI genannten Gesetzen und nach § 44 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) erhielten, keine gemäß § 25 Abs. 1 SGB XI beitragsfreie Familienangehörige hätten und bei denen für die jeweilige Pflegeperson die Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund einer vorzunehmenden Neufassung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGBXI entfallen müsse.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Juli 2005 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 03. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2005 festzustellen, dass er ab 01. August 2003 von der Pflicht zur Zahlung von Beiträgen in der gesetzlichen Pflegeversicherung befreit ist, hilfsweise das Verfahren auszusetzen und die Rechtssache dem Bundesverfassungsgericht zur Klärung der Frage vorzulegen, ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar sei, nach § 56 Abs. 4 SGB XI auch solche pflegebedürftige Versicherte von der Beitragsfreiheit auszuschließen, welche bei einem GdB von 100 und den Merkzeichen G, 1. Kl, sowie B und insbesondere H im Schwerbehindertenausweis sich auf nicht absehbare Dauer in häuslicher Pflege befinden, damit keine Leistungen nach § 35 Abs. 6 BVG in Anspruch nehmen und welche ohne beitragsfreie Familienangehörige sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die hundertprozentige Pflegebedürftigkeit kein Kriterium für die Beitragsfreiheit.

Der Berichterstatter des Senats hat mit Beschluss vom 02. November 2006 die DRVB, Beigeladen zu 1), und das Land Baden-Württemberg, Beigeladener zu 2), zu dem Verfahren beigeladen; die Beigeladenen haben sich im Verfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 03. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2005 ist, soweit darin die hier allein streitige Beitragspflicht des Klägers zur PV ab 01. August 2003 festgestellt und damit die Befreiung von der Pflicht zur Beitragszahlung abgelehnt worden ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das SG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger trotz des sich aus § 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI ergebenden Ruhen des Anspruchs auf Pflegegeld wegen des Bezugs von höherer Pflegezulage nach dem BVG ab 01. August 2003 weiterhin zur Beitragszahlung in der PV verpflichtet ist. Für die Annahme einer Beitragsfreiheit fehlt eine Rechtsgrundlage. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe der angegriffenen Entscheidung.

Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Die begehrte Beitragsfreiheit rechtfertigt sich nicht nach § 56 Abs. 4 SGB XI, der u.a. für die Beitragsfreiheit verlangt, dass sich der Versicherte auf nicht absehbare Dauer in stationärer Pflege befindet und bereits Leistungen nach § 35 Abs. 6 BVG erhält. Der Kläger befindet sich seit 01. August 2003 nicht auf nicht absehbare Dauer in stationärer Pflege. Vielmehr wird er von seiner Ehefrau in der häuslichen Umgebung gepflegt und erhält deswegen auch keine Kosten für eine nicht nur vorübergehende Heimpflege nach § 35 Abs. 6 BVG. Die Bestimmung des § 56 Abs. 4 SGB XI ist auch im Lichte des Art. 3 GG auf den beim Kläger derzeit vorliegenden Fall der häuslichen Pflege durch die Ehefrau, die nicht eine Familienangehörige im Sinne des § 25 SGB XI ist, weil sie selbst als Rentnerin in der PVdR versichert ist, und die wegen des Bezugs einer Vollrente wegen Alters als nicht erwerbsmäßige Pflegeperson nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI versicherungsfrei ist, weshalb für sie Leistungen der Beklagten nach § 44 SGB XI ebenfalls nicht in Betracht kommen, nicht entsprechend anwendbar. Nach der gesetzlichen Regelung bleibt es bei häuslicher Pflege generell bei der Beitragspflicht, ohne dass es darauf ankommt, in welcher Form und durch wen die häusliche Pflege sichergestellt wird. Damit hat der Gesetzgeber die Beitragsfreiheit sachgerecht und verallgemeinert abgegrenzt, weil bei dauerhafter stationärer Pflegeleistungen der PV sicher ausgeschlossen werden können und dieses nach seiner Einschätzung bei häuslicher Pflege nicht in gleichem Maße zutrifft. Dieser Regelung kann nicht entgegengehalten werden, für die Beitragsfreiheit müsse ergänzend zu der gesetzlich maßgeblichen Abgrenzung "stationär/häuslich" bei häuslicher Pflege unter besonderen Verhältnissen ein mangelnder Bedarf an Leistungen der PV genügen. Eine solche Abgrenzung sieht das Gesetz nicht vor und kann der Kläger nicht verlangen. Eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Verbots, Behinderte gegenüber Nichtbehinderten zu benachteiligen, liegt hierin nicht. Denn die Abgrenzung betrifft ausschließlich Pflegebedürftige und damit Behinderte im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Dabei zwischen Behinderten in stationärer Pflege und Behinderten in ambulanter Pflege mit sachgerechten Überlegungen verallgemeinernd zu unterscheiden, verbietet sich auch verfassungsrechtlich nicht. Mit der Abgrenzung im Einzelfall verbundene Härten, die der Gesetzgeber nur mit Schwierigkeiten beseitigen könnte, machen die gesetzliche Regelung nicht verfassungswidrig. Eine Regelung, die für Pflegebedürftige mit Bezug von Entschädigungsleistungen anderer Träger die Beitragsfreiheit für die Zeiten vorsehen würde, in denen Leistungen der PV tatsächlich nicht erbracht werden, ist mit dem Versicherungscharakter der PV nicht vereinbar. Das Versicherungsprinzip verbietet es, die Beitragsfreiheit nur vom Fehlen eines augenblicklichen Leistungsbedarfs abhängig zu machen und spätere Risiken außer Acht zu lassen. Eine Regelung der Beitragsfreiheit, die auf das künftige Leistungsrisiko der PV abstellen würde, stieße auf praktische Schwierigkeiten. Sie würde eine Prognose darüber voraussetzen, ob in Zukunft auf Dauer Leistungen der PV in Anspruch genommen werden können und müssen oder nicht. Diese Prognose wäre für jeden einzelnen Pflegebedürftigen, der Entschädigungsleistungen erhält, unter Berücksichtigung der jeweils besonderen Verhältnisse zu stellen. Sie könnte nicht von dem nach dem SGB IX festgestellten GdB und den anerkannten Merkzeichen abhängen, sondern könnte von den Pflegekassen nur nach einer aufwendigen Einzelfallprüfung getroffen werden. An die Zuverlässigkeit der Entscheidung und damit an die Prüfung wären hohe Anforderungen zu stellen. Denn das Beitragsrecht der PV geht davon aus, dass Mitglieder grundsätzlich beitragspflichtig bleiben, auch wenn der Versicherungsfall der Pflegebedürftigkeit eingetreten ist. Allein die Vorstellungen und Wünsche des Pflegebedürftigen über die künftige Gestaltung seiner Pflege und die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beitragspflicht oder Beitragsfreiheit könnten für eine beitragsrechtliche Sonderbehandlung nicht maßgebend sein. Wenn der Gesetzgeber in Anbetracht dieser Schwierigkeiten für die Beitragsfreiheit verallgemeinernd an die Abgrenzung "stationär/häuslich" anknüpft, ist das verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BSG SozR 3-3300 § 56 Nr. 1). Zu Unrecht beruft sich der Kläger daher darauf, dass sich die für ihn ergebende Härte durch die Anknüpfung an den bei ihm bestehenden GdB von 100 unter Berücksichtigung seines hohen Alters und auch der aktuellen Gewährleistung der häuslichen Pflege durch seine Ehefrau beseitigt werden könnte. Im Hinblick auf das Alter der den Kläger derzeit pflegenden Ehefrau könnte im Übrigen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass bei deren Ausfall als Pflegeperson beispielsweise künftig Beitragsleistungen für andere nicht erwerbsmäßige Pflegepersonen nach § 44 SGB XI in Betracht kommen könnten. Der Senat erachtet danach weder die Regelung des § 56 Abs. 4 SGB XI noch ihre Anwendung auf den Kläger für verfassungswidrig, weswegen eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht geboten war.

Danach war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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