Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 1666/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4586/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt, ihm eine stationäre Rehabilitation zu bewilligen.
Der am 1966 geborene Kläger ist als Rentner bei der Beklagten (pflicht-)versichert. Seit 07. April 2003 ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen seelische Krankheit, Alkoholkrankheit und Anfallsleiden festgestellt.
Der Internist Dr. B. sprach am 21. März 2005 eine Präventionsempfehlung für ein spezielles Ernährungsangebot zur Gewichtsreduktion bei einem Body-Maß-Index von 40 aus. Der Kläger suchte daraufhin am 12. Mai 2005 die Ernährungsberaterin bei der Beklagten auf. Er beantragte am selben Tag bei der Beklagten eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, mit der er eine Gewichtsreduktion erreichen will. Nach den Angaben im Antrag gab er in einem Gespräch mit der Ernährungsberaterin an, zunächst die Kur machen und danach die Ernährungsberatung in Anspruch nehmen zu wollen. Er habe bei einer Langzeittherapie in den Jahren 1995 und 1996 30 Kilogramm abgenommen und dieses Gewicht bis 2002 gehalten. Der den Kläger behandelnde Internist Dr. B. nannte als Diagnosen Adipositas, schizoaffektive Psychose und Alkoholprobleme und gab auf telefonische Rückfrage der Beklagten an, aufgrund der psychischen Erkrankung sowie der Alkoholprobleme des Klägers könne er eine positive Kurprognose nicht stellen. Zu empfehlen wäre eine ambulante Ernährungsberatung. Die Beklagte lehnte die Übernahme der Kosten für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme ab, da zuvor ambulante Therapiemaßnahmen durchzuführen seien und zur Gewichtsreduktion sie entsprechende Gesundheitskurse und Ernährungsberatung durch eine Ernährungsfachkraft anbiete (Bescheid vom 10. Juni 2005).
Der Kläger erhob am 13. Juni 2005 Widerspruch und Klage beim Sozialgericht Mannheim.
Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte eine nochmalige Stellungnahme bei dem Internisten Dr. B. ein, der seine ungünstige Prognose wiederholte. Dr. R., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), kam im Gutachten vom 08. Juli 2005 zu der Beurteilung, aufgrund der schwerwiegenden psychischen Erkrankung bestehe beim Kläger keine ausreichende Compliance für Therapiemaßnahmen sowohl im ambulanten als auch stationären Bereich. Medizinisch erforderlich sei die dauerhafte fachpsychiatrische ambulante Mitbehandlung, ggf. auch die langfristig umfassende soziale Betreuung des Versicherten wohnortnah. Gestützt auf dieses Gutachten wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 03. August 2005).
Zur Begründung seines Begehrens hat der Kläger vorgebracht, durch Einnahme von Medikamenten habe er in den letzten drei Jahren von 70 Kilogramm auf 125 Kilogramm bei einer Größe von 1,66 Meter zugenommen. Er nehme auch weiterhin zu, obwohl er alles einschließlich einer Ernährungsberatung versucht habe, um abzunehmen. Zwar habe ihm es früher nichts ausgemacht, sein Gewicht zu reduzieren. Nunmehr aber bekomme er sofort Probleme mit dem Kreislauf und dem Herz. Er habe große Schmerzen an den Gelenken, die er nur mit Schmerzmittel kontrollieren könne.
Das Sozialgericht hat den Internisten Dr. B. und die Psychiaterin M.-W. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. B. hat als Diagnosen eine paranoid halluzinatorische Psychose und eine Alkoholkrankheit mit häufigen rezidivierenden Alkoholintoxikationen und Alkoholentzugsyndromen angegeben und weiter ausgeführt, gesundheitliche Folgen der deutlich erkennbaren und in den letzten Jahren zunehmenden Adipositas seien bis auf die Fettleber mit leicht erhöhter GGT (Gammaglutamyltranspeptidase) bei vom Kläger angegebener Alkoholabstinenz sowie einer grenzwertige hypertonischen Einstellung des Blutdrucks nicht festzustellen. Eine Rehabilitationsmaßnahme sei aus diesem Grund nicht unverzichtbar. Es sei aber zu konzedieren, dass der Kläger auf Grund seiner psychischen Erkrankung trotz der erfolgenden Soziotherapie bezüglich der Nahrungsaufnahme wohl wenig kontrollfähig sei. Es seien erhebliche Zweifel anzumelden, ob eine Rehabilitationsmaßnahme zur Gewichtsreduktion nach Entlassung mittel- bis langfristig Erfolg habe. Ärztin M.-W. hat angegeben, für den krankheitsbedingt wenig strukturierten Kläger bestünden für gewichtsreduzierte Maßnahmen erschwerte Bedingungen und diese seien im ambulanten Setting kaum erfolgreich umzusetzen. Die Struktur eines stationären Settings in einer geeigneten Einrichtung könne sich positiv auf die ambulant bisher nicht erfolgreichen Bemühungen auswirken. Inwieweit der Kläger den Anforderungen eines eventuell eingeleiteten Heilverfahrens gewachsen sei, könne nicht mit Sicherheit beurteilt werden, sei aber in Anbetracht der bestehenden Motivation, des günstigen Behandlungsverlaufs der zurückliegenden Jahre bei Abstinenz und Compliance bezüglich der Medikamente denkbar.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 17. Oktober 2005). Die Beklagte handele nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie ihre Leistungspflicht auf die Gewährung ambulanter Maßnahmen begrenze. Für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme habe die Beweisaufnahme (Aussagen des Dr. B. und der Psychiaterin M.-W.) nicht den Nachweis der Notwendigkeit erbracht. Bei dem Krankheitsbild ausreichend sei eine regelmäßige medizinische Kontrolle, die aber im Rahmen einer ambulanten Maßnahme gewährleistet sei.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. Oktober 2005 Berufung eingelegt. Ohne eine Kur zur Gewichtsreduktion müsse er in einer stationären Behandlung Psychopharmaka absetzen und die medikamentöse Behandlung gegebenenfalls umstellen. Ohne eine Kur käme auf die Beklagte ein Vielfaches an Kosten zu. Mit der momentan durchgeführten Soziotherapie gebe es Probleme, weil die Therapeutin keine Hausbesuche bei ihm mache. Die Beklagte müsse auch die Kosten eines Aids-Tests übernehmen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Oktober 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag auf Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme vom Juni 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt ihre bisherige Auffassung und führt ergänzend aus, am 12. Mai 2005 habe eine Ernährungsberaterin mit dem Kläger ein Erstgespräch durchführen wollen. Bei diesem habe der Kläger recht schnell erkennen lassen, dass ihn diese Möglichkeit, sein Gewicht zu reduzieren, nicht wirklich zu interessieren scheine und keinerlei Bereitschaft signalisiert, das Ernährungs- und auch Bewegungskonzept nutzen zu wollen. Das Angebot an den Kläger werde aufrechterhalten.
Frau N.-M., Sozialpsychiatrischer Dienst des Diakonischen Werks, die seit Februar 2003 Soziotherapie beim Kläger durchgeführt hat, hat angegeben, in den Soziotherapiestunden sei das Übergewicht immer wieder thematisiert worden. Unter dem Gesichtspunkt "in Bewegung bleiben" sei vereinbart worden, dass er zu den Soziotherapiestunden ihr Büro aufsuchen müsse. Bei dem Termin im Mai 2005 habe es für ihn kein passendes Angebot gegeben und er sei an die Sachbearbeiterin für Kuren verwiesen worden. Der Kläger sei ambulant nicht in der Lage, seine Ernährung und Bewegung soweit umzustellen, dass eine Gewichtsreduktion in größerem Ausmaß gewährleistet werde. Er sei hoch motiviert, an einer Kur zur Gewichtsreduktion teilzunehmen und dort auch eine Hinführung an sportliche Aktivitäten zu erfahren, die er momentan alleine Zuhause wegen Ängsten in Bezug auf seine körperliche Verfassung nicht durchführen könne.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des Sozialgerichts sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. August 2005. Mit diesen Bescheiden traf die Beklagte lediglich eine Entscheidung bezüglich der stationären Rehabilitationsmaßnahme, nicht aber zur Übernahme der Kosten eines Aids-Tests sowie zu Hausbesuchen im Rahmen der bewilligten Soziotherapie. Deshalb ist im vorliegenden Verfahren lediglich darüber entscheiden, ob die Beklagte die begehrte stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu bewilligen hat.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis beider Beteiligter gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Denn das Sozialgericht hat zutreffend dargelegt, dass sich der Anspruch des Klägers nach §§ 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, 40 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) beurteilt. Es ist weiter zutreffend von der gesetzlich festgelegten Stufenfolge ausgegangen, dass eine ambulante Behandlung oder Rehabilitationsmaßnahme vorrangig ist und eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nur dann in Betracht kommt, wenn weder eine ambulante Krankenbehandlung noch eine ambulante Rehabilitation in einer wohnortnahen Einrichtung und eine ambulante Rehabilitationsleistung in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, ausreichend sind. In Anwendung dieser Vorschriften ist das Sozialgericht schließlich zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund der Angaben des Dr. B. und der Psychiaterin M.-W. eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht erforderlich und bereits nicht erkennbar ist, dass Versuche, das Gewicht unter ärztlicher Kontrolle im ambulanten Verfahren zu reduzieren, unternommen worden sind.
Im Berufungsverfahren haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, die eine andere Beurteilung erfordern. Der Kläger ist auf die Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme fixiert. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten, wonach er bei dem Gespräch mit ihrer Ernährungsberaterin H. am 12. Mai 2005 keine Bereitschaft signalisierte, dass Ernährungs- und auch Bewegungskonzept nutzen zu wollen. Diesen Vortrag hält der Senat für zutreffend. In Übereinstimmung damit stehen die Vermerke im Antrag, wonach der Kläger erst die Kur und dann die Ernährungsberatung machen möchte. Auch dies zeigt die zutreffende Feststellung des Sozialgerichts, dass jegliche Versuche, das Gewicht zu reduzieren, ambulant bislang nicht in Angriff genommen wurden. Irgendwelche Angebote der Beklagten für ambulante Maßnahmen nahm und nimmt der Kläger nicht wahr, sodass die ambulanten Bemühungen für eine Gewichtsreduktion bislang fehlschlugen. Dem Kläger fehlt die Motivation zu einer ambulanten Gewichtsreduktion. Bestätigt wird dies auch durch die Angaben der Dipl. Päd. N.-M. vom Sozialpsychiatrischer Dienst des Diakonischen Werks in Mosbach. Unter dem Gesichtspunkt "in Bewegung bleiben" vereinbarte sie mit dem Kläger, dass er zu den Soziotherapiestunden ihr Büro aufsuchen müsse. Schon mit dieser einfachen Maßnahme, um ihm Bewegung zu verschaffen, ist der Kläger nicht einverstanden. Denn er wünscht Hausbesuche der Dipl. Päd. N.-M ...
Die Behauptung des Klägers, die Ernährungsberaterin der Beklagten habe bei dem Gespräch am 12. Mai 2005 ihm erklärt, sie könne für ihn nichts tun, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Auf Grund des Vorhergesagten kann die Ernährungsberaterin diese Äußerung gemacht haben, weil der Kläger nur eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme machen will.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt, ihm eine stationäre Rehabilitation zu bewilligen.
Der am 1966 geborene Kläger ist als Rentner bei der Beklagten (pflicht-)versichert. Seit 07. April 2003 ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen seelische Krankheit, Alkoholkrankheit und Anfallsleiden festgestellt.
Der Internist Dr. B. sprach am 21. März 2005 eine Präventionsempfehlung für ein spezielles Ernährungsangebot zur Gewichtsreduktion bei einem Body-Maß-Index von 40 aus. Der Kläger suchte daraufhin am 12. Mai 2005 die Ernährungsberaterin bei der Beklagten auf. Er beantragte am selben Tag bei der Beklagten eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, mit der er eine Gewichtsreduktion erreichen will. Nach den Angaben im Antrag gab er in einem Gespräch mit der Ernährungsberaterin an, zunächst die Kur machen und danach die Ernährungsberatung in Anspruch nehmen zu wollen. Er habe bei einer Langzeittherapie in den Jahren 1995 und 1996 30 Kilogramm abgenommen und dieses Gewicht bis 2002 gehalten. Der den Kläger behandelnde Internist Dr. B. nannte als Diagnosen Adipositas, schizoaffektive Psychose und Alkoholprobleme und gab auf telefonische Rückfrage der Beklagten an, aufgrund der psychischen Erkrankung sowie der Alkoholprobleme des Klägers könne er eine positive Kurprognose nicht stellen. Zu empfehlen wäre eine ambulante Ernährungsberatung. Die Beklagte lehnte die Übernahme der Kosten für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme ab, da zuvor ambulante Therapiemaßnahmen durchzuführen seien und zur Gewichtsreduktion sie entsprechende Gesundheitskurse und Ernährungsberatung durch eine Ernährungsfachkraft anbiete (Bescheid vom 10. Juni 2005).
Der Kläger erhob am 13. Juni 2005 Widerspruch und Klage beim Sozialgericht Mannheim.
Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte eine nochmalige Stellungnahme bei dem Internisten Dr. B. ein, der seine ungünstige Prognose wiederholte. Dr. R., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), kam im Gutachten vom 08. Juli 2005 zu der Beurteilung, aufgrund der schwerwiegenden psychischen Erkrankung bestehe beim Kläger keine ausreichende Compliance für Therapiemaßnahmen sowohl im ambulanten als auch stationären Bereich. Medizinisch erforderlich sei die dauerhafte fachpsychiatrische ambulante Mitbehandlung, ggf. auch die langfristig umfassende soziale Betreuung des Versicherten wohnortnah. Gestützt auf dieses Gutachten wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 03. August 2005).
Zur Begründung seines Begehrens hat der Kläger vorgebracht, durch Einnahme von Medikamenten habe er in den letzten drei Jahren von 70 Kilogramm auf 125 Kilogramm bei einer Größe von 1,66 Meter zugenommen. Er nehme auch weiterhin zu, obwohl er alles einschließlich einer Ernährungsberatung versucht habe, um abzunehmen. Zwar habe ihm es früher nichts ausgemacht, sein Gewicht zu reduzieren. Nunmehr aber bekomme er sofort Probleme mit dem Kreislauf und dem Herz. Er habe große Schmerzen an den Gelenken, die er nur mit Schmerzmittel kontrollieren könne.
Das Sozialgericht hat den Internisten Dr. B. und die Psychiaterin M.-W. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. B. hat als Diagnosen eine paranoid halluzinatorische Psychose und eine Alkoholkrankheit mit häufigen rezidivierenden Alkoholintoxikationen und Alkoholentzugsyndromen angegeben und weiter ausgeführt, gesundheitliche Folgen der deutlich erkennbaren und in den letzten Jahren zunehmenden Adipositas seien bis auf die Fettleber mit leicht erhöhter GGT (Gammaglutamyltranspeptidase) bei vom Kläger angegebener Alkoholabstinenz sowie einer grenzwertige hypertonischen Einstellung des Blutdrucks nicht festzustellen. Eine Rehabilitationsmaßnahme sei aus diesem Grund nicht unverzichtbar. Es sei aber zu konzedieren, dass der Kläger auf Grund seiner psychischen Erkrankung trotz der erfolgenden Soziotherapie bezüglich der Nahrungsaufnahme wohl wenig kontrollfähig sei. Es seien erhebliche Zweifel anzumelden, ob eine Rehabilitationsmaßnahme zur Gewichtsreduktion nach Entlassung mittel- bis langfristig Erfolg habe. Ärztin M.-W. hat angegeben, für den krankheitsbedingt wenig strukturierten Kläger bestünden für gewichtsreduzierte Maßnahmen erschwerte Bedingungen und diese seien im ambulanten Setting kaum erfolgreich umzusetzen. Die Struktur eines stationären Settings in einer geeigneten Einrichtung könne sich positiv auf die ambulant bisher nicht erfolgreichen Bemühungen auswirken. Inwieweit der Kläger den Anforderungen eines eventuell eingeleiteten Heilverfahrens gewachsen sei, könne nicht mit Sicherheit beurteilt werden, sei aber in Anbetracht der bestehenden Motivation, des günstigen Behandlungsverlaufs der zurückliegenden Jahre bei Abstinenz und Compliance bezüglich der Medikamente denkbar.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 17. Oktober 2005). Die Beklagte handele nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie ihre Leistungspflicht auf die Gewährung ambulanter Maßnahmen begrenze. Für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme habe die Beweisaufnahme (Aussagen des Dr. B. und der Psychiaterin M.-W.) nicht den Nachweis der Notwendigkeit erbracht. Bei dem Krankheitsbild ausreichend sei eine regelmäßige medizinische Kontrolle, die aber im Rahmen einer ambulanten Maßnahme gewährleistet sei.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. Oktober 2005 Berufung eingelegt. Ohne eine Kur zur Gewichtsreduktion müsse er in einer stationären Behandlung Psychopharmaka absetzen und die medikamentöse Behandlung gegebenenfalls umstellen. Ohne eine Kur käme auf die Beklagte ein Vielfaches an Kosten zu. Mit der momentan durchgeführten Soziotherapie gebe es Probleme, weil die Therapeutin keine Hausbesuche bei ihm mache. Die Beklagte müsse auch die Kosten eines Aids-Tests übernehmen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Oktober 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag auf Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme vom Juni 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt ihre bisherige Auffassung und führt ergänzend aus, am 12. Mai 2005 habe eine Ernährungsberaterin mit dem Kläger ein Erstgespräch durchführen wollen. Bei diesem habe der Kläger recht schnell erkennen lassen, dass ihn diese Möglichkeit, sein Gewicht zu reduzieren, nicht wirklich zu interessieren scheine und keinerlei Bereitschaft signalisiert, das Ernährungs- und auch Bewegungskonzept nutzen zu wollen. Das Angebot an den Kläger werde aufrechterhalten.
Frau N.-M., Sozialpsychiatrischer Dienst des Diakonischen Werks, die seit Februar 2003 Soziotherapie beim Kläger durchgeführt hat, hat angegeben, in den Soziotherapiestunden sei das Übergewicht immer wieder thematisiert worden. Unter dem Gesichtspunkt "in Bewegung bleiben" sei vereinbart worden, dass er zu den Soziotherapiestunden ihr Büro aufsuchen müsse. Bei dem Termin im Mai 2005 habe es für ihn kein passendes Angebot gegeben und er sei an die Sachbearbeiterin für Kuren verwiesen worden. Der Kläger sei ambulant nicht in der Lage, seine Ernährung und Bewegung soweit umzustellen, dass eine Gewichtsreduktion in größerem Ausmaß gewährleistet werde. Er sei hoch motiviert, an einer Kur zur Gewichtsreduktion teilzunehmen und dort auch eine Hinführung an sportliche Aktivitäten zu erfahren, die er momentan alleine Zuhause wegen Ängsten in Bezug auf seine körperliche Verfassung nicht durchführen könne.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des Sozialgerichts sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. August 2005. Mit diesen Bescheiden traf die Beklagte lediglich eine Entscheidung bezüglich der stationären Rehabilitationsmaßnahme, nicht aber zur Übernahme der Kosten eines Aids-Tests sowie zu Hausbesuchen im Rahmen der bewilligten Soziotherapie. Deshalb ist im vorliegenden Verfahren lediglich darüber entscheiden, ob die Beklagte die begehrte stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu bewilligen hat.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis beider Beteiligter gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Denn das Sozialgericht hat zutreffend dargelegt, dass sich der Anspruch des Klägers nach §§ 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, 40 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) beurteilt. Es ist weiter zutreffend von der gesetzlich festgelegten Stufenfolge ausgegangen, dass eine ambulante Behandlung oder Rehabilitationsmaßnahme vorrangig ist und eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nur dann in Betracht kommt, wenn weder eine ambulante Krankenbehandlung noch eine ambulante Rehabilitation in einer wohnortnahen Einrichtung und eine ambulante Rehabilitationsleistung in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, ausreichend sind. In Anwendung dieser Vorschriften ist das Sozialgericht schließlich zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund der Angaben des Dr. B. und der Psychiaterin M.-W. eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht erforderlich und bereits nicht erkennbar ist, dass Versuche, das Gewicht unter ärztlicher Kontrolle im ambulanten Verfahren zu reduzieren, unternommen worden sind.
Im Berufungsverfahren haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, die eine andere Beurteilung erfordern. Der Kläger ist auf die Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme fixiert. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten, wonach er bei dem Gespräch mit ihrer Ernährungsberaterin H. am 12. Mai 2005 keine Bereitschaft signalisierte, dass Ernährungs- und auch Bewegungskonzept nutzen zu wollen. Diesen Vortrag hält der Senat für zutreffend. In Übereinstimmung damit stehen die Vermerke im Antrag, wonach der Kläger erst die Kur und dann die Ernährungsberatung machen möchte. Auch dies zeigt die zutreffende Feststellung des Sozialgerichts, dass jegliche Versuche, das Gewicht zu reduzieren, ambulant bislang nicht in Angriff genommen wurden. Irgendwelche Angebote der Beklagten für ambulante Maßnahmen nahm und nimmt der Kläger nicht wahr, sodass die ambulanten Bemühungen für eine Gewichtsreduktion bislang fehlschlugen. Dem Kläger fehlt die Motivation zu einer ambulanten Gewichtsreduktion. Bestätigt wird dies auch durch die Angaben der Dipl. Päd. N.-M. vom Sozialpsychiatrischer Dienst des Diakonischen Werks in Mosbach. Unter dem Gesichtspunkt "in Bewegung bleiben" vereinbarte sie mit dem Kläger, dass er zu den Soziotherapiestunden ihr Büro aufsuchen müsse. Schon mit dieser einfachen Maßnahme, um ihm Bewegung zu verschaffen, ist der Kläger nicht einverstanden. Denn er wünscht Hausbesuche der Dipl. Päd. N.-M ...
Die Behauptung des Klägers, die Ernährungsberaterin der Beklagten habe bei dem Gespräch am 12. Mai 2005 ihm erklärt, sie könne für ihn nichts tun, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Auf Grund des Vorhergesagten kann die Ernährungsberaterin diese Äußerung gemacht haben, weil der Kläger nur eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme machen will.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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