S 26 R 60/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 60/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 294/06
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.) Die Klage wird abgewiesen. 2.) Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).

Der am 00.00.1920 in T in Polen geborene Kläger ist Jude und Verfolgter des Nazi-Regimes und lebt seit Ende 1948 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit. Er beantragte am 12.12.2002 die Gewährung einer Regelaltersrente aus der Deutschen Rentenversicherung, unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Es gab dabei an, er habe von Mai 1940 bis Juli 1942 während seines Aufenthaltes im Ghetto von Warschau dort Tätigkeiten als Arbeiter verrichtet; er habe Kohlen von Zügen herunter geschaufelt. Während der Arbeit sei er von SS-Soldaten bewacht worden. Er habe ca. 10 Stunden täglich gearbeitet. Die Arbeit sei durch den Judenrat vermittelt worden. Bekommen habe er dafür morgens und abends Essen, und keinen Barlohn. Zeugen dafür könne er nicht mehr benennen (Bl. 8 der Rentenakte). Im Juli 1941 sei er in das Zwangsarbeitslager Bobrujsk gekommen, und später in andere Zwangsarbeits- und Konzentrations-Lager. Am 01.05.1945 sei er befreit worden, in DP-Lager in Deutschland gekommen und dann nach Israel ausgewandert. Seit 1948 lebe er in Israel.

Die Beklagte zog die BEG-Vorgänge des Regierungspräsidiums E bei. Dort hatte der Kläger u.a. anlässlich einer medizinischen Untersuchung im Oktober 1968 angegeben: "Nach Besetzung Warschaus ... haben die Judenverfolgungen begonnen. Zuerst zur Zwangsarbeit herangezogen, später in einem Ghetto eingesperrt und auch zur Arbeit gezwungen. Es handelte sich um die schwersten physischen Arbeiten (Verladungsarbeit, Aufräumarbeit, zerbombte Häuser und dergleichen). Bei der Arbeit bedroht, misshandelt, litt von Hunger, Kälte ...".

Mit Bescheid vom 10.12.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr sei nach den eigenen Schilderungen des Klägers von seinen Arbeitseinsätzen dies jeweils als Zwangsarbeit anzusehen gewesen, die von dem ZRBG nicht erfasst werde. Außerdem stelle allein Beköstigung noch kein Entgelt im Sinne des ZRBG dar. Außerdem gebe es Widersprüche zu Angaben im früheren Entschädigungsverfahren, weil der Kläger damals auch Arbeiten auf dem Flugplatz angegeben habe.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, die wesentlichen Angaben seien wahrheitsgemäß gemacht worden. Er habe im Ghetto am Bahnhof und auch am Flughafen gearbeitet. Bei beiden Arbeitsplätzen habe es sich um militärisch sensible Objekte gehandelt; deshalb sei dort auch Bewachung erfolgt, und nicht wegen der Arbeit an sich. Die "Zuweisung" der Arbeit stehe einem freiwilligem Beschäftigungsverhältnis nicht entgegen, denn im nationalsozialistischem Arbeitsrecht sei generell die Vermittlung aufgehoben gewesen und Arbeit immer zugewiesen worden. Der Sachbezug sei Ersatz für Barentgelt gewesen und reiche als "Entgelt" aus.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder und führte noch ergänzend aus, bei den vom Kläger angegebenen Arbeitsverrichtungen im Ghetto Warschau habe es sich um eine für die damalige Zeit der Verfolgung typische Form der Zwangsarbeit unter direkter Kontrolle und Aufsicht der Besatzer bei Unterbringung im Ghetto und notdürftiger Versorgung gehandelt. Es gebe keine Anhaltspunkte für den Erhalt von Lohn für die verrichteten Arbeiten. Darüber hinaus habe der Kläger selbst anlässlich der Erstellung des ärztlichen Gutachtens von Oktober 1968 angegeben, dass er bei der Arbeit auch bedroht und misshandelt worden sei und neben Kälte auch an Hunger gelitten habe. Alle Umstände sprächen daher insgesamt für Zwangsarbeit ohne ausreichendes Entgelt im eigentlichen Sinne.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 28.01.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.

Zur Begründung nimmt der Kläger sinngemäß Bezug auf sein bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend macht er geltend: Unter Berücksichtigung der historischen tatsächlichen Gegebenheiten einerseits und des Gesetzeszwecks des ZRBG andererseits sei davon auszugehen, dass seine Tätigkeit im Ghetto Warschau im Sinne des Gesetzes "aus eigenem Willensentschluss" zustande gekommen sei. Einer Beschäftigung nachzugehen auch für noch so wenig Bezüge sei die Reaktion auf die im Ghetto vorgefundenen Lebensverhältnisse, geprägt von großem Mangel an Nahrungsmitteln und Textilien und geprägt von erniedrigenden engen Wohnverhältnissen, bei Angst und Furcht vor Gewaltexzessen und Deportationen in Vernichtungslager. Dies habe ihn wie viele Ghettoinsassen mobilisiert, eine vom Judenrat vermittelte Tätigkeit aufzunehmen. Er habe deshalb Kohlenzüge entladen, und zwar am Bahnhof und auch für Beheizung des Flughafens. Deshalb habe er mehrere Arbeitsstätten gehabt. Die Arbeit sei auch keine Zwangsarbeit gewesen. Bewachung auf dem Weg von und zur Arbeit außerhalb des Ghettos und Bewachung bei der Arbeit in militärisch relevanten Bereichen sei nur konsequent gewesen und dieser Art Arbeit immanent. Die Beschäftigung sei auch gegen Entgelt ausgeübt worden, im Sinne des ZRBG. Bei der Gesetzesauslegung sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass die in ein freies Beschäftigungsverhältnis vermittelten Juden im Generalgouvernement zumindest einen Rechtsanspruch auf Arbeitsentgelt und Sozialversicherung gehabt hätten, nach diversen Richtlinien und Verordnungen. Dies habe das Bundessozialgericht in der bekannten Entscheidung vom 07.10.2004 nicht diskutiert und berücksichtigt, und nur deshalb sei es zu einer bloß minimalen Anerkennung von Renten gekommen bzw. zu einer Begrenzung von Ansprüchen. Der rechtlich bestehende Entgeltanspruch führe hier dazu, dass er nach §§ 14, 21 BGSVG so gestellt werden müsse, als hätte er Lohn erhalten. Irrelevant sei auch, an wen der Lohn bzw. das Entgelt ausgezahlt wurde bzw. wem der Anspruch zugestanden hätte. Die Auszahlung von Lohn bzw. auch nur Nettolohn an den Judenrat, mit befreiender Wirkung für den Arbeitgeber, erfülle auch den Entgeltbegriff im Sinne des ZRBG. Die Höhe des Entgelts oder des Entgelt-Anspruches sei für die Auslegung auch nicht von entscheidender Bedeutung. Auf die Angemessenheit komme es nicht an (Seite 10 des Schriftsatzes vom 16.02.2006). Deshalb reiche auch ein Anspruch in Höhe von (nur) 80 % des Lohnes eines Polen für Juden. Wenn das Entgelt die tatsächlichen minimalen Lebensbedürfnisse gleichwohl nur zu ca. 24 % gedeckt hätte, dann liege diese Unterdeckung aber nur Sechs-Prozent-Punkte unter der Unterdeckung für Polen. Selbst die nichtjüdische polnische Bevölkerung habe unter sehr schlechten Ernährungsverhältnissen gelitten und gehungert und nicht mehr arbeiten können und wollen. Dies sei auch bestätigt worden für Warschau, wo die Leute vor Hunger auf der Straße umgefallen seien.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

1.die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2005 zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihm anlässlich des Aufenthalts im Ghetto Warschau von Mai 1940 bis Juli 1942 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung ggf. noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen seit dem 01.07.1997 zu zahlen, 2.hilfsweise, sein persönliches Erscheinen im Termin zur mündlichen Verhandlung anzuordnen, 3.weiter hilfsweise, H als Sachverständigen für die Klärung der Fragen zur Tätigkeiten im Ghetto Warschau zu hören.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, unter Berücksichtigung des bekannten Urteils des BSG vom 07.10.2004 sei hier von schon nicht ausreichendem auch beitragspflichtigem "Entgelt" im Sinne des ZRBG auszugehen, bzw. sei ein solches Entgelt auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, auch nicht ein Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltcharakter. Allein ein Anspruch auf Entgelt reiche nach dem Wortlaut des ZRBG nicht aus, vielmehr nur tatsächliche Entgeltzahlung. Der eigene Vortrag des Klägers schon in den Entschädigungsakten lasse es nicht zu, von einem entgeltlichem aus freiem Willensentschluss aufgenommenen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte in Abwesenheit der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Bevollmächtigte des Klägers in der Terminsmitteilung, die durch Zustellung ordnungsgemäß am 20.07.2006 bewirkt wurde, auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus §§ 124 Abs. 1, 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.

Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 10.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw. nicht ausreichend glaubhaft gemacht sind und weil allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung nicht ausreichen, ein Rentenanspruch zu begründen.

Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt sie für im Wesentlichen richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in dem Bescheid vom 10.12.2003 auch bereits die entscheidende Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG mit den dortigen wesentlichen Voraussetzungen wiedergegeben.

Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus:

Voraussetzung für die Gewährung einer Regelaltersrente ist nach § 35 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI neben der Vollendung des 65. Lebensjahres die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit. Darauf anrechenbare Zeiten im Sinne von §§ 50 ff. SGB VI hat der Kläger aber nicht. Die Anwendbarkeit des ZRBG, also des "Ghetto-Gesetzes" zu seinen Gunsten zur Begründung von Beitragszeiten in der Deutschen Rentenversicherung und zur Zahlbarmachung einer Rente ins Ausland, scheitert hier schon daran, dass er keine Beschäftigung in einem Ghetto im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZRBG nachgewiesen bzw. ausreichend glaubhaft gemacht hat, die auch eine "entgeltliche" Beschäftigung "eigenem Willensentschluss" darzustellen geeignet wäre.

I. Es fehlt schon an einem schlüssigen Vortrag für die Annahme einer regelmäßigen - auch regelmäßig entgeltlichen - Tätigkeit, für die sogar ein Entgelt oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze vorgelegen haben müsste, um rentenrechtlich relevant zu sein (§ 1227 der 1940 bis 1942 geltenden Reichsversicherungsordnung, wonach Zuwendungen allein zur Unterhaltssicherung keine Versicherungspflicht begründet hatten). Gerade angesichts der Angaben des Klägers insbesondere im Entschädigungsverfahren nach dem BEG, die der Kläger auch anlässlich einer medizinischen Untersuchung in 1968 machte, damals wesentlich zeitnäher als heute, ist die Darstellungen eines nicht nur aus freiem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigungsverhältnisses, sondern auch eines "entgeltlichen" Beschäftigungsverhältnisses nicht glaubhaft, denn für die individuell zu prüfenden Voraussetzungen des § 1 ZRBG sind hier keine Tatsachen vorgetragen worden, die ausreichen. Gerade in Bezug auf den Ghettoaufenthalt und die Tätigkeit im Ghetto wurde im medizinischen Gutachten ein Überlebenskampf geschildert, wonach der Kläger nicht zur Arbeit "gezwungen", sondern wonach er auch unabhängig vom Begriff "Zwangsarbeit" bei seiner Arbeit bedroht wurde, misshandelt wurde, und wobei er an Hunger und Kälte litt. All diese geschilderten Umstände sprechen für die Ausnutzung der Arbeitskraft bei völlig unzureichender Ernährung und Bekleidung. Gerade die Nicht-Zahlung eines angemessenen Arbeitsentgeltes, geschweige denn von Barlohn, spricht für die Ausbeutung der Arbeitskraft des Klägers. Es ist nicht einmal "gute Verpflegung" vorgetragen worden, die nach früherer Rechtsprechung des LSG NRW - aber nicht aktueller - hätte früher evtl. ausreichen können. Die Bevollmächtigte des Klägers hat selbst vorgetragen, dass die Verhältnisse im Ghetto Warschau dermaßen schlecht gewesen seien, dass die Menschen in Warschau auf der Straße vor Hunger umfielen. Dass der Kläger überhaupt minimale Essensrationen bekam, die nur gerade zur Überlebenssicherung ausreichten, reicht nach der Entscheidung des BSG vom 07.10.2004 aber nicht aus, um ein (versicherungspflichtiges) Entgelt im Sinne des § 1 ZRBG zu begründen; denn nach dem 1940 bis 1942 geltenden § 1227 der RVO galt: "Eine Beschäftigung, für die als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wird, ist versicherungsfrei". So wurde 1938 sogar eine monatliche Barvergütung bis zu 15 Reichsmark, die neben freier Wohnung und Verpflegung z.B. Krankenschwestern gezahlt wurde, auch nur als nicht versicherungspflichtiges Taschengeld angesehen (vgl.: das Angestelltenversicherungsgesetz, Kommentar von Koch/Heimann, 2. Auflage 1973, Band 1, Seite 154 b). Mithin reichen selbst geringe Entlohnung und praktisch nur Verpflegung zur Sicherung des Überlebens nicht aus.

II. Die Klage hat auch keine Erfolg unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Lohn im Ghetto gehabt hätte. Denn für die Zuerkennung einer auch ins Ausland zahlbaren Rente nach § 1 ZRBG kommt es darauf an, ob tatsächlich Entgelt gezahlt wurde, nicht ein Anspruch darauf bestanden hätte oder auch Beiträge dafür hätten entrichtet werden müssen. Das ZRBG ist ein lex spezialis gegenüber anderen insbesondere älteren Vorschriften auch gegenüber dem WGSVG; außerdem fingierte § 14 WGSVG auch nur eine Beitragsentrichtung, nicht aber eine Entgeltzahlung. Im Übrigen spricht die Nicht-Zahlung eines evtl. zivilrechtlich geschuldeten angemessenen Arbeitsentgeltes gerade dafür, dass es sich um Zwangsarbeit zur Ausnutzung der Arbeitskraft handelte, wie bereits oben ausgeführt; auch nach aktueller Rechtsprechung des LSG NRW greift eine "Anspruchstheorie" nicht ein (LSG NRW Urteile vom 27.01.2006 - L 13 R 123/05 und vom 13.02.2006 - L 3 R 43/05 und 169/05).

III. Es bedurfte auch nicht der Anhörung des persönlichen Erscheinens des Klägers zum Termin zur mündlichen Verhandlung, um ihn zu seiner Ghettoarbeit anzuhören und zu befragen. Denn ihm bzw. seiner Bevollmächtigten ist im schriftlichen Verfahren schon rechtliches Gehör gewährt worden; im schriftlichen Verfahren bestand ausreichend Gelegenheit, die aus Sicht des Klägers maßgeblichen Tatsachen vorzutragen, und Beweismittel anzubieten. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger unter Zuhilfenahme seiner Bevollmächtigten nicht in der Lage war, zur Sachverhaltsaufklärung und schriftlichen Verfahren schon beizutragen. Im Übrigen ist eine Parteivernehmung als eigenständiges Beweismittel im sozialgerichtlichen Verfahren weder auf Antrag noch von Amts wegen zulässig (vgl. BSG Beschluss vom 18.02.2003 - B 11 AL 273/02 B und LSG NRW Urteil vom 27.01.2006 - L 4 RJ 126/04).

IV. Es war auch nicht dem weiteren Hilfsantrag zu entsprechen dahingehend, den Sachverständigen H zu den Umständen im Ghetto Warschau zu hören. Denn das Vorliegen einer auch entgeltlichen Beschäftigung des Klägers aus freiem Willensentschluss in Warschau ist schon nach seinen eigenen Angaben nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Daran kann auch ein allgemein- historisches Gutachten bzw. die allgemeine Hörung eines bestimmten Gutachters nichts ändern, weil es immer auf die individuellen Umstände eines Verfolgten ankommt.

V. Im Übrigen wird klägerischerseits verkannt, dass das ZRBG oder auch "Ghetto-Gesetz" in der vorliegenden Form von vornherein nicht geeignet ist, Ansprüche für einen wirklich größeren Personenkreis zu begründen und die von den meisten heute noch lebenden Ghettoinsassen geweckten und gehegten Erwartungen zu erfüllen. Denn nach dem Wortlaut dieses Gesetzes reicht eben nicht jede Art von Tätigkeit anlässlich Aufenthalt in einem Ghetto aus, um ins Ausland zahlbare Rentenansprüche nach dem ZRBG zu begründen (vgl. BSG vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R und LSG NRW Urteil vom 18.07.2005 - L 3 RJ 101/04).

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke" zur Frage der Überarbeitung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (BT-Drucksache 10/1955 und 16/1785). Danach soll das ZRBG auch angesichts der extrem hohen Ablehnungsquote nicht geändert werden und auch die Bundesregierung geht davon aus, dass im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung Kriterien wie Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit zwingende Voraussetzungen sind für die Anerkennung einer Ghetto-Beitragszeit; ansonsten würden der gesetzlichen Rentenversicherung Aufgaben zugewiesen, die keinerlei Bezug mehr zur Sozialversicherung hätten. Soweit und sofern Arbeiten erbracht worden seien; die letztlich als nicht vergütete bzw. unzureichend vergütete Zwangsarbeiten zu qualifizieren seien, bleibe es bei den bisherigen dafür vorgesehenen Leistungen nach anderen Entschädigungsgesetzen. Die Antwort der Bundesregierung war insofern jedoch hier für die Entscheidung der Kammer nicht weiter relevant, da schon nach den vorstehenden Ausführungen die Kriterien für die Anwendbarkeit des ZRBG in der Person des Klägers nicht gegeben waren.

VI. Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal des Klägers, sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften und der bisher vom Bundessozialgericht im Landessozialgericht NRW aufgestellten Voraussetzungen keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch des Klägers zu entsprechen. Das ZRBG in seiner bisherigen Form gibt solches für den Kläger nicht her.

VII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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