Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 12 AS 427/06 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig 80,00 Euro als Leistung nach § 23 Sozialgesetzbuch II darlehensweise unter der Voraussetzung zu gewähren, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin den Erwerb schwangerschaftsbedingter Kleidungsstücke der begehrten Art nachweist.
Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ¼ ihrer notwenigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Ziel des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Die 1969 geborene Antragstellerin hat ein Kind und ist derzeit schwanger; als voraussichtlicher Geburtstermin wird der 11.11.2006 genannt.
Die Antragstellerin beantragte am 17.05.2006 bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Erstausstattungen für Bekleidung und Geburt. Die Antragsgegnerin gewährte durch Bescheid vom 31.05.2006 Pauschalen von 150,00 Euro als Umstandsbekleidungs-Erstausstattung sowie von 119,00 Euro als Baby-Erstausstattung. Auf den Widerspruch der Antragstellerin vom 10.06.2006 gewährte die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 24.07.2006 weitere 343,05 Euro als Baby-Erstausstattung. Die Antragstellerin hielt darauf am 29.07.2006 ihren Widerspruch in Bezug auf die Umstandsbekleidungs-Erstausstattung aufrecht und machte geltend, die Pauschale sei nicht ausreichend und bereits verbraucht für:
2 lange Unterhosen 30,00 Euro
1 Kleid 15,00 Euro
3 BH à 7,50 Euro 22,50 Euro
10 Unterhosen 10,00 Euro
4 T-Shirts à 10,00 Euro 40,00 Euro
1 Drei-Viertel-Hose 13,00 Euro
1 kurze Latzhose 19,00 Euro
149,50 Euro
Die Antragstellerin verfügte nicht über Quittungen der geltend gemachten Einkäufe. Sie machte zusätzlichen Bedarf geltend, weil ein zusätzliches Bekleidungs-Wechselbedürfnis während der Schwangerschaft sowie zusätzlicher Bekleidungsbedarf während des Krankenhausaufenthaltes zu berücksichtigen seien. Im Einzelnen werde benötigt:
2 Nachthemden à 18,40 Euro 36,80 Euro
1 Schlafanzug 18,40 Euro
1 Bademantel 32,20 Euro 1 x Stilleinlagen
1 Jacke für den Herbstübergang
1 Sommermantel 46,00 Euro
133,40 Euro
Über den Widerspruch vom 10.06.2006 wurde bis dato nach Aktenlage noch nicht entschieden.
Über die aus diesem Grunde bei dem Sozialgericht Wiesbaden am 18.09.2006 erhobene Untätigkeitsklage der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin wurde gleichfalls noch nicht entschieden (S 12 AS 407/06).
Die Antragstellerin hat am 23.09.2006 bei dem Sozialgericht Wiesbaden die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz beantragt und begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zur Gewährung zusätzlicher 160,00 Euro für den Erwerb weiterer Umstandsbekleidung. Zur Begründung hat sie durch ihren Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, sie habe von der erhaltenen Pauschale in Höhe von 150,00 Euro ihren Bedarf nicht voll decken können. Sie benötige noch Bekleidung für die kühlere Jahreszeit (Sweatshirt, Jacke) sowie auch für den Klinikaufenthalt (Bademantel). Die Antragsgegnerin könne sie nicht auf die Benutzung ihrer sonstigen Garderobe verweisen, weil sie (die Antragsgegnerin) über die tatsächlich vorhandene Kleidung sowie über eine etwaige Gewichtszunahme keine Informationen besitze. Im Einzelnen macht sie laut Niederschrift zur Gerichtssitzung am 17.10.2006 geltend:
2 Nachthemden à 10,00 Euro 20,00 Euro
1 Schlafanzug 10,00 Euro
1 Bademantel 40,00 Euro
2 Sweatshirts à 20,00 Euro 40,00 Euro
1 Jacke 50,00 Euro
160,00 Euro
Die Antragstellerin, die an der Erörterung des Sach- und Streitstandes am 17.10.2006 aus gesundheitlichen Gründen nicht teilgenommen hat, beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung von zusätzlich 160,00 Euro zum Kauf von Umstandskleidung zu verpflichten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat dazu die Auffassung vertreten, die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf zusätzliche Leistung, wie beantragt; denn ihr seien bereits 150,00 Euro als die im Falle einer Schwangerschaft übliche Pauschale für Umstandsbekleidung gewährt worden. Der Bemessung der Pauschale sei folgender Bedarf zugrunde gelegt und abgedeckt: 1 Umstandskleid, 2 Hosen, 1 Bluse, Nachtwäsche und zusätzliche Unterwäsche. Die angegebenen Kleidungsstücke hätten mit dem gewährten Geldbetrag erworben werden können. Insbesondere hätte die Antragstellerin mit dem gewährten Betrag anstelle der gekauften weiteren Hosen für insgesamt 33,00 Euro Nachtwäsche kaufen können. Bademantel sowie Jacke für den Herbstübergang seien keine schwangerschaftsbedingten Bedarfe. Die Antragsgegnerin hat dazu eine Übersicht "Beihilfen für Bekleidung", Stand 10/2006, vorgelegt, in der als Umstandskleidung aufgelistet ist: Hose 15,00 Euro H&M
Bluse 15,00 Euro H&M, Neckermann
Kleid 20,00 Euro Neckermann
Badeanzug 12,00 Euro C&A
Still-BH 10,00 Euro H&M
Nachthemd 10,00 Euro Neckermann
II.
Der zulässige Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz ist zum Teil begründet. Das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen zugunsten der Antragstellerin ist im Umfang eines Darlehens über 80,00 Euro glaubhaft gemacht. Insoweit erscheint die Notwendigkeit einer Regelung des zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Antragstellerin durch eine einstweilige Anordnung i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG nach den maßgebenden Verhältnissen im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B m.w.N.) überwiegend wahrscheinlich. In Höhe von 80,00 Euro sowie in Bezug auf die begehrte Leistung als Beihilfe bleibt der Antrag erfolglos.
Das Gericht kann auf Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1); es kann eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Satz 2). Neben dem Anordnungsgrund, das ist: der Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, setzt die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz nach herrschender Meinung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, Rdnr. 26c zu § 86b) den Anordnungsanspruch, das ist: der materiell-rechtliche Anspruch auf die Leistung, voraus, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System gegenseitiger Wechselbeziehung: Ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund (wie vor, Rdnr. 29). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, wenn die grundrechtlichen Belange des Antragstellers berührt sind, weil sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen müssen. Sind Grundrechte tangiert, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 -1 BvR 569/05). Alle Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes sind – unter Beachtung der Grundsätze der objektiven Beweislast – glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -); die richterliche Überzeugungsgewissheit in Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes erfordert insoweit eine lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit (Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnr. 16b).
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind im vorliegenden Rechtsstreit in dem tenorierten Umfang glaubhaft gemacht. Glaubhaft gemacht ist zunächst ein Anordnungsanspruch auf zusätzliche Erstausstattung für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt in Höhe von 65,00 Euro sowie außerdem auf Bekleidung als unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 15,00 Euro.
Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt sind gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB II nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht; sie können als Sachleistungen oder Geldleistung oder auch in Form von Pauschalbeträgen erbracht werden (§ 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, S. 2 und 5 SGB II). In dem vorliegenden Rechtsstreit gehen die Beteiligten übereinstimmend vom Vorliegen des Leistungsfalles der Schwangerschaft und Geburt im Sinne der vorgenannten Regelung aus; streitbefangen ist der Umfang des Leistungsanspruchs. Die Antragsgegnerin hat sich in Ausübung ihres Leistungsermessens dafür entschieden, die Leistung als Geldleistung in Form eines Pauschalbetrages zu erbringen. Die Antragstellerin ihrerseits hat keine Sachleistung beantragt. Gegenüber der Möglichkeit, die beantragte Geldleistung als Pauschalbetrag zu gewähren, werden verfassungsrechtliche Bedenken nicht erhoben (Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, § 20 Randnr. 41), zumal durch diese Leistungsform der Handlungsfreiheit des mündigen Leistungsempfängers größtmöglicher Raum gegeben wird. Zu beachten sind die allgemeinen Grundsätze der Bedarfsdeckung, d. h., der Bedarf muss ausreichend und sachgerecht befriedigt werden können, und der Hilfeberechtigte darf sich von nicht hilfebedürftigen Personen nicht negativ unterscheiden (Münder, SGB II, Kommentar, § 23 Randnr. 11). Hinsichtlich der Verwendung des allgemein bedarfsdeckend festgesetzten Pauschalbetrags ist es dann an dem Hilfeempfänger, seinen Bedarf unter Berücksichtigung seiner individuellen Prioritäten mit der ihm zur Verfügung gestellten Geldleistung optimal zu decken. Der Gefahr der Bedarfsunterdeckung (Eicher/Spellbrink, a. a. O., § 23 Randnr. 96) durch zu enge Auslegung des Begriffes der "Erstausstattung" – zumal bei Pauschalierung – ist zu begegnen. Andererseits sind einer zu weiten Auslegung Grenzen dadurch zu setzen, dass allein der spezifisch durch Schwangerschaft und Geburt ausgelöste Bekleidungsbedarf (Kleidungsstücke, die gerade aufgrund der körperlichen Veränderungen im Zuge einer Schwangerschaft getragen werden müssen, etwa Hosen mit erweitertem oder erweiterbarem Bund, weiter geschnittene Kleider oder Blusen, spezielle Unterwäsche, Büstenhalter) berücksichtigt wird (Eicher/Spellbrink, a. a. O., § 23 Randnr. 106).
Davon ausgehend, neigt das Gericht im vorliegenden Eilverfahren nach summarischer Prüfung zur Annahme einer strukturellen Bedarfsunterdeckung durch die Bekleidungspauschale der Antragsgegnerin von 150,00 Euro. Geeignete Angaben der Beteiligten über die erforderlichen Aufwendungen bzw. nachvollziehbare Erfahrungswerte werden dabei entsprechend § 23 Abs. 3 S. 6 SGB II berücksichtigt. Die Angaben der Antragstellerin zu ihrem Bedarf waren zwar nicht stabil (zunächst 133,40 Euro, dann 220,00 Euro, dann 160,00 Euro), jedoch in der Tendenz nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich vorgetragen, der Bemessung der Pauschale sei folgender Bedarf zugrunde gelegt: 1 Umstandskleid, 2 Hosen, 1 Bluse, Nachtwäsche, Unterwäsche. Art und Menge dieser von der Antragsgegnerin der Bemessung der Pauschale zugrunde gelegten Kleidungsstücke sind unzureichend. Das Gericht geht – mit beiden Beteiligten - davon aus, dass die Bekleidung von Schwangeren typischerweise einer Ergänzung bedarf, welche ihrem vergrößerten Körperumfang entspricht. Weitergehend muss diese Ergänzung der Bekleidung den Notwendigkeiten der wärmeren und der kälteren Jahreszeiten sowie der Hygiene (Wechselmöglichkeit ohne Zwang zu ständigem Wäsche-Waschen) genügen. Die Bemessung der Pauschale unter Zugrundelegung lediglich einer Bluse seitens der Antragsgegnerin ist dann unter den beiden vorgenannten Aspekten ungenügend: Drei Blusen (alternativ zwei Shirts plus eine Bluse) werden nach der Lebenserfahrung zum Wechseln in den wärmeren Jahreszeiten mindestens benötigt, und zusätzlich zu den drei Blusen werden in den kälteren Jahreszeiten mindestens zwei Sweatshirts (alternativ ein Sweatshirt und ein Pullover) zum Wechseln benötigt. Des Weiteren erfordern die kälteren Jahreszeiten zusätzlich eine gegen Kälte und Niederschlag schützende Oberbekleidung in Form einer Jacke oder eines (Kurz-)Mantels. Jacken oder Mäntel aus der regulären Garderobe einer Schwangeren können zumindest am Ende der Schwangerschaft, falls dieses denn in die kälteren Jahreszeiten fällt, typischerweise nicht geschlossen getragen werden, wodurch sie ihre gegen Kälte und Niederschlag schützende Funktion verlieren. Geeignet sind Kleidungsstücke, welche als Umstandskleidung geschneidert wurden oder ihrer Art nach (z.B. Cape, Tunika, Stretch-Kleidung) weit und flexibel sind, sowie generell reguläre Kleidung in Übergröße. Die Zusammenstellung der typischen Bekleidung zur Bemessung der Pauschale durch das Gericht besteht aus den unten gelisteten Teilen (Liste der Antragsgegnerin plus Ergänzung durch das Gericht), deren Einkaufswert nach Schätzpreisen (aufgrund aktueller Internet-Recherche des Kammervorsitzenden beim Versandhandel Neckermann) sich auf 150,00 Euro + 65,00 Euro = 215,00 Euro summiert. Insoweit ist ein Leistungsanspruch überwiegend wahrscheinlich, bleibt jedoch der endgültigen Klärung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. – Hilfsweise käme hier auch die Inanspruchnahme der Antragsgegnerin aus unabweisbarem Bedarf in Betracht. – Im Einzelnen:
1 Umstandskleid 40,- Euro
2 Umstandshosen 40,- Euro
1 Bluse 10,- Euro
2 Nachthemden 20,- Euro
6 Slips 10,- Euro
3 Unterhemden 10,- Euro
2 Still-BH`s 20,- Euro
Zwischensumme 150,- Euro
2 Shirts 10,- Euro
2 Sweatshirts 30,- Euro
1 Mantel 25,- Euro
Endsumme 215,- Euro
Nicht berücksichtigt werden an dieser Stelle Stilleinlagen und Bademantel. Erstere zählen als Einmal-Verbrauchsartikel nicht zur Bekleidung; letzterer zählt nicht zur schwangerschaftsbedingten Bekleidung (Münder, a. a. O, § 23 Randnr. 30 unter Bezugnahme auf VGH Hessen), ist doch auch ein Bademantel in der sonst individuell üblichen Bekleidungsgröße einem schwangerschaftstypischen Körperumfang mittels eines Gürtels variabel anzupassen.
Ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes, der weder durch Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann, kann gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II im Einzelfall bei entsprechendem Nachweis mittels Geldleistung in Gestalt eines entsprechenden Darlehens gedeckt werden. Vorliegend erachtet das Gericht den von der Antragstellerin geltend gemachten Bademantel-Bedarf als glaubhaft gemacht (Anordnungsgrund) und als unabweisbar, weil Patienten, die in Krankenhäusern das Bett lediglich kurz verlassen, Bademäntel zu tragen pflegen und weil der Antragstellerin nach deren glaubhaften Angaben ein Aufenthalt in einer Entbindungsklinik unmittelbar bevorsteht. Wenn ein Bademantel in der Garderobe der Antragstellerin nicht vorhanden ist, was mangels Hausbesuch der Antragsgegnerin nicht widerlegbar ist, und wenn die Antragstellerin insoweit in der Vergangenheit keine Ansparung zur Ergänzung ihrer allgemeinen Bekleidung vorgenommen hat, wie es von ihr zu erwarten, jedoch nicht zu erzwingen ist, ist jetzt die Anschaffung eines Bademantels als die übliche Krankenhausbekleidung auf Kosten der Antragsgegnerin nötig. Den Kaufpreis für einen Bademantel hat das Gericht (durch aktuelle Internet-Recherche bei dem Versandhandel Neckermann) mit 15,00 Euro ermittelt. Danach besteht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein zusätzlicher Anspruch auf darlehensweise Geldleistung für einen Bademantel in Höhe von 15,00 Euro.
Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes hat die Antragstellerin lediglich bedingt glaubhaft gemacht; die begehrte Leistung wird deshalb lediglich unter einer Bedingung zugesprochen. Das Gericht bestimmt nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 938 Abs. 1 Zivilprozessordnung nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind. Vorliegend wird als zweckentsprechend angesehen, den wie oben bestimmten Geldleistungsansprüchen in Höhe von insgesamt 80,00 Euro eine gewisse Zweckbindung beizulegen; denn die Antragstellerin hat bereits den tatsächlichen Verbrauch der ihr gewährten Bekleidungspauschale in Höhe von 150,00 Euro nicht durch Quittungen nachweisen können und hat dem Gericht zu ihrem zusätzlichen Bedarf in der Gerichtssitzung, zu der sie nicht erschienen ist, keine persönlichen Erklärungen oder eidesstattlichen Erklärungen geben können. Das im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung erreichte Endstadium der Schwangerschaft in Verbindung mit der angedeuteten Möglichkeit eines vorzeitigen Geburtstermins und der attestierten Risikogravidität begründen eine Unsicherheit, ob und inwieweit die Antragstellerin die geltend gemachte Umstandsbekleidung überhaupt noch erwerben und nutzen können wird, die zugesprochenen Mittel also zur Beseitigung der aktuellen Bekleidungsnotlage eingesetzt werden. Die tenorierte Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin wird deshalb davon abhängig gemacht, dass die Antragstellerin den Kauf bzw. die Bestellung der von ihr noch benötigten Umstandsbekleidung überhaupt sowie insbesondere unter dem Aspekt ihrer spezifischen Schwangerschaftsbedingtheit gegenüber der Antragsgegnerin nachweist. Spezifisch schwangerschaftsbedingt ist die Bekleidungsanschaffung dann, wenn aus der Funktionsbeschreibung des Bekleidungsteiles (Umstandsbekleidung etc.), seines besonderen Zuschnitts (z.B. Cape) oder der Bekleidungs-Übergröße (z. B. XXL) hervorgeht, dass diese Kleidung extra wegen der körperlichen Veränderungen am Ende der Schwangerschaft benötigt wird. – Auch der Erwerb des Bademantels ist nachzuweisen.
Die Leistung wird der Antragstellerin im Eilverfahren als Darlehen und nicht als Beihilfe zugesprochen. Zum einen entspricht die Darlehensgewährung dem vorläufigen Charakter der einstweiligen Anordnung am ehesten, erschwert sie doch eine spätere Rückabwicklung am wenigsten (LSG Baden-Württemberg vom 17. August 2005 – L 7 SO 2117/05 ER-B; Oberverwaltungsgericht Brandenburg vom 17. September 2003 – 4 B 39/03; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., Rdnr.1243). Zum anderen ist unabweisbarer Bedarf ohnedies stets mittels Darlehensgewährung zu decken.
Die Kostenentscheidung entsprechend § 193 SGG berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten in dem vorliegenden Rechtsstreit.
Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ¼ ihrer notwenigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Ziel des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Die 1969 geborene Antragstellerin hat ein Kind und ist derzeit schwanger; als voraussichtlicher Geburtstermin wird der 11.11.2006 genannt.
Die Antragstellerin beantragte am 17.05.2006 bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Erstausstattungen für Bekleidung und Geburt. Die Antragsgegnerin gewährte durch Bescheid vom 31.05.2006 Pauschalen von 150,00 Euro als Umstandsbekleidungs-Erstausstattung sowie von 119,00 Euro als Baby-Erstausstattung. Auf den Widerspruch der Antragstellerin vom 10.06.2006 gewährte die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 24.07.2006 weitere 343,05 Euro als Baby-Erstausstattung. Die Antragstellerin hielt darauf am 29.07.2006 ihren Widerspruch in Bezug auf die Umstandsbekleidungs-Erstausstattung aufrecht und machte geltend, die Pauschale sei nicht ausreichend und bereits verbraucht für:
2 lange Unterhosen 30,00 Euro
1 Kleid 15,00 Euro
3 BH à 7,50 Euro 22,50 Euro
10 Unterhosen 10,00 Euro
4 T-Shirts à 10,00 Euro 40,00 Euro
1 Drei-Viertel-Hose 13,00 Euro
1 kurze Latzhose 19,00 Euro
149,50 Euro
Die Antragstellerin verfügte nicht über Quittungen der geltend gemachten Einkäufe. Sie machte zusätzlichen Bedarf geltend, weil ein zusätzliches Bekleidungs-Wechselbedürfnis während der Schwangerschaft sowie zusätzlicher Bekleidungsbedarf während des Krankenhausaufenthaltes zu berücksichtigen seien. Im Einzelnen werde benötigt:
2 Nachthemden à 18,40 Euro 36,80 Euro
1 Schlafanzug 18,40 Euro
1 Bademantel 32,20 Euro 1 x Stilleinlagen
1 Jacke für den Herbstübergang
1 Sommermantel 46,00 Euro
133,40 Euro
Über den Widerspruch vom 10.06.2006 wurde bis dato nach Aktenlage noch nicht entschieden.
Über die aus diesem Grunde bei dem Sozialgericht Wiesbaden am 18.09.2006 erhobene Untätigkeitsklage der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin wurde gleichfalls noch nicht entschieden (S 12 AS 407/06).
Die Antragstellerin hat am 23.09.2006 bei dem Sozialgericht Wiesbaden die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz beantragt und begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zur Gewährung zusätzlicher 160,00 Euro für den Erwerb weiterer Umstandsbekleidung. Zur Begründung hat sie durch ihren Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, sie habe von der erhaltenen Pauschale in Höhe von 150,00 Euro ihren Bedarf nicht voll decken können. Sie benötige noch Bekleidung für die kühlere Jahreszeit (Sweatshirt, Jacke) sowie auch für den Klinikaufenthalt (Bademantel). Die Antragsgegnerin könne sie nicht auf die Benutzung ihrer sonstigen Garderobe verweisen, weil sie (die Antragsgegnerin) über die tatsächlich vorhandene Kleidung sowie über eine etwaige Gewichtszunahme keine Informationen besitze. Im Einzelnen macht sie laut Niederschrift zur Gerichtssitzung am 17.10.2006 geltend:
2 Nachthemden à 10,00 Euro 20,00 Euro
1 Schlafanzug 10,00 Euro
1 Bademantel 40,00 Euro
2 Sweatshirts à 20,00 Euro 40,00 Euro
1 Jacke 50,00 Euro
160,00 Euro
Die Antragstellerin, die an der Erörterung des Sach- und Streitstandes am 17.10.2006 aus gesundheitlichen Gründen nicht teilgenommen hat, beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung von zusätzlich 160,00 Euro zum Kauf von Umstandskleidung zu verpflichten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat dazu die Auffassung vertreten, die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf zusätzliche Leistung, wie beantragt; denn ihr seien bereits 150,00 Euro als die im Falle einer Schwangerschaft übliche Pauschale für Umstandsbekleidung gewährt worden. Der Bemessung der Pauschale sei folgender Bedarf zugrunde gelegt und abgedeckt: 1 Umstandskleid, 2 Hosen, 1 Bluse, Nachtwäsche und zusätzliche Unterwäsche. Die angegebenen Kleidungsstücke hätten mit dem gewährten Geldbetrag erworben werden können. Insbesondere hätte die Antragstellerin mit dem gewährten Betrag anstelle der gekauften weiteren Hosen für insgesamt 33,00 Euro Nachtwäsche kaufen können. Bademantel sowie Jacke für den Herbstübergang seien keine schwangerschaftsbedingten Bedarfe. Die Antragsgegnerin hat dazu eine Übersicht "Beihilfen für Bekleidung", Stand 10/2006, vorgelegt, in der als Umstandskleidung aufgelistet ist: Hose 15,00 Euro H&M
Bluse 15,00 Euro H&M, Neckermann
Kleid 20,00 Euro Neckermann
Badeanzug 12,00 Euro C&A
Still-BH 10,00 Euro H&M
Nachthemd 10,00 Euro Neckermann
II.
Der zulässige Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz ist zum Teil begründet. Das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen zugunsten der Antragstellerin ist im Umfang eines Darlehens über 80,00 Euro glaubhaft gemacht. Insoweit erscheint die Notwendigkeit einer Regelung des zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Antragstellerin durch eine einstweilige Anordnung i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG nach den maßgebenden Verhältnissen im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B m.w.N.) überwiegend wahrscheinlich. In Höhe von 80,00 Euro sowie in Bezug auf die begehrte Leistung als Beihilfe bleibt der Antrag erfolglos.
Das Gericht kann auf Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1); es kann eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Satz 2). Neben dem Anordnungsgrund, das ist: der Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, setzt die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz nach herrschender Meinung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, Rdnr. 26c zu § 86b) den Anordnungsanspruch, das ist: der materiell-rechtliche Anspruch auf die Leistung, voraus, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System gegenseitiger Wechselbeziehung: Ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund (wie vor, Rdnr. 29). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, wenn die grundrechtlichen Belange des Antragstellers berührt sind, weil sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen müssen. Sind Grundrechte tangiert, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 -1 BvR 569/05). Alle Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes sind – unter Beachtung der Grundsätze der objektiven Beweislast – glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -); die richterliche Überzeugungsgewissheit in Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes erfordert insoweit eine lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit (Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnr. 16b).
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind im vorliegenden Rechtsstreit in dem tenorierten Umfang glaubhaft gemacht. Glaubhaft gemacht ist zunächst ein Anordnungsanspruch auf zusätzliche Erstausstattung für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt in Höhe von 65,00 Euro sowie außerdem auf Bekleidung als unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 15,00 Euro.
Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt sind gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB II nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht; sie können als Sachleistungen oder Geldleistung oder auch in Form von Pauschalbeträgen erbracht werden (§ 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, S. 2 und 5 SGB II). In dem vorliegenden Rechtsstreit gehen die Beteiligten übereinstimmend vom Vorliegen des Leistungsfalles der Schwangerschaft und Geburt im Sinne der vorgenannten Regelung aus; streitbefangen ist der Umfang des Leistungsanspruchs. Die Antragsgegnerin hat sich in Ausübung ihres Leistungsermessens dafür entschieden, die Leistung als Geldleistung in Form eines Pauschalbetrages zu erbringen. Die Antragstellerin ihrerseits hat keine Sachleistung beantragt. Gegenüber der Möglichkeit, die beantragte Geldleistung als Pauschalbetrag zu gewähren, werden verfassungsrechtliche Bedenken nicht erhoben (Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, § 20 Randnr. 41), zumal durch diese Leistungsform der Handlungsfreiheit des mündigen Leistungsempfängers größtmöglicher Raum gegeben wird. Zu beachten sind die allgemeinen Grundsätze der Bedarfsdeckung, d. h., der Bedarf muss ausreichend und sachgerecht befriedigt werden können, und der Hilfeberechtigte darf sich von nicht hilfebedürftigen Personen nicht negativ unterscheiden (Münder, SGB II, Kommentar, § 23 Randnr. 11). Hinsichtlich der Verwendung des allgemein bedarfsdeckend festgesetzten Pauschalbetrags ist es dann an dem Hilfeempfänger, seinen Bedarf unter Berücksichtigung seiner individuellen Prioritäten mit der ihm zur Verfügung gestellten Geldleistung optimal zu decken. Der Gefahr der Bedarfsunterdeckung (Eicher/Spellbrink, a. a. O., § 23 Randnr. 96) durch zu enge Auslegung des Begriffes der "Erstausstattung" – zumal bei Pauschalierung – ist zu begegnen. Andererseits sind einer zu weiten Auslegung Grenzen dadurch zu setzen, dass allein der spezifisch durch Schwangerschaft und Geburt ausgelöste Bekleidungsbedarf (Kleidungsstücke, die gerade aufgrund der körperlichen Veränderungen im Zuge einer Schwangerschaft getragen werden müssen, etwa Hosen mit erweitertem oder erweiterbarem Bund, weiter geschnittene Kleider oder Blusen, spezielle Unterwäsche, Büstenhalter) berücksichtigt wird (Eicher/Spellbrink, a. a. O., § 23 Randnr. 106).
Davon ausgehend, neigt das Gericht im vorliegenden Eilverfahren nach summarischer Prüfung zur Annahme einer strukturellen Bedarfsunterdeckung durch die Bekleidungspauschale der Antragsgegnerin von 150,00 Euro. Geeignete Angaben der Beteiligten über die erforderlichen Aufwendungen bzw. nachvollziehbare Erfahrungswerte werden dabei entsprechend § 23 Abs. 3 S. 6 SGB II berücksichtigt. Die Angaben der Antragstellerin zu ihrem Bedarf waren zwar nicht stabil (zunächst 133,40 Euro, dann 220,00 Euro, dann 160,00 Euro), jedoch in der Tendenz nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich vorgetragen, der Bemessung der Pauschale sei folgender Bedarf zugrunde gelegt: 1 Umstandskleid, 2 Hosen, 1 Bluse, Nachtwäsche, Unterwäsche. Art und Menge dieser von der Antragsgegnerin der Bemessung der Pauschale zugrunde gelegten Kleidungsstücke sind unzureichend. Das Gericht geht – mit beiden Beteiligten - davon aus, dass die Bekleidung von Schwangeren typischerweise einer Ergänzung bedarf, welche ihrem vergrößerten Körperumfang entspricht. Weitergehend muss diese Ergänzung der Bekleidung den Notwendigkeiten der wärmeren und der kälteren Jahreszeiten sowie der Hygiene (Wechselmöglichkeit ohne Zwang zu ständigem Wäsche-Waschen) genügen. Die Bemessung der Pauschale unter Zugrundelegung lediglich einer Bluse seitens der Antragsgegnerin ist dann unter den beiden vorgenannten Aspekten ungenügend: Drei Blusen (alternativ zwei Shirts plus eine Bluse) werden nach der Lebenserfahrung zum Wechseln in den wärmeren Jahreszeiten mindestens benötigt, und zusätzlich zu den drei Blusen werden in den kälteren Jahreszeiten mindestens zwei Sweatshirts (alternativ ein Sweatshirt und ein Pullover) zum Wechseln benötigt. Des Weiteren erfordern die kälteren Jahreszeiten zusätzlich eine gegen Kälte und Niederschlag schützende Oberbekleidung in Form einer Jacke oder eines (Kurz-)Mantels. Jacken oder Mäntel aus der regulären Garderobe einer Schwangeren können zumindest am Ende der Schwangerschaft, falls dieses denn in die kälteren Jahreszeiten fällt, typischerweise nicht geschlossen getragen werden, wodurch sie ihre gegen Kälte und Niederschlag schützende Funktion verlieren. Geeignet sind Kleidungsstücke, welche als Umstandskleidung geschneidert wurden oder ihrer Art nach (z.B. Cape, Tunika, Stretch-Kleidung) weit und flexibel sind, sowie generell reguläre Kleidung in Übergröße. Die Zusammenstellung der typischen Bekleidung zur Bemessung der Pauschale durch das Gericht besteht aus den unten gelisteten Teilen (Liste der Antragsgegnerin plus Ergänzung durch das Gericht), deren Einkaufswert nach Schätzpreisen (aufgrund aktueller Internet-Recherche des Kammervorsitzenden beim Versandhandel Neckermann) sich auf 150,00 Euro + 65,00 Euro = 215,00 Euro summiert. Insoweit ist ein Leistungsanspruch überwiegend wahrscheinlich, bleibt jedoch der endgültigen Klärung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. – Hilfsweise käme hier auch die Inanspruchnahme der Antragsgegnerin aus unabweisbarem Bedarf in Betracht. – Im Einzelnen:
1 Umstandskleid 40,- Euro
2 Umstandshosen 40,- Euro
1 Bluse 10,- Euro
2 Nachthemden 20,- Euro
6 Slips 10,- Euro
3 Unterhemden 10,- Euro
2 Still-BH`s 20,- Euro
Zwischensumme 150,- Euro
2 Shirts 10,- Euro
2 Sweatshirts 30,- Euro
1 Mantel 25,- Euro
Endsumme 215,- Euro
Nicht berücksichtigt werden an dieser Stelle Stilleinlagen und Bademantel. Erstere zählen als Einmal-Verbrauchsartikel nicht zur Bekleidung; letzterer zählt nicht zur schwangerschaftsbedingten Bekleidung (Münder, a. a. O, § 23 Randnr. 30 unter Bezugnahme auf VGH Hessen), ist doch auch ein Bademantel in der sonst individuell üblichen Bekleidungsgröße einem schwangerschaftstypischen Körperumfang mittels eines Gürtels variabel anzupassen.
Ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes, der weder durch Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann, kann gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II im Einzelfall bei entsprechendem Nachweis mittels Geldleistung in Gestalt eines entsprechenden Darlehens gedeckt werden. Vorliegend erachtet das Gericht den von der Antragstellerin geltend gemachten Bademantel-Bedarf als glaubhaft gemacht (Anordnungsgrund) und als unabweisbar, weil Patienten, die in Krankenhäusern das Bett lediglich kurz verlassen, Bademäntel zu tragen pflegen und weil der Antragstellerin nach deren glaubhaften Angaben ein Aufenthalt in einer Entbindungsklinik unmittelbar bevorsteht. Wenn ein Bademantel in der Garderobe der Antragstellerin nicht vorhanden ist, was mangels Hausbesuch der Antragsgegnerin nicht widerlegbar ist, und wenn die Antragstellerin insoweit in der Vergangenheit keine Ansparung zur Ergänzung ihrer allgemeinen Bekleidung vorgenommen hat, wie es von ihr zu erwarten, jedoch nicht zu erzwingen ist, ist jetzt die Anschaffung eines Bademantels als die übliche Krankenhausbekleidung auf Kosten der Antragsgegnerin nötig. Den Kaufpreis für einen Bademantel hat das Gericht (durch aktuelle Internet-Recherche bei dem Versandhandel Neckermann) mit 15,00 Euro ermittelt. Danach besteht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein zusätzlicher Anspruch auf darlehensweise Geldleistung für einen Bademantel in Höhe von 15,00 Euro.
Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes hat die Antragstellerin lediglich bedingt glaubhaft gemacht; die begehrte Leistung wird deshalb lediglich unter einer Bedingung zugesprochen. Das Gericht bestimmt nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 938 Abs. 1 Zivilprozessordnung nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind. Vorliegend wird als zweckentsprechend angesehen, den wie oben bestimmten Geldleistungsansprüchen in Höhe von insgesamt 80,00 Euro eine gewisse Zweckbindung beizulegen; denn die Antragstellerin hat bereits den tatsächlichen Verbrauch der ihr gewährten Bekleidungspauschale in Höhe von 150,00 Euro nicht durch Quittungen nachweisen können und hat dem Gericht zu ihrem zusätzlichen Bedarf in der Gerichtssitzung, zu der sie nicht erschienen ist, keine persönlichen Erklärungen oder eidesstattlichen Erklärungen geben können. Das im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung erreichte Endstadium der Schwangerschaft in Verbindung mit der angedeuteten Möglichkeit eines vorzeitigen Geburtstermins und der attestierten Risikogravidität begründen eine Unsicherheit, ob und inwieweit die Antragstellerin die geltend gemachte Umstandsbekleidung überhaupt noch erwerben und nutzen können wird, die zugesprochenen Mittel also zur Beseitigung der aktuellen Bekleidungsnotlage eingesetzt werden. Die tenorierte Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin wird deshalb davon abhängig gemacht, dass die Antragstellerin den Kauf bzw. die Bestellung der von ihr noch benötigten Umstandsbekleidung überhaupt sowie insbesondere unter dem Aspekt ihrer spezifischen Schwangerschaftsbedingtheit gegenüber der Antragsgegnerin nachweist. Spezifisch schwangerschaftsbedingt ist die Bekleidungsanschaffung dann, wenn aus der Funktionsbeschreibung des Bekleidungsteiles (Umstandsbekleidung etc.), seines besonderen Zuschnitts (z.B. Cape) oder der Bekleidungs-Übergröße (z. B. XXL) hervorgeht, dass diese Kleidung extra wegen der körperlichen Veränderungen am Ende der Schwangerschaft benötigt wird. – Auch der Erwerb des Bademantels ist nachzuweisen.
Die Leistung wird der Antragstellerin im Eilverfahren als Darlehen und nicht als Beihilfe zugesprochen. Zum einen entspricht die Darlehensgewährung dem vorläufigen Charakter der einstweiligen Anordnung am ehesten, erschwert sie doch eine spätere Rückabwicklung am wenigsten (LSG Baden-Württemberg vom 17. August 2005 – L 7 SO 2117/05 ER-B; Oberverwaltungsgericht Brandenburg vom 17. September 2003 – 4 B 39/03; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., Rdnr.1243). Zum anderen ist unabweisbarer Bedarf ohnedies stets mittels Darlehensgewährung zu decken.
Die Kostenentscheidung entsprechend § 193 SGG berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten in dem vorliegenden Rechtsstreit.
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