S 16 (3) U 15/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 (3) U 15/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 259/06
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind unter den Beteiligten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV in entschädigungspflichtigem Ausmaß vorliegt.

Der 1943 geborene Kläger, der türkischer Staatsangehöriger ist, übte in der Türkei eine Tätigkeit als Metzger aus. Im Mai 1973 kam er in die BRD und arbeite zunächst – bis Mai 1974 – in der Kernmacherei der zwischenzeitlich nicht mehr bestehenden Firma J T1. Danach war er in einer Versandschlachterei und anschließend in einem Schlachthof beschäftigt. Ab dem 05.02.1990 verrichtete er Reinigungsarbeiten bei der Firma B1 N1; seit 1998 ist er nicht mehr erwerbstätig. Im Dezember 1996 zeigte der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde B2 der Beklagten an, beim Kläger seien Pleuraplaques mit Lungenasbestose festgestellt worden, so dass der Verdacht bestehe, beim Kläger liege die Berufskrankheit "Asbestose" vor. Nach dem der Kläger mitgeteilt hatte, er sei im Auftrag der Firma N1 im S L G für Reinigungsarbeiten eingesetzt worden, holte die Beklagte eine Auskunt der Firma N1 ein, der zu entnehmen ist, dass der Kläger dort Reinigungsarbeiten mit Schaufel und Besen durchzuführen hatte, Kohlenstaub ausgesetzt gewesen war und deshalb eine Staubmaske tragen musste. Kontakt zu asbesthaltigen Materialien – so die Auskunft - habe nicht bestanden. Ebenso wenig seien asbestrelevante Tätigkeiten unter Berücksichtigung der TRGS 519 ausgeführt worden. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten äußerte darauf hin, wegen fehlender Asbestkontakte erübrige sich jeder weitere Grenzwertdiskussion. Darüber hinaus teilte der Technische Aufsichtsbeamte der Maschinenbau- und Metallberufsgenossenschaft mit, der Kläger sei auch während seiner Tätigkeit in dem mittlerweile geschlossenen Werk der Firma J T1 lediglich sich Einwirkungen von Quarzfeinstäuben nicht dagegen Einwirkungen von Asbest ausgesetzt gewesen. Die Beklagte lehnte daraufhin die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV ab (Bescheid vom 11.01.2000). Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, tatsächlich sei er bei den Reinigungsarbeiten im L G Asbestbelastungen ausgesetzt gewesen. Dazu bezog er sich auf Erklärungen seiner ehemaligen Arbeitskollegen N2 und P, die bestätigten, dass im L G asbesthaltige Stoffe vorhanden gewesen seien. Zu diesen Erklärungen äußerte der Technische Aufsichtsbeamte der Beklagten, nach Angabe der Fachkraft für Arbeitssicherheit des S L G seien bis 1990 alle Asbestsanierungen abgeschlossen gewesen, d. h. es habe keinen Asbest mehr im Kraftwerk gegeben. Da der Kläger erst zu einem späteren Zeitpunkt seine Arbeit in der Firma N1 aufgenommen habe, könne er zwangsläufig nicht mehr mit Asbest in Berührung gekommen sein. Der Technische Aufsichtsbeamte der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik bestätigte diese Angaben und führte darüber hinaus aus, die Asbestsanierungen an Turbinen und an Leitungen seien bis 1990 abgeschlossen gewesen. In den späteren Jahren noch vorgefundenes Asbest z. B. in Dichtungen seien entsprechend der TRGS 519 behandelt worden. Für den Kläger habe daher kein Asbestkontakt bestanden. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wies die Widerspruchsstelle bei der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 06.02.2001). Mit seiner am 28.02.2001 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, er habe im L G in sämtlichen Gebäuden und Hallen gekehrt. Außerdem habe er Kanäle gesäubert, Kellerräume und Kamine gereinigt und auch Ofenreinigungsarbeiten durchgeführt. Bei der Arbeit habe er einen Arbeitsanzug, Handschuhe und eine Maske für Mund und Nase getragen. Diese Maske habe er ständig bei der Arbeit getragen. Man habe ihm gesagt, dass er die Maske tragen müsse, sonst würde er sich eine Krankheit einhandeln. Bei seiner Tätigkeit habe er sehr viel Kontakt mit Staub gehabt. In der Firma sei nicht über einzelne gefährdende Stoffe, insbesondere nicht über Asbest gesprochen worden. Er gehe davon aus, bei seiner Tätigkeit Asbesteinwirkungen ausgesetzt gewesen seien. Schließlich sei er am Arbeitsplatz krank geworden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11.01.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2000 aufzuheben und bei ihm eine Berufskrankheit nach § 9 SGB VII i. V. m. Nr. 4103 der Anlage zur BKV als Berufskrankheit anzuerkennen und die sich daraus ergebenden gesetzlichen Leistungen zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat den ehemaligen Arbeitskollegen des Klägers P, der von 1981 bis 1991 in S L G gearbeitet hatte, als Zeugen gehört. Dieser gab an, bestimmte Objekte habe man wegen Asbestgefahr nicht mehr betreten dürfen. Dort habe man Asbest gefunden. Dass die Asbestsanierungsmaßnahme 1990 abgeschlossen gewesen seien, sei möglich. Seines Wissens habe die Firma S die Probleme heute noch nicht im Griff. Das Gewerbeaufsichtsamt N3 habe Untersuchungen im Betrieb durchgeführt. Das Gericht hat sodann eine Auskunft vom staatlichen Amt für Arbeitsschutz N3 eingeholt. Danach wurden im S L G Asbestsanierungsarbeiten von Fremdfirmen durchgeführt. Die Arbeiten seien jeweils in abgeschotteten Bereichen so durchgeführt worden, dass eventuell freigesetzte Asbestfasern nicht in andere Bereich gelangen konnten. Nach Abschluss der Arbeiten seien diese Arbeitsbereiche von den Durchführungsfirmen gereinigt und die Abschottung nach der Freigabe abgebaut worden. Es sei nicht bekannt, dass die Firma N1 Asbestsanierungs- und Reinigungsarbeiten in abgeschotteten Bereichen durchgeführt habe. Messungen zur Feststellung einer möglichen Asbestbelastung seien vom Staatlichen Amt für Arbeitsschutz nicht durchgeführt worden. Außerdem holte das Gericht Auskünfte von der Firma S ein. Diese übermittelte Prüfberichte über Raumluftmessungen vom 29.07. und 31.07.1999. Danach bewegte sich die seinerzeit ermittelte Asbest- Raumluftkonzentration in den überprüften Bereichen im Schwankungsbereich unterhalb des vom ehemaligen Bundesgesundheitsamt empfohlenen Richtwerts von weniger als 1000 Fasern pro Kubikmeter Raumluft, so dass die überprüften Bereiche ohne Einschränkung hätten genutzt werden können. Außerdem wurde von Seiten der Firma S mitgeteilt, im L G seien bis 1977 asbesthaltige Materialien (insbesondere bei der Spritzisolierung von Turbinen eingesetzt worden). In der Zeit vom 1978 bis 1984 seien dies Asbesteinbauten durch asbestfreie Produkte ersetzt worden. Mitarbeiter der Firma N1 seien bei derartigen Arbeiten nicht eingesetzt worden. In den Jahren 1987, 1988 und 1990 seien Messungen zur Asbeststaubbelastung durchgeführt worden. Vor diesen Messungen sei durch Blasen mit Druckluft der vorhandene Staub bewusst aufgewirbelt worden. Die Messungen hätten ergeben, dass nur noch an vereinzelten Stellen leicht erhöhte Fasermengen gefunden worden seien. Auf der Grundlage dieser Messungen seien erneut Reinigungsarbeiten durchgeführt worden, so dass davon auszugehen sei, dass ab Ende 1989 keine Faserbelastung von mehr als 15.000 Fasern pro Kubikmeter vorzufinden gewesen sei, so dass nach den geltenden Vorschriften auf Schutzmaßnahmen bei der Arbeit hätte verzichtet werden können. Zu den Messergebnissen vom 23.01.1990 äußerte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten, diese Messungen seien innerhalb des abgeschotteten von den Umgebungsarbeitsplätzen hermetisch abgetrennten Bereichs an und unter der Turbine des Kraftwerkblocks "N" vorgenommen worden. Üblicherweise sei nach dann erfolgter Reinigung die Einhausung entfernt worden, wenn messtechnisch nachgewiesen worden sei, dass die Asbestfaserkonzentration der übiquitären Belastung entsprochen habe, also deutlich niedriger als 1000 F/m³ gelegen habe. Davon müsse auch im vorliegenden Fall ausgegangen werden. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt mit Asbestfasern in den bei der Messung ermittelten Größenordnung Kontakt haben können, da er nicht zum Sanierungspersonal gehört habe. Die Asbestbelastung in Höhe von deutlich weniger als 1000 F/m³ der der Kläger ausgesetzt gewesen sei, gelte für alle Menschen, die sich in dem Umgebungsbereich des Kraftwerks aufgehalten hätten oder in der Gegend gewohnt hätten. Dieser ubiquitäre Asbestfaserstaubbelastung sei bis heute nicht nennenswert gesunken.

Außerdem hat das Gericht, ein von T2 in einem Parallelverfahren des Klägers erstattetes Gutachten beigezogen. Danach besteht beim Kläger eine restriktive Ventilationsstörung durch beiderseitige Rippenfellverschwartungen bei beiderseitiger subpleuraler Lungenfibrose, möglicherweise auf der Basis einer Asbestose.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten, die Akten der Beklagten und die Akten des Parallelverfahrens S 00 RJ 000/00 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 11.01.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2001 ist rechtmäßig. Eine beruflich verursachte Asbeststaublungenerkrankung oder berufsbedingt durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura liegt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor. Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt grundsätzlich voraus, dass zum einen in der Person des Versicherten, die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, d. h. er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der streitigen Berufskrankheit ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen – wie das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden hat – die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschl. ihrer Art und ihres Ausmaßes im Sinne des Vollbeweises also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen seien. Lediglich für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht reicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – aus. Von diesen rechtlichen Voraussetzungen ausgehend sind aufgrund der vorliegenden Firmenauskünfte, Messerergebnisse und Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes die arbeitstechnischen Voraussetzungen der hier streitigen Berufskrankheit zu verneinen. Es kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit im L G Asbestbelastungen ausgesetzt gewesen war, die über das ubiquitäre Maß hinaus gehen. Unstreitig waren im L G, insbesondere bei der Spritzisolierung von Turbinen bis 1977 asbesthaltige Materialien eingesetzt worden. Diese Materialien waren in der Folgezeit jedoch durch asbestfreie Produkte ersetzt worden. Die notwendigen Reinigungsarbeiten wurden von Asbest-Entsorgungskolonnen durchgeführt zu denen Arbeitnehmer der Firma N1 nicht gehörten. Es ist daher nicht bewiesen, dass die Asbestbelastung des Klägers über das übiquitäre Maß von weniger als 1000 F/m³ hinaus ging. Darauf weisen Messergebnisse vom 31.07.1999 hin, wonach die Asbest-Raumluftkonzentration sich in den überprüften Bereichen im Schwankungsbereich unterhalb des vom ehemaligen Bundesgesundheitsamt empfohlenen Richtwerts von weniger als 1000 F/m³ Raumluft bewegt hatten, so dass die überprüften Bereiche ohne Einschränkung genutzt werden konnten. Zwar war der Kläger vor 1999, und zwar vom 05.02.1990 bis 1998 im L G tätig, jedoch kann auf der Grundlage der vorliegenden Messergebnisse nicht davon ausgegangen werden, dass die Asbestbelastung des Klägers höher gelegen hatte. Die Asbestsanierungen waren 1990 bereits abgeschlossen gewesen. Messungen vom 23.01.1990 die punktuell Asbestfaserkonzentration von 22.350 F/m³ ergeben hatten, waren in einem abgeschotteten Bereich erhoben worden, zudem nur Asbest-Entsorgungskolonnen Zutritt hatten. Der Technische Aufsichtsbeamte hat darauf hingewiesen, dass die Abschottung üblicherweise erst entfernt wurde, nach dem messtechnisch nachgewiesen war, dass die Asbestfaserkonzentration der übiquitären Belastung entsprach. Im vorliegenden Fall liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass von dieser üblichen Vorgehensweise abgewichen worden ist. Damit ist nicht bewiesen, dass der Kläger während seiner Beschäftigungszeit im L G einer höheren als übiquitären Asbestfaserstaubbelastung ausgesetzt gewesen war. Auch an seinen übrigen Arbeitsstellen in der BRD war der Kläger relevanten Asbeststaubbelastungen nicht ausgesetzt. Dies gilt insbesondere für seine Tätigkeit bei der Firma J T1. Auf die Ausführungen des Technischen Aufsichtsbeamten wird Bezug genommen. Letztlich bleibt noch darauf hinzuweisen, dass asbestbedingte Veränderungen der Lunge und Pleura des Klägers nicht nachweisbar sind, hat doch T2 einen solchen Zusammenhang lediglich für möglich gehalten.

Soweit der Kläger nach wie vor meint, seine Lungenveränderungen seien auf Asbestbelastungen am Arbeitsplatz zurückzuführen, hat sich die Richtigkeit seiner Behauptung trotz umfassender, von Amts wegen durchgeführter Sachaufklärung nicht beweisen lassen. Die Last des nicht erbrachten Beweises von anspruchsbegründenden Tatsachen hat aber auch im sozialgerichtlichen Verfahren stets derjenige zu tragen, der aus der behaupteten, aber nicht erweislichen Tatsache Rechte herleiten will. Das ist hier der Kläger.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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