L 14 B 1367/05 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AS 6321/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 1367/05 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der jetzt 51 Jahre alte Kläger, der seit dem 30. März 2005 nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis steht und seitdem von der Beklagten Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II) bezieht, begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung einer Rechtsanwältin für die von ihm nach teilweise erfolglosem Widerspruchsverfahren am 21. Juli 2005 beim Sozialgericht erhobene Klage, mit der er die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erstrebt; er macht geltend, dass der ihm erbrachte Regelsatz in Höhe von 345 Euro nicht ausreiche, um sein soziokulturelles Existenzminimum zu sichern. Der der Festlegung des Regelsatzes zugrunde liegende Bedarf sei mit der Wirklichkeit nicht in Übereinstimmung zu bringen. Die tatsächlichen Lebenshaltungskosten lägen deutlich höher als die gewährte Regelleistung

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 27. Oktober 2005 das Gesuch zurückgewiesen; der Beschwerde des Klägers hat es nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

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Die Beschwerde ist unbegründet; die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 der Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Zwar dürfen mit Rücksicht auf die verfassungsrechtlich gebotene Angleichung unbemittelter Prozessparteien an bemittelte die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Die in § 114 ZPO vorgesehene Prüfung der Erfolgsaussichten darf nicht dazu führen, die Rechtsverfolgung selbst in das Prozesskostenhilfeverfahren zu verlagern, das den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen will. Ebenso wenig, wie das Gericht die Erfolgsaussicht aufgrund einer nur oberflächlichen Prüfung verneinen darf, ist der Streitstoff abschließend in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu würdigen. Andererseits gebietet das verfassungsrechtliche Gebot, auch einem Unbemittelten durch Bewilligung von Prozesskostenhilfe den Zugang zum Gericht zu ermöglichen, nur, ihn einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Prozesskostenhilfe muss nicht bewilligt werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist. Dies gilt auch, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht als "schwierig" erscheint (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 u.a. -, BVerfGE 81, 347 [357 f.]).

Nach diesen Maßgaben ist dem Kläger Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen.

Er begründet seine Klage – lediglich – damit, dass die ihm für den hier streitigen Zeitraum bewilligten und gewährten Regelleistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen seien und zur Sicherung seines soziokulturellen Existenzminimums nicht ausreichten; er stellt nicht in Abrede, dass ihm diese Leistungen in der gesetzlich vorgesehenen Höhe (§ 20 Abs. 2 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs [SGB II]) erbracht werden.

Der Senat hat ungeachtet der vom Kläger vorgetragenen und auch der im Schrifttum geäußerten allgemeinen Bedenken gegen die Höhe der Regelleistung und insbesondere gegen die Art und Weise ihrer Festsetzung auf 345 Euro keine begründeten Zweifel daran, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Höhe der Regelleistungen seiner sich aus Artikel 1 Abs. 1 i.V.m. Artikel 20 Abs. 1 und 3 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Verpflichtung, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein – auch – des Klägers zu schaffen, nachgekommen ist; der Senat verweist hierzu auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts sowie ergänzend auf das Urteil des 10. Senats dieses Gerichts vom 9. Mai 2006 – L 10 AS 1093/05 – (vgl. im übrigen zu Art und Weise der Ermittlung des Existenzminimums BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 – 1 BvL 20/84 u.a. –, BVerfGE 82, 60 = SozR 3-5870 § 10 Nr. 1). Soweit ersichtlich, hat auch kein anderes Gericht gemeint, die Festsetzung der Höhe der Regelleistung durch den Gesetzgeber genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Zudem führte die (behauptete) Verfassungswidrigkeit der Festsetzung der Regelleistung allein noch nicht zu einem höheren Leistungsanspruch (für den Kläger).

Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass der Kläger – selbst bei zu seinen Gunsten unterstellter Verfassungswidrigkeit der Festsetzung der Regelleistung auf 345 Euro – dadurch gerade in seinen Rechten verletzt sein könnte, was Voraussetzung für einen Erfolg seiner Klage wäre. Er trägt weder vor, noch belegt er, welchen zum soziokulturellen Existenzminimum zu rechnenden (oder ggfl. darüber hinaus bestehenden Sonder-)Bedarf er durch die ihm zuerkannte Regelleistung nicht decken kann und warum deshalb ihm – von Verfassungs wegen – eine (um wie viel?) höhere Leistung zuzuerkennen sein soll, durch deren Vorenthaltung er in seinen (Grund-)Rechten verletzt wäre (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 2005 – 1 BvR 199/05 –, zu II.2.). Dies ist auch angesichts dessen nicht erkennbar, dass die in § 20 Abs. 2 SGB II festgesetzte Regelleistung höher ist als der bis zum 31. Dezember 2004 in Berlin maßgebliche Regelsatz für Leistungen der Sozialhilfe, dessen Verfassungsmäßigkeit jedenfalls vom Bundesverwaltungsgericht nicht bezweifelt worden ist. Zwar werden damit nunmehr – pauschal – weitere Bedarfe abgedeckt. Es ist aber nicht ersichtlich, geschweige denn vom Kläger im Einzelnen nachvollziehbar vorgetragen, dass er selbst konkret insgesamt einen höheren Bedarf hat.

Unerheblich ist, dass eine (gesetzliche) Festsetzung einer höheren Regelleistung auch dem Kläger – als "Reflex" – zugute käme, selbst wenn er möglicherweise nur einen von der dieser Leistung zugrunde liegenden "Regel" abweichenden geringeren Bedarf haben sollte. Im übrigen würde, selbst wenn im Einzelfall zusätzlich höhere Einzelbedarfe bestünden, eine verfassungsgemäße Regelung noch keine allgemeine Erhöhung des Leistungssatzes erfordern ... Vielmehr könnte dem durch die Gewährung entsprechender Sonderbedarfe im Einzelfall Rechnung getragen werden. Solange der Kläger keine Verletzung eigener (Grund-)Rechte geltend macht, liegt eine unzulässige Popularklage vor, für die Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen ist.

Eine für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche "hinreichende Erfolgsaussicht" ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil mehrere Gerichte in vergleichbaren Verfahren die Revision – offenbar wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG); ein anderer Zulassungsgrund ist jedenfalls nicht ersichtlich – zugelassen haben und inzwischen auch mehrere Revisionen beim Bundessozialgericht dazu anhängig sind. Denn dieser Zulassungsgrund enthält keine Aussage darüber, ob das Rechtsmittel erfolgreich sein wird, sondern nur darüber, dass ein Interesse der Allgemeinheit an der Klärung einer bestimmten Rechtsfrage besteht (BFH, Beschluss vom 21. Dezember 2001 – VII S 13/01 –, BFH/NV 2002, 692).

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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