Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 23 AS 677/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 532/06 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 18. Mai 2005 aufgehoben. Dem Kläger wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt TS, S, H, beigeordnet.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung von Rechtsanwalt S nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. mit §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung. Danach erhält ein Verfahrensbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen vor. Insbesondere hat die Klage entgegen der Auffassung des Sozialgerichts (SG) hinreichende Erfolgsaussicht.
Ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, beurteilt das Gericht ohne abschließende tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Streitstoffs. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob der Kläger eine reale Chance zum Obsiegen hat. Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht überspannt werden (stellvertretend: BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2003 – 1 BvR 1152/02 = SozR 4-1500 § 73a Nr. 1).
Dem SG und der Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass starke Indizien für eine eheähnliche Gemeinschaft (§ 9 Abs. 2 Satz 1 i. V. mit § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II – in der Fassung, die diese Norm vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl. I S. 1706, hatte; im Folgenden: a. F.) zwischen dem Kläger und der E F (im Folgenden: F.) im streitgegenständlichen Zeitraum bestehen, so dass die Hilfebedürftigkeit des Klägers wegen zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens der F. zu verneinen sein könnte. Ungeachtet dessen hat aber jedenfalls die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen den Versagensbescheid der Beklagten vom 27. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2005 hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn diese Bescheide sind rechtswidrig. Entgegen der Auffassung des SG sind die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) nicht erfüllt. Hinsichtlich der von der Beklagten mit Schreiben vom 7. April 2005 verlangten Angaben zum Einkommen und Vermögen der F. fehlt es schon an der Nichterfüllung einer den Kläger treffenden Mitwirkungsobliegenheit. Die Beklagte hätte, da sie von einer eheähnlichen Gemeinschaft ausgeht, diese Auskünfte vielmehr gemäß § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II unmittelbar bei F. einholen müssen. Die Auskunftspflichten des § 60 Abs. 1 bis 4 SGB II sind, anders als die Mitwirkungspflichten des Hilfebedürftigen, die (nur) Obliegenheiten darstellen, als öffentlich-rechtliche Leistungspflicht (Schuld) des Dritten ausgestaltet (Blüggel, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 60, Rn. 7). § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II setzt allerdings schon nach seinem Wortlaut voraus, dass Einkommen oder Vermögens des Partners zu berücksichtigen ist, mithin, dass eine Partnerschaft i. S. d. § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II a. F. besteht (vgl. in diesem Zusammenhang auch: BVerfG, Beschluss vom 2. September 2004 – 1 BvR 1962/04 = juris). Die Beklagte ist bei Bestehen einer derartigen Partnerschaft berechtigt, die gesetzliche Auskunftspflicht des Dritten durch Verwaltungsakt zu konkretisieren (Blüggel, a. a. O., Rn. 44, 53 m. w. N.) und diesen mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen. Die Behörde kann den Partner als Zeugen vernehmen (§§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II, 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X – ) und ggf. nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB X das zuständige Sozialgericht um die Vernehmung ersuchen. Bei unterbliebener oder pflichtwidriger Erfüllung einer bestehenden und fälligen Auskunftspflicht durch den Dritten stehen dem Leistungsträger (bzw. der Bundesagentur) ferner die Rechte und Befugnisse nach §§ 62 und 63 SGB II (Schadenersatz, Geldbuße bis zu zweitausend Euro) zu. Eine Rechtsgrundlage dafür, die Auskünfte zum Einkommen und Vermögen der F. unmittelbar vom Kläger zu verlangen, besteht dagegen nicht. Da es vorliegend um Daten der F. und nicht um Daten des Klägers geht, ist insbesondere kein Fall des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I gegeben; auf eine Zustimmung des Klägers zur Auskunftserteilung im Sinne dieser Vorschrift kommt es insoweit nicht an.
Weil der Kläger zudem die Kosten der Prozessführung nicht selbst aufbringen kann, war ihm für das Verfahren vor dem SG Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T S zu bewilligen.
Bei dieser Sachlage liegt es mit Rücksicht auf das Beschleunigungsgebot (vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) nahe, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Bescheide von sich aus aufhebt und den Leistungsantrag des Klägers, der durch den Versagensbescheid nicht "verbraucht" worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 1990 – 10 RKg 17/89 – SozR 3-5870 § 11 Nr. 1), zügig bescheidet.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung von Rechtsanwalt S nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. mit §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung. Danach erhält ein Verfahrensbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen vor. Insbesondere hat die Klage entgegen der Auffassung des Sozialgerichts (SG) hinreichende Erfolgsaussicht.
Ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, beurteilt das Gericht ohne abschließende tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Streitstoffs. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob der Kläger eine reale Chance zum Obsiegen hat. Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht überspannt werden (stellvertretend: BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2003 – 1 BvR 1152/02 = SozR 4-1500 § 73a Nr. 1).
Dem SG und der Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass starke Indizien für eine eheähnliche Gemeinschaft (§ 9 Abs. 2 Satz 1 i. V. mit § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II – in der Fassung, die diese Norm vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl. I S. 1706, hatte; im Folgenden: a. F.) zwischen dem Kläger und der E F (im Folgenden: F.) im streitgegenständlichen Zeitraum bestehen, so dass die Hilfebedürftigkeit des Klägers wegen zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens der F. zu verneinen sein könnte. Ungeachtet dessen hat aber jedenfalls die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen den Versagensbescheid der Beklagten vom 27. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2005 hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn diese Bescheide sind rechtswidrig. Entgegen der Auffassung des SG sind die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) nicht erfüllt. Hinsichtlich der von der Beklagten mit Schreiben vom 7. April 2005 verlangten Angaben zum Einkommen und Vermögen der F. fehlt es schon an der Nichterfüllung einer den Kläger treffenden Mitwirkungsobliegenheit. Die Beklagte hätte, da sie von einer eheähnlichen Gemeinschaft ausgeht, diese Auskünfte vielmehr gemäß § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II unmittelbar bei F. einholen müssen. Die Auskunftspflichten des § 60 Abs. 1 bis 4 SGB II sind, anders als die Mitwirkungspflichten des Hilfebedürftigen, die (nur) Obliegenheiten darstellen, als öffentlich-rechtliche Leistungspflicht (Schuld) des Dritten ausgestaltet (Blüggel, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 60, Rn. 7). § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II setzt allerdings schon nach seinem Wortlaut voraus, dass Einkommen oder Vermögens des Partners zu berücksichtigen ist, mithin, dass eine Partnerschaft i. S. d. § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II a. F. besteht (vgl. in diesem Zusammenhang auch: BVerfG, Beschluss vom 2. September 2004 – 1 BvR 1962/04 = juris). Die Beklagte ist bei Bestehen einer derartigen Partnerschaft berechtigt, die gesetzliche Auskunftspflicht des Dritten durch Verwaltungsakt zu konkretisieren (Blüggel, a. a. O., Rn. 44, 53 m. w. N.) und diesen mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen. Die Behörde kann den Partner als Zeugen vernehmen (§§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II, 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X – ) und ggf. nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB X das zuständige Sozialgericht um die Vernehmung ersuchen. Bei unterbliebener oder pflichtwidriger Erfüllung einer bestehenden und fälligen Auskunftspflicht durch den Dritten stehen dem Leistungsträger (bzw. der Bundesagentur) ferner die Rechte und Befugnisse nach §§ 62 und 63 SGB II (Schadenersatz, Geldbuße bis zu zweitausend Euro) zu. Eine Rechtsgrundlage dafür, die Auskünfte zum Einkommen und Vermögen der F. unmittelbar vom Kläger zu verlangen, besteht dagegen nicht. Da es vorliegend um Daten der F. und nicht um Daten des Klägers geht, ist insbesondere kein Fall des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I gegeben; auf eine Zustimmung des Klägers zur Auskunftserteilung im Sinne dieser Vorschrift kommt es insoweit nicht an.
Weil der Kläger zudem die Kosten der Prozessführung nicht selbst aufbringen kann, war ihm für das Verfahren vor dem SG Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T S zu bewilligen.
Bei dieser Sachlage liegt es mit Rücksicht auf das Beschleunigungsgebot (vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) nahe, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Bescheide von sich aus aufhebt und den Leistungsantrag des Klägers, der durch den Versagensbescheid nicht "verbraucht" worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 1990 – 10 RKg 17/89 – SozR 3-5870 § 11 Nr. 1), zügig bescheidet.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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