L 18 B 741/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 59 AS 5412/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 741/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juni 2006 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit ab dem 19. Juni 2006 bis zum 30. November 2006 eine monatliche Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 345,- EUR zu gewähren. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im gesamten Verfahren. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist begründet.

Für die auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung monatlicher Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) ab dem 19. Juni 2006 (Antragseingang bei dem Sozialgericht) gerichtete Regelungsanordnung im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) besteht sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund; den ursprünglich weitergehenden Antrag für die Zeit vom 1. März 2006 bis zum 18. Juni 2006 hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht aufrechterhalten (vgl. Schriftsatz vom 1. September 2006)

Der erwerbsfähige und hilfebedürftige Antragsteller hat einen durch eine – vorläufige – Regelung zu sichernden Anspruch (vgl. §§ 7, 8, 9 SGB II) auf die im Tenor genannten Leistungen. Eine Anrechnung des Einkommens seiner Ehefrau hat jedenfalls vorläufig zu unterbleiben, weil bislang nicht abschließend geklärt ist, ob der Antragsteller dauernd getrennt von seiner Ehefrau (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II) bei seiner Schwester NG in der Wohnung L , B, lebt. Zwar könnte, wie der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der im Schriftsatz vom 1. September 2006 nochmals zusammengefassten Indizien zuzugeben ist, der erste Anschein dafür sprechen, dass der Antragsteller nach der Ablehnung von SGB II-Leistungen an die aus ihm und seiner Ehefrau unstreitig bis zum 12. Dezember 2004 bestehenden Bedarfsgemeinschaft sich nur deshalb bei seiner Schwester mit alleinigem Wohnsitz angemeldet hat, um in den Genuss derartiger Leistungen zu kommen. Eine abschließende Klärung ist aber ohne entsprechende Beweisaufnahme (Vernehmung der Ehefrau und der Schwester als Zeuginnen und gegebenenfalls Besichtigung der Wohnung L ) auch in Ansehung des Ermittlungsprotokolls zu der Inaugenscheinnahme vom 17. Januar 2006 nicht möglich, zumal kein allgemeiner Rechts- bzw. Erfahrungssatz des Inhalts existiert, dass eine Wohnung mit einer Fläche von 35 qm nur von einem Menschen bewohnt werden kann. Insoweit ist grundsätzlich auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05, Seite 8 m.w.N.) Ist dies – wie vorliegend – untunlich, hat eine Folgenabwägung stattzufinden.

Danach bestünde im Falle der Ablehnung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die Gefahr, dass die Existenz des Antragstellers zeitweise nicht gesichert wäre. Dieser Nachteil wiegt aber ungleich schwerer als die möglicherweise rechtsgrundlose Erbringung von Leistungen durch die Antragsgegnerin.

Ob und in welchem Umfang der Antragsteller auch bei einem Getrenntleben von seiner Ehefrau einen Unterhaltsanspruch gegen diese hätte, kann dahinstehen. Ein etwaiger Unterhaltsanspruch würde nichts an der Bedürftigkeit des Antragstellers ändern, soweit nicht tatsächlich Unterhaltsleistungen erbracht werden, wofür vorliegend kein Anhalt ersichtlich ist. Vielmehr ginge dieser Unterhaltsanspruch kraft Gesetzes nach entsprechender schriftlicher Anzeige an den Verpflichteten unter den Voraussetzungen des § 33 SGB II auf die Antragsgegnerin über.

Die – vorläufige – Verpflichtung der Antragsgegnerin war auf die Zeit bis zum 30. November 2006 zu befristen, weil in dem Hauptsacheverfahren eine Klärung der für den Anspruch des Antragstellers rechtserheblichen Tatsachen zu erwarten ist.

Dem Antragsteller war für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten zu gewähren, weil die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hatte (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. mit §§ 114 ff., 121 Zivilprozessordnung).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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