Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AL 1019/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3857/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 27. Juni 2006 abgeändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Juli 2006 wird angeordnet, soweit darin eine Erstattung von Arbeitslosengeld sowie hierauf entfallender Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit ab dem 02. August 2005 gefordert wird.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 12.556,64 festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Wesentlichen zu Recht hat das Sozialgericht Ulm die begehrte Aussetzung des Sofortvollzuges der Bescheide der Antragsgegnerin vom 12.01.2006 und vom 26.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 abgelehnt. Allerdings ist die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts vom 27.06.2006 anzuordnen, soweit der geforderten Erstattung ab dem 02.08.2005 erbrachte Leistungen zu Grunde liegen; im Übrigen ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Die gebotene Abwägung (§ 86b Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ergibt, dass das kraft Gesetzes bestehende öffentliche Interesse am Sofortvollzug der im Klageverfahren angegriffenen Bescheide das gegenläufige private Aussetzungsinteresse in Bezug auf den Erstattungszeitraum vom 02.08.2003 bis zum 01.08.2005 überwiegt und nur hinsichtlich der die nachfolgende Zeit vom 02.08.2005 bis zum 20.08.2005 betreffenden Erstattungsforderung der Antragsgegnerin hinter das Interesse der Antragstellerin, vom gesetzlich angeordenten Sofortvollzug (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m. §§ 336a, 147a Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -) einstweilen verschont zu bleiben, zurückzutreten hat. Denn die genannten Behördenentscheidungen sind mit Blick auf den erstgenannten Zeitraum nach aller Voraussicht nicht zu beanstanden, bezüglich der anschließenden Zeit begegnen sie aber bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung rechtlichen Bedenken.
Nach § 147a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 24.03.1999 [BGBl I, 396]; vgl. § 434l Abs. 3 SGB III) erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 SGB III die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, der (damaligen) Bundesanstalt vierteljährlich das Arbeitslosengeld, einschließlich der auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 24 Monate. Die Erstattungspflicht tritt nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist, der Arbeitslose auch die Voraussetzung für eine der in § 142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 SGB III - z. B. für eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung - genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt oder der Arbeitgeber das Vorliegen weiterer im einzelnen bezeichneter Befreiungsgründe darlegt und nachweist (§ 147a Abs. 1 Satz 2 SGB III).
In Anwendung dieser Regelungen sind mit Blick auf die dem Arbeitslosen Eugen Oberle in der Zeit vom 02.08.2003 bis zum 20.08.2005 gewährten Leistungen der Antragsgegnerin zunächst die für das Entstehen der Erstattungspflicht der Antragstellerin maßgeblichen Voraussetzungen des § 147a Abs. 1 Satz 1 SGB III erfüllt; dies ist zwischen der Beteiligten auch nicht im Streit. Anders als die Antragstellerin meint, liegt aber voraussichtlich auch keine der in § 147a Abs. 1 Satz 2 SGB III normierten Ausnahmen von der Erstattungspflicht vor.
§ 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III greift schon deshalb nicht ein, weil diese Befreiungsregelung nur auf ordentliche Kündigungen Anwendung findet (vgl. hierzu Niesel, SGB III, 3. Aufl. 2005, Rdnr. 38 zu § 147a), vorliegend aber eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers erfolgt ist.
Die Antragstellerin hat aber auch nicht dargelegt und nachgewiesen, dass sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer berechtigt war, dieses Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen (§ 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III).
Zwar kommt eine auf betriebsbedingte Gründe gestützte Kündigung gem. § 626 BGB unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Frist ausnahmsweise bei Arbeitnehmern in Betracht, für die an sich die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2000 - B 11 AL 19/00 R -, SozR 3-4100 § 128 Nr. 11). Allerdings gilt dies nur in extremen Ausnahmefällen. Dabei geht es im wesentlichen darum, zu vermeiden, dass der tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung dem Arbeitgeber Unmögliches oder evident Unzumutbares aufbürdet. Dies kann vor allem dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber ohne außerordentliche Kündigungsmöglichkeit gezwungen wäre, ein sinnloses Arbeitsverhältnis über viele Jahre hinweg allein durch Gehaltszahlungen, denen keine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht, aufrechtzuerhalten. Dabei ist ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen. Ferner ist bei der Abgrenzung, unter welchen Voraussetzungen eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist aus betriebsbedingten Gründen gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer zulässig ist, stets die besondere Ausgestaltung des tariflichen Sonderkündigungsschutzes zu berücksichtigen. Stellt die tarifliche Regelung des Sonderkündigungsschutzes für betriebsbedingte Kündigungsgründe bereits Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung, die es dem Arbeitgeber jedenfalls im Regelfall ermöglichen, sich von unzumutbar gewordenen Arbeitsverhältnissen zu lösen, so hat der Arbeitgeber deshalb zunächst von diesen tariflichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Erst wenn feststeht, dass sie versagen, kann überhaupt eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist gegenüber einem tariflich sonst ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen. Dies bedeutet, dass bei einem Tarifvertrag, der bereits in den wesentlichen Fällen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes eine ordentliche Beendigungskündigung und darüber hinaus eine Änderungskündigung zulässt, eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist nur in seltenen Extremfällen in Betracht kommen kann (vgl. zu alledem BAG, Urteil vom 08.04.2003 - 2 AZR 355/02 -, NZA 2003, 856 ff. = BB 2003, 2130 ff. = EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 2).
Danach vermag sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg auf ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu berufen. Zwar war der Arbeitnehmer nach dem von ihr vorgelegten Änderungstarifvertrag (grundsätzlich) nicht mehr ordentlich kündbar. Indes stellte die genannte tarifvertragliche Regelung bereits eine Möglichkeit zur Lösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer zur Verfügung. Denn danach galt - worauf auch die Antragstellerin selbst gewiesen hat - der Ausschluss der ordentlichen Kündigung bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien zur Kündigung nicht. Ein Versagen dieser tarifvertragliche vorgesehenen Lösungsmöglichkeiten hat die Antragstellerin schon nicht behauptet, geschweige denn nachgewiesen.
Die Voraussetzungen der in § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und 7 SGB III geregelten Befreiungstatbestände sind ebenfalls nicht erfüllt. Nach den von ihr mit der Beschwerdebegründung vorgetragen betrieblichen Verhältnissen wäre nämlich gem. § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III bezogen auf die Gesamtzahl der aus dem Betrieb ausscheidenden Arbeitnehmer allenfalls ein Anteil älterer (55 Jahre und älter) i. H. v. 36,4 Prozent zulässig gewesen; ausgeschieden sind aber zu mehr als 50 Prozent Arbeitnehmer dieser Altersgruppe. Auch wurde die in § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III normierte Schwelle eines Personalabbaus von mindestens 20 Prozent nach den von der Antragstellerin selbst vorgetragene Verminderung der Belegschaft nicht erreicht.
Anhaltspunkte für einen im streitigen Zeitraum vorliegenden Anspruch des am 02.08.1945 geborenen Arbeitslosen auf eine andere Sozialleistung i. S. des § 147a Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 SGB III bestehen nicht. Insbesondere kam ein Bezug von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach § 237 i. V. m. § 99 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erst ab dem 01.09.2005 in Betracht.
Dürfte die Antragstellerin danach zwar nicht gem. § 147a Abs. 1 Satz 2 SGB III von der Erstattungspflicht befreit sein, so bestehen Bedenken gegen die von der Antragsgegnerin mit Blick auf die von ihr in der Zeit vom 02.08.2003 bis zum 20.08.2005 gewährten Leistungen geltend gemachte Erstattungsforderung indes in zeitlicher Hinsicht. Denn § 147a Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung) sieht lediglich einen 24 Monate umfassenden Erstattungszeitraum vor, der hier am 01.08.2005 ablief. Bezogen auf die im anschließenden Zeitraum (bis zum 20.08.2005) erbrachten Leistungen ist der Erstattungsbescheid vom 26.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 daher voraussichtlich zu Lasten der Antragstellerin rechtswidrig.
Bedenken gegen die Höhe der von der Antragstellerin für die Zeit vom 02.08.2003 bis zum 02.08.2005 geltend gemachten Erstattungsforderung sind weder vorgetragen noch erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG - in entsprechender Anwendung - i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (- GKG - 1/4 aus EUR 50.226,55; vgl. Nr. 7.1 des Streitwertkataloges für die Sozialgerichtsbarkeit, Ausgabe 2006).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 12.556,64 festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Wesentlichen zu Recht hat das Sozialgericht Ulm die begehrte Aussetzung des Sofortvollzuges der Bescheide der Antragsgegnerin vom 12.01.2006 und vom 26.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 abgelehnt. Allerdings ist die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts vom 27.06.2006 anzuordnen, soweit der geforderten Erstattung ab dem 02.08.2005 erbrachte Leistungen zu Grunde liegen; im Übrigen ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Die gebotene Abwägung (§ 86b Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ergibt, dass das kraft Gesetzes bestehende öffentliche Interesse am Sofortvollzug der im Klageverfahren angegriffenen Bescheide das gegenläufige private Aussetzungsinteresse in Bezug auf den Erstattungszeitraum vom 02.08.2003 bis zum 01.08.2005 überwiegt und nur hinsichtlich der die nachfolgende Zeit vom 02.08.2005 bis zum 20.08.2005 betreffenden Erstattungsforderung der Antragsgegnerin hinter das Interesse der Antragstellerin, vom gesetzlich angeordenten Sofortvollzug (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m. §§ 336a, 147a Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -) einstweilen verschont zu bleiben, zurückzutreten hat. Denn die genannten Behördenentscheidungen sind mit Blick auf den erstgenannten Zeitraum nach aller Voraussicht nicht zu beanstanden, bezüglich der anschließenden Zeit begegnen sie aber bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung rechtlichen Bedenken.
Nach § 147a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 24.03.1999 [BGBl I, 396]; vgl. § 434l Abs. 3 SGB III) erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 SGB III die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, der (damaligen) Bundesanstalt vierteljährlich das Arbeitslosengeld, einschließlich der auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 24 Monate. Die Erstattungspflicht tritt nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist, der Arbeitslose auch die Voraussetzung für eine der in § 142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 SGB III - z. B. für eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung - genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt oder der Arbeitgeber das Vorliegen weiterer im einzelnen bezeichneter Befreiungsgründe darlegt und nachweist (§ 147a Abs. 1 Satz 2 SGB III).
In Anwendung dieser Regelungen sind mit Blick auf die dem Arbeitslosen Eugen Oberle in der Zeit vom 02.08.2003 bis zum 20.08.2005 gewährten Leistungen der Antragsgegnerin zunächst die für das Entstehen der Erstattungspflicht der Antragstellerin maßgeblichen Voraussetzungen des § 147a Abs. 1 Satz 1 SGB III erfüllt; dies ist zwischen der Beteiligten auch nicht im Streit. Anders als die Antragstellerin meint, liegt aber voraussichtlich auch keine der in § 147a Abs. 1 Satz 2 SGB III normierten Ausnahmen von der Erstattungspflicht vor.
§ 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III greift schon deshalb nicht ein, weil diese Befreiungsregelung nur auf ordentliche Kündigungen Anwendung findet (vgl. hierzu Niesel, SGB III, 3. Aufl. 2005, Rdnr. 38 zu § 147a), vorliegend aber eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers erfolgt ist.
Die Antragstellerin hat aber auch nicht dargelegt und nachgewiesen, dass sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer berechtigt war, dieses Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen (§ 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III).
Zwar kommt eine auf betriebsbedingte Gründe gestützte Kündigung gem. § 626 BGB unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Frist ausnahmsweise bei Arbeitnehmern in Betracht, für die an sich die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2000 - B 11 AL 19/00 R -, SozR 3-4100 § 128 Nr. 11). Allerdings gilt dies nur in extremen Ausnahmefällen. Dabei geht es im wesentlichen darum, zu vermeiden, dass der tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung dem Arbeitgeber Unmögliches oder evident Unzumutbares aufbürdet. Dies kann vor allem dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber ohne außerordentliche Kündigungsmöglichkeit gezwungen wäre, ein sinnloses Arbeitsverhältnis über viele Jahre hinweg allein durch Gehaltszahlungen, denen keine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht, aufrechtzuerhalten. Dabei ist ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen. Ferner ist bei der Abgrenzung, unter welchen Voraussetzungen eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist aus betriebsbedingten Gründen gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer zulässig ist, stets die besondere Ausgestaltung des tariflichen Sonderkündigungsschutzes zu berücksichtigen. Stellt die tarifliche Regelung des Sonderkündigungsschutzes für betriebsbedingte Kündigungsgründe bereits Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung, die es dem Arbeitgeber jedenfalls im Regelfall ermöglichen, sich von unzumutbar gewordenen Arbeitsverhältnissen zu lösen, so hat der Arbeitgeber deshalb zunächst von diesen tariflichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Erst wenn feststeht, dass sie versagen, kann überhaupt eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist gegenüber einem tariflich sonst ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen. Dies bedeutet, dass bei einem Tarifvertrag, der bereits in den wesentlichen Fällen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes eine ordentliche Beendigungskündigung und darüber hinaus eine Änderungskündigung zulässt, eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist nur in seltenen Extremfällen in Betracht kommen kann (vgl. zu alledem BAG, Urteil vom 08.04.2003 - 2 AZR 355/02 -, NZA 2003, 856 ff. = BB 2003, 2130 ff. = EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 2).
Danach vermag sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg auf ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu berufen. Zwar war der Arbeitnehmer nach dem von ihr vorgelegten Änderungstarifvertrag (grundsätzlich) nicht mehr ordentlich kündbar. Indes stellte die genannte tarifvertragliche Regelung bereits eine Möglichkeit zur Lösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer zur Verfügung. Denn danach galt - worauf auch die Antragstellerin selbst gewiesen hat - der Ausschluss der ordentlichen Kündigung bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien zur Kündigung nicht. Ein Versagen dieser tarifvertragliche vorgesehenen Lösungsmöglichkeiten hat die Antragstellerin schon nicht behauptet, geschweige denn nachgewiesen.
Die Voraussetzungen der in § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und 7 SGB III geregelten Befreiungstatbestände sind ebenfalls nicht erfüllt. Nach den von ihr mit der Beschwerdebegründung vorgetragen betrieblichen Verhältnissen wäre nämlich gem. § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III bezogen auf die Gesamtzahl der aus dem Betrieb ausscheidenden Arbeitnehmer allenfalls ein Anteil älterer (55 Jahre und älter) i. H. v. 36,4 Prozent zulässig gewesen; ausgeschieden sind aber zu mehr als 50 Prozent Arbeitnehmer dieser Altersgruppe. Auch wurde die in § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III normierte Schwelle eines Personalabbaus von mindestens 20 Prozent nach den von der Antragstellerin selbst vorgetragene Verminderung der Belegschaft nicht erreicht.
Anhaltspunkte für einen im streitigen Zeitraum vorliegenden Anspruch des am 02.08.1945 geborenen Arbeitslosen auf eine andere Sozialleistung i. S. des § 147a Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 SGB III bestehen nicht. Insbesondere kam ein Bezug von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach § 237 i. V. m. § 99 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erst ab dem 01.09.2005 in Betracht.
Dürfte die Antragstellerin danach zwar nicht gem. § 147a Abs. 1 Satz 2 SGB III von der Erstattungspflicht befreit sein, so bestehen Bedenken gegen die von der Antragsgegnerin mit Blick auf die von ihr in der Zeit vom 02.08.2003 bis zum 20.08.2005 gewährten Leistungen geltend gemachte Erstattungsforderung indes in zeitlicher Hinsicht. Denn § 147a Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der hier maßgeblichen Fassung) sieht lediglich einen 24 Monate umfassenden Erstattungszeitraum vor, der hier am 01.08.2005 ablief. Bezogen auf die im anschließenden Zeitraum (bis zum 20.08.2005) erbrachten Leistungen ist der Erstattungsbescheid vom 26.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 daher voraussichtlich zu Lasten der Antragstellerin rechtswidrig.
Bedenken gegen die Höhe der von der Antragstellerin für die Zeit vom 02.08.2003 bis zum 02.08.2005 geltend gemachten Erstattungsforderung sind weder vorgetragen noch erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG - in entsprechender Anwendung - i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (- GKG - 1/4 aus EUR 50.226,55; vgl. Nr. 7.1 des Streitwertkataloges für die Sozialgerichtsbarkeit, Ausgabe 2006).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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