Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 43 AS 6243/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 760/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bei Zuzug von außerhalb darf die Freizügigkeit nicht dadurch behindert werden, dass nur die alte Miete als angemessen angesehen wird.
Maßstab für die Angemessenheit der Unterkunftskosten sind allein die im neuen Wohnbereich geltenden Vorschriften.
Maßstab für die Angemessenheit der Unterkunftskosten sind allein die im neuen Wohnbereich geltenden Vorschriften.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. August 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Bewilligung für den Antragsteller zu 1) bis zum 31. Oktober 2006 befristet ist. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt L, S, B, bewilligt. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für das Beschwerdeverfahren zu tragen.
Gründe:
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 14. August 2006 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den in Bedarfsgemeinschaft lebenden Antragsstellern ab Antragstellung bei Gericht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung der jetzigen Wohnung in B im Einzelnen tenorierten Umfang zu bewilligen.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners vom 25. August 2006, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor. Die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes richtet sich hier nach § 86b Abs. 2 SGG und setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (eine Eilbedürftigkeit des Verfahrens) bestehen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Im vorliegenden Fall sind sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund in dem vom Sozialgericht tenorierten Umfang gegeben. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang auf die Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Das Vorbringen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren,
wonach Leistungsempfänger im Rahmen ihrer Eigenverantwortung gehalten seien, die Kosten des eigenen Lebensunterhalts nicht grundlos zu steigern – die Antragsteller hätten nunmehr eine Wohnungsmiete in Höhe von insgesamt monatlich 542,00 Euro, statt zuvor in W von monatlich 339,20 Euro zu tragen, und sie seien in die B Wohnung umgezogen, ohne sich vergewissert zu haben, ob die Kosten der neuen Wohnung hier übernommen werden, - rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Zwar soll nach § 22 Abs. 2 SGB II vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft eingeholt werden. Der kommunale Träger ist auch nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Das Zusicherungsverfahren hat aber allein Aufklärungs- und Warnfunktion und soll vor einem Umzug des Hilfsbedürftigen diesem Klarheit über die Angemessenheit der Aufwendungen für die neue Unterkunft verschaffen. Die Einholung der Zusicherung ist dagegen keine Voraussetzung für die Erbringung von Leistungen in Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (vgl. hierzu Lang in Eicher/Spellbrink SGB II § 22 RdNr. 52). Entscheidend für die Übernahme dieser Kosten ist vielmehr allein, dass diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Das Sozialgericht hat hierzu bereits ausgeführt, dass die Kosten der Unterkunft im Fall der Antragsteller im Hinblick auf die AV-Wohnen angemessen sind, was auch von dem Antragsgegner nicht bestritten wird. Die Tatsache, dass die Antragsteller in W preisgünstiger gewohnt haben, stellt keinen Grund dar, die durch die höhere Miete in B verursachten – innerhalb B angemessenen – Mehrkosten nicht zu berücksichtigen. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Nach Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz genießen alle Deutschen grundsätzlich Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet; dieses Recht darf nach Artikel 11 Abs. 2 GG nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Das SGB II sieht eine Einschränkung der Freizügigkeit für Leistungsbezieher nach diesem Gesetz nicht vor. Für die Frage, welche Wohnkosten als angemessen übernommen werden, kann es daher nur auf die Angemessenheit im Vergleich zu anderen Wohnungen im Einzugsgebiet ankommen. Dementsprechend gelten die Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen vom 7. Juni 2005), die das Sozialgericht hier zu Recht zur Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Mietwohnung der Antragsteller in B bei summarischer Prüfung zu Grunde gelegt hat, auch nur für B, und können nicht Maßstab für die Angemessenheitsprüfung außerhalb von B sein. Aus welchen Gründen die Antragsteller nach B gezogen sind, und ob der Umzug erforderlich im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II gewesen ist, ist in diesem Zusammenhang nicht zu prüfen. Im Übrigen haben die Antragsteller ihren Umzug nach B nachvollziehbar und verständlich damit begründet, dass für den Sohn der Antragstellerin zu 2) in W kein Ausbildungsplatz gefunden werden konnte, während dies in B der Fall war (vgl. hierzu auch a.a.O. RdNr. 80). Der Senat geht davon aus, dass der Antragsgegner die Rechtsauffassung des Senats auch für die Zeit ab 01. November 2006 berücksichtigen wird.
Den Antragstellern war, da sie bezüglich des jetzt noch streitigen Anspruchs im erstinstanzlichen Verfahren obsiegt haben, auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu gewähren (§§ 73a, 202 SGG i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 14. August 2006 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den in Bedarfsgemeinschaft lebenden Antragsstellern ab Antragstellung bei Gericht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung der jetzigen Wohnung in B im Einzelnen tenorierten Umfang zu bewilligen.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners vom 25. August 2006, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor. Die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes richtet sich hier nach § 86b Abs. 2 SGG und setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (eine Eilbedürftigkeit des Verfahrens) bestehen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Im vorliegenden Fall sind sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund in dem vom Sozialgericht tenorierten Umfang gegeben. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang auf die Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Das Vorbringen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren,
wonach Leistungsempfänger im Rahmen ihrer Eigenverantwortung gehalten seien, die Kosten des eigenen Lebensunterhalts nicht grundlos zu steigern – die Antragsteller hätten nunmehr eine Wohnungsmiete in Höhe von insgesamt monatlich 542,00 Euro, statt zuvor in W von monatlich 339,20 Euro zu tragen, und sie seien in die B Wohnung umgezogen, ohne sich vergewissert zu haben, ob die Kosten der neuen Wohnung hier übernommen werden, - rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Zwar soll nach § 22 Abs. 2 SGB II vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft eingeholt werden. Der kommunale Träger ist auch nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Das Zusicherungsverfahren hat aber allein Aufklärungs- und Warnfunktion und soll vor einem Umzug des Hilfsbedürftigen diesem Klarheit über die Angemessenheit der Aufwendungen für die neue Unterkunft verschaffen. Die Einholung der Zusicherung ist dagegen keine Voraussetzung für die Erbringung von Leistungen in Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (vgl. hierzu Lang in Eicher/Spellbrink SGB II § 22 RdNr. 52). Entscheidend für die Übernahme dieser Kosten ist vielmehr allein, dass diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Das Sozialgericht hat hierzu bereits ausgeführt, dass die Kosten der Unterkunft im Fall der Antragsteller im Hinblick auf die AV-Wohnen angemessen sind, was auch von dem Antragsgegner nicht bestritten wird. Die Tatsache, dass die Antragsteller in W preisgünstiger gewohnt haben, stellt keinen Grund dar, die durch die höhere Miete in B verursachten – innerhalb B angemessenen – Mehrkosten nicht zu berücksichtigen. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Nach Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz genießen alle Deutschen grundsätzlich Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet; dieses Recht darf nach Artikel 11 Abs. 2 GG nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Das SGB II sieht eine Einschränkung der Freizügigkeit für Leistungsbezieher nach diesem Gesetz nicht vor. Für die Frage, welche Wohnkosten als angemessen übernommen werden, kann es daher nur auf die Angemessenheit im Vergleich zu anderen Wohnungen im Einzugsgebiet ankommen. Dementsprechend gelten die Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen vom 7. Juni 2005), die das Sozialgericht hier zu Recht zur Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Mietwohnung der Antragsteller in B bei summarischer Prüfung zu Grunde gelegt hat, auch nur für B, und können nicht Maßstab für die Angemessenheitsprüfung außerhalb von B sein. Aus welchen Gründen die Antragsteller nach B gezogen sind, und ob der Umzug erforderlich im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II gewesen ist, ist in diesem Zusammenhang nicht zu prüfen. Im Übrigen haben die Antragsteller ihren Umzug nach B nachvollziehbar und verständlich damit begründet, dass für den Sohn der Antragstellerin zu 2) in W kein Ausbildungsplatz gefunden werden konnte, während dies in B der Fall war (vgl. hierzu auch a.a.O. RdNr. 80). Der Senat geht davon aus, dass der Antragsgegner die Rechtsauffassung des Senats auch für die Zeit ab 01. November 2006 berücksichtigen wird.
Den Antragstellern war, da sie bezüglich des jetzt noch streitigen Anspruchs im erstinstanzlichen Verfahren obsiegt haben, auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu gewähren (§§ 73a, 202 SGG i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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BRB
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