L 5 KG 1/05

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 5 KG 2/05
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KG 1/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die gesetzliche Konzeption des Kinderzuschlages nach § 6a BKGG verstößt nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil Alleinerziehende gegenüber Elternpaaren, in deren Haushalt das Kind lebt, benachteiligt wären.
1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 17.10.2005 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Gewährung eines Kinderzuschlags nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG).

Die 1974 geborene alleinerziehende Klägerin beantragte am 10.1.2005 bei der Beklagten für ihre 1998 geborene Tochter T einen Kinderzuschlag nach § 6a BKGG, was die Beklagte mit Bescheid vom 16.2.2005 und Widerspruchsbescheid vom 14.3.2005 ablehnte. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Das Kind verfüge über Einkommen, das die Höhe des Kinderzuschlages erreiche, weshalb der Klägerin kein Kinderzuschlag zustehe (§ 6a Abs 2 iVm Abs 3 BKGG). Es erhalte "Unterhalt" in Höhe von 241, EUR, die den maximalen Betrag von 140, EUR übersteige.

Am 14.4.2005 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Wenn man schon den Unterhaltsbetrag, den der Vater zugunsten des Kindes zahle (gemeint sind Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz UhVorschG , die dem Kind der Klägerin gezahlt werden), berücksichtige, müsse man auch anteilig die Wohnkosten als Ausgaben des Kindes in Ansatz bringen, da diese dem Kind zugute kämen. Gleiches gelte für Versicherungen, von welchen das Kind ebenfalls profitiere.

Durch Gerichtsbescheid vom 17.10.2005 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Anrechnung des Unterhaltsanspruchs ergebe sich aus § 6a Abs 3 Satz 1 BKGG. Diese Regelung sei verfassungsgemäß.

Gegen diesen ihr am 19.10.2005 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 17.11.2005 beim SG Trier eingelegte Berufung der Klägerin. Wenn auch Leistungen nach dem UhVorschG angerechnet werden könnten, seien überhaupt keine Fälle mehr denkbar, in denen Kinder allein erziehender Mütter den Kinderzuschlag erhalten könnten.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des SG Trier vom 17.10.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.2.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.3.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Kinderzuschlag nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Klägerin steht der begehrte Kinderzuschlag nicht zu. Gemäß § 6a Abs 1 BKGG erhalten Personen für ihre in ihrem Haushalt lebenden Kinder einen Kinderzuschlag, wenn die in Abs 1 Nr 1 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Kinderzuschlag beträgt für jedes zu berücksichtigende Kind jeweils bis zu 140, EUR monatlich (§ 6a Abs 2 Satz 1 BKGG). Nach § 6a Abs 3 Satz 1 BKGG mindert sich der Kinderzuschlag um das nach §§ 11, 12 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) mit Ausnahme des Wohngeldes zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen des Kindes. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme bestimmter näher genannter Einkommen zu berücksichtigen. Zu den Einnahmen iSd § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II zählen auch solche aus Unterhaltsansprüchen und Leistungen nach dem UhVorschG.

Ausgehend davon steht der Klägerin kein Kinderzuschlag zu, weil die Leistung nach dem UhVorschG, die ihr Kind erhält, höher als der Kinderzuschlag (140, EUR monatlich) ist. Eine Absetzung vom Einkommen nach § 11 Abs 2 SGB II wegen der von der Klägerin genannten Aufwendungen (Wohnkosten, Versicherungen) ist nicht möglich, weil es sich insoweit nicht um Aufwendungen des Kindes im Zusammenhang mit dem von ihm erzielten Einkommen handelt.

Die Konzeption des § 6a BKGG verstößt nicht gegen Vorschriften des Grundgesetzes (GG). Insoweit kommt von vornherein nur ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG in Betracht. Art 3 Abs 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (Osterloh in Sachs, GG, 3. Auflage, Art 3, Rz 13 mwN). Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf die hier in Rede stehende Vorschrift des § 6a BKGG nicht vor.

Der Kinderzuschlag wurde durch Art 46 Nr 3 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2004 (BGBl I 2954), mit dem die Arbeitslosenhilfe durch das Arbeitslosengeld (Alg) II und das Sozialgeld ersetzt wurde, in das BKGG eingefügt. Er ist auf dieses neue System abgestimmt und stellt eine einkommensabhängige, dem Alg II und dem Sozialgeld vorgelagerte Leistung dar. Die Leistung soll verhindern, dass Familien lediglich aufgrund der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder auf den Bezug des Alg II bzw des Sozialgeldes angewiesen sind; außerdem soll ein Arbeitsanreiz durch die gezielte Förderung einkommensschwacher Familien bewirkt werden (Amtliche Begründung zum Gesetzentwurf; BT-Drucks 15/1516 S 2). Eltern oder ein Elternteil, in deren/dessen Haushalt das Kind lebt, kommen nach § 6a Abs 1 Nr 2 BKGG als anspruchsberechtigt nur in Betracht, wenn sie zum einen über ein Mindesteinkommen oder Vermögen verfügen, das ihren nach dem SGB II zu berechnenden Mindestbedarf sicherstellt (untere Einkommensgrenze), und zudem eine obere Einkommensgrenze (untere Einkommensgrenze zuzüglich des Gesamtkinderzuschlages in Höhe von bis zu 140, EUR je berücksichtigungsfähiges Kind) nicht überschreiten. In Anbetracht dieser Regelung kommt von vornherein nur ein relativ geringer Personenkreis als anspruchsberechtigt in Betracht.

Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG ist vorliegend nicht deshalb gegeben, weil Alleinerziehende gegenüber Elternpaaren, in deren Haushalt das Kind lebt, ungerechtfertigt benachteiligt wären. Allerdings kommt ein Kinderzuschlag bei Alleinerziehenden nur in sehr wenigen Fällen in Betracht, weil der Regelunterhalt höher ist als 140, EUR (Art 1 RegelbetragsVO) und, wenn der Unterhaltspflichtige keinen Unterhalt zahlt, ein Anspruch nach dem UhVorschG besteht. Da Leistungen nach dem UhVorschG längstens für 72 Monate gewährt werden (§ 3 UhVorschG), ist jedoch auch bei Alleinerziehenden ein Anspruch nach § 6a BKGG nicht generell ausgeschlossen. Unabhängig davon ist die durch die Anrechnung der Unterhaltsleistung bzw der Unterhaltsvorschussleistung nach dem UhVorschG gemäß § 6a Abs 3 BKGG entstehende Ungleichbehandlung gegenüber zusammenlebenden Elternpaaren durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Bei letzteren wird deren gemeinsames Einkommen im Rahmen der Anspruchsvoraussetzung des § 6a Abs 1 Nr 2 BKGG zusammengerechnet, während bei alleinerziehenden Elternteilen das Einkommen des anderen Elternteils in diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleibt. Aus diesem Grund kann die Frage eines Verstoßes gegen Art 3 Abs 1 GG nicht isoliert auf die Anrechnung eines Anspruchs auf Unterhalt oder Leistungen nach dem UhVorschG beschränkt werden. Dafür dass die Gesamtregelung des § 6a BKGG alleinerziehende Elternteile gegenüber zusammenlebenden Elternpaaren benachteiligt, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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