L 11 KR 3490/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 4183/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3490/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in der Zeit vom 1. Juni 1990 bis zum 13. April 2004 versicherungspflichtig beschäftigt war.

Der 1959 geborene Kläger schloss nach einer Ausbildung zum Verlagskaufmann 1985 das Studium der Betriebswirtschaft erfolgreich ab. Danach war er bis 1990 als Leiter der Marktforschung bei der Firma Z. beschäftigt. Aus der Firma Z. ging die P. M. GmbH (nachfolgend Beigeladene zu 2) hervor, deren Gründung am 13. März 1990 erfolgte. Gegenstand des Unternehmens ist die Marktforschung, Marktbeobachtung, -analyse, die Entwicklung und Prüfung von Marktstrategien sowie Marketingmaßnahmen im Bereich des Verlagswesens. Wichtigster Kunde war und ist die S. W ... Am Stammkapital in Höhe von DM 50.000,- waren als Gründungsmitglieder neben dem Kläger mit 9,6 % (DM 4.800,-) Herr H. mit dem gleichen Gesellschaftsanteil, Herr P. mit 30 % (DM 15.000,-), Herr S. 35 % (DM 17.500,-) und Herr W. mit 15,8 % (DM 7.900,-) als Gesellschafter beteiligt. Nach dem Tod von Herrn P. und dem Neueinstieg von Herrn J. wurden die Gesellschaftsanteile 2000 teilweise neu geordnet und stellten sich danach wie folgt dar:

1) Herr J. DM 2.500,- (5 %) 2) Herr S. DM 25.000,- (50 %) 3) Herr W. DM 7.900,- (15,8 %) 4) Herr H. DM 4.800,- (9,6 %) 5) der Kläger DM 9.800,- (19,6 %).

Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 2) war zunächst Herr S ... Beim Stimmrecht galt die einfache Mehrheit.

Zum 1. Juni 1990 wurde der Kläger von der Beigeladenen zu 2) bei der Einzugsstelle zur Sozialversicherung gemeldet. Ab dem 15. August 1995 wurde ihm Prokura erteilt. Zum 05.11.1996 wurde er zum Mitgeschäftsführer bestellt und ein Anstellungsvertrag, beginnend ab dem 1.10.1996, abgeschlossen. In dem Geschäftsführervertrag wurde unter § 1 Ziffer 2 geregelt, dass der Kläger die Gesellschaft nicht allein, sondern nur gemeinschaftlich mit dem weiteren Geschäftsführer S. vertrete. Sein Tätigkeitsbereich umfasse in erster Linie die gesamte Durchführung von Leser-/Käuferbefragungen, Erstellung und Pflege von Software-Produkten, Software-/Hardware-Betreuung der Firmen Z. P. GmbH und Partner P. GmbH, Koordination aller Tätigkeiten zur Erstellung der Monatsberichte für Z. P. GmbH und Partner P. GmbH sowie Koordination aller Tätigkeiten zur Erstellung diverser Unterlagen für den Zeitschriften-Handel. Weiter wurde geregelt, dass alle über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehenden Fälle einer Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung bedürften (§ 2 Abs. 2 f). Zusätzlich zu dem monatlichen Bruttogehalt werde eine abhängige Tantieme gewährt (§ 5 b). Ihm stehe ein bezahlter Urlaub von 30 Arbeitstagen zu (§ 8 Abs. 1). Bei Arbeitsunfähigkeit bestehe ein Anspruch auf Lohnfortzahlung (§ 9 Abs. 1).

Am 14. April 2004 beschloss die Gesellschafterversammlung zur notariellen Beurkundung, dem Kläger Einzelvertretungsbefugnis und Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu erteilen. Der Gesellschaftsvertrag wurde um die Klausel ergänzt: "7. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zur Zustimmung zu ungewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen, insbesondere zu Geschäften i. S. des § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags sowie zu solchen, die außerhalb des statutarischen Unternehmensgegenstandes oder im Widerspruch zur festgelegten Unternehmenspolitik liegen, bedürfen der Zustimmung des Mitgesellschafters F. R.".

Am 27. Mai 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung der rückwirkenden Versicherungsfreiheit zur Sozialversicherung seit Juni 1990 sowie zugleich die Erstattung von Beiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von insgesamt 178.040,91 EUR. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass er aufgrund seiner Tätigkeit und seiner einschlägigen Erfahrung im Bereich der Marktforschung und Datenbanktechnik 1990 die anderen Gesellschafter zur Gründung der P. V.-M. GmbH gewonnen habe. Dass damals nur der Gesellschafter S. im Handelsregister als Geschäftsführer eingetragen worden wäre, habe seinen Grund in der Außenwirkung bei potenziellen Kunden gehabt. Denn zu dieser Zeit wäre er noch als Gesellschafter-Geschäftsführer der Z. bekannt gewesen. Erst 1996 sei dann - durch die Eintragung ins Handelsregister - seine Tätigkeit nach außen hin als die eines Geschäftsführer dokumentiert worden. Er habe aber von Anbeginn an das Unternehmen verantwortlich geleitet und zu dem entwickelt, was es heute sei. Weisungen seien ihm von Herrn S., zu dem er ein tiefes freundschaftliches Vertrauensverhältnis habe, nie erteilt worden, sondern die Ausgestaltung seiner Tätigkeit sei durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander gekennzeichnet gewesen. Die ihm schließlich erteilte Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB sei schon immer gelebte Praxis gewesen. Ausweislich des beigefügten Feststellungsbogens sei der Kläger keinerlei Weisungen unterlegen und hätte seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten können. Dies habe auch die selbstständige Einstellung und/oder Entlassung von Personal betroffen. Seine Vergütung habe 8.200,- EUR monatlich betragen. Zusätzlich habe er 7,5 % vom Gewinn vor Steuern erhalten.

Mit Bescheid vom 27. September 2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger sei als mitarbeitender Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund seiner geringeren Kapitalbeteiligung und auch wegen der fehlenden Sperrminorität (die Beschlussfassung erfolge in der Gesellschaftsversammlung mit einfacher Mehrheit) ohne maßgeblichen Einfluss gewesen. Aus § 6 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages gehe auch hervor, dass er in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt sei. Er vertrete die Gesellschaft nicht allein, sondern gemeinsam mit Herrn S ... Alle über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehenden Fälle müsse er sich von der Gesellschaftsversammlung genehmigen lassen. Er habe seine Arbeitskraft ausschließlich in den Dienst der Gesellschaft gestellt und deren Geheimhaltungspflicht unterlegen. Die Abbedingung vom Selbstkontrahierungsverbot und seine Branchenkenntnisse seien dagegen für den jeweiligen Geschäftsbereich unerheblich. Der Geschäftsführervertrag enthalte somit zahlreiche typische Bestandteile von Arbeitsverträgen. Diese Kriterien zusammengefasst, komme man zu dem Ergebnis, dass der Kläger ab 1. Juni 1990 beitrags- und versicherungspflichtig sei.

Mit seinem dagegen eingelegte Widerspruch machte der Kläger geltend, für die Entscheidung müssten die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend sein. Durch seine Beteiligung am Stammkapital und am Gewinn habe er ein unternehmerisches Risiko getragen. Des weiteren habe er wesentlichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen zu 2) genommen und ein Vetorecht seit Beginn seiner Tätigkeit gehabt. Zumindest seit Oktober 1996 könne nicht mehr vom Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2004 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als ab 14. April 2004 aufgrund der Neufassung des Gesellschaftsvertrages (§ 11 Abs. 7) nicht mehr von einer Versicherungspflicht für Renten- und Arbeitslosenversicherung ausgegangen werden könne. Im übrigen wies sie den Widerspruch mit der Begründung zurück, in dem Zeitraum seit 1. Juni 1990 und auch nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer am 1. Oktober 1996 hätten die wesentlichen Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses überwogen. Der Kläger habe funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der P. M. GmbH teilgenommen und für seine Beschäftigung ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhalten. Sein Geschäftsführervertrag habe alle wesentlichen Merkmale eines Arbeitsvertrages enthalten. Er sei in den Geschäftsbetrieb eingegliedert und somit abhängig beschäftigt gewesen. Dass er eine variable Erfolgsbeteiligung erhalte, stelle eine typische Vergütungsform für leitende Angestellte dar und könne somit kein entscheidungsrelevantes Unternehmerrisiko belegen. Dass Geschäftsführer spezielle Fachkenntnisse hätten und diese vielfach gerade Voraussetzung für die Übertragung dieser Aufgaben seien, sei ebenfalls durchaus üblich. Die besonderen Fach- und Branchenkenntnisse hätten also gerade der Erfüllung seiner Geschäftsführerpflichten gedient.

Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage machte der Kläger unter Wiederholung seines Vorbringens geltend, maßgebend seien nicht die vertraglichen Vereinbarungen, sondern wie die Verträge gelebt würden. Er sei von Anfang an faktisch Unternehmer gewesen. Gegen seinen Willen hätten keine Gesellschafterbeschlüsse gefasst werden können. Deswegen hätte er auch von Anfang an gegen vertragliche Regeln ohne Folgen verstoßen können. Die vertraglichen Regelungen müssten somit als nicht existent angesehen werden. Die anderen Gesellschafter hätten als Kapitalgeber fungiert. Ohne ihn hätte keine Personalentscheidung erfolgen können.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG nach Beiladung der Versicherungsträger mit Beschluss vom 29. April 2005 die Mitgesellschafter W., J., H. und S. als Zeugen gehört. Hinsichtlich der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf die Niederschriften vom 22.09.2005 und 11.05.2006 verwiesen.

Mit Urteil vom 11. Mai 2006, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 26. Juni 2006, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, die Minderheitsbeteiligungen des Klägers an der Gesellschaft und die schriftlichen Regelungen im Geschäftsführer- und Gesellschaftsvertrag in der bis zum 13. April 2004 gültigen Fassung sprächen für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Zwar hätten die Zeugen übereinstimmend bekundet, dass dem Kläger faktisch keine Weisungen erteilt worden wären und er auch herausragende Bedeutung durch seine fachlichen Kenntnisse für die Firma gehabt habe. Rein rechtlich gesehen hätte er sich aber bis zum 14. April 2004 gegen Weisungen nicht wehren können. Er hätte sich im Zweifel nicht auf eine mündliche Absprache berufen können. Die Kammer hätte sich auch nicht davon überzeugen können, dass der Kläger ab dem 1. Juni 1990 "Kopf und Seele" des Unternehmens gewesen sei und allein das Sagen gehabt habe. Dagegen spreche zunächst sein beruflicher Werdegang. Er sei als Angestellter bei der Firma Z. eingestiegen. Im Rahmen dieser Tätigkeit habe er bereits Marktforschung für die Stiftung Warentest und zwar angeblich selbstständig gemacht. Gleichwohl sei von keinem Beteiligten die Idee aufgegriffen worden, dass er bereits damals selbstständig Tätiger gewesen sein solle. Gemeint könne somit nur sein, dass er fachlich selbstständig gearbeitet, jedoch gleichwohl diese Tätigkeit in einem Anstellungsverhältnis ausgeübt habe. Es sei dann nicht nachvollziehbar, warum er angeblich aufgrund des Bekanntheitsgrades nicht zum Geschäftsführer bestellt worden wäre. Denn er hätte der Stiftung Warentest bereits als Ansprechpartner bekannt sein müssen. Er habe auch die Gründung der Firma nicht für sich selbst vorgenommen, wie dies bei einem selbstständig Tätigen der Fall sei. Kopf und Seele des Unternehmens seien zunächst die beiden Hauptgesellschafter Herr P. und S. gewesen. Herr P. sei als "Senior" bezeichnet worden. Man habe dem Kläger daher offensichtlich nur die Möglichkeit eingeräumt, sich beruflich zu bewähren. In der Folgezeit habe er dann die Erwartungen der Gesellschafter nicht enttäuscht. Wäre er bereits als Selbstständiger ab dem 1. Juni 1990 anzusehen gewesen, hätte er sich solchen Erwartungen nicht stellen müssen, sondern wäre allein für sich und das Schicksal seines Unternehmens verantwortlich gewesen. Seine Bewährung komme nachvollziehbar dadurch zum Ausdruck, dass ihm nach und nach mehr Rechte eingeräumt worden wären: zunächst im Jahr 1995 die Prokura, dann im Jahr 1996 die Bestellung zum Mitgeschäftsführer bei gemeinschaftlicher Vertretung und im Jahr 2004 die Alleinvertretungsbefugnis. Soweit dem Kläger noch zusätzlich ein Vetorecht eingeräumt worden wäre, könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese Änderung vor dem Hintergrund der beabsichtigten Geltendmachung einer Erstattung von Beiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung getroffen worden wäre. Das könne jedoch dahingestellt bleiben, da die Beklagte selbst ab dem 14.04.2004 von dem Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit ausgehe. Dass ein solches Vetorecht bereits zuvor mündlich vereinbart worden wäre, sei nicht überzeugend dargelegt worden. Dass es zwischen allen Gesellschaftern eine mündliche Verhandlung gegeben habe, wonach die Gesellschafterbeschlüsse der Zustimmung durch den Kläger bedürften, sei nicht glaubhaft. Denn mit der Gründung der Gesellschaft sei ihm noch nicht eine Prokura erteilt worden. Das wäre aber im Nachhinein für erforderlich angesehen worden, genauso wie die "offizielle" Bestellung zum Geschäftsführer. Aufgrund der weiterhin unstreitigen tatsächlichen Mitarbeit des Herrn S. und der Stellung von Herrn P. könne auch nicht davon ausgegangen werden, diese seien reine Kapitalgeber gewesen. Nach alledem überwögen damit die Gesichtspunkte dafür, dass in der Zeit vom 1. Juni 1990 bis 13. April 2004 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe.

Mit seiner dagegen am 11. Juli 2006 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, dass er selbstverständlich nur seinen Arbeitnehmeranteil, der 89.020,46 EUR ausmache, begehre. Der Arbeitgeberanteil stehe der Beigeladenen zu 2) zu. Das SG habe nicht beachtet, dass für die Zeit vom 1. Juni 1990 bis 1. Oktober 1996 nicht die Grundsätze zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht eines GmbH-Geschäftsführers heranzuziehen seien. Er sei lediglich als mitarbeitender Gesellschafter tätig gewesen, wobei ihm zusätzlich ab dem 15. August 1995 formal Prokura erteilt worden wäre. Er sei auch zu keinem Zeitpunkt Fremdgeschäftsführer gewesen. Er habe immer Kapitalanteile an der Gesellschaft gehabt, bis 1998 in einer Größenordnung von 9,6 % und danach von 19,6 %. Er habe sich in keine fremdbestimmte Arbeitsorganisation einzugliedern gehabt, denn er habe die Beigeladene zu 2) gegründet. Sie sei seine Idee gewesen und er sei ihr Initiator. Die übrigen Gesellschafter hätten nur das Kapital für seine Idee gegeben. Bei der Vereinbarung eines Vetorechtes habe es sich um eine Form eines Stimmbindungsvertrages gehandelt, die grundsätzlich formlos wirksam sei. Gegen eine Einflussnahme des Hauptgesellschafters P. spreche bereits, dass in den Anfangsjahren des Großeinsatzes der EDV ein 67-jähriger wohl kaum etwas hätte dazu beitragen können. Alle Zeugen hätten klar bestätigt, dass er während der gesamten Dauer des Unternehmens in diesem habe Schalten und Walten können, wie er wolle.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Mai 2006 sowie den Bescheid vom 27. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass er in der Zeit vom 1. Juni 1990 bis zum 13. April 2004 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass mit der Berufungsbegründung keine neuen Tatsachen, sondern im wesentlichen noch einmal die gleichen Argumente vorgetragen würden, die bereits in der ersten Instanz als Klagebegründung gedient hätten. Der Berufungskläger habe dem formalen Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung unterlegen und hätte aufgrund seiner Kapitalanteile keine Beschlüsse verhindern können, die für ihn hätten nachteilig sein können. Dass solche Beschlüsse in der Praxis nicht gefasst worden wären, beseitige nicht das bestehende Weisungsrecht. Eine Änderung sei erst durch den Gesellschaftsvertrag vom 16. April 2004 vorgenommen worden. Einen solchen Stimmbindungsvertrag für 14 Jahre rückwirkend zu konstruieren, sei rechtlich nicht zulässig.

Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn sie ist auch darauf gerichtet, die für den streitbefangenen Zeitraum vom 1. Juni 1990 bis 13. April 2004 entrichteten (Arbeitnehmer-)Gesamtsozialversicherungsbeiträge erstattet zu erhalten und erstreckt sich daher über einen größeren Zeitraum als ein Jahr.

Die zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger in der streitbefangenen Zeit abhängig beschäftigt war und deswegen Beiträge zur Sozialversicherung nicht zu erstatten sind.

Insofern kann dahingestellt bleiben, ob es der Klage bereits teilweise am Rechtsschutzbedürfnis fehlt, da die Beiträge weitestgehend nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) verjährt sind (vgl. hierzu zuletzt Urteil des Senats vom 8. März 2005, L 11 KR 2015/04). Denn jedenfalls steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger in der streitbefangenen Zeit versicherungspflichtig beschäftigt war, die Klage daher unbegründet ist.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Feststellung, ob eine Beschäftigung nicht selbstständig ist, sind im angefochtenen Urteil zutreffend zitiert; hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Nach diesen Kriterien war der Kläger in der streitbefangenen Zeit auch zur Überzeugung des Senats abhängig beschäftigt und hat deswegen der Sozialversicherungspflicht unterlegen. Dies hat das SG ausführlich begründet dargelegt, weswegen der Senat sich auch insoweit ergänzend auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug nimmt.

Dabei waren die Zeiten vor und nach 1996 zu unterscheiden, da der Kläger erst ab diesem Stichtag Geschäftsführer, davor nur mitarbeitender Minderheitengesellschafter war. Während des gesamten Zeitraumes war er somit Gesellschafter, so dass die von der Rspr. aufgestellten Grundsätze zur Fremdgeschäftsführung nicht anzuwenden sind.

Ausgehend hiervon begründet allein die formale Gesellschafterstellung des Klägers nicht seine Selbständigkeit. Denn ein maßgeblicher rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung schließt ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne nur dann aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG, Urteil vom 25.01.2006 B 12 KR 30/04 R, SGb 2006, 219; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 S 13; BSG NJW 1994, 2974). Ein GmbH-Gesellschafter, der in der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschaftsrechte nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 17). Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH nämlich Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (vgl. BSG NJW 1994, 2974, 2975). Dass der Kläger rechtlich bis 1996 an die Weisungen des Alleingeschäftsführers S. gebunden war ergibt sich aus folgendem: Dieser führte die laufenden Geschäfte der GmbH, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten der GmbH gehört. Einschränkungen sieht der Gesellschaftsvertrag vom 19. März 1990 insoweit nicht vor; in ihm hat die Gesellschafterversammlung Weisungsrechte gegenüber Beschäftigten weder allgemein noch im Einzelfall an sich gezogen oder vorbehalten.

Ab seiner Bestellung zum Mitgeschäftsführer Ende 1996 hat sich dadurch rechtlich nichts geändert. Das BSG hat wiederholt entschieden, dass der Geschäftsführer einer GmbH, der - wie der Kläger - weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität verfügt, in der Regel abhängig Beschäftigter der GmbH ist, wenn er bei seiner Tätigkeit der Kontrolle durch die Gesellschafter unterliegt und diese ihre Gesellschaftserrechte tatsächlich ausüben (zuletzt SozR 4-2400 § 7 Nr. 1, Fortführung von BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Im vorliegenden Fall verfügte der Kläger nur über einen Gesellschaftsanteil von fast einem Fünftel. Eine Sperrminorität stand ihm nicht zu. Auch der Geschäftsführervertrag spricht nicht gegen eine abhängige Beschäftigung. Er verpflichtet den Kläger zur Arbeit für die Gesellschaft. Des weiteren wurden sein Tätigkeitsbereich, die Entlohnung, die maßgebende Kündigungsfrist, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall etc. wie bei jedem angestellten Geschäftsführer im einzelnen geregelt. Selbst das dem Kläger 2004 eingeräumte Alleinvertretungsrecht und die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB sind bei einer kleineren GmbH nicht untypisch und deuten deshalb nicht zwingend auf eine selbstständige Tätigkeit. Für eine abhängige Beschäftigung spricht, dass der Kläger als Geschäftsführer verpflichtet war, Anweisungen der Gesellschafterversammlung auszuführen und bei bestimmten Geschäften die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen. Das SG hat darüber hinaus zutreffend festgestellt, dass die Gesellschafter die wesentlichen betrieblichen und unternehmerischen Sachentscheidungen gemeinsam bei regelmäßigen Zusammenkünften sowie stattfindenden Gesellschafterversammlungen getroffen haben. Damit ist aber die tatsächliche Ausübung von Einfluss im Sinne einer regelmäßigen Kontrolle der Tätigkeit des Geschäftsführers durch die Gesellschafter gegeben, weshalb auch von einer Bindung des Klägers an die Entscheidungen der Gesamtheit der Gesellschafter und insoweit von einer Weisungsgebundenheit des Klägers bei seiner Tätigkeit als Geschäftsführer auszugehen ist.

Das SG ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass diese rechtlich bestehende Abhängigkeit durch die tatsächlichen Verhältnisse so überlagert sein kann, dass eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dennoch ausscheidet, dies aber vorliegend nicht der Fall ist. Denn bei einem Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen geben immer letztere den Ausschlag (vgl. BSG SozR - 3-2400 § 7 Nr. 15; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 48; BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 8; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 19, jeweils mwN; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Ob eine Überlagerung rechtlich bestehender Abhängigkeit durch die tatsächlichen Verhältnisse vorliegt, ist anhand einer Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dabei kann auch der Umfang der tatsächlichen Einflussnahme der Gesellschafter auf die GmbH von Bedeutung sein, wobei auch an eine mittelbare Beeinflussung durch Verhinderung entsprechender Beschlüsse - beispielsweise der Entlastung des Geschäftsführers (§ 46 Nr. 5 GmbHG) - zu denken ist (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 22 S 65). Nach Aussagen des Zeugen J. haben die Gesellschafter zwar in das Tagesgeschäft nicht eingegriffen, wohl aber z. B. die Bilanzen kontrolliert und auch wesentliche strategische Unternehmensentscheidungen getroffen, wie nicht zuletzt dem Kläger weitere Befugnisse einzuräumen. Das belegt eine tatsächliche Einflussnahme der Gesellschafter, wenn auch nicht in größeren Umfang, mithin eine Übereinstimmung rechtlicher und tatsächlicher Gestaltung.

Dass der Kläger entscheidende Fachkenntnisse hatte, hat das SG nicht in Abrede gestellt. Dies belegt aber ebenfalls nicht, dass ihm keine Weisungen hätten erteilt werden können. Vielmehr ist es bei leitenden Angestellten üblich, dass diese über spezielle Fachkenntnisse verfügen, die geradezu Voraussetzung für die Erfüllung ihrer Aufgaben sind, weswegen sie auf der anderen Seite auch entsprechend entlohnt werden. Das gilt vorliegend um so mehr, als sich der Geschäftsführer S. nach Aussage des Zeugen H. die Personalverwaltung und die Verwaltungsdinge vorbehalten hat, also wichtige Geschäftsbereiche, in denen der Kläger allenfalls mitbestimmen konnte.

Der zeitliche Einsatz des Klägers von 50 Stunden wöchentlich ohne Überstundenausgleich, der heute nicht nur bei Geschäftsführern, sondern auch bei leitenden und in vielen Fällen auch bei nicht leitend tätigen Angestellten durchaus üblich ist, kann nicht als Indiz für Selbständigkeit herangezogen werden. Auch auf die Beteiligung des Klägers am Gewinn, die Folge seiner Gesellschafterstellung war, kann nicht entscheidend abgestellt werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 1).

Gegen die Bewertung der Tätigkeit als selbständige spricht weiter insbesondere, dass ab seinem Eintritt in die Firma vom 1. Juni 1990 weitere Regelungen mit einem Zuwachs an Eigenständigkeit getroffen wurden, die zuletzt in der Erteilung der Einzelvertretungsbefugnis sowie der in § 11 Abs. 7 getroffenen Klausel, wonach es jeweils einer Zustimmung des Klägers bedurfte, gipfelte. Dieser Regelungen hätte es dann nicht bedurft, wenn, wie es der Kläger behauptet hat, seine Tätigkeit von Anfang an unverändert gewesen wäre.

In diesem Zusammenhang kann auch nicht unbeachtet bleiben, dass der Antrag des Klägers, nachdem er unbeanstandet seit 1990 als sozialversicherungspflichtig gemeldet und sein Lohn auch entsprechend steuerrechtlich verbucht wurde, zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, nachdem der Gesellschaftsvertrag maßgebend zu seinen Gunsten geändert wurde.

Das SG hat darauf die zutreffende Schlussfolgerung gezogen, dass sich der Kläger in dem Unternehmen erst bewähren musste, welches ganz eindeutig für ein Anstellungsverhältnis und nicht für eine selbständige Tätigkeit spricht. Deswegen wurden ihm auch nach und nach mehr Rechte eingeräumt, zunächst im Jahr 1995 die Prokura, dann im Jahr 1996 die Bestellung zum Mitgeschäftsführer bei gemeinschaftlicher Vertretung und schließlich im Jahr 2004 die Einzelvertretungsbefugnis.

Nach alledem ist der Senat insgesamt zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger abhängig beschäftigt war.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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