Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 SB 960/03 KO
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Beschluss:
Die Erinnerung vom 21.07.2006 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.07.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten war streitig, welcher Grad der Behinderung (GdB) beim Kläger im Hinblick auf seine Behinderungen festzustellen war.
Der Kläger hatte beim Beklagten am 26.02.2003 den Antrag auf Feststellung einer Behinderung gestellt, über den mit dem Erlass des Bescheides des Versorgungsamtes vom 14.05.2003 entschieden wurde. Nachdem form- und fristgerecht Widerspruch erhoben worden war, wurde der zuerkannte GdB von 30 mit Teilabhilfe-Bescheid vom 14.07.2003 auf 40 erhöht. Im übrigen wurde der Widerspruch mit Bescheid vom 24.11.2003 als unbegründet zurückgewiesen, wogegen sich die Klage vom 29.12.2003 richtete. Während des gerichtlichen Verfahrens war von Amts wegen zunächst ein Termingutachten von Herrn Dr. F. vom 12.05.2004 eingeholt worden. Auf Antrag des Klägers hatte gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) PD Dr. J. ein Gutachten erstattet. Nach Vorliegen einer versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu war schließlich vom Internisten und Sozialmediziner Dr. G. ein weiteres Gutachten von Amts wegen eingeholt worden. Verbunden mit einem Vergleichsangebot über die Feststellung eines GdB ab 27.09.2004 in Höhe von 50 kam es zur Vorlage einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme durch den Beklagten. Eine weitere Stellungnahme von Herrn Dr. G. und auch von Herrn Dr. J. folgten. Schließlich erstattete Herr Dr. L. ein Termingutachten nach Aktenlage zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.12.2005, in dem er sich der Beurteilung durch Dr. J. anschloss. Die Beteiligten schlossen einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich der Beklagte bereit erklärte, ab Antragstellung einen GdB von 50 festzustellen. Des weiteren erklärte sich der Beklagte bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auf der Basis der Mittelgebühr zu tragen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers nahm die Vergleichsangebote an und beide Beteiligte waren sich darüber einig, dass damit der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt war.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers reichte seine Kostenrechnung zunächst beim Beklagten ein. Nachdem der Beklagte nicht bereit war, diese in vollem Umfang zu begleichen, beantragte er die Kostenfestsetzung. Die geltend gemachten Kosten umfassten u. a. eine erhöhte Mittelgebühr gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) in Höhe von 520,00 EUR und Kosten für 76 Fotokopien in Höhe von 28,90 EUR. Der Beklagte hingegen fand sich nur zur Zahlung von 25,45 EUR für Fotokopien bereit, was er damit begründete, dass sich in den Behindertenakten nur 53 Seiten ärztliche Unterlagen befunden hätten. Dabei seien Vor- und Rückseite bereits berücksichtigt worden. Bei der Beurteilung, ob eine erhöhte Mittelgebühr angefallen ist, wurde auf die Regelung des § 24 BRAGO abgestellt und eine auf die Erledigung des Rechtsstreits gerichtete Tätigkeit verneint. Nachdem das Sachverständigengutachten von Dr. L. vorgelegen habe, habe es eines solchen besonderen Beitrages auch nicht bedurft, wie der Beklagte ausführt. Zwar sei die Vereinbarung vor Gericht als Vergleich bezeichnet worden, dabei habe es sich aber um eine "falsa demonstratio" gehandelt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.07.2006 wurden die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten wie beantragt auf 813,51 EUR festgesetzt. Hinsichtlich des geschlossenen Vergleiches verweist die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle auf die Niederschrift vom 07.12.2005. Bezüglich der Fotokopierkosten wird darauf verwiesen, dass dem Rechtsanwalt die Unterlagen der Beklagten nur kurzfristig zur Verfügung standen, so dass die Fertigung von 76 Kopien erforderlich gewesen sei.
Hiergegen wurde mit Schriftsatz vom 21.07.2006 vom Beklagten Erinnerung erhoben. Die Kosten seien ausgehend von einer nicht nach § 116 Abs. 4 BRAGO erhöhten Gebühr und auf der Grundlage von 53 erstattungsfähigen Kopien zu berechnen. Hinsichtlich der Bezeichnung der Vereinbarung am 07.12.2005 als Vergleich gelte der Grundsatz "falsa demonstratio non nocet". Insoweit wurde auf die bisherigen Ausführungen Bezug genommen. Für den Ansatz der erhöhten Mittelgebühr sei ein besonderes Bemühen um die gütliche Beilegung des Streites zu fordern, das aber nicht vorgelegen habe. Der Beklagtenvertreter sei angesichts der Gutachtenslage bereit gewesen, dem Klagebegehren voll umfänglich zu entsprechen. Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten seien nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO erstattungsfähig, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Nicht geboten sei dabei die Ablichtung der kompletten Behördenakte einschließlich der für die Sache irrelevanten Schriftstücke und Unterlagen, die der Mandant bereits vorliegen habe. Die Akte habe zum Zeitpunkt der Akteneinsicht 79 Seiten umfasst, von denen nur wenige doppelt bedruckt gewesen seien. 53 Kopien seien insoweit erstattungsfähig.
Der Erinnerungsgegner ist der Auffassung, dass die erhöhte Mittelgebühr angefallen ist, unabhängig davon, ob ein Vergleich im Sinne des § 23 BRAGO angefallen ist oder eine Erledigung im Sinne des § 24 BRAGO vorliegt. Es trifft seiner Auffassung nach nicht zu, dass ein Rechtsanwalt besondere Anstrengungen unternehmen muss, um an dieser Erledigung im Termin zur mündlichen Verhandlung mitgewirkt zu haben. Er verweist auf Kommentarliteratur. Ferner wird ausgeführt, dass es dem Ermessen des Rechtsanwaltes überlassen sei, in welchem Umfang die Fertigung von Kopien für erforderlich erachtet werde. Man habe sich entschlossen, die komplette Verfahrensakte zu kopieren, nachdem man im Widerspruchsverfahren für den Kläger noch nicht tätig gewesen sei.
Der Erinnerung wurde durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht abgeholfen.
II.
Die Erinnerung ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
Im Vergleich vom 07.12.2005 erklärte sich die Beklagte bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auf der Basis der Mittelgebühr zu tragen. Nach § 197 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszuges den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Im vorliegenden Fall sind die Regelungen der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) anzuwenden (vgl. die Übergangsvorschrift des § 61 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG).
Grundsätzlich sind der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und auch das Gericht bei der Kostenfestsetzung an die Gebührenfestlegung durch den Rechtsanwalt nach § 12 BRAGO (i. d. F. vom 17.08.2001) gebunden. Nur wenn dieser in unbilliger Weise eine Gebührenfestsetzung getroffen hat, ergibt sich für den Urkundsbeamten bzw. den Kostenrichter die Möglichkeit, von einer gesetzeswidrigen Gebührenfestlegung des Rechtsanwaltes auszugehen (vgl. Gerold/Schmidt-Madert, BRAGO, 14. Auflage, RdNr. 5 zu § 12 BRAGO). Im Rahmen des geschlossenen Vergleiches war von der Beklagten die Erstattung der Kosten auf der Basis der Mittelgebühr zugesagt worden. Daher ist ohne weitere Überprüfung von der Mittelgebühr auszugehen.
§ 116 Abs. 4 BRAGO sieht in den Fällen der §§ 23, 24 BRAGO eine Erhöhung der Höchstbeträge des Abs. 1 um 50 v. H. vor, was dann eine erhöhte Mittelgebühr von 520,00 EUR ergibt, die der Erinnerungsgegner in seinem Antrag auch angesetzt hat. Wirkt der Rechtsanwalt bei einem Vergleich oder einer Erledigung mit, so erhält er dafür keine besondere Gebühr, da die §§ 23, 24 BRAGO nicht gelten. Die Mühewaltung wird vielmehr dadurch abgegolten, dass sich die Höchstbeträge um 50 v. H. erhöhen (Hartmann, Kostengesetze, 33. Auflage, § 116 BRAGO RdNr. 6). Es ist nicht zu beanstanden, dass der Erinnerungsgegner diese erhöhte Gebühr in Ansatz gebracht hat und auch die Festsetzung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle entsprechend erfolgte. Dem Erinnerungsführer ist nicht darin zuzustimmen, dass im vorliegenden Fall kein Vergleich geschlossen worden sei. Somit kann nicht allein die Mittelgebühr gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BRAGO ohne Erhöhung herangezogen werden. Der Beklagte ist der Auffassung, dass mit der Anerkennung eines GdB von 50 durch den Beklagten das Klageziel voll umfänglich erreicht gewesen wäre. Dabei wird auf eine Entscheidung des BSG über die außergerichtlichen Kosten in einem sogenannten isolierten Widerspruchsverfahren Bezug genommen (vgl. BSG, SozR 3-1930 § 116 Nr. 7). In dem vom BSG entschiedenen Fall war nach dem Erlass eines Abhilfebescheides mit der Zuerkennung eines GdB von 50 das Verfahren durch den Rechtsanwalt für beendet erklärt worden. Streitfrage war, ob diese Erledigterklärung als Mitwirkungshandlung im Sinne des § 24 BRAGO anzusehen war. Dies verneinte das BSG, obwohl der Rechtsanwalt die Zuerkennung von einem GdB von mindestens 50 beantragt hatte und ein GdB von 50 zuerkannt wurde. Die Bezugnahme auf diese Entscheidung des BSG geht schon deshalb fehl, weil im vorliegenden Fall ein förmlicher Vergleich geschlossen wurde, für den § 23 BRAGO -über § 116 Abs. 4 BRAGO- anzuwenden ist. Bei einem von den Beteiligten abgeschlossenen Vergleich geht daher auch der Verweis auf eine nicht hinreichende Mitwirkung des Rechtsanwaltes ins Leere. Der Rechtsanwalt war in der mündlichen Verhandlung zugegen und hat die notwendigen Erklärungen abgegeben, was für die Mitwirkung im Sinne des § 23 BRAGO ausreicht.
Der förmlich auf Anregung des Vorsitzenden der 10. Kammer des Sozialgerichtes Nürnberg geschlossene Vergleich ist kein Fall einer "falsa demonstratio non nocet". Es soll bei einigen kurzen Anmerkungen sein Bewenden haben. Nachdem Herr Dr. L. ein sogenanntes Termingutachten nach Aktenlage erstattet hatte, hätten beide Seiten die Einräumung rechtlichen Gehörs geltend machen können (vgl. Stevens-Bartol in: Ehlers, Medizinisches Gutachten im Prozess, 3. Auflage, RdNr. 229). Der Beklagte hätte dies tun können, um seinen Ärztlichen Dienst zu befragen und der Kläger hätte dies tun können, alleine schon deshalb, weil er den Inhalt des Gutachtens innerhalb der Kürze der Zeit als Nichtmediziner unter Umständen nicht würdigen konnte. Mit dem Vergleichsabschluss haben beide Beteiligte auch auf diese Verfahrensrechte verzichtet mit dem Willen, das Verfahren endgültig abzuschließen. Wäre es hingegen durch eine Vertagung zu weiteren medizinischen Ermittlungen gekommen und dabei unter Umständen auch zu anderen medizinischen Ergebnissen, hätte am Ende ein anderer GdB als der im Vergleich zuerkannte stehen können. Die Argumentation des Erinnerungsführers hingegen legt einen Automatismus im Fortgang des Verfahrens nach Vorliegen eines Termingutachtens zugrunde, den es nicht gibt. Die Beteiligten mussten den Ausführungen von Herrn Dr. L. keinesfalls folgen. Im Vergleich war auch eine Regelung über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens getroffen worden. Insofern lag ein Nachgeben des Klägers vor, der sich mit einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers durch die Beklagte auf Basis der Mittelgebühr einverstanden erklärte. Der Beklagte hingegen begab sich der Möglichkeit, im Kostenfestsetzungsverfahren eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr zu beantragen. Gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 i. V. m. § 23 BRAGO ist eine erhöhte Mittelgebühr angefallen.
Auch hat der Beklagte dem Kläger die entstandenen Fotokopierkosten zu erstatten. Die Ausführungen des Erinnerungsgegners im Schriftsatz vom 29.08.2006 hierzu sind zutreffend. Zwar bestimmt § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, dass Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten geboten sein müssen, was aber im vorliegenden Fall nicht dazu führt, dass die Kosten auf die Fertigung von 53 Fotokopien zu beschränken wären. Ob die Kopien im Sinne der Vorschrift geboten sind, bestimmt sich zwar nach einem objektiven Maßstab, der sich aber an der sachgemäßen Bearbeitung durch den Rechtsanwalt ausrichtet. Vom Standpunkt eines vernünftigen, sachkundigen Dritten ist zu bestimmen, was notwendig war. Nicht entscheidend ist also, ob der mit den Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts tagtäglich befasste Sachbearbeiter aus der Behördenakte die für den Rechtsanwalt wesentlichen Aktenteile problemlos bestimmen könnte. Dieser Sachbearbeiter weiß im Gegensatz zum Rechtsanwalt auch um die Aktenteile, in denen die verwaltungsinternen Verfügungen wiedergegeben sind und was diese bedeuten. Bei dem einzunehmenden objektiven Maßstab ist daher der dem Anwalt eingeräumte Ermessensspielraum zu berücksichtigen (vgl. Hartmann, a. a. O., § 27 BRAGO RdNr. 6). Dabei ist es durchaus von Belang, dass der Erinnerungsgegner die Behördenakte nur kurzzeitig in Händen hatte. Eine gründliche Auswertung der Akte konnte von ihm in diesem Verfahrensstadium nicht erwartet werden. Darauf wurde im Kostenfestsetzungsbeschluss auch zutreffend hingewiesen.
Diese Entscheidung ist endgültig (§ 197 Abs. 2 SGG).
Die Erinnerung vom 21.07.2006 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.07.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten war streitig, welcher Grad der Behinderung (GdB) beim Kläger im Hinblick auf seine Behinderungen festzustellen war.
Der Kläger hatte beim Beklagten am 26.02.2003 den Antrag auf Feststellung einer Behinderung gestellt, über den mit dem Erlass des Bescheides des Versorgungsamtes vom 14.05.2003 entschieden wurde. Nachdem form- und fristgerecht Widerspruch erhoben worden war, wurde der zuerkannte GdB von 30 mit Teilabhilfe-Bescheid vom 14.07.2003 auf 40 erhöht. Im übrigen wurde der Widerspruch mit Bescheid vom 24.11.2003 als unbegründet zurückgewiesen, wogegen sich die Klage vom 29.12.2003 richtete. Während des gerichtlichen Verfahrens war von Amts wegen zunächst ein Termingutachten von Herrn Dr. F. vom 12.05.2004 eingeholt worden. Auf Antrag des Klägers hatte gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) PD Dr. J. ein Gutachten erstattet. Nach Vorliegen einer versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu war schließlich vom Internisten und Sozialmediziner Dr. G. ein weiteres Gutachten von Amts wegen eingeholt worden. Verbunden mit einem Vergleichsangebot über die Feststellung eines GdB ab 27.09.2004 in Höhe von 50 kam es zur Vorlage einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme durch den Beklagten. Eine weitere Stellungnahme von Herrn Dr. G. und auch von Herrn Dr. J. folgten. Schließlich erstattete Herr Dr. L. ein Termingutachten nach Aktenlage zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.12.2005, in dem er sich der Beurteilung durch Dr. J. anschloss. Die Beteiligten schlossen einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich der Beklagte bereit erklärte, ab Antragstellung einen GdB von 50 festzustellen. Des weiteren erklärte sich der Beklagte bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auf der Basis der Mittelgebühr zu tragen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers nahm die Vergleichsangebote an und beide Beteiligte waren sich darüber einig, dass damit der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt war.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers reichte seine Kostenrechnung zunächst beim Beklagten ein. Nachdem der Beklagte nicht bereit war, diese in vollem Umfang zu begleichen, beantragte er die Kostenfestsetzung. Die geltend gemachten Kosten umfassten u. a. eine erhöhte Mittelgebühr gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) in Höhe von 520,00 EUR und Kosten für 76 Fotokopien in Höhe von 28,90 EUR. Der Beklagte hingegen fand sich nur zur Zahlung von 25,45 EUR für Fotokopien bereit, was er damit begründete, dass sich in den Behindertenakten nur 53 Seiten ärztliche Unterlagen befunden hätten. Dabei seien Vor- und Rückseite bereits berücksichtigt worden. Bei der Beurteilung, ob eine erhöhte Mittelgebühr angefallen ist, wurde auf die Regelung des § 24 BRAGO abgestellt und eine auf die Erledigung des Rechtsstreits gerichtete Tätigkeit verneint. Nachdem das Sachverständigengutachten von Dr. L. vorgelegen habe, habe es eines solchen besonderen Beitrages auch nicht bedurft, wie der Beklagte ausführt. Zwar sei die Vereinbarung vor Gericht als Vergleich bezeichnet worden, dabei habe es sich aber um eine "falsa demonstratio" gehandelt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.07.2006 wurden die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten wie beantragt auf 813,51 EUR festgesetzt. Hinsichtlich des geschlossenen Vergleiches verweist die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle auf die Niederschrift vom 07.12.2005. Bezüglich der Fotokopierkosten wird darauf verwiesen, dass dem Rechtsanwalt die Unterlagen der Beklagten nur kurzfristig zur Verfügung standen, so dass die Fertigung von 76 Kopien erforderlich gewesen sei.
Hiergegen wurde mit Schriftsatz vom 21.07.2006 vom Beklagten Erinnerung erhoben. Die Kosten seien ausgehend von einer nicht nach § 116 Abs. 4 BRAGO erhöhten Gebühr und auf der Grundlage von 53 erstattungsfähigen Kopien zu berechnen. Hinsichtlich der Bezeichnung der Vereinbarung am 07.12.2005 als Vergleich gelte der Grundsatz "falsa demonstratio non nocet". Insoweit wurde auf die bisherigen Ausführungen Bezug genommen. Für den Ansatz der erhöhten Mittelgebühr sei ein besonderes Bemühen um die gütliche Beilegung des Streites zu fordern, das aber nicht vorgelegen habe. Der Beklagtenvertreter sei angesichts der Gutachtenslage bereit gewesen, dem Klagebegehren voll umfänglich zu entsprechen. Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten seien nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO erstattungsfähig, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Nicht geboten sei dabei die Ablichtung der kompletten Behördenakte einschließlich der für die Sache irrelevanten Schriftstücke und Unterlagen, die der Mandant bereits vorliegen habe. Die Akte habe zum Zeitpunkt der Akteneinsicht 79 Seiten umfasst, von denen nur wenige doppelt bedruckt gewesen seien. 53 Kopien seien insoweit erstattungsfähig.
Der Erinnerungsgegner ist der Auffassung, dass die erhöhte Mittelgebühr angefallen ist, unabhängig davon, ob ein Vergleich im Sinne des § 23 BRAGO angefallen ist oder eine Erledigung im Sinne des § 24 BRAGO vorliegt. Es trifft seiner Auffassung nach nicht zu, dass ein Rechtsanwalt besondere Anstrengungen unternehmen muss, um an dieser Erledigung im Termin zur mündlichen Verhandlung mitgewirkt zu haben. Er verweist auf Kommentarliteratur. Ferner wird ausgeführt, dass es dem Ermessen des Rechtsanwaltes überlassen sei, in welchem Umfang die Fertigung von Kopien für erforderlich erachtet werde. Man habe sich entschlossen, die komplette Verfahrensakte zu kopieren, nachdem man im Widerspruchsverfahren für den Kläger noch nicht tätig gewesen sei.
Der Erinnerung wurde durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht abgeholfen.
II.
Die Erinnerung ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
Im Vergleich vom 07.12.2005 erklärte sich die Beklagte bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auf der Basis der Mittelgebühr zu tragen. Nach § 197 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszuges den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Im vorliegenden Fall sind die Regelungen der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) anzuwenden (vgl. die Übergangsvorschrift des § 61 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG).
Grundsätzlich sind der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und auch das Gericht bei der Kostenfestsetzung an die Gebührenfestlegung durch den Rechtsanwalt nach § 12 BRAGO (i. d. F. vom 17.08.2001) gebunden. Nur wenn dieser in unbilliger Weise eine Gebührenfestsetzung getroffen hat, ergibt sich für den Urkundsbeamten bzw. den Kostenrichter die Möglichkeit, von einer gesetzeswidrigen Gebührenfestlegung des Rechtsanwaltes auszugehen (vgl. Gerold/Schmidt-Madert, BRAGO, 14. Auflage, RdNr. 5 zu § 12 BRAGO). Im Rahmen des geschlossenen Vergleiches war von der Beklagten die Erstattung der Kosten auf der Basis der Mittelgebühr zugesagt worden. Daher ist ohne weitere Überprüfung von der Mittelgebühr auszugehen.
§ 116 Abs. 4 BRAGO sieht in den Fällen der §§ 23, 24 BRAGO eine Erhöhung der Höchstbeträge des Abs. 1 um 50 v. H. vor, was dann eine erhöhte Mittelgebühr von 520,00 EUR ergibt, die der Erinnerungsgegner in seinem Antrag auch angesetzt hat. Wirkt der Rechtsanwalt bei einem Vergleich oder einer Erledigung mit, so erhält er dafür keine besondere Gebühr, da die §§ 23, 24 BRAGO nicht gelten. Die Mühewaltung wird vielmehr dadurch abgegolten, dass sich die Höchstbeträge um 50 v. H. erhöhen (Hartmann, Kostengesetze, 33. Auflage, § 116 BRAGO RdNr. 6). Es ist nicht zu beanstanden, dass der Erinnerungsgegner diese erhöhte Gebühr in Ansatz gebracht hat und auch die Festsetzung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle entsprechend erfolgte. Dem Erinnerungsführer ist nicht darin zuzustimmen, dass im vorliegenden Fall kein Vergleich geschlossen worden sei. Somit kann nicht allein die Mittelgebühr gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BRAGO ohne Erhöhung herangezogen werden. Der Beklagte ist der Auffassung, dass mit der Anerkennung eines GdB von 50 durch den Beklagten das Klageziel voll umfänglich erreicht gewesen wäre. Dabei wird auf eine Entscheidung des BSG über die außergerichtlichen Kosten in einem sogenannten isolierten Widerspruchsverfahren Bezug genommen (vgl. BSG, SozR 3-1930 § 116 Nr. 7). In dem vom BSG entschiedenen Fall war nach dem Erlass eines Abhilfebescheides mit der Zuerkennung eines GdB von 50 das Verfahren durch den Rechtsanwalt für beendet erklärt worden. Streitfrage war, ob diese Erledigterklärung als Mitwirkungshandlung im Sinne des § 24 BRAGO anzusehen war. Dies verneinte das BSG, obwohl der Rechtsanwalt die Zuerkennung von einem GdB von mindestens 50 beantragt hatte und ein GdB von 50 zuerkannt wurde. Die Bezugnahme auf diese Entscheidung des BSG geht schon deshalb fehl, weil im vorliegenden Fall ein förmlicher Vergleich geschlossen wurde, für den § 23 BRAGO -über § 116 Abs. 4 BRAGO- anzuwenden ist. Bei einem von den Beteiligten abgeschlossenen Vergleich geht daher auch der Verweis auf eine nicht hinreichende Mitwirkung des Rechtsanwaltes ins Leere. Der Rechtsanwalt war in der mündlichen Verhandlung zugegen und hat die notwendigen Erklärungen abgegeben, was für die Mitwirkung im Sinne des § 23 BRAGO ausreicht.
Der förmlich auf Anregung des Vorsitzenden der 10. Kammer des Sozialgerichtes Nürnberg geschlossene Vergleich ist kein Fall einer "falsa demonstratio non nocet". Es soll bei einigen kurzen Anmerkungen sein Bewenden haben. Nachdem Herr Dr. L. ein sogenanntes Termingutachten nach Aktenlage erstattet hatte, hätten beide Seiten die Einräumung rechtlichen Gehörs geltend machen können (vgl. Stevens-Bartol in: Ehlers, Medizinisches Gutachten im Prozess, 3. Auflage, RdNr. 229). Der Beklagte hätte dies tun können, um seinen Ärztlichen Dienst zu befragen und der Kläger hätte dies tun können, alleine schon deshalb, weil er den Inhalt des Gutachtens innerhalb der Kürze der Zeit als Nichtmediziner unter Umständen nicht würdigen konnte. Mit dem Vergleichsabschluss haben beide Beteiligte auch auf diese Verfahrensrechte verzichtet mit dem Willen, das Verfahren endgültig abzuschließen. Wäre es hingegen durch eine Vertagung zu weiteren medizinischen Ermittlungen gekommen und dabei unter Umständen auch zu anderen medizinischen Ergebnissen, hätte am Ende ein anderer GdB als der im Vergleich zuerkannte stehen können. Die Argumentation des Erinnerungsführers hingegen legt einen Automatismus im Fortgang des Verfahrens nach Vorliegen eines Termingutachtens zugrunde, den es nicht gibt. Die Beteiligten mussten den Ausführungen von Herrn Dr. L. keinesfalls folgen. Im Vergleich war auch eine Regelung über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens getroffen worden. Insofern lag ein Nachgeben des Klägers vor, der sich mit einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers durch die Beklagte auf Basis der Mittelgebühr einverstanden erklärte. Der Beklagte hingegen begab sich der Möglichkeit, im Kostenfestsetzungsverfahren eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr zu beantragen. Gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 i. V. m. § 23 BRAGO ist eine erhöhte Mittelgebühr angefallen.
Auch hat der Beklagte dem Kläger die entstandenen Fotokopierkosten zu erstatten. Die Ausführungen des Erinnerungsgegners im Schriftsatz vom 29.08.2006 hierzu sind zutreffend. Zwar bestimmt § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, dass Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten geboten sein müssen, was aber im vorliegenden Fall nicht dazu führt, dass die Kosten auf die Fertigung von 53 Fotokopien zu beschränken wären. Ob die Kopien im Sinne der Vorschrift geboten sind, bestimmt sich zwar nach einem objektiven Maßstab, der sich aber an der sachgemäßen Bearbeitung durch den Rechtsanwalt ausrichtet. Vom Standpunkt eines vernünftigen, sachkundigen Dritten ist zu bestimmen, was notwendig war. Nicht entscheidend ist also, ob der mit den Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts tagtäglich befasste Sachbearbeiter aus der Behördenakte die für den Rechtsanwalt wesentlichen Aktenteile problemlos bestimmen könnte. Dieser Sachbearbeiter weiß im Gegensatz zum Rechtsanwalt auch um die Aktenteile, in denen die verwaltungsinternen Verfügungen wiedergegeben sind und was diese bedeuten. Bei dem einzunehmenden objektiven Maßstab ist daher der dem Anwalt eingeräumte Ermessensspielraum zu berücksichtigen (vgl. Hartmann, a. a. O., § 27 BRAGO RdNr. 6). Dabei ist es durchaus von Belang, dass der Erinnerungsgegner die Behördenakte nur kurzzeitig in Händen hatte. Eine gründliche Auswertung der Akte konnte von ihm in diesem Verfahrensstadium nicht erwartet werden. Darauf wurde im Kostenfestsetzungsbeschluss auch zutreffend hingewiesen.
Diese Entscheidung ist endgültig (§ 197 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved