Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 404/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 151/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 22. Mai 2003 sowie des Bescheides der Beklagten vom 7. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2002 festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Amtstierarzt für den Beigeladenen zu 1) ab 1. Dezember 1996 in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig ist.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten; weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung als Amtstierarzt seit 01.12.1996
Der 1944 geborene Kläger hat eine eigene Praxis als Tierarzt in S ... Seit 01.01.1990 war er daneben als Amtstierarzt beim Landkreis S. geringfügig beschäftigt. Aufgrund eines am 24.04.1994 erlittenen Arbeitsunfalls als selbständiger Tierarzt erhält er (aus der Unternehmerversicherung) von der Berufsgenossenschaft (BG) für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege eine Rente seit 04.11.1996. Als Folge des Arbeitsunfalls waren anerkannt u.a. eine eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit der linken Hand, ein Zustand nach unfallbedingten Verlust des linken Zeigefinger sowie Teilverlust des linken Daumens. Der Kläger erzielte ab 01.12.1996 in der Tätigkeit als Amtstierarzt eine monatliche Bruttovergütung von circa 2.000,00 DM, die als Stückvergütung berechnet wird.
Das Landratsamt S. meldete die geringfügige Beschäftigung des Klägers zum 30.11.1996 ab und bat mit Schreiben vom 11.12.1996 die Beklagte um Überprüfung der Versicherungspflicht. Die Beklagte teilte am 06.06.1997 dem Landratsamt S. mit, der Kläger sei in seiner Nebenbeschäftigung in der Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.12.1996 versicherungsfrei. In der Arbeitslosenversicherung sei er vom 01.12.1996 bis 31.03.1997 versicherungsfrei, jedoch ab 01.04.1997 versicherungspflichtig. In der Rentenversicherung sei er ab 01.12.1996 versicherungspflichtig in seiner Nebenbeschäftigung. Für den Kläger arbeite eine geringfügig beschäftigte Arbeitnehmerin, jedoch überwiege die wirtschaftliche Bedeutung der selbstständigen Tätigkeit gegenüber der Beschäftigung als Amtstierarzt beim Landkreis.
Der Klägerbevollmächtigte beantragte am 18.12.2001 bei der Beklagten die Feststellung der Pflichtversicherung ab 01.12.1996 in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Einkünfte des Klägers aus der Praxistätigkeit lägen weit unter der Beitragsbemessungsgrenze. Er habe lediglich eine geringfügig Beschäftigte gehabt, zur Zeit keinerlei Beschäftigte mehr. Aus den beigefügten Steuerbescheiden ergaben sich folgende Einkünfte: für das Jahr 1995 aus selbständiger Tätigkeit -24.723,00 DM, für das Jahr 1996 aus selbständiger Tätigkeit -20.967,00 DM und aus nichtselbständiger Arbeit 2.851,00 DM, für das Jahr 1997 aus selbständiger Tätigkeit -18.146,00 DM und aus nichtselbständiger Tätigkeit 29.823,00 DM und für das Jahr 1998 aus selbständiger Tätigkeit -4.873,00 DM und aus nichtselbständiger Tätigkeit 27.417,00 DM. Außerdem legte der Kläger noch die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz vor, woraus sich im Jahr 1994 Einnahmen von 95.791,22 DM, im Jahr 1995 von 49.866,58 DM, im Jahr 1996 von 55.808,98 DM, im Jahr 1997 von 61.709,70 DM, im Jahr 1998 von 70.050,73 DM und im Jahr 1999 von 70.904,20 DM ergaben
Mit Bescheid vom 07.03.2002 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger in seiner Beschäftigung beim Landratsamt S. rentenversicherungspflichtig und beitragspflichtig zur Bundesanstalt für Arbeit sei, in der Kranken- und Pflegeversicherung sei er nicht versicherungspflichtig. Er übe eine selbständige Erwerbstätigkeit in Form einer Tierarztpraxis aus. Die Betriebseinnahmen seien jährlich durchschnittlich über 85.000,00 DM, in der Beschäftigung beim Landratsamt S. erziele er ein durchschnittliches jährliches Einkommen von 28.200,00 DM. Nach Auskunft des Landratsamts betrage seine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit weniger als 18 Stunden. In seiner Tierarztpraxis arbeite er wöchentlich etwa 15 Stunden, hinzuzurechnen seien die erforderlichen Vor- und Nacharbeiten sowie die Zeiten für Hausbesuche; damit betrage die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit etwa 25 Stunden.
Der Kläger legte dagegen am 27.03.2002 Widerspruch ein und legte Aufzeichnungen über den Umfang seiner verschiedenen Tätigkeiten vor. Er arbeite durchschnittlich mehr als 18 Stunden wöchentlich für den Landkreis S. und in seiner Tierarztpraxis wöchentlich etwa 15 Stunden.
Die Beklagte wies mit dem Widerspruchsbescheid vom 28.11.2002 den Widerspruch zurück. Unter Einbeziehung entsprechender Vor- und Nacharbeiten sei von einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit in der Tierarztpraxis von circa 25 Stunden auszugehen. Aber auch anhand der vorliegenden Einkommensteuerbescheide und der Gewinn- und Verlustrechnungen ergebe sich wirtschaftlich eine höhere Bedeutung der ausgeübten selbständigen Tierarzttätigkeit. Der Kläger habe in den Jahren 1994 bis 1999 jeweils Betriebseinnahmen von 70.000,00 bis 112.000,00 DM gehabt. Aus der Beschäftigung beim Landratsamt S. habe er lediglich ein jährliches Einkommen von durchschnittlich 28.200,00 DM erzielt. Es handle sich um eine gut gehende Tierarztpraxis. Daneben habe er auch noch als Tierarzt der Deutschen Reiter-Nationalmannschaft gearbeitet.
Der Kläger hat hiergegen am 23.12.2002 beim Sozialgericht Regensburg (SG) Klage erhoben. Bei ihm bestehe seit 01.12.1996 Krankenversicherungspflicht. Unzutreffend sei die Auffassung der Beklagten, er sei nicht Tierarzt bei der Deutschen Reiter-Nationalmannschaft, sondern bei einer Mannschaft der Vielseitigkeitsreiter und er erhalte für diese Tätigkeit als Tierarzt lediglich Ersatz von Fahrkosten. Maßgebend seien nicht die Betriebseinnahmen und -ausgaben, vielmehr nur der Gewinn, da der Umsatz aus den nebenher getätigten Medikamenteneinkäufen und -verkäufen nichts über das wirtschaftliche Schwergewicht seiner Tätigkeit aussagen könne. Er sei während der Praxiszeiten zwar regelmäßig im Haus, aber habe nur sporadisch Kunden. Wegen des 1994 erlittenen Unfalls sei die Tätigkeit als freier Tierarzt in den Hintergrund getreten. Insbesondere sei er durch den Verlust von Handfingergliedern in seiner Tätigkeit als Tierarzt erheblich eingeschränkt. Außerdem führe er während der Praxisstunden noch Fleischbeschau durch. Die wöchentliche Arbeitszeit für das Landratsamt betrage regelmäßig mehr als 18 Stunden, die Tätigkeit als Tierarzt liege weit darunter, wenn man auf die tatsächlichen Arbeitszeiten abstelle.
Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, das aus den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden sich ergebende Negativeinkommen sei nicht geeignet, das wirtschaftliche Gewicht der selbständigen Tätigkeit zu reduzieren. Der Kläger sei nur aufgrund der Tierarzttätigkeit in der Lage gewesen, die Versicherungsbeiträge zu zahlen. Auch die von der BG zugebilligte Rente beruhe auf einem Jahresverdienst von über 60.000,00 DM.
Das SG hat mit Urteil vom 22.05.2003 die Klage abgewiesen; die Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit würden das Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit überwiegen. Es sei noch in Betracht zu ziehen, dass der Kläger als Tierarzt auch in Bauernhöfen die Tiere behandelt und den Landwirten Arzneimittel verkauft. Da der Kläger nicht Buch darüber führe, in welchem zeitlichen Ausmaß er sich als Selbständiger bzw. als angestellter Tierarzt betätige und sich dies auch aus dem Einkommensteuerbescheid nicht zwingend ergebe, er seine Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit nicht "herunterrechnen" könne, wie dies beim Arbeitseinkommen der Fall ist, sei der Auffassung der Beklagten beizupflichten.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 14.07.2003, mit der er erneut geltend macht, er habe in den letzten Jahren aus seiner Arztpraxis lediglich negative Einkünfte erzielt. Es handle sich hierbei nicht um eine Liebhaberei, sondern um eine nebenberufliche Tätigkeit, die er weiterhin ausübt, um wenigstens seine bestehenden Belastungen zu finanzieren. Wären diese Belastungen nicht, hätte er die Arztpraxis längst aufgegeben. Aufgrund des Arbeitsunfalls habe sich ein Einschnitt in der Einkommensentwicklung ergeben. Die Auffassung des SG, er suche in erheblichem zeitlichen Umfang Landwirte auf und behandle die Tiere, sei nicht zutreffend. Die hohen Fahrzeugkosten ergäben sich aus den Reparaturen. Seine Einkünfte aus der freien tierärztlichen Tätigkeit seien überwiegend auf den Verkauf von Medikamenten zurückzuführen. Der Senat hat noch die Einkommensteuerbescheide des Klägers für die Zeit von 1999 bis 2003 beigezogen.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 22.05.2003 und Aufhebung des Bescheids vom 07.03.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2002 zur Feststellung zu verpflichten, dass der Kläger ab 01.12.1996 versicherungspflichtig auch in der Kranken- und Pflegeversicherung ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 2, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil und die Bescheide der Beklagten sind aufzuheben und es ist festzustellen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), dass der Kläger seit 01.12.1996 aufgrund seiner Tätigkeit als Amtstierarzt beim Landkreis S. in der gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung versicherungspflichtig ist (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch V - SGB V, 20 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch XI - SGB XI).
Der Versicherungspflicht des Klägers steht § 6 Abs. 3a SGB V nicht entgegen. Nach dieser durch Gesetz von 22.12.1999 (BGBl I S. 2626) eingefügten Vorschrift sind Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, versicherungsfrei, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber das Prinzip stärken, dass versicherungsfreie Personen, die sich frühzeitig für eine Absicherung in der privaten Krankenversicherung entschieden hatten, diesem System auch im Alter angehören sollen. Da die Leistungsausgaben für ältere Versicherte ihre Beiträge im Regelfall erheblich übersteigen, würden die Beitragszahler durch diesen Wechsel zwischen Versicherungssystemen unzumutbar belastet. Die Regelung greift allerdings nur ein, wenn die Versicherungspflicht nach Vollendung des 55. Lebensjahres beginnen würde. Wer schon bei Erreichen dieser Altersgrenze versicherungspflichtig ist, wird von der Regelung nicht betroffen (Kassler Kommentar-Peters, § 6 SGB V, Rndnrn. 43, 44 m.w.N.). Da der Eintritt der Versicherungspflicht nicht von einem Antrag abhängt, sondern von der Aufnahme einer Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch IV - SGB IV), kommt es für die Prüfung der Altersgrenze nicht auf den Antrag vom 18.12.2001 auf Prüfung des Versicherungsverhältnisses, sondern auf den Tag nach der Beendigung der geringfügigen Beschäftigung, also auf den 01.12.1996 an. An diesem Tag hatte der Kläger die Altersgrenze nicht erreicht.
Unstreitig handelt es sich bei der Tätigkeit des Klägers als Amtstierarzt für den Landkreis S. um eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Problematisch ist lediglich die Abgrenzung zu seiner Tätigkeit als Tierarzt in freier Praxis. Die Abgrenzung ist gemäß § Abs. 5 SGB V vorzunehmen, wonach nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nicht versicherungspflichtig ist, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Als Regel gilt, dass die Versicherungspflicht ausgeschlossen ist, wenn die selbständige die Haupttätigkeit, die abhängige Beschäftigung eine Nebentätigkeit ist. Dagegen besteht Versicherungspflicht, wenn das Beschäftigungsverhältnis die Hauptbeschäftigung bildet und die selbständige Tätigkeit nur Nebentätigkeit ist. Die Abgrenzung erfolgt dadurch, dass für die Beschäftigung und die selbstständige Tätigkeit jeweils der Zeitaufwand und das Entgelt zu ermitteln und miteinander zu vergleichen sind. Überwiegt beides bei der Beschäftigung, besteht Versicherungspflicht, überwiegt beides bei der selbständigen Tätigkeit, besteht Versicherungsfreiheit. Ist ein Faktor (Zeitaufwand oder Entgelt) bei Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit gleich, gibt das Überwiegen des anderen Faktors den Ausschlag. Überwiegt ein Faktor bei der Beschäftigung, der andere bei der selbständigen Tätigkeit, ist abzuwägen. Dabei dürfte die Arbeitszeit in der Beschäftigung die brauchbarsten Hinweise geben. Bei einer mehr als halbschichtigen Beschäftigung wird die selbständige Tätigkeit in der Regel nebenberuflich sein, außer unter Umständen, wenn das Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) das Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) deutlich übersteigt. In Grenzfällen ist zu beachten, dass die selbständige Erwerbstätigkeit die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigen und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellen muss. Hierbei können auch Verfahrensregeln der Abgrenzung dienen: Das Vorliegen einer hauptberuflichen selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 5 SGB V muss, weil sie eine Ausnahme von der Versicherungspflicht begründet, festgestellt werden. Die Feststellungslast trägt derjenige, der sich auf Abs. 5 beruft. Es wird eine vorausschauende Betrachtungsweise angezeigt sein. Tatsächliche Änderungen, die zu einer anderen Beurteilung führen, wirken sich dann erst für die Zukunft aus (Kassler Kommentar-Peters, a.a.O.O, Rndnr. 157).
Nach diesen Grundsätzen ist die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei der Abgrenzung der Tätigkeiten eines Landwirts zu einer entgeltlichen Beschäftigung verfahren. Das BSG hat mit Urteil vom 16.11.1995 (BSGE 77, 93, 94) entschieden, dass eine selbständige Erwerbstätigkeit dann als hauptberuflich anzusehen ist, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt. Es hat mit Urteil vom 29.09.1997 (SozR 3-5420 § 3 Nr. 3) jedoch dem Kriterium Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit keine eigenständige Bedeutung mehr zugemessen. Maßgebend für die Abgrenzung zur Versicherungspflicht (in der Krankenversicherung der Landwirte) war vielmehr, dass die selbständige Erwerbstätigkeit in der wirtschaftlichen Bedeutung und im zeitlichen Aufwand her die abhängige Beschäftigung deutlich übersteigt. Trifft eine abhängige Beschäftigung mit einer (landwirtschaftlichen) Unternehmertätigkeit zusammen, sind bei der für die Beurteilung der Hauptberuflichkeit im Sinne des § 5 Abs. 5 SGB V u.a. vorzunehmenden Prüfung der wirtschaftlichen Bedeutung der Beschäftigung einerseits und der (landwirtschaftlichen) Unternehmertätigkeit andererseits das Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und das Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB IV bzw. § 15 Abs. 2 SGB IV miteinander zu vergleichen. Hierbei beziehen sich die Kriterien, auf die bei der Abwägung abzustellen ist, von vornherein allein auf die Person des Versicherten.
Soweit das Arbeitseinkommen aus der freiberuflichen Tätigkeit zu bestimmen ist, kommt es auf den nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit an. Bei der Ermittlung des Gewinns sind steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen und Veräußerungsgewinne abzuziehen. Die geeignete Bemessungsgrundlage für den Vergleich im Rahmen der Anwendung des § 5 Abs. 5 SGB V ist somit bei der selbständigen Tätigkeit der Reingewinn. Das Erfordernis, Gewinneinkünfte und Arbeitsentgelt in gleicher Weise als Vergleichswerte festzustellen, zwingt nach dem BSG nicht dazu, bei dem zur Feststellung der wirtschaftlichen Bedeutung anzustellenden Vergleich auf der Seite der abhängigen Beschäftigung lediglich das um die Werbungskosten verminderte Arbeitsentgelt heranzuziehen. Es läge zwar in der Logik der steuerlichen Einkünfteermittlung, das steuerbare Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu veranschlagen (§ 9 Abs. 1 S. 1 Einkommensteuergesetz), um der wirtschaftlichen Bedeutung der Beschäftigung im zu treffenden Vergleich mit der selbständigen Erwerbstätigkeit gerecht zu werden. Das BSG hat aber entschieden, dass die bei einer abhängigen Beschäftigung anfallenden Werbungskosten ihrer Natur nach nicht mit dem Umfang der Betriebsausgaben zu vergleichen sind (BSG vom 29.04.1997 a.a.O.).
Bei dem außerdem anzustellenden Vergleich des Zeitaufwands für die selbständige Tätigkeit und die abhängige Beschäftigung hat das BSG die Einbeziehung der Arbeitszeit mithelfender Dritter abgelehnt. Denn die Erträge dieses Einsatzes fließen bereits in die betriebliche Gesamtrechnung mit ein. Einzubeziehen ist hier allerdings neben der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit die Zeit für den organisatorischen Aufwand (z. B. Besorgung von Medikamenten und Praxismaterial).
Bei dem durchzuführenden Vergleich des Arbeitseinkommens mit dem Arbeitsentgelt ist auf die vorliegenden Steuerbescheide für die Zeit von 1996 bis 2003 abzustellen. Auf die Maßgeblichkeit der Steuerbescheide hat das BSG zuletzt mit Urteil vom 30.03.2006 (Die Sozialgerichtsbarkeit 2006, 419) hingewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es unter Fortführung der oben genannten Rechtsprechung ausgeführt, dass nur dann nicht auf die Feststellungen der Finanzverwaltung zurückzugreifen ist, wenn der Betroffene gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen oder steuerrechtlichen Bewertungen des Finanzamts schlüssige und erhebliche Einwendungen erhebt (vgl. BSG SozR 3-2400 § 15 Nr. 4; BSGE 73, 77 = SozR 3-2200 § 1248 Nr. 9). Dies ist hier nicht ersichtlich. Aus diesem Zahlenvergleich ergibt sich, dass der Kläger im streitigen Zeitraum aus seiner freiberuflichen Tätigkeit als Tierarzt geringe positive (bis ca. 9.000,00 Euro), zum Teil auch negative Einkünfte erzielt hat, während er als Amtstierarzt Einkünfte in Höhe von bis knapp 30.000,00 DM nachgewiesen hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die in freier Praxis ausgeübte Tätigkeit als Tierarzt etwa wegen des Berufsunfalls nicht mehr floriert, ob sie, wie das SG meint, u.a. der steuerlichen Absetzungen von Aufwendungen dient, die als Werbungskosten bei der Tätigkeit als Amtstierarzt nicht anerkannt werden können oder, ob der Kläger mit seinen Einnahmen aus der Tierarztpraxis die Finanzierung seiner Versicherungsbeiträge bestreitet. Maßgebend ist vielmehr, dass das Finanzamt diese Tätigkeit als selbständige Tätigkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts anerkannt hat. Wäre dies nicht der Fall, würde sich am Ergebnis der Entscheidung nichts ändern. Unberücksichtigt bleibt auch der Einwand der Beklagten, dass der Kläger den Reitsport seiner Ehefrau mit tierärztlicher Hilfe unterstützt; denn nach seinen glaubwürdigen Angaben erthält er hierfür keine Vergütung. Damit spielen auch die Werbungskosten für die Benutzung des Pkw keine entscheidende Rolle.
Bei einem Vergleich der Arbeitszeiten für die Tierarztpraxis und die Tätigkeit als Amtstierarzt ergibt sich kein deutliches Überwiegen der einen oder anderen Tätigkeit, so dass es nach den oben genannten Ausführungen auf das Überwiegen des Arbeitsentgelts gegenüber dem Arbeitseinkommen ankommt. Der Ansicht der Beklagten, dass der Arbeitszeit für die Tätigkeit als Tierarzt in freier Praxis noch 10 Stunden für den organisatorischen Aufwand hinzuzurechnen sind, kann nicht gefolgt werden, da die Praxisorganisation (z. B. Vorbereitung und Bestellen von Praxismaterial) auch während der Öffnungszeiten der Praxis erfolgen kann.
Ebensowenig lässt sich aus der Unternehmerversicherung des Klägers bei der Berufsgenossenschaft ein Indiz für das Überwiegen der selbständigen Tätigkeit ableiten. Bei der freiwilligen Versicherung der Unternehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung trifft die Satzung der Berufsgenossenschaft eine Regelung zum Jahresarbeitsverdienst. Dieser gilt, wie bei der satzungsmäßigen Pflichtversicherung, als Arbeitseinkommen und ist damit Grundlage der Beitragsberechnung. Der Unternehmer, der sich freiwillig versichert, kann innerhalb dieser Grenzen seine Versicherungssumme selbst bestimmen (§ 6 Abs. 1 i.V.m. § 154 Abs. 1 SGB VII).
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG; Kosten für die Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten; weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung als Amtstierarzt seit 01.12.1996
Der 1944 geborene Kläger hat eine eigene Praxis als Tierarzt in S ... Seit 01.01.1990 war er daneben als Amtstierarzt beim Landkreis S. geringfügig beschäftigt. Aufgrund eines am 24.04.1994 erlittenen Arbeitsunfalls als selbständiger Tierarzt erhält er (aus der Unternehmerversicherung) von der Berufsgenossenschaft (BG) für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege eine Rente seit 04.11.1996. Als Folge des Arbeitsunfalls waren anerkannt u.a. eine eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit der linken Hand, ein Zustand nach unfallbedingten Verlust des linken Zeigefinger sowie Teilverlust des linken Daumens. Der Kläger erzielte ab 01.12.1996 in der Tätigkeit als Amtstierarzt eine monatliche Bruttovergütung von circa 2.000,00 DM, die als Stückvergütung berechnet wird.
Das Landratsamt S. meldete die geringfügige Beschäftigung des Klägers zum 30.11.1996 ab und bat mit Schreiben vom 11.12.1996 die Beklagte um Überprüfung der Versicherungspflicht. Die Beklagte teilte am 06.06.1997 dem Landratsamt S. mit, der Kläger sei in seiner Nebenbeschäftigung in der Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.12.1996 versicherungsfrei. In der Arbeitslosenversicherung sei er vom 01.12.1996 bis 31.03.1997 versicherungsfrei, jedoch ab 01.04.1997 versicherungspflichtig. In der Rentenversicherung sei er ab 01.12.1996 versicherungspflichtig in seiner Nebenbeschäftigung. Für den Kläger arbeite eine geringfügig beschäftigte Arbeitnehmerin, jedoch überwiege die wirtschaftliche Bedeutung der selbstständigen Tätigkeit gegenüber der Beschäftigung als Amtstierarzt beim Landkreis.
Der Klägerbevollmächtigte beantragte am 18.12.2001 bei der Beklagten die Feststellung der Pflichtversicherung ab 01.12.1996 in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Einkünfte des Klägers aus der Praxistätigkeit lägen weit unter der Beitragsbemessungsgrenze. Er habe lediglich eine geringfügig Beschäftigte gehabt, zur Zeit keinerlei Beschäftigte mehr. Aus den beigefügten Steuerbescheiden ergaben sich folgende Einkünfte: für das Jahr 1995 aus selbständiger Tätigkeit -24.723,00 DM, für das Jahr 1996 aus selbständiger Tätigkeit -20.967,00 DM und aus nichtselbständiger Arbeit 2.851,00 DM, für das Jahr 1997 aus selbständiger Tätigkeit -18.146,00 DM und aus nichtselbständiger Tätigkeit 29.823,00 DM und für das Jahr 1998 aus selbständiger Tätigkeit -4.873,00 DM und aus nichtselbständiger Tätigkeit 27.417,00 DM. Außerdem legte der Kläger noch die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz vor, woraus sich im Jahr 1994 Einnahmen von 95.791,22 DM, im Jahr 1995 von 49.866,58 DM, im Jahr 1996 von 55.808,98 DM, im Jahr 1997 von 61.709,70 DM, im Jahr 1998 von 70.050,73 DM und im Jahr 1999 von 70.904,20 DM ergaben
Mit Bescheid vom 07.03.2002 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger in seiner Beschäftigung beim Landratsamt S. rentenversicherungspflichtig und beitragspflichtig zur Bundesanstalt für Arbeit sei, in der Kranken- und Pflegeversicherung sei er nicht versicherungspflichtig. Er übe eine selbständige Erwerbstätigkeit in Form einer Tierarztpraxis aus. Die Betriebseinnahmen seien jährlich durchschnittlich über 85.000,00 DM, in der Beschäftigung beim Landratsamt S. erziele er ein durchschnittliches jährliches Einkommen von 28.200,00 DM. Nach Auskunft des Landratsamts betrage seine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit weniger als 18 Stunden. In seiner Tierarztpraxis arbeite er wöchentlich etwa 15 Stunden, hinzuzurechnen seien die erforderlichen Vor- und Nacharbeiten sowie die Zeiten für Hausbesuche; damit betrage die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit etwa 25 Stunden.
Der Kläger legte dagegen am 27.03.2002 Widerspruch ein und legte Aufzeichnungen über den Umfang seiner verschiedenen Tätigkeiten vor. Er arbeite durchschnittlich mehr als 18 Stunden wöchentlich für den Landkreis S. und in seiner Tierarztpraxis wöchentlich etwa 15 Stunden.
Die Beklagte wies mit dem Widerspruchsbescheid vom 28.11.2002 den Widerspruch zurück. Unter Einbeziehung entsprechender Vor- und Nacharbeiten sei von einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit in der Tierarztpraxis von circa 25 Stunden auszugehen. Aber auch anhand der vorliegenden Einkommensteuerbescheide und der Gewinn- und Verlustrechnungen ergebe sich wirtschaftlich eine höhere Bedeutung der ausgeübten selbständigen Tierarzttätigkeit. Der Kläger habe in den Jahren 1994 bis 1999 jeweils Betriebseinnahmen von 70.000,00 bis 112.000,00 DM gehabt. Aus der Beschäftigung beim Landratsamt S. habe er lediglich ein jährliches Einkommen von durchschnittlich 28.200,00 DM erzielt. Es handle sich um eine gut gehende Tierarztpraxis. Daneben habe er auch noch als Tierarzt der Deutschen Reiter-Nationalmannschaft gearbeitet.
Der Kläger hat hiergegen am 23.12.2002 beim Sozialgericht Regensburg (SG) Klage erhoben. Bei ihm bestehe seit 01.12.1996 Krankenversicherungspflicht. Unzutreffend sei die Auffassung der Beklagten, er sei nicht Tierarzt bei der Deutschen Reiter-Nationalmannschaft, sondern bei einer Mannschaft der Vielseitigkeitsreiter und er erhalte für diese Tätigkeit als Tierarzt lediglich Ersatz von Fahrkosten. Maßgebend seien nicht die Betriebseinnahmen und -ausgaben, vielmehr nur der Gewinn, da der Umsatz aus den nebenher getätigten Medikamenteneinkäufen und -verkäufen nichts über das wirtschaftliche Schwergewicht seiner Tätigkeit aussagen könne. Er sei während der Praxiszeiten zwar regelmäßig im Haus, aber habe nur sporadisch Kunden. Wegen des 1994 erlittenen Unfalls sei die Tätigkeit als freier Tierarzt in den Hintergrund getreten. Insbesondere sei er durch den Verlust von Handfingergliedern in seiner Tätigkeit als Tierarzt erheblich eingeschränkt. Außerdem führe er während der Praxisstunden noch Fleischbeschau durch. Die wöchentliche Arbeitszeit für das Landratsamt betrage regelmäßig mehr als 18 Stunden, die Tätigkeit als Tierarzt liege weit darunter, wenn man auf die tatsächlichen Arbeitszeiten abstelle.
Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, das aus den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden sich ergebende Negativeinkommen sei nicht geeignet, das wirtschaftliche Gewicht der selbständigen Tätigkeit zu reduzieren. Der Kläger sei nur aufgrund der Tierarzttätigkeit in der Lage gewesen, die Versicherungsbeiträge zu zahlen. Auch die von der BG zugebilligte Rente beruhe auf einem Jahresverdienst von über 60.000,00 DM.
Das SG hat mit Urteil vom 22.05.2003 die Klage abgewiesen; die Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit würden das Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit überwiegen. Es sei noch in Betracht zu ziehen, dass der Kläger als Tierarzt auch in Bauernhöfen die Tiere behandelt und den Landwirten Arzneimittel verkauft. Da der Kläger nicht Buch darüber führe, in welchem zeitlichen Ausmaß er sich als Selbständiger bzw. als angestellter Tierarzt betätige und sich dies auch aus dem Einkommensteuerbescheid nicht zwingend ergebe, er seine Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit nicht "herunterrechnen" könne, wie dies beim Arbeitseinkommen der Fall ist, sei der Auffassung der Beklagten beizupflichten.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 14.07.2003, mit der er erneut geltend macht, er habe in den letzten Jahren aus seiner Arztpraxis lediglich negative Einkünfte erzielt. Es handle sich hierbei nicht um eine Liebhaberei, sondern um eine nebenberufliche Tätigkeit, die er weiterhin ausübt, um wenigstens seine bestehenden Belastungen zu finanzieren. Wären diese Belastungen nicht, hätte er die Arztpraxis längst aufgegeben. Aufgrund des Arbeitsunfalls habe sich ein Einschnitt in der Einkommensentwicklung ergeben. Die Auffassung des SG, er suche in erheblichem zeitlichen Umfang Landwirte auf und behandle die Tiere, sei nicht zutreffend. Die hohen Fahrzeugkosten ergäben sich aus den Reparaturen. Seine Einkünfte aus der freien tierärztlichen Tätigkeit seien überwiegend auf den Verkauf von Medikamenten zurückzuführen. Der Senat hat noch die Einkommensteuerbescheide des Klägers für die Zeit von 1999 bis 2003 beigezogen.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 22.05.2003 und Aufhebung des Bescheids vom 07.03.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2002 zur Feststellung zu verpflichten, dass der Kläger ab 01.12.1996 versicherungspflichtig auch in der Kranken- und Pflegeversicherung ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 2, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil und die Bescheide der Beklagten sind aufzuheben und es ist festzustellen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), dass der Kläger seit 01.12.1996 aufgrund seiner Tätigkeit als Amtstierarzt beim Landkreis S. in der gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung versicherungspflichtig ist (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch V - SGB V, 20 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch XI - SGB XI).
Der Versicherungspflicht des Klägers steht § 6 Abs. 3a SGB V nicht entgegen. Nach dieser durch Gesetz von 22.12.1999 (BGBl I S. 2626) eingefügten Vorschrift sind Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, versicherungsfrei, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber das Prinzip stärken, dass versicherungsfreie Personen, die sich frühzeitig für eine Absicherung in der privaten Krankenversicherung entschieden hatten, diesem System auch im Alter angehören sollen. Da die Leistungsausgaben für ältere Versicherte ihre Beiträge im Regelfall erheblich übersteigen, würden die Beitragszahler durch diesen Wechsel zwischen Versicherungssystemen unzumutbar belastet. Die Regelung greift allerdings nur ein, wenn die Versicherungspflicht nach Vollendung des 55. Lebensjahres beginnen würde. Wer schon bei Erreichen dieser Altersgrenze versicherungspflichtig ist, wird von der Regelung nicht betroffen (Kassler Kommentar-Peters, § 6 SGB V, Rndnrn. 43, 44 m.w.N.). Da der Eintritt der Versicherungspflicht nicht von einem Antrag abhängt, sondern von der Aufnahme einer Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch IV - SGB IV), kommt es für die Prüfung der Altersgrenze nicht auf den Antrag vom 18.12.2001 auf Prüfung des Versicherungsverhältnisses, sondern auf den Tag nach der Beendigung der geringfügigen Beschäftigung, also auf den 01.12.1996 an. An diesem Tag hatte der Kläger die Altersgrenze nicht erreicht.
Unstreitig handelt es sich bei der Tätigkeit des Klägers als Amtstierarzt für den Landkreis S. um eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Problematisch ist lediglich die Abgrenzung zu seiner Tätigkeit als Tierarzt in freier Praxis. Die Abgrenzung ist gemäß § Abs. 5 SGB V vorzunehmen, wonach nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nicht versicherungspflichtig ist, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Als Regel gilt, dass die Versicherungspflicht ausgeschlossen ist, wenn die selbständige die Haupttätigkeit, die abhängige Beschäftigung eine Nebentätigkeit ist. Dagegen besteht Versicherungspflicht, wenn das Beschäftigungsverhältnis die Hauptbeschäftigung bildet und die selbständige Tätigkeit nur Nebentätigkeit ist. Die Abgrenzung erfolgt dadurch, dass für die Beschäftigung und die selbstständige Tätigkeit jeweils der Zeitaufwand und das Entgelt zu ermitteln und miteinander zu vergleichen sind. Überwiegt beides bei der Beschäftigung, besteht Versicherungspflicht, überwiegt beides bei der selbständigen Tätigkeit, besteht Versicherungsfreiheit. Ist ein Faktor (Zeitaufwand oder Entgelt) bei Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit gleich, gibt das Überwiegen des anderen Faktors den Ausschlag. Überwiegt ein Faktor bei der Beschäftigung, der andere bei der selbständigen Tätigkeit, ist abzuwägen. Dabei dürfte die Arbeitszeit in der Beschäftigung die brauchbarsten Hinweise geben. Bei einer mehr als halbschichtigen Beschäftigung wird die selbständige Tätigkeit in der Regel nebenberuflich sein, außer unter Umständen, wenn das Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) das Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) deutlich übersteigt. In Grenzfällen ist zu beachten, dass die selbständige Erwerbstätigkeit die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigen und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellen muss. Hierbei können auch Verfahrensregeln der Abgrenzung dienen: Das Vorliegen einer hauptberuflichen selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 5 SGB V muss, weil sie eine Ausnahme von der Versicherungspflicht begründet, festgestellt werden. Die Feststellungslast trägt derjenige, der sich auf Abs. 5 beruft. Es wird eine vorausschauende Betrachtungsweise angezeigt sein. Tatsächliche Änderungen, die zu einer anderen Beurteilung führen, wirken sich dann erst für die Zukunft aus (Kassler Kommentar-Peters, a.a.O.O, Rndnr. 157).
Nach diesen Grundsätzen ist die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei der Abgrenzung der Tätigkeiten eines Landwirts zu einer entgeltlichen Beschäftigung verfahren. Das BSG hat mit Urteil vom 16.11.1995 (BSGE 77, 93, 94) entschieden, dass eine selbständige Erwerbstätigkeit dann als hauptberuflich anzusehen ist, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt. Es hat mit Urteil vom 29.09.1997 (SozR 3-5420 § 3 Nr. 3) jedoch dem Kriterium Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit keine eigenständige Bedeutung mehr zugemessen. Maßgebend für die Abgrenzung zur Versicherungspflicht (in der Krankenversicherung der Landwirte) war vielmehr, dass die selbständige Erwerbstätigkeit in der wirtschaftlichen Bedeutung und im zeitlichen Aufwand her die abhängige Beschäftigung deutlich übersteigt. Trifft eine abhängige Beschäftigung mit einer (landwirtschaftlichen) Unternehmertätigkeit zusammen, sind bei der für die Beurteilung der Hauptberuflichkeit im Sinne des § 5 Abs. 5 SGB V u.a. vorzunehmenden Prüfung der wirtschaftlichen Bedeutung der Beschäftigung einerseits und der (landwirtschaftlichen) Unternehmertätigkeit andererseits das Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und das Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB IV bzw. § 15 Abs. 2 SGB IV miteinander zu vergleichen. Hierbei beziehen sich die Kriterien, auf die bei der Abwägung abzustellen ist, von vornherein allein auf die Person des Versicherten.
Soweit das Arbeitseinkommen aus der freiberuflichen Tätigkeit zu bestimmen ist, kommt es auf den nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit an. Bei der Ermittlung des Gewinns sind steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen und Veräußerungsgewinne abzuziehen. Die geeignete Bemessungsgrundlage für den Vergleich im Rahmen der Anwendung des § 5 Abs. 5 SGB V ist somit bei der selbständigen Tätigkeit der Reingewinn. Das Erfordernis, Gewinneinkünfte und Arbeitsentgelt in gleicher Weise als Vergleichswerte festzustellen, zwingt nach dem BSG nicht dazu, bei dem zur Feststellung der wirtschaftlichen Bedeutung anzustellenden Vergleich auf der Seite der abhängigen Beschäftigung lediglich das um die Werbungskosten verminderte Arbeitsentgelt heranzuziehen. Es läge zwar in der Logik der steuerlichen Einkünfteermittlung, das steuerbare Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu veranschlagen (§ 9 Abs. 1 S. 1 Einkommensteuergesetz), um der wirtschaftlichen Bedeutung der Beschäftigung im zu treffenden Vergleich mit der selbständigen Erwerbstätigkeit gerecht zu werden. Das BSG hat aber entschieden, dass die bei einer abhängigen Beschäftigung anfallenden Werbungskosten ihrer Natur nach nicht mit dem Umfang der Betriebsausgaben zu vergleichen sind (BSG vom 29.04.1997 a.a.O.).
Bei dem außerdem anzustellenden Vergleich des Zeitaufwands für die selbständige Tätigkeit und die abhängige Beschäftigung hat das BSG die Einbeziehung der Arbeitszeit mithelfender Dritter abgelehnt. Denn die Erträge dieses Einsatzes fließen bereits in die betriebliche Gesamtrechnung mit ein. Einzubeziehen ist hier allerdings neben der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit die Zeit für den organisatorischen Aufwand (z. B. Besorgung von Medikamenten und Praxismaterial).
Bei dem durchzuführenden Vergleich des Arbeitseinkommens mit dem Arbeitsentgelt ist auf die vorliegenden Steuerbescheide für die Zeit von 1996 bis 2003 abzustellen. Auf die Maßgeblichkeit der Steuerbescheide hat das BSG zuletzt mit Urteil vom 30.03.2006 (Die Sozialgerichtsbarkeit 2006, 419) hingewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es unter Fortführung der oben genannten Rechtsprechung ausgeführt, dass nur dann nicht auf die Feststellungen der Finanzverwaltung zurückzugreifen ist, wenn der Betroffene gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen oder steuerrechtlichen Bewertungen des Finanzamts schlüssige und erhebliche Einwendungen erhebt (vgl. BSG SozR 3-2400 § 15 Nr. 4; BSGE 73, 77 = SozR 3-2200 § 1248 Nr. 9). Dies ist hier nicht ersichtlich. Aus diesem Zahlenvergleich ergibt sich, dass der Kläger im streitigen Zeitraum aus seiner freiberuflichen Tätigkeit als Tierarzt geringe positive (bis ca. 9.000,00 Euro), zum Teil auch negative Einkünfte erzielt hat, während er als Amtstierarzt Einkünfte in Höhe von bis knapp 30.000,00 DM nachgewiesen hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die in freier Praxis ausgeübte Tätigkeit als Tierarzt etwa wegen des Berufsunfalls nicht mehr floriert, ob sie, wie das SG meint, u.a. der steuerlichen Absetzungen von Aufwendungen dient, die als Werbungskosten bei der Tätigkeit als Amtstierarzt nicht anerkannt werden können oder, ob der Kläger mit seinen Einnahmen aus der Tierarztpraxis die Finanzierung seiner Versicherungsbeiträge bestreitet. Maßgebend ist vielmehr, dass das Finanzamt diese Tätigkeit als selbständige Tätigkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts anerkannt hat. Wäre dies nicht der Fall, würde sich am Ergebnis der Entscheidung nichts ändern. Unberücksichtigt bleibt auch der Einwand der Beklagten, dass der Kläger den Reitsport seiner Ehefrau mit tierärztlicher Hilfe unterstützt; denn nach seinen glaubwürdigen Angaben erthält er hierfür keine Vergütung. Damit spielen auch die Werbungskosten für die Benutzung des Pkw keine entscheidende Rolle.
Bei einem Vergleich der Arbeitszeiten für die Tierarztpraxis und die Tätigkeit als Amtstierarzt ergibt sich kein deutliches Überwiegen der einen oder anderen Tätigkeit, so dass es nach den oben genannten Ausführungen auf das Überwiegen des Arbeitsentgelts gegenüber dem Arbeitseinkommen ankommt. Der Ansicht der Beklagten, dass der Arbeitszeit für die Tätigkeit als Tierarzt in freier Praxis noch 10 Stunden für den organisatorischen Aufwand hinzuzurechnen sind, kann nicht gefolgt werden, da die Praxisorganisation (z. B. Vorbereitung und Bestellen von Praxismaterial) auch während der Öffnungszeiten der Praxis erfolgen kann.
Ebensowenig lässt sich aus der Unternehmerversicherung des Klägers bei der Berufsgenossenschaft ein Indiz für das Überwiegen der selbständigen Tätigkeit ableiten. Bei der freiwilligen Versicherung der Unternehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung trifft die Satzung der Berufsgenossenschaft eine Regelung zum Jahresarbeitsverdienst. Dieser gilt, wie bei der satzungsmäßigen Pflichtversicherung, als Arbeitseinkommen und ist damit Grundlage der Beitragsberechnung. Der Unternehmer, der sich freiwillig versichert, kann innerhalb dieser Grenzen seine Versicherungssumme selbst bestimmen (§ 6 Abs. 1 i.V.m. § 154 Abs. 1 SGB VII).
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG; Kosten für die Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
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