Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 745/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 546/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 10. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der frühere Beginn der Witwenrente, bereits ab dem 16.09.1989 statt dem 01.05.2002.
Die 1942 geborene Klägerin ist marokkanische Staatsangehörige und lebt in Marokko. Sie war seit 10.07.1956 als einzige Ehefrau mit dem im Jahr 1933 geborenen und am 16.09.1989 verstorbenen Versicherten A. J. verheiratet, der von Juni 1962 bis zu seinem Tod in Deutschland beschäftigt war.
Am 30.05.2002 beantragte die Klägerin die Witwenrente. Sie fügte ein Einladungsschreiben eines in Deutschland lebenden Verwandten vom 12.01.1990 an ihren Sohn M. bei, der das Grab besuchen und die Habe des Verstorbenen nach Marokko mitnehmen wolle.
Die Beklagte gewährte große Witwenrente ab dem 01.05.2002.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin einen früheren Rentenbeginn, bereits ab dem Sterbedatum, geltend. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 30.11.2004 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG): Sie habe ihren Witwenrentenantrag wegen ihres Gesundheitszustands nicht früher stellen können. Beigefügt war ein Attest des behandelnden Allgemeinmediziners Dr.T. A. vom 22.11.2004, wonach die Klägerin chronisch krank sei. Ihr Gesundheitszustand erfordere "eine Übernahme durch eine dritte Person".
Nach förmlicher Anhörung wies das Gericht mit Gerichtsbescheid vom 10. Juni 2005 die Klage mit folgender Begründung ab: "Ein Anspruch auf Witwenrente vor dem 01.05.2002 besteht nicht. Nach § 99 Abs.2 Satz 3 SGB VI wird eine Hinterbliebenenrente nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet. Der Rentenantrag wurde im Mai 2003 gestellt. Daraus ergibt sich ein frühestmöglicher Rentenbeginn zum 01.05.2002. Ein früherer Rentenbeginn ist nicht möglich." Soweit die Klägerin vortrage, an rechtzeitiger Antragstellung gesundheitlich gehindert gewesen zu sein, so sei dies "nicht vorstellbar", da ein Zeitraum von fast 14 Jahren umfasst sei. Das entsprechende ärztliche Attest sei nicht aussagekräftig. Eine Wiedereinsetzung komme aber auch deshalb nicht in betracht, weil nach § 27 Abs.3 SGB X ein Jahr nach Ende der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden könne außer im Fall höherer Gewalt. Hierfür gebe es keinerlei Hinweise.
Mit ihrer Berufung machte die Klägerin eine psychische Erkrankung geltend, wegen der sie seit 1988 behandelt werde. Nach dem beigefügten Attest des Psychiaters Dr.T. S. leidet die Klägerin seit 1987 an einer nicht-dissoziativen chronischen Psychose und wird mit Neuroleptika und Antidepressiva behandelt. Die Klägerin benötige regelmäßige medizinische-psychiatrische Hilfe, angemessene soziale Betreuung und befriedigende familiäre Unterstützung. Sie werde seit mehreren Jahren von einem ihrer Söhne vertreten.
Die Klägerin erläuterte dies auf Nachfrage des Senats dahingehend, dass eine Vormundschaft im juristischen Sinne nicht bestehe, wohl aber für ihren Sohn M. seit 29.09.2003 eine Vollmacht für behördlichen Rechtsverkehr.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid vom 10.06.2005 aufzuheben und ihr Witwenrente auch für den Zeitraum 16.09.1989 bis 30.04.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts hingewiesen, deren weiterer Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG in der angefochtenen Entscheidung die auf früheren Beginn der Witwenrente gerichtete Klage abgewiesen. Der Senat schließt sich den Gründen der angefochtenen Entscheidung an und sieht daher von einer weiteren Darstellung ab (§ 153 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
Ergänzend sei auf folgendes hingewiesen: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 SGB X kann die Klägerin schon aus Rechtsgründen nicht beanspruchen, da über die in § 99 Abs.2 Satz 3 normierte Ein-Jahres-Frist hinaus kein Raum ist für weitergehende "unverschuldete Versäumnis" (s. Niesel in Kasseler Kommentar, § 99 SGB VI, Anm.22). Auch die in der Berufungsinstanz noch durchgeführten Ermittlungen habe keine neuen Erkenntnisse in Richtung auf eine eventuelle Geschäftsunfähigkeit der Klägerin gebracht. Zwar geht der Senat aufgrund der vorgelegten psychiatrischen Atteste davon aus, dass die Klägerin zumindest heute von Seiten der Psyche nicht unerheblich eingeschränkt ist. Eine so gravierende Einschränkung, dass die Klägerin über längere Zeit nicht in der Lage (gewesen) wäre, ihre Angelegenheit selbst zu besorgen, besteht jedoch nicht. Die Klägerin ist vielmehr nach wie vor unbeschränkt geschäftsfähig, so dass auch eine Fristenhemmung entsprechend § 206 BGB (s. Niesel, a.a.O., Anm.12) nicht in Betracht kommt.
Insgesamt muss es sich die Klägerin daher zurechnen lassen, dass sie ihren Rentenantrag verspätet gestellt hat. Ein Ausgleich über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kommt nicht in Betracht, da insbesondere kein Beratungsfehler der deutschen Rentenversicherungsträger erkennbar ist: der Versicherte war bis zu seinem Tod erwerbstätig, ein Anlass für Beratung durch die Beklagte daher nicht erkennbar.
Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Dem entspricht auch die Kostenentscheidung (§§ 183, 193 SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der frühere Beginn der Witwenrente, bereits ab dem 16.09.1989 statt dem 01.05.2002.
Die 1942 geborene Klägerin ist marokkanische Staatsangehörige und lebt in Marokko. Sie war seit 10.07.1956 als einzige Ehefrau mit dem im Jahr 1933 geborenen und am 16.09.1989 verstorbenen Versicherten A. J. verheiratet, der von Juni 1962 bis zu seinem Tod in Deutschland beschäftigt war.
Am 30.05.2002 beantragte die Klägerin die Witwenrente. Sie fügte ein Einladungsschreiben eines in Deutschland lebenden Verwandten vom 12.01.1990 an ihren Sohn M. bei, der das Grab besuchen und die Habe des Verstorbenen nach Marokko mitnehmen wolle.
Die Beklagte gewährte große Witwenrente ab dem 01.05.2002.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin einen früheren Rentenbeginn, bereits ab dem Sterbedatum, geltend. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 30.11.2004 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG): Sie habe ihren Witwenrentenantrag wegen ihres Gesundheitszustands nicht früher stellen können. Beigefügt war ein Attest des behandelnden Allgemeinmediziners Dr.T. A. vom 22.11.2004, wonach die Klägerin chronisch krank sei. Ihr Gesundheitszustand erfordere "eine Übernahme durch eine dritte Person".
Nach förmlicher Anhörung wies das Gericht mit Gerichtsbescheid vom 10. Juni 2005 die Klage mit folgender Begründung ab: "Ein Anspruch auf Witwenrente vor dem 01.05.2002 besteht nicht. Nach § 99 Abs.2 Satz 3 SGB VI wird eine Hinterbliebenenrente nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet. Der Rentenantrag wurde im Mai 2003 gestellt. Daraus ergibt sich ein frühestmöglicher Rentenbeginn zum 01.05.2002. Ein früherer Rentenbeginn ist nicht möglich." Soweit die Klägerin vortrage, an rechtzeitiger Antragstellung gesundheitlich gehindert gewesen zu sein, so sei dies "nicht vorstellbar", da ein Zeitraum von fast 14 Jahren umfasst sei. Das entsprechende ärztliche Attest sei nicht aussagekräftig. Eine Wiedereinsetzung komme aber auch deshalb nicht in betracht, weil nach § 27 Abs.3 SGB X ein Jahr nach Ende der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden könne außer im Fall höherer Gewalt. Hierfür gebe es keinerlei Hinweise.
Mit ihrer Berufung machte die Klägerin eine psychische Erkrankung geltend, wegen der sie seit 1988 behandelt werde. Nach dem beigefügten Attest des Psychiaters Dr.T. S. leidet die Klägerin seit 1987 an einer nicht-dissoziativen chronischen Psychose und wird mit Neuroleptika und Antidepressiva behandelt. Die Klägerin benötige regelmäßige medizinische-psychiatrische Hilfe, angemessene soziale Betreuung und befriedigende familiäre Unterstützung. Sie werde seit mehreren Jahren von einem ihrer Söhne vertreten.
Die Klägerin erläuterte dies auf Nachfrage des Senats dahingehend, dass eine Vormundschaft im juristischen Sinne nicht bestehe, wohl aber für ihren Sohn M. seit 29.09.2003 eine Vollmacht für behördlichen Rechtsverkehr.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid vom 10.06.2005 aufzuheben und ihr Witwenrente auch für den Zeitraum 16.09.1989 bis 30.04.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts hingewiesen, deren weiterer Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG in der angefochtenen Entscheidung die auf früheren Beginn der Witwenrente gerichtete Klage abgewiesen. Der Senat schließt sich den Gründen der angefochtenen Entscheidung an und sieht daher von einer weiteren Darstellung ab (§ 153 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
Ergänzend sei auf folgendes hingewiesen: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 SGB X kann die Klägerin schon aus Rechtsgründen nicht beanspruchen, da über die in § 99 Abs.2 Satz 3 normierte Ein-Jahres-Frist hinaus kein Raum ist für weitergehende "unverschuldete Versäumnis" (s. Niesel in Kasseler Kommentar, § 99 SGB VI, Anm.22). Auch die in der Berufungsinstanz noch durchgeführten Ermittlungen habe keine neuen Erkenntnisse in Richtung auf eine eventuelle Geschäftsunfähigkeit der Klägerin gebracht. Zwar geht der Senat aufgrund der vorgelegten psychiatrischen Atteste davon aus, dass die Klägerin zumindest heute von Seiten der Psyche nicht unerheblich eingeschränkt ist. Eine so gravierende Einschränkung, dass die Klägerin über längere Zeit nicht in der Lage (gewesen) wäre, ihre Angelegenheit selbst zu besorgen, besteht jedoch nicht. Die Klägerin ist vielmehr nach wie vor unbeschränkt geschäftsfähig, so dass auch eine Fristenhemmung entsprechend § 206 BGB (s. Niesel, a.a.O., Anm.12) nicht in Betracht kommt.
Insgesamt muss es sich die Klägerin daher zurechnen lassen, dass sie ihren Rentenantrag verspätet gestellt hat. Ein Ausgleich über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kommt nicht in Betracht, da insbesondere kein Beratungsfehler der deutschen Rentenversicherungsträger erkennbar ist: der Versicherte war bis zu seinem Tod erwerbstätig, ein Anlass für Beratung durch die Beklagte daher nicht erkennbar.
Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Dem entspricht auch die Kostenentscheidung (§§ 183, 193 SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 SGG).
Rechtskraft
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