S 3 KR 54/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 KR 54/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 A 3/06 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klagen werden abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu je 1/2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, die Klägerin zu 1) zu verpflichten, die Höhe der jährlichen Vergütung des Klägers zu 2) einschließlich Nebenleistungen zu veröffentlichen.

Die Klägerin zu 1) ist als Betriebskrankenkasse ein sogenannter bundesunmittelbarer Versicherungsträger, dessen Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Bis zum 30.11.2005 wurde sie durch ihren Vorstand, Herrn B., vertreten. Mit Schreiben vom 27.05.2004 forderte die Beklagte die Klägerin zu 1) unter Hinweis auf die Vorschrift des § 35a Abs. 6 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) auf, verbindlich zu erklären, dass sie die Veröffentlichung der jährlichen Vergütungen der einzelnen Vorstandsmitglieder einschließlich der Nebenleistungen sowie der wesentlichen Versorgungsleistungen nachholen werde. Die Klägerin zu 1) teilte der Beklagte darauf hin mit, dass sie dieser Aufforderung nicht nachkommen und die Vergütung nicht veröffentlichen werde, da eine solche Veröffentlichung den Vorstand in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen würde. Mit einem an alle bundesunmittelbaren Ersatzkassen, Innungskrankenkassen und Betriebskrankenkassen gerichteten Rundschreiben vom 06.07.2004 forderte die Beklagte die Adressaten des Schreibens auf, ihr eine Ausgabe der jeweiligen Mitgliederzeitschrift zu übersenden, in der die Vorstandsvergütungen veröffentlicht wurden. Da die Klägerin zu 1) dieser Aufforderung nicht nachkam, erließ die Beklagte am 25.08.2004 einen Verpflichtungsbescheid. Darin wurde die Klägerin zu 1) verpflichtet, die Höhe der jährlichen Vergütung des Vorstandes einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen für das Jahr 2004 umgehend nach Erhalt dieses Bescheides sowie in den Folgejahren jeweils zu 01. März im Bundesanzeiger und ihrer Mitgliedszeitschrift zu veröffentlichen. Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV. Trotz Beratung und Fristsetzung sei die Klägerin zu 1) ihrer Pflicht zur Veröffentlichung der Vorstandsvergütungen nicht nachgekommen. Sie verletze damit geltendes Recht im Sinne von § 89 Abs. 1 SGB IV. Die Klägerin zu 1) besitze nicht die Verwerfungskompetenz,die ihr die Nichtbeachtung des Gesetzes gestatten würde. Der Einwand des angeblichen Verstoßes gegen die Grundrechte der Vorstandsmitglieder sei auch inhaltlich nicht begründet. Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Mittelverwendung der Kassen als fast ausschließlich durch Beiträge finanzierte Körperschaften des öffentlichen Rechts gegenüber der Öffentlichkeit und insbesondere den jeweiligen Beitragszahlern -auch im Hinblick auf die Vorstandsvergütung- transparenter zu gestalten.

Am 24.09.2004 hat die Klägerin zu 1) Klage erhoben.

Parallel zur Klageerhebung hat der damalige Vorstand der Klägerin zu 1), Herr B., Widerspruch gegen den Verpflichtungsbescheid eingelegt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2004 als unzulässig zurück. Sie vertritt die Auffassung, dass der Vorstand durch den Verpflichtungsbescheid nicht in eigenen Rechten verletzt ist. Vorstände könnten allenfalls aus dienstvertraglichen Pflichten vorbeugend auf Unterlassung der Veröffentlichung ihres Gehaltes klagen. Im Übrigen sei der Verpflichtungsbescheid auch materiell rechtmäßig, da die Vorschrift des § 35a Abs. 6 S. 2 SGB IV nicht gegen das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung verstoßen würde. Am 25.11.2004 ist Herr B. dem Verfahren als Kläger beigetreten.

Zum 01.12.2005 ist Herr B. als Vorstand in den Ruhestand getreten. Nachfolger wurde der jetzige Kläger zu 2), Herr G ... Am 06.01.2006 hatte der Kläger zu 2) ebenfalls Widerspruch gegen den Verpflichtungsbescheid der Beklagten vom 25.08.2004 erhoben. Hinsichtlich der Begründung verwies er auf den bereits im Namen von Herrn B. eingereichten Widerspruch. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zu 2) mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2006 zurück. Sie wiederholt hier im Wesentlichen ihre Begründung aus dem Widerspruchsbescheid vom 02.11.20004. Herr B. erklärte seine Klage für erledigt. Mit Schreiben vom 23.08.2006 erklärte der Kläger zu 2),"die Stellung des Herrn B. im Verfahren zu übernehmen".

Die Klagen wurden wie folgt begründet: Der Verpflichtungsbescheid der Beklagten sei rechtswidrig, da er die Klägerin zu 1) zu einer rechtswidrigen Handlung verpflichte. Hierdurch werde sie in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus § 4 Abs. 1 SGB V verletzt. § 35a Abs. 6 S. 2 SGB IV sei verfassungswidrig, da eine Veröffentlichung der Vorstandsbezüge gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße. Zwar werde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ebenso wie das allgemeine Persönlichkeitssrecht nicht schrankenlos gewährt. Eingriffe seien jedoch nur zulässig, soweit sie aufgrund Gesetzes oder durch Gesetz erfolgen, recht- bzw. verfassungsmäßig sind und insbesondere den aus dem Rechtsstaatsgebot entwickelten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Ungeachtet der Ausführungen in der Gesetzesbegründung gehe es dem Gesetzgeber tatsächlich jedoch nicht nur darum, Transparenz hinsichtlich der Vorstandsvergütungen herzustellen. Die Bezugnahme der Gesetzesbegründung auf den Einsatz öffentlicher, auf gesetzlicher Grundlage erhobener Mittel läge nahe, dass der Gesetzgeber vielmehr öffentlichen Druck auf die Höhe der Vorstandsgehälter ausüben wolle, um einen Beitrag zur Kostensenkung im Gesundheitswesen zu leisten. Ein solcher verschleierter Gesetzeszweck, der in seinem Kern lediglich darauf gerichtet sei, Sozialneid zu schüren und von den tatsächlichen Problemen der gesetzlichen Krankenversicherung abzulenken, sei mit der Wertordnung des Grundgesetzes nicht vereinbar und daher verfassungswidrig. Die Regelung sei auch nicht geeignet, den mit ihrem Erlass verfolgen Zweck zu erreichen. Der behauptete Zweck der Regelung, eine Vergleichbarkeit der gezahlten Bezüge herzustellen, werde hierdurch jedoch nicht erreicht. Mitglieder einzelner Kassen könnten die Angemessenheit der Bezüge nicht überprüfen, da sich diese stets nur als Teil eines Vertragswerkes darstellten, in dem Leistung und Gegenleistung geregelt sind. Eine Transparenz hinsichtlich der Höhe der Gesamtverwaltungskosten und ihres Anteils an den Gesamtausgaben einer Krankenkasse würde völlig ausreichen, um dem von Gesetzgeber unterstellten Informationsbedürfnis der Beitragszahler und der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen. Die Bezüge einer Person nebst Nebenleistungen und Versorgungsregelungen seien als persönliche Daten anzusehen. Eine Veröffentlichung dieser Angaben stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht der Vorstandsmitglieder auf informationelle Selbstbestimmung dar. Ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an einer Veröffentlichung sei demgegenüber jedoch nicht ersichtlich. Für Mitglieder einer Krankenkasse sei das Preis-Leistungs-Verhältnis entscheidend. Die Vorstandsbezüge würden zwar in die Kalkulation des Beitragssatzes eingehen, seien für das Kassenmitglied oder ein potentielles Mitglied aber ohne zusätzlichen Informationswert, zumal sie im Verhältnis zu den Gesamtausgaben einer Krankenkasse von verschwindend geringer Bedeutung seien. Die gesetzlichen Regelungen zur Besoldung im öffentlichen Dienst könnten nicht als Argument für die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichungspflicht in § 35a Abs. 6 S. 2 SGB IV angeführt werden. Dort würden nur das Grundgehalt bezogen auf die jeweilige Besoldungsstufe und das Alter wiedergegeben. Darüber hinaus könnten Zuschläge gewährt werden, die zum Teil erheblichen Einfluss auf die Höhe der Gesamtvergütung haben würden. Ferner seien Beamte und Richter nicht gezwungen, ihre Gehälter in regelmäßigen Abständen neu zu verhandeln. Die Kläger verweisen ferner auf ein Urteil des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes vom 28.11.2003, der in der Veröffentlichungspflicht von Bezügen von Angestellten öffentlicher Rundfunkanstalten einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK erkannt hatte.

Die Klägerin zu 1) hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

den Verpflichtungsbescheid der Beklagten vom 24.08.2004 aufzuheben, das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 Bundes- verfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, die Sprungrevision zuzulassen.

Der Kläger zu 2) hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

den Verpflichtungsbescheid der Beklagten vom 24.08.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 18.08.2006 aufzuheben, das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 Bundes- verfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, die Sprungrevision zuzulassen

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen, die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass der angefochtene Verpflichtungsbescheid formell und materiell rechtmäßig sei und die Klägerin zu 1) nicht in ihren Rechten verletzen würde. Gleiches gelte für den vom Kläger zu 2) angefochtenen Widerspruchsbescheid. Der Beitritt des Klägers zu 2) sei unzulässig. Er sei nicht Adressat des Verpflichtungsbescheides und würde nicht in seinen eigenen Rechten unmittelbar beeinträchtigt. Grundsätzlich werde durch die Veröffentlichungspflicht auch das Recht der einzelnen Vorstandsmitglieder auf informationelle Selbstbestimmung tangiert. Der Eingriff werde jedoch durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 35a Abs. 6 S. 2 SGB IV gestattet. Die Ermächtigungsgrundlage sei geeignet, den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck zu erreichen. Die Information des Bürgers sei eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe am demokratischen Prozess und die Kontrolle der Staatsverwaltung. Den Krankenkassen stehe es frei, sämtliche Verwaltungskosten zu veröffentlichen und so umfassende Transparenz hinsichtlich der Vorstandsvergütung zu schaffen. Soweit die Kläger einen Vergleich mit den Regelungen in §§ 285 Ziff. 9 lit. a, 286 Abs. 4 des Handelsgesetzbuches (HGB) ziehen würden, sei dieser unangebracht, weil es sich um verschiedene Sachverhalte handele. Aktionäre setzten ihr Kapital freiweillig und renditeorientiert ein. Die Krankenkassen finanzierten sich jedoch größtenteils aus Beiträgen der Versicherten, wodurch die Interessenlagen der beiden Personengruppen folglich nicht zu vergleichen seien. Wenn Vorstände von privaten Kapitalgesellschaften nach dem im Sommer 2005 in Kraft getretenen Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetzes (VorstOG) ihre Vergütungen offenzulegen hätten, gelte dies erst recht für Vorstände von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die einen öffentlichen Auftrag wahrzunehmen haben und deren Vorstandsbezüge im Wesentlichen aus Pflichtbeiträgen der gesetzlichen Versicherten finanziert werde. Die Entscheidung des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes sei auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar. Jeder österreichische Bürger sei in seiner Entscheidung frei, ob er Rundfunkteilnehmer und damit Gebührenzahler werde. Hier gehe es jedoch um die Verwendung von Beiträgen, welche die Mitglieder der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung überwiegend als Pflichtversicherte aufzubringen hätten. Abgesehen davon sei die finanzielle Belastung des Einzelnen durch Krankenversicherungsbeiträge um vieles höher als durch Rundfunkgebühren. Deshalb sei eine um etliches differenziertere Interessenabwägung vorzunehmen, als in dem zitierten Fall.

Die Beklagte hat hinsichtlich der Zulassung der Sprungrevision ihre Zustimmung mit Schreiben vom 30.06.2005 erteilt.

Die Beteiligten haben übereinstimmend eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (I3-59529.20 - 1783/2004) waren Gegenstand der Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klagen sind zulässig.

Die Kägerin zu 1) ist Adressat des Verpflichtungsbescheides der Beklagten und damit formell beschwert. Sie behauptet, durch den angegriffenen Bescheid der Beklagten in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus § 4 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verletzt zu sein. Es reicht aus, wenn sich die Klägerin zu 1) darauf beruft, eine Rechtsverletzung im Sinne von § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV liege nicht vor, so dass der ergangene Verpflichtungsbescheid rechtswidrig sei. Es handelt sich um eine sog. Aufsichtsklage im Sinne des § 54 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 3. Alternative SGG nicht.

Der Kläger zu 2) hat eine zulässsige Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG erho-ben. Sein "Beitritt" zum Klageverfahren ist als Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG zu werten. Die Einbeziehung eines weiteren Klägers ist als Klageerweiterung zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht dies für sachdienlich hält. Eine Klageänderung ist sachdienlich, wenn sie dazu führt, dass Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, so dass neuer Prozess vermieden wird oder dadurch weitere noch anhängige Streitigkeiten erledigt oder weitgehend mitentschieden werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 99 Rdz. 10). Der Kläger zu 2) wendet sich ebenfalls gegen den Verpflichtungsbescheid der Beklagten. Der Streitstoff ist im Wesentlichen identisch, so dass eine gesonderte Klage vermieden wird und der Streit zwischen den Beteiligten endgültig bereinigt werden kann. Die Regelung des § 35 Abs. 6 S. 2 SGB IV verpflichtet die Krankenkassen die Vergütung ihres jeweiligen Vorstands zu veröffentlichen. Damit ist nicht der Vorstand in seiner Person, sondern in seiner Funktion betroffen. Auch wenn die Beklagte in die Klageänderung nicht eingewilligt hat, hält die Kammer diese für sachdienlich. Der Kläger zu 2) ist auch klagebefugt. Bei der Anfechtungsklage liegt eine Beschwer bei einem Eingriff in rechtlich geschützte Individualinteressen, das heißt in rechtlich anerkannte und geschützte Rechtspositionen vor (§ 54 Abs. 1 S. 2 SGG). Auch wenn der Kläger zu 2) formal nicht Adressat des Verpflichtungsbescheides der Beklagten ist, scheitert seine Klagebefugnis nicht an der fehlenden Betroffenheit. Der Verpflichtungsbescheid der Beklagten ist ein sogenannter Verwaltungsakt mit Drittwirkung. Der Kläger zu 2) macht geltend, in eigenen Grundrechten, speziell im Recht auf informationelle Selbstbestimmung, verletzt zu sein. Da eine solche Verletzung tatsächlich im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht ausgeschlossen werden kann, darf die Klagebefugnis nicht verneint werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Auflage, § 54 Rz. 14). Der Kläger zu 2) hat das Vorverfahren erfolglos durchgeführt.

Die Klagen sind jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 24.08.2004 ist rechtmäßig. Die Klägerin zu 1) ist gemäß § 54 Abs. 3 SGG nicht in ihrer Rechtsposition als Selbstverwaltungskörperschaft betroffen. Der Kläger zu 2) ist gemäß § 54 Abs. 2 SGG nicht in eigenen Rechten verletzt.

Nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV kann die Aufsichtsbehörde, wenn durch das Handeln oder Unterlassen eines ihrer Aufsicht unterstehenden Versicherungsträgers das Recht verletzt wird, diesen verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben.

§ 35a SGB IV regelt die Rechtsverhältnisse der Vorstände von Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie Ersatzkassen. Durch Art. 5 Ziff. 6 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz -GMG-) vom 14.11.2003 (Bundesgesetzblatt I Seite 2190) wurde die Vorschrift des § 35a Abs. 6 SGB IV um folgenden Satz 2 ergänzt: "Die Höhe der jährlichen Vergütungen der einzelnen Vorstandsmitglieder einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen sind in einer Übersicht jährlich zu 01. März, erstmalig zum 01. März 2004 im Bundesanzeiger und gleichzeitig, begrenzt auf die jeweilige Krankenkasse und ihre Verbände, in der Mitgliederzeitschrift der betreffenden Krankenkasse zu veröffentlichen."

Die Klägerin zu 1) ist ihrer Verpflichtung aus § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV nicht nachgekommen. Sie hat bisher die Vergütung ihres Vorstandes weder im Bundesanzeiger noch in ihrer Mitgliederzeitschrift veröffentlicht. Die Klägerin zu 1) hat durch ihr Unterlassen das Recht gemäß § 35a Abs. 6 Satz 2 SGG IV verletzt, so dass die Voraussetzungen für eine Verpflichtung gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV vorliegen. Eine Verletzung in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus § 4 Abs. 1 SGB V ist nicht erkennbar. Selbstverwaltung im Rechtssinne bedeutet die selbständige, fachweisungsfreie Wahrnehmung enumerativ oder global überlassener oder zugewiesener eigener öffentlicher Angelegenheiten durch unterstaatliche Träger oder Subjekte öffentlicher Verwaltung im eigenen Namen (Krauskopf, SozKV, § 4 SGB V, RdNr 4). Die Weisung der Beklagten an die Klägerin zu 1) zur Veröffentlichung der Vorstandsvergütungen entspricht der geltenden Rechtslage, die auch für die Klägerin zu 1) als Teil der öffentlichen Verwaltung verbindlich ist. Eine Verletzung im Selbstverwaltungsrecht der Krankenkassen begründet die Vorschrift des § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV nicht. Sie ist nach Überzeugung der Kammer verfassungsgemäß.

Die Pflicht zur Veröffentlichung der Vergütungen verstößt nicht gegen das Recht des Klägers zu 2) auf informationelle Selbstbestimmung. Das Bundesverfassungsgericht hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG entwickelt. Es schützt den Einzelnen vor der unbegrenzten staatlichen Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten. Der Grundrechtsträger hat das Recht, grundsätzlich selbst über Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE 65,1; 78,77). Als natürliche Person ist der Kläger zu 2) Träger des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Dem Grundrechtsträger steht die Befugnis zu, grundsätzlich selbst über Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Der Begriff der persönlichen Daten oder -hier bedeutungsgleich- Information als Schutzobjekt deckt sich mit der Legaldefinition des Bundesdatenschutzgesetzes und erfasst damit alle Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person ( di Fabio, in: Maunz/Düring, GG, Art. 2 Rdnr. 175). Auch die Einkommensverhältnisse zählen zu den persönlichen Daten, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützen soll. Die Regelung des § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV greift in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Der Gesetzgeber verpflichtet die Krankenkassen, die vollständigen Vergütungen ihrer Vorstände zu veröffentlichen. Auch in einer solchen Konstellation kann ein Grundrechtseingriff nicht verneint werden.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ebenso wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht schrankenlos gewährt. Eingriffe sind jedoch nur zulässig, soweit sie aufgrund Gesetzes oder durch Gesetz erfolgen, recht- bzw. verfassungsmäßig sind und insbesondere den aus dem Rechtsstaatsgebot entwickelten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten (BVerfGE 65,1; 78,77; 85,219).

§ 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV ist formell und materiell verfassungskonform.

Hinsichtlich der formellen Verfassungsmäßigkeit bestehen keine Bedenken. Solche wurden von Seiten der Kläger auch nicht vorgetragen.

Für die Frage der materiellen Verfassungsmäßigkeit kommt es letztlich auf die Verhältnismäßigkeit der Norm an. Der Prüfung der Verhältnismäßigkeit liegen vier Kriterien zugrunde: Rechtmäßigkeit des mit der jeweiligen Regelung verfolgten Zwecks, Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) der Vorschrift (BVerfGE 33,171). Aus der Gesetzesbegründung zu § 35a Abs. 6 SGB IV ergeben sich folgende Motive des Gesetzgebers zur Gesetzesänderung: " Mit der Verpflichtung zur Veröffentlichung der Vorstandsvergütungen einschließlich Nebenleistungen und der wesentlichen Versorgungsregelungen in einer Übersicht jährlich zum 01. März wird die notwendige Transparenz beim Inhalt der Vorstandsverträge geschaffen. Die Transparenz ist erforderlich, da es sich um den Einsatz öffentlicher Mittel handelt, die auf gesetzlicher Grundlage erhoben werden. Auf diese Weise wird dem Informationsbedürfnis der Beitragszahler und der Öffentlichkeit Rechnung getragen und gleichzeitig die Möglichkeit für einen Vergleich geschaffen. Neben der eigentlichen Vergütung einschließlich Nebenleistungen sind auch die Versorgungsregelungen in ihren wesentlichen Grundzügen darzustellen, damit erkennbar wird, ob es sich bei den Versorgungsregelungen um mit der Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung vergleichbare Regelungen handelt oder ob hier andere Regelungen zur Anwendung kommen, die dann mit ihren Berechnungsgrundlagen näher darzustellen sind. Um eine Transparenz innerhalb der GKV sicherzustellen, erfolgt die Veröffentlichung im Bundesanzeiger erstmals einheitlich zum 01. März 2004 ..." (vgl. Bundestags-Drucksache 15/1525, Seite 154).

Ausweislich der Gesetzesbegründung beabsichtigt der Gesetzgeber mit der Veröffentlichungsverpflichtung, Transparenz hinsichtlich des Inhalts der Vorstandsverträge zu schaffen, dem Informationsbedürfnis der Beitragszahler und der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen und die Möglichkeit für einen Vergleich zu schaffen. Ziel des GKV-Modernisierungsgesetzes -GMG- war es allgemein, im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung die vorhandenen Mittel effizienter einzusetzen und die Qualität der medizinischen Versorgung deutlich zu steigern. Zur Erreichung dieser Ziele sah der Gesetzgeber mehrere strukturelle Maßnahmen als erforderlich an. Insbesondere sollte die Transparenz erhöht sowie die Eigenverantwortung und die Beteiligungsrechte der Patienten gestärkt werden. Daher hat er zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung schwerpunktmäßig mehrere Maßnahmen vorgesehen, wobei an erster Stelle stets die Maßnahmen zur Stärkung der Patientensouveränität genannt werden (Bundestagsdrucksache 15/1525, Seite 2). Daneben werden Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung, die Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen, die Neugestaltung der Vergütung im ambulanten Bereich, die Neuordnung der Versorgung mit Arznei- und Hilfsmitteln, eine Reform der Organisationsstrukturen, die Neuordnung der Versorgung mit Zahnersatz sowie die Neuordnung der Finanzierung genannt. Mit einem Bündel von Maßnahmen sollte die gesetzliche Krankenversicherung spürbar entlastet und eine gerechte und ausgewogene Lastenverteilung für alle Beteiligte von den Versicherten und Patienten über die Krankenkassen bis hin zu den Leistungstungserbringern, erreicht werden. Ausdrücklich hat der Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass die Belange der Patienten im Zentrum der Reform stehen und diese in der gesetzlichen Krankenversicherung künftig stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden werden sollen. Entscheidende Voraussetzung hierfür sei die Herstellung von Transparenz über Angebote, Leistungen, Kosten und Qualität. Auf dieser Grundlage könnten die Versicherten Entscheidungen über Versicherungs- und Versorgungsangebote treffen. Sie würden dabei wesentlich zur Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit beitragen. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraumes einen Anspruch der Versicherten auf Information über die Höhe der Beiträge sowie die Verteilung der Beitragsmittel vorgesehen. Korrespondierend hierzu sollen Krankenkassen und Kassen bzw. Kassenzahnärztliche Vereinigungen künftig über die Verwendung der Mittel gegenüber ihren Mitgliedern Rechenschaft ablegen, ihre Verwaltungskosten gesondert ausweisen und die Vorstandsvergütungen regelmäßig veröffentlichen. Letztlich soll durch die Verbesserung der Patienteninformation mittels Transparenz und Informationsmanagement auch rationales Verhalten der Versicherten belohnt werden, was wiederum der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Versorgungssystems dient. Sämtliche Regelungen haben das Ziel, das bundesgesetzlich einheitlich geregelte System der gesetzlichen Krankenversicherung fortzuentwickeln.

Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass der Gesetzgeber mit der Veröffentlichungsverpflichtung öffentlichen Druck auf die Höhe der Vorstandsgehälter ausüben wollte. Hierfür gibt die Gesetzesbegründung nichts her. Der Gesetzgeber wollte vielmehr, auch im Hinblick auf die Kostendämpfung im Gesundheitswesen, eine verbesserte Transparenz erreichen und damit Kassenmitgliedern die Möglichkeit geben, Vergleiche anzustellen. § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV stellt sich damit nur als ein Teil des Maßnahmenpakets des GKV-Modernisierungsgesetzes -GMG- dar.

Die Regelung ist auch geeignet, den mit ihrem Erlass verfolgten Zweck zu erreichen. Durch die Veröffentlichung im Bundesanzeiger und in den Mitgliedszeitschriften der einzelnen Kassen wird die Öffentlichkeit bzw. die einzelnen Mitglieder über die Höhe der Vergütung der Vorstandsmitglieder informiert. Der Bundesanzeiger ist für jedermann frei erhältlich und kann mittlerweile auch per Internet konsumiert werden. Dadurch besteht für alle Versicherten die Möglichkeit, sich gegebenenfalls einen Überblick über die Vorstandsvergütungen aller Krankenkassen zu verschaffen. Durch die Veröffentlichung in den einzelnen Mitgliederzeitschriften werden zumindestens die Versicherten der betroffenen Krankenkassen auf noch einfacherem Wege informiert. Soweit die Kläger rügen, dass ein umfassender Vergleich ohne Darstellung der Art und des Umfangs der jeweiligen Tätigkeit der Vorstandsmitglieder sowie der sonstigen Verwaltungskosten nicht möglich sei, führt dies nicht zur Verfassungswidrigkeit der Norm. Allen Krankenkassen steht es frei, sämtliche Verwaltungskosten auf freiwilliger Basis zu veröffentlichen. Ebenso steht es den Krankenkassen offen, ihren Mitgliedern bzw. der Öffentlichkeit zusätzliche Informationen über die Qualität der von den Vorstandsmitgliedern geleisteten Arbeit und deren besonderen Qualifikationen zur Verfügung zu stellen. Nur wer Kenntnis über die zur Beurteilung einer Situation erforderlichen Tatsachen hat, kann eine selbstbestimmte verantwortungsvolle Entscheidung treffen. Für die Entscheidung des Einzelnen, insbesondere über sein Wahlrecht unter den gesetzlichen Krankenkassen, ist die Höhe der Vorstandsvergütung neben dem allgemeinen Beitragssatz oder in Verbindung mit diesem geradezu von entscheidender Bedeutung bzw. kann dies zumindestens sein. In Zeiten weitgehender Leistungseinschränkungen ist es für einen souveränen Versicherten, der mit seinen Beiträgen schließlich das gesamte System finanziert, von großer Bedeutung, in welchem Verhältnis gerade Beitrag, Leistungen und die Vergütung derer, die zumindestens teilweise Einfluss darauf haben können, zueinander stehen. Dabei ist es auch nicht maßgebend, dass die einzelnen Vorstandsvergütungen im Rahmen der Gesamtaufwendungen als gering einzuschätzen sind. Mit dieser Argumentation ließen sich Bezüge in beliebiger Höhe rechtfertigen. Für eine selbstbestimmte Wahlentscheidung des Versicherten muss dieser jedoch in die Lage versetzt werden, die Leistungen seiner Kassenvorstände zu beurteilen, sie gegebenenfalls in Relation zu der Leistung anderer Kassenvorstände zu setzen und unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragssätze und Leistungsansprüche eine Abwägung zu treffen. Für eine derartige Abwägung ist die Veröffentlichung der Vorstandsbezüge deshalb auch erforderlich (Sozialgericht Speyer, Urteil vom 25.07.2006, S 13 KR 40/05). Andere Maßnahmen, die bei zumindest gleicher Eignung weniger intensiv in die Rechte der Betroffenen eingreifen würden, sind für die Kammer nicht ersichtlich.

Ein Eingriff in Grundrechte ist angemessen, wenn die Beeinträchtigung für den Einzelnen und der mit dem Eingriff verfolgte Zweck in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 67,157). Der Gesetzgeber hat die Bedeutung des mit der Regelung verfolgten Zieles und den Rang etwaiger entgegenstehender Rechte und Interessen Dritter zu gewichten und sein Handeln -auch unter Berücksichtigung der Intensität des Grundrechtseingriffs- an dem Ergebnis der Abwägung auszurichten. Im Rahmen der Abwägung ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen, nach der eine Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig ist. Dazu ist es erforderlich, dass der Eingriff zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfGE 65,1). An den mit dem Eingriff verfolgten Zweck sind um so höhere Anforderungen zu stellen, je intensiver die Veröffentlichung persönlicher Daten im den privaten Bereich des Betroffenen eingreift.

Wie bereits dargelegt, bestand die Absicht des Gesetzgebers ausweislich der amtlichen Begründung darin, mit der Einführung des § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV Transparenz hinsichtlich der Vorstandsbezüge zu schaffen, dem Informationsbedürfnis der Beitragszahler und der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen und die Möglichkeit für einen Vergleich zu schaffen. Dieser Zielsetzung steht ein Eingriff in das Recht der Vorstandsmitglieder auf informationelle Selbstbestimmung durch die Veröffentlichung der individualisierten Daten im Bundesanzeiger und in den jeweiligen Mitgliederzeitschriften gegenüber. Zweifellos handelt es sich bei § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV um einen gewichtigen Eingriff in das Recht der Kassenvorstände auf informationelle Selbstbestimmung. Aus Sicht der Kammer besteht ein überwiegendes Allgemeininteresse an der Veröffentlichung der Vorstandsvergütungen, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Kassenvorstände überwiegt. Zu Recht räumt der Gesetzgeber dem Versicherten nunmehr die Rechtsposition ein, die ihnen als denjenigen, die das System (überwiegend) im Rahmen einer Zwangsversicherung finanzieren, zusteht. Für diese Souveränität der Patienten und Versicherten ist es von entscheidender Bedeutung, über die konkrete Verwendung der Mittel informiert zu sein, um gegebenenfalls auf ihre Beteiligungs- und Wahlrechte eine diesbezügliche Kontrolle ausüben zu können. Das Interesse der einzelnen Vorstände an der Geheimhaltung ihrer Bezüge tritt hinter dem Interesse der Versicherten zurück. Dies ist im vorliegenden Fall auch deshalb gerechtfertigt, da es sich nicht um Mittel handelt, die auf dem freien Markt erwirtschaftet werden. Vielmehr werden die Bezüge aus Beiträgen, die (überwiegend) im Rahmen einer Pflichtversicherung eingezogen werden, gezahlt. Hierdurch unterscheidet sich die Entscheidung insbesondere von der seitens der Kläger zitierten Entscheidung des Österreichischen Verfassungsgerichtshof vom 28.11.2003 (Az.: KR 1/00). Der Entscheidung lag eine gesetzliche Regelung zugrunde, nach der die Bezüge von Angestellten öffentlicher Rundfunkanstalten und anderer öffentlicher Einrichtungen dem Rechnungshof mitzuteilen waren. Dieser sollte die erlangten Daten mit seinem Bericht veröffentlichen. Der entscheidende Grund für die Veröffentlichungspflicht gemäß § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV ist die Rechenschaftspflicht gegenüber dem souveränen Versicherten. Die Finanzierung von Rundfunkanstalten erfolgt gegenüber dem System der gesetzlichen Krankenversicherung nur teilweise und durch wesentlich geringere Gebühren und im Übrigen durch Werbeeinnahmen (duale Finanzierung). Es besteht keine gesetzliche Pflichtmitgliedschaft. Jeder Konsument kann sich freiwillig entscheiden, ob er die Angebote des staatlichen Rundfunks annimt und hierfür eine entsprechende Vergütung zahlt.

Die Regelung in § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV ist zu vergleichen mit der Publizität der Besoldung der Beamten und Richter. Da die Besoldung aus den Mitteln der öffentlichen Haushalte erfolgt, ist die Publizität gerechtfertigt. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich der Gesetzgeber dazu entschließt, Publizität auch für die Vergütung von Vorständen gesetzlicher Krankenkassen zu schaffen. Durch die in den jeweiligen Besoldungsgesetzen geregelten Vergütungen von Beamten und Richtern, die öffentlich zugänglich sind, ist es für den interessierten Bürgen ohne weiteres möglich, die Grundvergütung zu ermitteln. Es ist ebenfalls öffentlich, ob und in welcher Höhe im Rahmen der konkreten Lebensumstände Zuschläge geleistet werden.

Die in §§ 285 Ziff. 9 lit. a, 286 Abs. 4 HGB getroffenen gesetzlichen Regelungen sind mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Zwar geht es in beiden Fällen um den Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung von Führungskräften. Wesentlicher Unterschied ist allerdings auch hier, dass der Aktionär in der Regel freiwillig Anteile einer Kapitalgesellschaft erwirbt. Er kann seine Anteile jederzeit verkaufen, wenn ihm die veröffentlichte Vorstandsvergütung zu hoch erscheint. Wie bereits mehrfach ausgeführt, ist das System der gesetzlichen Krankenversicherung anders ausgestaltet. Die Bezüge der Vorstände werden größtenteils aus Pflichtbeiträgen der Versicherten finanziert.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Vorschrift des § 35a Abs. 6 Satz 2 SGB IV nach Überzeugung der Kammer verfassungskonform ist. Der angegriffene Verpflichtungsbescheid der Beklagten verletzt die Klägerin zu 1) nicht in ihrem Selbstverwaltungsrecht und den Kläger zu 2) nicht in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbstimmung. Die Klagen waren deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG und orientiert sich am Erfolg in der Hauptsache.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Sprungrevision gemäß §§ 161 Abs. 2, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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