Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AL 930/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 3299/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 19.12.2001.
Die 1960 geborene Klägerin war bis 11.7.1987 versicherungspflichtig beschäftigt. 1987 wurde ihr Sohn F. geboren. Vom 12.7.1987 bis 16.10.1987 bezog die Klägerin Mutterschaftsgeld, danach 22 Monate Bundes- und Landeserziehungsgeld. 1989 wurde ihr Sohn M. geboren, für ihn bezog sie 15 Monate Erziehungsgeld. Für den 1992 geborenen Adoptivsohn Ph. bezog sie Erziehungsgeld vom 1.1.1992 bis 28.3.1995.
Ab 1.11.1997 bezog die Klägerin für Ph. Pflegegeld nach Pflegestufe I. Von März 1999 bis April 2002 betreute die Klägerin ihre Schwiegermutter und vom 3.5.2001 bis 15.3.2002 ihre Mutter.
Am 19.12.2001 meldete sich die Klägerin arbeitslos, im März 2002 reichte sie den schriftlichen Antrag ein. Mit Bescheid vom 21.3.2002 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe die Anwartschaft nicht erfüllt. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25.4.2002 mit der Begründung zurück, die Klägerin habe die Anwartschaft auch dann nicht erfüllt, wenn die dreijährige Rahmenfrist um die Zeiten der Pflege von Angehörigen erweitert werde. Auch innerhalb der bis zum 31.3.1992 verlängerten Rahmenfrist habe die Klägerin nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Zwar seien nach damaligem Recht auch Zeiten des Bezugs von Mutterschafts- und Erziehungsgeld einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt gewesen, allerdings nur dann, wenn diese Bezugszeiten eine beitragspflichtige Beschäftigung unterbrochen hätten. Dies sei hier nicht der Fall.
Dagegen hat die Klägerin am 17.5.2002 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Zur Begründung ist vorgebracht worden, durch Zeiten des Mutterschutzes, des Bezugs von Erziehungsgeld und durch Zeiten erbrachter Pflegeleistungen verlängere sich die Rahmenfrist so weit, dass von ihr mindestens 360 Tagen mit Versicherungspflichtverhältnis umfasst würden. Es sei für jeden einzelnen Pflegefall, auch für die Schwiegermutter, die tatsächliche Pflegezeit anzusetzen und zu addieren. Im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei die Pflege des Kindes Ph. ab dem Inkrafttreten der Pflegeversicherung zu berücksichtigen, da die Klägerin damals nicht auf die Möglichkeit solcher Leistungen hingewiesen worden sei, obwohl der Krankenkasse die Pflegebedürftigkeit des Kindes bekannt gewesen sei. Schließlich seien bei der Berechnung der Erziehungszeiten für jedes Kind die vollen drei Jahre anzusetzen und Überschneidungen außer Acht zu lassen.
Das SG hat durch Urteil vom 23.5.2006 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat es ausgeführt, die Klägerin habe mangels Anwartschaft keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 19.12.2001. Eine solche Anwartschaft ergebe sich weder durch Berücksichtigung von Pflegezeiten noch durch Kindererziehungszeiten. Die grundsätzlich dreijährige Rahmenfrist werde verlängert um Zeiten, in denen der Arbeitslose als Pflegeperson einen der Pflegestufe I bis III i. S. des Elften Buches des Sozialgesetzbuches zugeordneten Angehörigen wenigstens 14 Stunden wöchentlich gepflegt habe sowie Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen, in denen das Kind das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet habe.
Die grundsätzlich dreijährige Rahmenfrist erstrecke sich vom 19.12.1998 bis 18.12.2001. In diesem Zeitraum liege kein Versicherungspflichtverhältnis vor. Die Rahmenfrist verlängere sich um die Zeit der Pflege des Sohnes Ph. und des Bezugs von Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung in der Zeit vom 1.11.1997 bis 18.12.2001, also um 1509 Tage, so dass die Rahmenfrist am 1.11.1994 beginne. Eine weitere Verlängerung wegen Pflegeleistungen komme nicht in Betracht, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt der Pflege mehrerer Personen gleichzeitig noch demjenigen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.
Auch die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten führe nicht zur Erfüllung der Anwartschaft. Kindererziehungszeiten würden bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres nicht in die Rahmenfrist eingerechnet. Dies führe im vorliegenden Fall dazu, dass Zeiten vom 21.8.1987 bis zum 28.3.1995 (2777 Tage) die Rahmenfrist verlängerten und diese dann bis zum 26.3.1987 zurückreiche. Die von der Klägerseite geltendgemachte Streckung der Kindererziehungszeiten auf volle drei Jahre je Kind, insgesamt also neun Jahre, sei unzulässig. In der danach maßgeblichen Rahmenfrist vom 26.3.1987 bis 18.12. 2001 sei die Klägerin lediglich vom 26.3. bis 11.7.1987 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Selbst wenn, was rechtlich fraglich sei, die Zeit des Bezugs von Mutterschaftsgeld vom 12.8. bis 16.10.1987 als einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichstehend angesehen würde, ergäben sich insgesamt lediglich 148 Tage eines Versicherungspflichtverhältnisses, so dass diese Frage offen bleiben könne.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht, wenn wie nach damaligem Recht vorgesehen, die Zeiten des Bezuges von Erziehungsgeld als einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichstehend angesehen würden. Damals allerdings habe die Rahmenfrist drei Jahre ohne Verlängerungsmöglichkeiten gedauert. Hieraus folge, dass Kindererziehungszeiten jedenfalls nicht gleichzeitig als Verlängerungstatbestand der Rahmenfrist und als versicherungspflichtige Beschäftigungen berücksichtigt werden könnten. Es ergebe sich damit unter keinem rechtlich vertretbaren Gesichtspunkt eine Erfüllung der Anwartschaft, die Klägerin habe damit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 19.12.2001.
Gegen dieses am 30.5.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.6.2006 Berufung eingelegt. Sie bringt zur Begründung im wesentlichen wiederholend vor, es sei zum einen bezüglich des Adoptivsohnes Ph. nicht nur die Zeit des tatsächlichen Bezuges von Pflegegeld zu berücksichtigen, sondern die Zeit ab dem Inkrafttreten der Pflegeversicherung ab 1.1.1995, weil die Krankenkasse insoweit ihre Beratungspflicht verletzt habe und die Klägerin im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden müsse, als hätte sie von Anfang an den erforderlichen Antrag gestellt. Zum anderen müsste auch für die Zeiten der Kindererziehung der volle Zeitrahmen von drei Jahren je Kind, insgesamt also neun Jahre als Verlängerungstatbestand berücksichtigt werden. Es werde ja auch das Erziehungsgeld für jedes Kind vollumfänglich bewilligt und keine Kürzung auf Grund der zeitlichen Überschneidungen der Bezugszeiträume vorgenommen. Daher müsse auch bei der Berechnung der Rahmenfrist für jedes Kind ein Zeitraum von drei Jahren angesetzt werden, da sonst eine Benachteiligung von Müttern einträte, deren Kinder nicht im Abstand von drei Jahren, sondern in kürzeren Abständen geboren würden. Ein sachlicher Grund für eine solche Ungleichbehandlung sei nicht gegeben, zumal auch in der Rentenversicherung für jedes Kind drei Jahre Berücksichtigungszeiten anerkannt würden. Schließlich seien auch die Zeiten der Pflege von Angehörigen, also auch der Pflege der Schwiegermutter, zusätzlich zu berücksichtigen. Damit sei die Rahmenfrist so weit auszudehnen, dass darin 360 Tagen versicherungspflichtige Zeiten gegeben seien.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23.5.2006 aufzuheben und die Beklagte un- ter Aufhebung des Bescheides vom 21.3.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.4.2002 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld ab 19.12.2001 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil in der Sache für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.
Das SG hat im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend dargestellt, dass und aus welchen Gründen die Klägerin mangels Anwartschaft keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Der Senat nimmt auf diese zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug, er weist die Berufung aus den Gründen dieser Entscheidung zurück und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs. 3 SGG).
Zum Berufungsvorbringen der Klägerin ist ergänzend auszuführen:
Soweit die Klägerin wiederholend vorbringt, die Zeiten der Pflege der Schwiegermutter und der Mutter müssten zusätzlich zur Pflege des Adoptivsohnes als die Rahmenfrist verlängernde Zeiten berücksichtigt werden, vermag ihr auch der Senat nicht zu folgen. Die Klägerin ist darauf hinzuweisen, dass eine solche rechtliche Sicht des § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung schon nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht möglich erscheint. Die Rechtsnorm stellt darauf ab, dass Pflegezeiten in die Rahmenfrist nicht eingerechnet werden, die ihrem zeitlichen Umfang nach "wenigstens 14 Stunden wöchentlich" umfasst haben. Dieser gebundene zeitliche Umfang von wenigstens 14 Wochenstunden schließt es aus, Pflegezeiten auf andere Wochen zu "verschieben", in denen dieser zeitliche Umfang nicht erreicht oder eine Pflegeleistung überhaupt nicht erbracht wurde. Damit ist bereits ausgeschlossen, im vorliegenden Fall die Zeit der Pflege der Schwiegermutter oder der Mutter auf einen anderen Zeitraum als den der tatsächlich erbrachten Pflegeleistung zu verlegen. Hinzu kommt, dass außer dem Erfordernis der tatsächlichen Pflege im Umfang von wenigstens 14 Wochenstunden auch der Bezug einer Leistung aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung oder Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz vorgelegen haben muss. Auch ein solcher Leistungsbezug, selbst wenn er im vorliegenden Fall unterstellt wird, ist konkret zeitgebunden. Die Klägerin kann in einer Woche nur ein Mal wenigstens 14 Wochenstunden Angehörige mit entsprechendem Leistungsbezug gepflegt haben. Damit kann auch die Zeit der Pflege nur insgesamt ein Mal in die Rahmenfrist "nicht eingerechnet" werden.
Gleiches gilt, wie das SG zutreffend entschieden hat, für die Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen, dass das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III a.F.). Auch hier ist eine natürliche Zeitgrenze für die Berücksichtigung bei der Erweiterung der Rahmenfrist gezogen durch die Vollendung des dritten Lebensjahres des jüngsten Kindes. Dass für jedes Kind drei Jahre Betreuung und Erziehungszeit nicht in die Rahmenfrist eingerechnet werden, sagt das Gesetz gerade nicht. Auch dass insoweit Überschneidungen außer Betracht bleiben und jeweils drei Jahre Erziehungszeit aneinander anschließen sollen, lässt sich dem Gesetz gerade nicht entnehmen. Es ist zwar zutreffend, dass bei den Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung drei Jahre für jedes Kind anerkannt werden. § 56 Abs. 5 SGB VI bestimmt: "Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert". Eine solche oder ähnliche gesetzliche Regelung ist für die Verlängerung der Rahmenfrist für das Arbeitslosengeld gerade nicht vorgesehen. Hier hat es bei der Begrenzung auf die Erfüllung des dritten Lebensjahres des jüngsten Kindes zu verbleiben. Eine Verlängerung um Überschneidungszeiten ist nicht möglich. Eine erweiternde Auslegung des Gesetzes sieht der Senat wegen des eindeutigen Wortlauts der Rechtsnorm für nicht gerechtfertigt an.
Das SG hat auch mit zutreffender Begründung die Erstreckung der Pflegezeiten bis zum 1.1.1995 im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verneint. Es hat zu Recht und unter zutreffender Zitierung von Rechtsprechung und Literatur darauf abgestellt, dass die Verlängerung der Rahmenfrist unter anderem an den tatsächlichen Leistungsbezug (Pflegegeld) anknüpfe und sich ein solcher tatsächlicher Leistungsbezug nicht durch einen Herstellungsanspruchs fingieren lasse. Dass ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auch gegeben sein kann, wenn die zu Nachteilen führenden Handlungen oder Unterlassungen einer anderen Behörde zuzurechnen sind, kann in diesem Zusammenhang nicht genügen. Mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann zwar eine nicht erfolgte Antragstellung fingiert werden, nicht jedoch ein tatsächlich über Jahre hinweg nicht erfolgter Leistungsbezug. Die Ansicht der Klägerin, bei § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III seien auch die tatsächlichen Pflegezeiten und nicht nur die Zeiten des tatsächlichen Bezuges von Pflegegeld bei der Berechnung zu berücksichtigen, findet im Gesetz keine Stütze.
Die Berufung der Klägerin ist nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 19.12.2001.
Die 1960 geborene Klägerin war bis 11.7.1987 versicherungspflichtig beschäftigt. 1987 wurde ihr Sohn F. geboren. Vom 12.7.1987 bis 16.10.1987 bezog die Klägerin Mutterschaftsgeld, danach 22 Monate Bundes- und Landeserziehungsgeld. 1989 wurde ihr Sohn M. geboren, für ihn bezog sie 15 Monate Erziehungsgeld. Für den 1992 geborenen Adoptivsohn Ph. bezog sie Erziehungsgeld vom 1.1.1992 bis 28.3.1995.
Ab 1.11.1997 bezog die Klägerin für Ph. Pflegegeld nach Pflegestufe I. Von März 1999 bis April 2002 betreute die Klägerin ihre Schwiegermutter und vom 3.5.2001 bis 15.3.2002 ihre Mutter.
Am 19.12.2001 meldete sich die Klägerin arbeitslos, im März 2002 reichte sie den schriftlichen Antrag ein. Mit Bescheid vom 21.3.2002 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe die Anwartschaft nicht erfüllt. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25.4.2002 mit der Begründung zurück, die Klägerin habe die Anwartschaft auch dann nicht erfüllt, wenn die dreijährige Rahmenfrist um die Zeiten der Pflege von Angehörigen erweitert werde. Auch innerhalb der bis zum 31.3.1992 verlängerten Rahmenfrist habe die Klägerin nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Zwar seien nach damaligem Recht auch Zeiten des Bezugs von Mutterschafts- und Erziehungsgeld einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt gewesen, allerdings nur dann, wenn diese Bezugszeiten eine beitragspflichtige Beschäftigung unterbrochen hätten. Dies sei hier nicht der Fall.
Dagegen hat die Klägerin am 17.5.2002 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Zur Begründung ist vorgebracht worden, durch Zeiten des Mutterschutzes, des Bezugs von Erziehungsgeld und durch Zeiten erbrachter Pflegeleistungen verlängere sich die Rahmenfrist so weit, dass von ihr mindestens 360 Tagen mit Versicherungspflichtverhältnis umfasst würden. Es sei für jeden einzelnen Pflegefall, auch für die Schwiegermutter, die tatsächliche Pflegezeit anzusetzen und zu addieren. Im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei die Pflege des Kindes Ph. ab dem Inkrafttreten der Pflegeversicherung zu berücksichtigen, da die Klägerin damals nicht auf die Möglichkeit solcher Leistungen hingewiesen worden sei, obwohl der Krankenkasse die Pflegebedürftigkeit des Kindes bekannt gewesen sei. Schließlich seien bei der Berechnung der Erziehungszeiten für jedes Kind die vollen drei Jahre anzusetzen und Überschneidungen außer Acht zu lassen.
Das SG hat durch Urteil vom 23.5.2006 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat es ausgeführt, die Klägerin habe mangels Anwartschaft keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 19.12.2001. Eine solche Anwartschaft ergebe sich weder durch Berücksichtigung von Pflegezeiten noch durch Kindererziehungszeiten. Die grundsätzlich dreijährige Rahmenfrist werde verlängert um Zeiten, in denen der Arbeitslose als Pflegeperson einen der Pflegestufe I bis III i. S. des Elften Buches des Sozialgesetzbuches zugeordneten Angehörigen wenigstens 14 Stunden wöchentlich gepflegt habe sowie Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen, in denen das Kind das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet habe.
Die grundsätzlich dreijährige Rahmenfrist erstrecke sich vom 19.12.1998 bis 18.12.2001. In diesem Zeitraum liege kein Versicherungspflichtverhältnis vor. Die Rahmenfrist verlängere sich um die Zeit der Pflege des Sohnes Ph. und des Bezugs von Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung in der Zeit vom 1.11.1997 bis 18.12.2001, also um 1509 Tage, so dass die Rahmenfrist am 1.11.1994 beginne. Eine weitere Verlängerung wegen Pflegeleistungen komme nicht in Betracht, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt der Pflege mehrerer Personen gleichzeitig noch demjenigen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.
Auch die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten führe nicht zur Erfüllung der Anwartschaft. Kindererziehungszeiten würden bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres nicht in die Rahmenfrist eingerechnet. Dies führe im vorliegenden Fall dazu, dass Zeiten vom 21.8.1987 bis zum 28.3.1995 (2777 Tage) die Rahmenfrist verlängerten und diese dann bis zum 26.3.1987 zurückreiche. Die von der Klägerseite geltendgemachte Streckung der Kindererziehungszeiten auf volle drei Jahre je Kind, insgesamt also neun Jahre, sei unzulässig. In der danach maßgeblichen Rahmenfrist vom 26.3.1987 bis 18.12. 2001 sei die Klägerin lediglich vom 26.3. bis 11.7.1987 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Selbst wenn, was rechtlich fraglich sei, die Zeit des Bezugs von Mutterschaftsgeld vom 12.8. bis 16.10.1987 als einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichstehend angesehen würde, ergäben sich insgesamt lediglich 148 Tage eines Versicherungspflichtverhältnisses, so dass diese Frage offen bleiben könne.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht, wenn wie nach damaligem Recht vorgesehen, die Zeiten des Bezuges von Erziehungsgeld als einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichstehend angesehen würden. Damals allerdings habe die Rahmenfrist drei Jahre ohne Verlängerungsmöglichkeiten gedauert. Hieraus folge, dass Kindererziehungszeiten jedenfalls nicht gleichzeitig als Verlängerungstatbestand der Rahmenfrist und als versicherungspflichtige Beschäftigungen berücksichtigt werden könnten. Es ergebe sich damit unter keinem rechtlich vertretbaren Gesichtspunkt eine Erfüllung der Anwartschaft, die Klägerin habe damit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 19.12.2001.
Gegen dieses am 30.5.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.6.2006 Berufung eingelegt. Sie bringt zur Begründung im wesentlichen wiederholend vor, es sei zum einen bezüglich des Adoptivsohnes Ph. nicht nur die Zeit des tatsächlichen Bezuges von Pflegegeld zu berücksichtigen, sondern die Zeit ab dem Inkrafttreten der Pflegeversicherung ab 1.1.1995, weil die Krankenkasse insoweit ihre Beratungspflicht verletzt habe und die Klägerin im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden müsse, als hätte sie von Anfang an den erforderlichen Antrag gestellt. Zum anderen müsste auch für die Zeiten der Kindererziehung der volle Zeitrahmen von drei Jahren je Kind, insgesamt also neun Jahre als Verlängerungstatbestand berücksichtigt werden. Es werde ja auch das Erziehungsgeld für jedes Kind vollumfänglich bewilligt und keine Kürzung auf Grund der zeitlichen Überschneidungen der Bezugszeiträume vorgenommen. Daher müsse auch bei der Berechnung der Rahmenfrist für jedes Kind ein Zeitraum von drei Jahren angesetzt werden, da sonst eine Benachteiligung von Müttern einträte, deren Kinder nicht im Abstand von drei Jahren, sondern in kürzeren Abständen geboren würden. Ein sachlicher Grund für eine solche Ungleichbehandlung sei nicht gegeben, zumal auch in der Rentenversicherung für jedes Kind drei Jahre Berücksichtigungszeiten anerkannt würden. Schließlich seien auch die Zeiten der Pflege von Angehörigen, also auch der Pflege der Schwiegermutter, zusätzlich zu berücksichtigen. Damit sei die Rahmenfrist so weit auszudehnen, dass darin 360 Tagen versicherungspflichtige Zeiten gegeben seien.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23.5.2006 aufzuheben und die Beklagte un- ter Aufhebung des Bescheides vom 21.3.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.4.2002 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld ab 19.12.2001 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil in der Sache für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.
Das SG hat im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend dargestellt, dass und aus welchen Gründen die Klägerin mangels Anwartschaft keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Der Senat nimmt auf diese zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug, er weist die Berufung aus den Gründen dieser Entscheidung zurück und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs. 3 SGG).
Zum Berufungsvorbringen der Klägerin ist ergänzend auszuführen:
Soweit die Klägerin wiederholend vorbringt, die Zeiten der Pflege der Schwiegermutter und der Mutter müssten zusätzlich zur Pflege des Adoptivsohnes als die Rahmenfrist verlängernde Zeiten berücksichtigt werden, vermag ihr auch der Senat nicht zu folgen. Die Klägerin ist darauf hinzuweisen, dass eine solche rechtliche Sicht des § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung schon nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht möglich erscheint. Die Rechtsnorm stellt darauf ab, dass Pflegezeiten in die Rahmenfrist nicht eingerechnet werden, die ihrem zeitlichen Umfang nach "wenigstens 14 Stunden wöchentlich" umfasst haben. Dieser gebundene zeitliche Umfang von wenigstens 14 Wochenstunden schließt es aus, Pflegezeiten auf andere Wochen zu "verschieben", in denen dieser zeitliche Umfang nicht erreicht oder eine Pflegeleistung überhaupt nicht erbracht wurde. Damit ist bereits ausgeschlossen, im vorliegenden Fall die Zeit der Pflege der Schwiegermutter oder der Mutter auf einen anderen Zeitraum als den der tatsächlich erbrachten Pflegeleistung zu verlegen. Hinzu kommt, dass außer dem Erfordernis der tatsächlichen Pflege im Umfang von wenigstens 14 Wochenstunden auch der Bezug einer Leistung aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung oder Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz vorgelegen haben muss. Auch ein solcher Leistungsbezug, selbst wenn er im vorliegenden Fall unterstellt wird, ist konkret zeitgebunden. Die Klägerin kann in einer Woche nur ein Mal wenigstens 14 Wochenstunden Angehörige mit entsprechendem Leistungsbezug gepflegt haben. Damit kann auch die Zeit der Pflege nur insgesamt ein Mal in die Rahmenfrist "nicht eingerechnet" werden.
Gleiches gilt, wie das SG zutreffend entschieden hat, für die Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen, dass das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III a.F.). Auch hier ist eine natürliche Zeitgrenze für die Berücksichtigung bei der Erweiterung der Rahmenfrist gezogen durch die Vollendung des dritten Lebensjahres des jüngsten Kindes. Dass für jedes Kind drei Jahre Betreuung und Erziehungszeit nicht in die Rahmenfrist eingerechnet werden, sagt das Gesetz gerade nicht. Auch dass insoweit Überschneidungen außer Betracht bleiben und jeweils drei Jahre Erziehungszeit aneinander anschließen sollen, lässt sich dem Gesetz gerade nicht entnehmen. Es ist zwar zutreffend, dass bei den Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung drei Jahre für jedes Kind anerkannt werden. § 56 Abs. 5 SGB VI bestimmt: "Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert". Eine solche oder ähnliche gesetzliche Regelung ist für die Verlängerung der Rahmenfrist für das Arbeitslosengeld gerade nicht vorgesehen. Hier hat es bei der Begrenzung auf die Erfüllung des dritten Lebensjahres des jüngsten Kindes zu verbleiben. Eine Verlängerung um Überschneidungszeiten ist nicht möglich. Eine erweiternde Auslegung des Gesetzes sieht der Senat wegen des eindeutigen Wortlauts der Rechtsnorm für nicht gerechtfertigt an.
Das SG hat auch mit zutreffender Begründung die Erstreckung der Pflegezeiten bis zum 1.1.1995 im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verneint. Es hat zu Recht und unter zutreffender Zitierung von Rechtsprechung und Literatur darauf abgestellt, dass die Verlängerung der Rahmenfrist unter anderem an den tatsächlichen Leistungsbezug (Pflegegeld) anknüpfe und sich ein solcher tatsächlicher Leistungsbezug nicht durch einen Herstellungsanspruchs fingieren lasse. Dass ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auch gegeben sein kann, wenn die zu Nachteilen führenden Handlungen oder Unterlassungen einer anderen Behörde zuzurechnen sind, kann in diesem Zusammenhang nicht genügen. Mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann zwar eine nicht erfolgte Antragstellung fingiert werden, nicht jedoch ein tatsächlich über Jahre hinweg nicht erfolgter Leistungsbezug. Die Ansicht der Klägerin, bei § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III seien auch die tatsächlichen Pflegezeiten und nicht nur die Zeiten des tatsächlichen Bezuges von Pflegegeld bei der Berechnung zu berücksichtigen, findet im Gesetz keine Stütze.
Die Berufung der Klägerin ist nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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