Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
35
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AS 259/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet der Antragstellerin für den Monat Dezember 2006 Leistungen in Höhe von 400,00 Euro und für die Monate Januar, Februar und März 2007 Leistungen in Höhe von 750,00 Euro monatlich auszuzahlen. Der Weitergehende Antrag wird abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin erhielt von der Antragsgegnerin für den Zeitraum vom 01.11.2005 bis zum 30.11.2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 862,33 Euro. Im Dezember 2005 erhielt sie 902,33 Euro und für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 30.04.2006 889,71 Euro.
Unter dem 26. April 2006 stellte die Antragstellerin einen Folgeantrag für die Zeit ab Mai 2006.
Die Antragsgegnerin gab der Antragstellerin daraufhin mit Schreiben vom 04.05.2006 auf, verschiedene Unterlagen, u.a. Kontoauszüge und Sparbuchauszüge ab dem 01.03.2006 zur Akte zu reichen. Dem kam die Antragstellerin nach.
Mit Anhörungsschreiben vom 06.07.2006 teilte die Antragsgegnerin mit, sie beabsichtige, den Fortzahlungsantrag abzulehnen. Zur Begründung gab sie an, aus den Unterlagen, die die Antragstellerin zur Akte gereicht habe, ergäben sich erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin. Aus den Unterlagen sei nicht ersichtlich, wie sich die Antragstellerin finanziere. Insbesondere leiste sie erhebliche Tilgungs- und Versicherungsleistungen für das von ihr bewohnte Haus. Es sei daher davon auszugehen, dass die Antragstellerin über Einkünfte verfüge, die sie nicht bekannt gegeben habe.
Am 10. Mai 2006 ging bei der Antragsgegnerin eine anonyme Anzeige ein, wonach die Antragstellerin Hunde züchte und verkaufe. Außerdem arbeite der Ehemann der Antragstellerin schwarz. Die Antragsgegnerin hat daraufhin verschiedene Ermittlungen angestellt, die jedoch zu keinem eindeutigen - für die Antragstellerin belastenden - Ergebnis geführt haben. Im weiteren Verwaltungsverfahren hat die Antragstellerin vorgetragen, sie habe – u.A. wegen der ausbleibenden Zahlungen der Antragsgegnerin - ein Darlehen ihrer Mutter in Höhe von 5000,00 Euro erhalten. Eine Hundezucht betreibe sie nicht. Sie sei Mitglied eines Hundevereins und züchte Hunde zu Hobbyzwecken.
Mit Bescheid vom 15.09.2006 lehnte die Antragsgegnerin die weitere Gewährung von Leistungen ab dem 01.05.2006 ab. Hiergegen hat die Antragstellerin Widerspruch erhoben, über den bislang nicht entschieden worden ist. Am 13.12.2006 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt.
Sie beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, aus den für die Zeit vom 01.03.2006 bis zum 14.06.2006 vorgelegten Kontoauszügen ergäben sich erhebliche Zweifel am Hilfebedarf der Antragstellerin. Diese habe keine Barverfügungen getroffen. Aus den Kontoauszügen sei aber ersichtlich, dass Bareinzahlungen in Höhe von 1240,00 Euro vorgenommen worden seien. Tilgungsraten für das selbst bewohnte Haus seien dauernd bedient worden. Die Antragsgegnerin ist im Übrigen der Auffassung, die Antragstellerin trage die materielle Beweislast für ihre Hilfebedürtigkeit. Den entsprechenden Beweis habe sie nicht erbracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat in der Sache weitgehend Erfolg. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch ausreichend glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsgrund liegt vorliegend schon deshalb vor, weil die Antragstellerin derzeit keinerlei Mittel nach dem SGB II erhält und glaubhaft versichert hat, über keine weiteren Mittel zu verfügen.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie hat nämlich im gerichtlichen Eilverfahren ausreichend dargelegt, dass sie Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen die Sozialgerichte die Grundleistungen nach dem SGB II nicht auf Grund von Mutmaßungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ablehnen (Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 12.05.2005 - Az.: 1 BvR 569/05 - www.juris.de). Einen Antrag auf Leistungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dürfen die Sozialgerichte demnach nur zurückweisen, wenn die Behörden belegen können, dass die Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Anspruch auf Leistungen haben. Einen solchen Beweis hat die Antragsgegnerin vorliegend aber nicht erbracht. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand und dem Inhalt der dem Gericht zur Verfügung gestellten Akten ist zurzeit völlig offen, ob dem Leistungsanspruch der Antragstellerin Einkommen oder Vermögen der Antragstellerin entgegen gehalten werden kann. Zwar teilt das Gericht die Auffassung der Antragsgegnerin, dass gewisse Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin bestehen, dem Gericht liegen allerdings keine ausreichenden Belege für solche Einnahmen vor. Die Ausführungen der Antragstellerin hinsichtlich des Darlehens ihrer Mutter erscheinen nicht unglaubwürdig. Die Mutmaßungen der Antragsgegnerin basieren im Übrigen im Wesentlichen auf Vorgänge aus dem Zeitraum von März bis Juni 2006 (Kontoauszüge). Diesbezüglich hat das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) bestimmt, dass auf Grund solcher Mutmaßungen aus der Vergangenheit nicht auf derzeit vorhandenes Einkommen oder Vermögen geschlossen werden kann.
Unabhängig davon hält es das Sozialgericht generell für unzulässig, wenn die Behörden Leistungen unter Berufung auf unklare Vermögensverhältnisse ablehnen, ohne den Antragstellern detailliert aufzuzeigen, unter welchen Voraussetzungen die Antragsteller in den Genuss der begehrten Leistung kommen. Gerade dies ist aber vorliegend geschehen. Obwohl die Antragstellerin alle Unterlagen beigebracht hat, die von der Antragsgegnerin gefordert worden sind, hat die Antragsgegnerin den Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin hat es aber versäumt, der Antragstellerin vorzugeben, welche Unterlagen sie beibringen muss, um ihre Vermögenslosigkeit zu belegen. Sie hat die Leistung allein wegen "unklarer Vermögensverhältnisse" abgelehnt. Bei dieser Sachlage ist es für die Antragstellerin nicht erkennbar, was sie tun muss, um die Zweifel der Behörde auszuräumen.
Das Gericht hat der Antragstellerin zunächst - für den Zeitraum bis Ende März 2007 - Leistungen zugebilligt, die ungefähr 80 % der zustehenden Leistungen ausmachen. Das Gericht will damit verhindern, dass mit der einstweiligen Anordnung die Hauptsache bereits vorweggenommen wird. Im Übrigen hat das Gericht Leistungen erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht bewilligt, weil im einstweiligen Rechtsschutzverfahren grundsätzlich keine Leistungen für die Vergangenheit zu gewähren sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin erhielt von der Antragsgegnerin für den Zeitraum vom 01.11.2005 bis zum 30.11.2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 862,33 Euro. Im Dezember 2005 erhielt sie 902,33 Euro und für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 30.04.2006 889,71 Euro.
Unter dem 26. April 2006 stellte die Antragstellerin einen Folgeantrag für die Zeit ab Mai 2006.
Die Antragsgegnerin gab der Antragstellerin daraufhin mit Schreiben vom 04.05.2006 auf, verschiedene Unterlagen, u.a. Kontoauszüge und Sparbuchauszüge ab dem 01.03.2006 zur Akte zu reichen. Dem kam die Antragstellerin nach.
Mit Anhörungsschreiben vom 06.07.2006 teilte die Antragsgegnerin mit, sie beabsichtige, den Fortzahlungsantrag abzulehnen. Zur Begründung gab sie an, aus den Unterlagen, die die Antragstellerin zur Akte gereicht habe, ergäben sich erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin. Aus den Unterlagen sei nicht ersichtlich, wie sich die Antragstellerin finanziere. Insbesondere leiste sie erhebliche Tilgungs- und Versicherungsleistungen für das von ihr bewohnte Haus. Es sei daher davon auszugehen, dass die Antragstellerin über Einkünfte verfüge, die sie nicht bekannt gegeben habe.
Am 10. Mai 2006 ging bei der Antragsgegnerin eine anonyme Anzeige ein, wonach die Antragstellerin Hunde züchte und verkaufe. Außerdem arbeite der Ehemann der Antragstellerin schwarz. Die Antragsgegnerin hat daraufhin verschiedene Ermittlungen angestellt, die jedoch zu keinem eindeutigen - für die Antragstellerin belastenden - Ergebnis geführt haben. Im weiteren Verwaltungsverfahren hat die Antragstellerin vorgetragen, sie habe – u.A. wegen der ausbleibenden Zahlungen der Antragsgegnerin - ein Darlehen ihrer Mutter in Höhe von 5000,00 Euro erhalten. Eine Hundezucht betreibe sie nicht. Sie sei Mitglied eines Hundevereins und züchte Hunde zu Hobbyzwecken.
Mit Bescheid vom 15.09.2006 lehnte die Antragsgegnerin die weitere Gewährung von Leistungen ab dem 01.05.2006 ab. Hiergegen hat die Antragstellerin Widerspruch erhoben, über den bislang nicht entschieden worden ist. Am 13.12.2006 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt.
Sie beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, aus den für die Zeit vom 01.03.2006 bis zum 14.06.2006 vorgelegten Kontoauszügen ergäben sich erhebliche Zweifel am Hilfebedarf der Antragstellerin. Diese habe keine Barverfügungen getroffen. Aus den Kontoauszügen sei aber ersichtlich, dass Bareinzahlungen in Höhe von 1240,00 Euro vorgenommen worden seien. Tilgungsraten für das selbst bewohnte Haus seien dauernd bedient worden. Die Antragsgegnerin ist im Übrigen der Auffassung, die Antragstellerin trage die materielle Beweislast für ihre Hilfebedürtigkeit. Den entsprechenden Beweis habe sie nicht erbracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat in der Sache weitgehend Erfolg. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch ausreichend glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsgrund liegt vorliegend schon deshalb vor, weil die Antragstellerin derzeit keinerlei Mittel nach dem SGB II erhält und glaubhaft versichert hat, über keine weiteren Mittel zu verfügen.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie hat nämlich im gerichtlichen Eilverfahren ausreichend dargelegt, dass sie Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen die Sozialgerichte die Grundleistungen nach dem SGB II nicht auf Grund von Mutmaßungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ablehnen (Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 12.05.2005 - Az.: 1 BvR 569/05 - www.juris.de). Einen Antrag auf Leistungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dürfen die Sozialgerichte demnach nur zurückweisen, wenn die Behörden belegen können, dass die Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Anspruch auf Leistungen haben. Einen solchen Beweis hat die Antragsgegnerin vorliegend aber nicht erbracht. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand und dem Inhalt der dem Gericht zur Verfügung gestellten Akten ist zurzeit völlig offen, ob dem Leistungsanspruch der Antragstellerin Einkommen oder Vermögen der Antragstellerin entgegen gehalten werden kann. Zwar teilt das Gericht die Auffassung der Antragsgegnerin, dass gewisse Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin bestehen, dem Gericht liegen allerdings keine ausreichenden Belege für solche Einnahmen vor. Die Ausführungen der Antragstellerin hinsichtlich des Darlehens ihrer Mutter erscheinen nicht unglaubwürdig. Die Mutmaßungen der Antragsgegnerin basieren im Übrigen im Wesentlichen auf Vorgänge aus dem Zeitraum von März bis Juni 2006 (Kontoauszüge). Diesbezüglich hat das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) bestimmt, dass auf Grund solcher Mutmaßungen aus der Vergangenheit nicht auf derzeit vorhandenes Einkommen oder Vermögen geschlossen werden kann.
Unabhängig davon hält es das Sozialgericht generell für unzulässig, wenn die Behörden Leistungen unter Berufung auf unklare Vermögensverhältnisse ablehnen, ohne den Antragstellern detailliert aufzuzeigen, unter welchen Voraussetzungen die Antragsteller in den Genuss der begehrten Leistung kommen. Gerade dies ist aber vorliegend geschehen. Obwohl die Antragstellerin alle Unterlagen beigebracht hat, die von der Antragsgegnerin gefordert worden sind, hat die Antragsgegnerin den Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin hat es aber versäumt, der Antragstellerin vorzugeben, welche Unterlagen sie beibringen muss, um ihre Vermögenslosigkeit zu belegen. Sie hat die Leistung allein wegen "unklarer Vermögensverhältnisse" abgelehnt. Bei dieser Sachlage ist es für die Antragstellerin nicht erkennbar, was sie tun muss, um die Zweifel der Behörde auszuräumen.
Das Gericht hat der Antragstellerin zunächst - für den Zeitraum bis Ende März 2007 - Leistungen zugebilligt, die ungefähr 80 % der zustehenden Leistungen ausmachen. Das Gericht will damit verhindern, dass mit der einstweiligen Anordnung die Hauptsache bereits vorweggenommen wird. Im Übrigen hat das Gericht Leistungen erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht bewilligt, weil im einstweiligen Rechtsschutzverfahren grundsätzlich keine Leistungen für die Vergangenheit zu gewähren sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
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