L 6 AL 223/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 77 AL 1746/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 AL 223/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Rentenversicherungsträger eine Zeit der Arbeitslosigkeit vom 08. August bis 11. September 2002 zu melden.

Der Kläger bezog bis zur Erschöpfung seines Anspruches im Mai 1997 Arbeitslosengeld (ALG). Danach bezog er – mit Unterbrechungen – Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 19. Januar 2001 hob die Beklagte die Leistungsbewilligung auf.

Der Kläger, der sich zuletzt am 02. Juli 2002 bei der Beklagten persönlich gemeldet hatte, erhielt nach seinen eigenen Angaben im Juli 2002 eine Einladung zu einer Informations-Veranstaltung bei der O GmbH, die am 07. August 2002 stattfinden sollte. Auf der Rückseite des Einladungsschreibens waren folgende Hinweise für Nichtleistungsempfänger abgedruckt: "Bitte beachten Sie, dass ein Nichterscheinen zum vorgenannten Termin ohne wichtigen Grund Ihre Arbeitslosigkeit beendet (fehlende Mitwirkung). Über den Wegfall des Status der Arbeitslosigkeit erfolgt im zutreffenden Einzelfall auch eine entsprechende Mitteilung an das örtlich zuständige Sozialamt und/oder an die Familienkasse und Ihren Rententräger." Der Kläger folgte der Einladung nicht. Daraufhin wurde seine Arbeitslosmeldung gelöscht.

Der Kläger meldete sich erneut persönlich am 12. September 2002 bei der Beklagten als arbeitslos.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Zeit vom 01. Januar 2002 bis 07. August 2002 als Zeit der Arbeitslosigkeit dem Rentenversicherungsträger melden werde. Am 21. November 2003 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Er habe mehrfach vergeblich versucht, unter der in der Einladung angegebenen Rufnummer jemanden zu erreichen. Auf der Einladung habe nicht gestanden, dass er das Arbeitsamt kontaktieren müsse, wenn er nicht an der Veranstaltung teilnehmen könne. Mit Bescheid vom 18. März 2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Widerspruch sei nicht verfristet, da das Schreiben vom 22. Mai 2003 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten habe. Der Widerspruch sei unbegründet. Für die Zeit vom 08. August bis 11. September 2002 habe eine Arbeitslosigkeit nicht bestätigt werden können. Der Kläger sei einer Einladung nicht gefolgt. Daher müsse sich der Kläger vorwerfen lassen, nicht bereit gewesen zu sein, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden.

Hiergegen hat der Kläger am 24. März 2004 Klage erhoben.

Mit Bescheid vom 21. Juli 2004 hat die Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt H dem Kläger auf seinen Antrag vom 02. September 2003 ab dem 01. September 2003 eine bis zum 30. Juni 2006 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. Dabei ist der Rentenversicherungsträger davon ausgegangen, dass die Anspruchsvoraussetzungen ab dem 18. Mai 2001 erfüllt seien und stellte die Zeit vom 18. Mai 2001 bis 30. November 2012 als Zurechnungszeit im Versicherungsverlauf des Klägers fest.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) Berlin hat der Kläger als Grund für die Nichtteilnahme an der Veranstaltung der O GmbH angeführt, dass es ihm unzumutbar sei, Vermittlungsvorschläge und Maßnahmen der Beklagten wahrzunehmen, weil diese auch Ausländer diskriminierende Stellenangebote veröffentliche und seine eigene Kritik an ausländerfeindlicher Wahlwerbung neofaschistischer Parteien (insbesondere der NPD) an die Neonazis weitergeleitet habe, die ihn nunmehr verfolge.

Mit Urteil vom 25. April 2005 hat das SG Berlin die Klage abgewiesen. Die Klage sei nicht zulässig. Der Kläger sei nicht klagebefugt; es fehle an einem Verwaltungsakt der Beklagten. Die Mitteilung der Beklagten enthalte keine Regelung, sondern sei eine bloße Sachverhaltsauskunft, auf deren Grundlage der Rentenversicherungsträger bei Feststellung von rentenrelevanten Zeiträumen Entscheidungen stütze. Auch sei der Kläger nicht beschwert, da die Nichtmeldung von Zeiten der Arbeitssuche in den Monaten August und September 2002 für ihn zu keinem Nachteil geführt habe. Der Rentenversicherungsträger habe die gemeldeten Zeiträume bis zum 07. August 2002 als Zurechnungszeit und nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt. Schließlich sei die Löschung des Gesuchs des Klägers auf Arbeitssuche für Zeiträume nach dem 07. August 2002 zutreffend erfolgt, weil der Kläger keinen wichtigen Grund gehabt habe, die ihm angebotene Maßnahme nicht wahrzunehmen.

Hiergegen richtet sich die Berufung, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.

Dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers ist der Antrag zu entnehmen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2005 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Rentenversicherungsträger eine Meldung über das Bestehen von Arbeitslosigkeit für die Zeit vom 08. August 2002 bis 11. September 2002 zu erstatten. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Band I - III) verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der Beratung und Entscheidung waren.

II.

Die zulässige Berufung ist nach einstimmiger Auffassung der Berufsrichter des Senats nicht begründet und eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich. Das Rechtsmittel kann daher durch Beschluss zurückgewiesen werden, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs 4 Satz 1 und 2 SGG).

Der vom Kläger erhobenen Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Meldung von Zeiten der Arbeitslosigkeit - bzw. Meldung eines Anrechnungszeiten-Tatbestandes (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)) - an den Rentenversicherungsträger fehlt nicht das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Voraussetzung der Zulässigkeit jeder Klage ist grundsätzlich, dass der Kläger ein schutzwürdiges Interesse (Rechtsschutzinteresse) an der begehrten Entscheidung des Gerichts hat und das Gericht nicht für unnütze Zwecke in Anspruch nimmt (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. Februar 1994, 11 RAr 49/93 R, in Juris veröffentlicht). Für das Klageziel, die Beklagte zur Meldung von Zeiten der Arbeitslosigkeit für die mögliche Anerkennung als Anrechnungszeiten durch den Rentenversicherungsträger zu verurteilen, lässt sich ein Rechtsschutzbedürfnis nicht schon deshalb verneinen, weil die begehrte Meldung von der Beklagten für den Rentenversicherungsträger nicht bindend ist. Zwar entfaltet die Meldung der Arbeitslosigkeit durch die Bundesanstalt für Arbeit (heute: Bundesagentur für Arbeit) an den Rentenversicherungsträger allein noch keine Rechtswirkungen, sondern dient nur dazu, Tatsachenmaterial für die spätere Entscheidung über die Anerkennung einer Anrechnungszeit an den Rentenversicherungsträger weiterzuleiten, der dann in eigener Zuständigkeit entscheidet. Allerdings stellt die Bescheinigung des Arbeitsamtes über die Zeiten, in denen ein Mitglied der Rentenversicherung dort als Arbeitsloser arbeitsuchend gemeldet war, nach der Rechtsprechung des BSG eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 Zivilprozessordnung (ZPO) dar (BSG, Urteil vom 09. Februar 1994, aaO). Da der Meldung der Beklagten über die von ihr festgestellten Zeiten der Arbeitslosigkeit somit Beweiskraft im Rahmen der Bestimmung des § 418 ZPO zukommen kann, ist es nicht auszuschließen, dass der Rentenversicherungsträger, ohne rechtlich gebunden zu sein, von weiteren (eigenen) Ermittlungen absieht, wenn ihm eine öffentliche Urkunde von einem anderen Versicherungsträger vorgelegt wird, in der mit entsprechender Beweiskraft Aussagen über bestimmte tatsächliche Umstände enthalten sind (vgl BSG, Urteil vom 09. Februar 1994, aaO). Ein schutzwürdiges Interesse würde jedoch dann entfallen, wenn der Kläger bereits ein Gerichtsverfahren gegen den zuständigen Rentenversicherungsträger betreibt, indem er die Anerkennung bzw Vormerkung der Zeit ab 26. Juni 2003 als Anrechnungszeit verfolgt (vgl BSG, Urteil vom 09. Februar 1994, aaO). Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Indes hat das Begehren des Klägers aus inhaltlichen Gründen keinen Erfolg. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Zeit vom 08. August bis 11. September 2002 als Anrechnungszeit nach § 193 SGB VI iVm § 39 Abs 2 der Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung (Datenerfassungs- und –übermittlungsverordnung – DEÜV) vom 10. Februar 1998 in der hier maßgeblichen Fassung der Verordnung zur Änderung von gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung vom 13. August 2001 (BGBl I S 2165) zu melden. Nach § 193 SGB VI sind dem zuständigen Rentenversicherungsträger Anrechnungszeiten sowie Zeiten, die für die Anerkennung von Anrechnungszeiten erheblich sein können, für Versicherte durch die zuständige Krankenkasse oder durch die Bundesanstalt für Arbeit zu melden. Nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben. Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung kennt keine eigene Definition der Arbeitslosigkeit. Der Begriff wird vielmehr in Anlehnung an das Recht der Arbeitslosenversicherung ausgelegt, wobei auf die besonderen Erfordernisse der Rentenversicherung Rücksicht zu nehmen ist (hM, BSG SozR 3-2000 § 1259 Nr 18 mwN). Arbeitslos ist, wer vorübergehend unfreiwillig ohne Arbeit, arbeitswillig und arbeitsfähig ist. Nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ist arbeitslos, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht und beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet ist. Der Kläger müsste in dem maßgeblichen Zeitraum auch objektiv und subjektiv verfügbar gewesen sei. Objektiv verfügbar ist, wer nicht gehindert ist, eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Subjektiv verfügbar ist, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2006, B 5 RJ 27/05 R, veröffentlicht in Juris). Aus dem Regelungsgehalt dieser Bestimmung folgt, dass die Berücksichtigung als Anrechnungszeit nur arbeitsuchenden (Renten-)Versicherten zukommen soll, die nicht nur arbeitslos und arbeitsfähig, sondern auch und gerade aktiv unter Nutzung der Möglichkeiten der Arbeitsvermittlung um die Wiedererlangung einer Beschäftigung bemüht sind. Daher ist insoweit auch das bloße passive Abwarten, ob das Arbeitsamt einen Arbeitsplatz "anbietet", nicht ausreichend, so dass nach einem Urteil des BSG vom 15. Dezember 1994 (4 RAr 64/93, SozR 3-2600 § 58 Nr 2) Arbeitslose, die - wie der Kläger - keine Leistungen vom Arbeitsamt beziehen, sich regelmäßig, dh jedenfalls alle drei Monate beim Arbeitsamt als (weiterhin) arbeitsuchend melden müssen, um für diese Zeiten den Tatbestand einer Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI erfüllen zu können. Vorliegend ist der Kläger zwar der regelmäßigen spätestens alle drei Monate zu erneuernden Meldepflicht nachgekommen. Indes fehlt es in dem strittigen Zeitraum an der subjektiven Verfügbarkeit des Klägers. Der Senat teilt insoweit die Einschätzung der Beklagten, dass aus dem Nichterscheinen zum Termin bei der OBZ GmbH mit hinreichender Deutlichkeit folgt, dass der Kläger zu dieser Zeit nicht aktiv zur Nutzung aller Möglichkeiten, wieder eine Beschäftigung zu erlangen, bereit war. Dazu hätte es gehört, unter Zurückstellung seiner Bedenken den Termin wahrzunehmen und von diesem Termin konkret oder zumindest allgemein eröffneten Beschäftigungs- oder Bewerbungsperspektiven nicht von vornherein zu verzichten. Die Indizwirkung der Nichtteilnahme für fehlendes Vermittlungsinteresse ergibt sich dabei weiter und insbesondere auch daraus, dass der Kläger wegen der Hinweise auf dem Einladungsschreiben wusste, dass er ab diesem Zeitpunkt keine Vermittlungsangebote erhalten würde, und dies in Kauf genommen hat. Die Einlassung des Klägers, er habe geglaubt, seine Mitwirkungspflicht erfüllt zu haben, da er mehrere Male erfolglos versucht habe, über die kostenfreie Info-Line jemanden zu erreichen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Aus dem Einladungsschreiben geht eindeutig hervor, dass ein Nichterscheinen ohne wichtigen Grund die Arbeitslosigkeit beendet. Die vom Kläger in seiner Klagebegründung und in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Berlin geltend gemachten Bedenken gegen das politische Klima in Berlin und die angebliche Arbeitweise der Beklagten sind so allgemein gehalten, dass sie einen wichtigen Grund für ein Fernbleiben von dieser konkreten von der Beklagten anberaumten Informationsveranstaltung nicht begründen können. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG)
Rechtskraft
Aus
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