Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 50/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 270/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 22/05 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 11. Dezember 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2002 sowie der Bescheid vom 21. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. September 2003 werden insoweit teilweise aufgehoben und abgeändert, als bis zu 12 Stunden kalendertäglich Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V (zuzüglich Fahrtkosten) bewilligt werden.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte erstattet 8/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die am 2000 geborene Klägerin ist schwerstbehindert. Sie muss vor allem ständig künstlich beatmet und über eine PEG-Sonde ernährt werden. - Streitig sind zwischen den Parteien Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Sinne von § 37 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
Die Klägerin ist von Geburt an bis zum 21.04.2001 in stationärer Behandlung in verschiedenen Krankenhäusern gewesen. Sie leidet an einem partiellen Di-George-Syndrom, cerebralen Krampfanfällen bei Hirnatrophie, Fallot scher Tetralogie, Zustand nach dreimaliger Herzoperation im 1. Lebensjahr sowie Hyperthyreose. Seit dem 21.04.2001 wird sie von ihren Eltern, vorwiegend der Mutter, zu Hause gepflegt, künstlich beatmet und mit einer PEG-Sonde ernährt. - Nach den Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) beträgt der Betreuungsumfang 24 Stunden pro Tag. Die Voraussetzungen für Leistungen aus der Pflegeversicherung nach dem Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) liegen vor. Seit dem 01.11.2001 gewährt die Pflegekasse bei der Beklagten Pflegeleistungen der Stufe III in Form von Geldleistungen.
Das Sozialgericht Augsburg hat in dem Eilverfahren S 12 KR 4/02 ER mit Beschluss vom 18.01.2002 folgendes entschieden: Unter Abänderung des Bescheides vom 19.12.2001 wird die Antragsgegnerin verpflichtet, für die Antragstellerin über den 18.01.2002 hinaus bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens jedoch bis zum 31.03.2002 Kosten für Behandlungspflege einschließlich Fahrtkosten durch den Pflegedienst D. in Höhe von pauschal 12.500,00 EUR pro Monat zu tragen: Die Antragstellerin (und hiesige Klägerin) habe Anspruch auf häusliche Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V, da ein Fall einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit gegeben sei (Bundessozialgericht mit Urteil vom 28.01.1999 - B 3 KR 4/98 R in SozR 3-2500 § 37 Nr. 1). Die Antragstellerin benötige eine Behandlungspflege "rund um die Uhr", da sie zur Sicherstellung ihrer Atmung 24 Stunden lang ununterbrochen beobachtet werden müsse und in regelmäßigen Abständen, auch nachts, Segretabsonderungen abgesaugt werden müssten, um die Atemwege freizuhalten. Hierbei handele es sich um eine krankheitsspezifische Beaufsichtigung und damit einen Bestandteil der Behandlungspflege. Hierzu habe der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen am 16.02.2000 eine Richtlinie über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V erlassen. Als verordnungsfähige Leistungen der Behandlungspflege würden dabei u.a. aufgeführt in Nr. 6 das Absaugen sowie in Nr. 8 Bedienung und Überwachung eines Beatmungsgerätes. In den Vorbemerkungen zum Verzeichnis werde ausgeführt, dass die "allgemeine Krankenbeobachtung" Bestandteil jeder einzelnen Leistung der häuslichen Krankenpflege und von daher nicht gesondert verordungsfähig sei. Die HKrPflRL würden nach Auffassung des Gerichts eine Lücke aufweisen, da sie Fälle wie diejenigen der Antragstellerin, die einer ständigen Überwachung aufgrund der Beatmungspflichtigkeit bedürfe, nicht erfassen würden. Nach Auffassung des Gerichts habe der Bundesausschuss, als er in der Ziffer 8 die Bedienung und Überwachung des Beatmungsgerätes aufführte, und dabei nur u.a. Anpassung und Überprüfung der Einstellungen des Beatmungsgerätes, Überprüfung der Funktion und Austausch bestimmter Teile des Gerätes für verordnungsfähig im Rahmen der Behandlungspflege ansetzte, übersehen, dass bei bestimmten Fällen der Beatmungspflichtigkeit eine ständige Überwachung des Kranken und des Beatmungsgerätes erforderlich sei, um dann im Bedarfsfall die einzelnen abrechenbaren pflegerischen Maßnahmen ergreifen zu können. Diese Lücke sei vom Gericht auszufüllen. Daher habe die Antragstellerin (und hiesige Klägerin) nach Auffassung des Gerichts auch einen Anspruch auf Behandlungspflege für die Zeiten der "reinen" Beobachtung, ohne dass gleichzeitig Maßnahmen der Behandlungspflege ausgeführt würden.
In dem weiteren Eilverfahren S 10 KR 56/02 ER hat das Sozialgericht Augsburg mit Beschluss vom 21.03.2002 entschieden: Unter Abänderung des Bescheides vom 14.03.2002 wird die Antragsgegnerin verpflichtet, für die Antragstellerin, beginnend ab 01.04.2002 vorerst bis 31.12.2002, Kosten für die Behandlungspflege einschließlich Fahrtkosten durch den Pflegedienst D. bis zu 15.000,00 EUR pro Monat zu tragen. - Maßgeblicher Grund sei zum einen, dass bei der schwerstbehinderten Antragstellerin seit dem 07.12.2001, wie glaubhaft vorgetragen, die bekannten cerebralen Krampfanfälle häufiger auftreten. Dies bedinge einen gestiegenen Sauerstoffbedarf. Zum anderen sei die Mutter der Antragstellerin glaublich nunmehr im 4. Monat schwanger und könne die erforderliche Behandlungspflege nicht mehr in dem Umfang wie bisher erbringen.
Das Bayer. Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 09.07.2002 - L 4 B 133/02 KR ER die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 21.03.2002 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sie verpflichtet wird, die Antragstellerin durch einen Arzt des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) bezüglich der einzelnen Leistungen der häuslichen Krankenpflege vor dem 31.12.2002 untersuchen zu lassen. - Die entsprechende Beobachtung der Antragstellerin durch Pflegekräfte sei im Leistungsverzeichnis der Krankenpflege-Richtlinien in Nr. 24 geregelt und damit verordnungs- und vergütungsfähig. Da die Antragsgegnerin die Berechnung des Gesamtbetrages der Behandlungspflege durch das Sozialgericht Augsburg nicht angegriffen habe, verbleibe es für das vorliegende Verfahren bei diesem Betrag in Höhe von 15.000,00 EUR je Monat.
In dem weiteren Eilverfahren S 10 KR 299/02 ER hat das Sozialgericht Augsburg mit Beschluss vom 13.12.2002 ausgeführt: In Ergänzung des Beschlusses des Sozialgerichts Augsburg vom 21. März 2002 - S 10 KR 56/02 ER sowie des Beschlusses des Bayer. Landessozialgerichts vom 09.07.2002 - L 4 B 133/02 KR ER wird die Antragsgegnerin verpflichtet, für die Antragstellerin, beginnend ab 01.01.2003 bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens S 10 KR 50/02 in I. Instanz Kosten für die Behandlungspflege einschließlich Fahrtkosten durch den Pflegedienst D. oder einem anderen Pflegedienst bis zu 17.000,00 EUR pro Monat zu tragen. - Der von dem Bevollmächtigten der Antragstellerin genannte Stundensatz des Pflegedienstes D. von (nunmehr) 32,21 EUR sei gerichtsbekannt angemessen. In Berücksichtigung der ebenfalls aktenkundigen zwischenzeitlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin bestehe bei summarischer Prüfung ein Kostenanfall für Behandlungspflege einschließlich Fahrtkosten bis zu 17.000,00 EUR pro Monat.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2002 hat die Beklagte ausgeführt, dass die allgemeine Krankenbeobachtung Bestandteil jeder einzelnen Leistung der häuslichen Krankenpflege und von daher nicht gesondert verordnungsfähig sei. Die Kostenübernahmeerklärung für die Leistungen des Pflegedienstes ab 19.01.2002 sei auf der Basis des festgestellten Behandlungspflegeumfanges von durchschnittlich 466 Minuten pro Tag erfolgt. Dem Pflegedienst werde ein Stundensatz in Höhe von 63,00 DM vergütet. Dementspechend ergäbe sich bei einer Monatsberechnung mit 30 Tagen ein genehmigungsfähiger Leistungsumfang in der Behandlungspflege in Höhe von 14.685,30 DM oder 7.508,47 EUR. Fahrtkosten würden gesondert in Höhe von 0,52 DM pro gefahrenen Kilometer erstattet und zu 1/4 der Pflegeversicherung und 3/4 der Krankenversicherung zugeordnet.
Mit dem weiteren Bescheid vom 21.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2003 sei die Kostenübernahme für behandlungspflegerische Leistungen ausgehend von einem täglichen Umfang von 6 Stunden und 46 Minuten bzw. 6.604,78 EUR zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von 1.659,04 EUR, insgesamt somit gerundet 8.270,00 EUR monatlich zugesichert worden. - Die Begutachtung am 28.10.2002 durch den MDK habe ergeben, dass die behandlungspflegerischen Maßnahmen, z.B. Absaugen, Trachialkanülenpflege grundsätzlich von einer extra qualifizierten Pflegefachkraft übernommen werden sollten. Der Betreuungsumfang (Krankenbeobachtung) umfasse täglich 24 Stunden, da die Klägerin nicht aus den Augen gelassen werden dürfe. Damit die Pflege des schwerstkranken Kindes auf Dauer von den Eltern geleistet werden könne, sei eine Entlastung im Umfang von 7 Nächten pro Woche (12 Stunden inklusive Fahrzeit) und tagsüber 7 x wöchentlich je 7 Stunden (inklusive Fahrzeit) notwendig. Der Umfang der im einzelnen notwendigen behandlungspflegerischen Maßnahmen belaufe sich auf 406 Minuten täglich bzw. 6 Stunden 46 Minuten.
Die Bevollmächtigten der Klägerin haben sowohl in den insgesamt vier Eilverfahren als auch mit Klageschrift vom 13.03.2002 sinngemäß zusammengefasst vorgetragen, dass die Klägerin häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege im Umfang von 24 Stunden täglich benötige.
Das Hauptsacheverfahren hat sich erheblich verzögert, weil vonseiten der Beklagten erst mit Nachricht vom 26.05.2003 das Gutachten des MDK vom 12.11.2002 (nach Hausbesuch vom 28.10.2002) übermittelt worden ist. - Die Bevollmächtigten der Klägerin haben mit Schriftsatz vom 10.06.2003 hierzu angemerkt, dass das vorgelegte Gutachten den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch in vollem Umfang bestätige. - Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14.08.2003 erläutert, wie sich der von ihr zugebilligte Betrag in Höhe von 6.604,78 EUR Behandlungspflege zuzüglich Fahrtkosten (vgl. Bescheid vom 21.11.2002 für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2003) errechnet.
Mit Schreiben vom 25.09.2003 hat die Beklagte ergänzend darauf hingewiesen, dass das vom Sozialgericht Augsburg im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zuerkannte Stundenbudget durch den Pflegedienst nicht in vollem Umfang ausgeschöpft wird. Die Notwendigkeit der Betreuung im beantragten Umfang stehe daher in Frage. - Die Bevollmächtigten der Klägerin haben in der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2003 den aktuellen Kostenvoranschlag vom 15.09.2003 für den Zeitraum 01.01.2004 bis 31.12.2004 mit einem Gesamtbetrag von 19.000,00 EUR pro Monat übergeben.
Der Bevollmächtigte der Klägerin stellt die Anträge aus der Klageschrift vom 13.03.2002:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 19.12.2001 in Form des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 21.02.2002 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Gewährung häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege im Umfang von 24 Stunden täglich zu gewähren.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit sie über die bereits bewilligten Leistungen hinausgeht.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten und den der beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Augsburg form- und fristgerecht erhobene Klage ist gemäß §§ 51 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig.
Streitgegenständlich ist nicht nur der Bescheid vom 11.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2002, sondern auch der Bescheid vom 21.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2003. Denn wenn nach Klageerhebung ein Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt wird, so wird gemäß § 96 Abs. 1 SGG auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Unabhängig davon haben beide Beteiligte sich in der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2003 auch hinsichtlich des Bescheides vom 21.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2003 eingelassen und zur Sache verhandelt (vgl. § 99 Abs. 2 SGG), sodass der Zeitraum ab Antragstellung bis einschließlich 31.12.2003 streitbefangen ist. - Auf eine diesbezügliche konkrete Antragstellung kommt es gemäß § 123 SGG nicht an.
Der Kostenvoranschlag des Pflegedienstes D. GmbH vom 15.09.2003 für den Zeitraum 01.01.2004 bis 31.12.2004, der in der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2003 übergeben worden ist, ist von den Bevollmächtigten der Beklagten nur zur Kenntnis genommen worden. Mangels einer entsprechenden Einlassung im Sinne von § 99 Abs. 2 SGG ist das Jahr 2004, unabhängig davon, dass insoweit noch kein Bescheid der Beklagten vorliegt, nicht mehr streitbefangen.
Die Klage erweist sich im Wesentlichen auch als begründet. Der Bescheid vom 11.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2002 sowie der Bescheid vom 21.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2003 sind insoweit teilweise aufzuheben und abzuändern gewesen, als bis zu 12 Stunden kalendertäglich Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) zuzüglich Fahrtkosten zu bewilligen gewesen sind.
Auch in dem Hauptsacheverfahren ist festzustellen, dass die Klägerin nicht gemäß § 37 Abs. 1 SGB V, sondern gemäß § 37 Abs. 2 SGB V Anspruch auf häusliche Krankenpflege hat. Danach erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie wie hier zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Bundessozialgericht mit Urteil vom 21.01.1999 - B 3 KR 4/98 R in SozR 3-2500 § 37 Nr. 1). Denn es ist nicht denkbar, dass die Klägerin auf Dauer ohne häusliche Krankenpflege in ihrer Familie betreut werden könnte.
Wie bereits mit dem eingangs zitierten Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 18.01.2002 - S 12 KR 4/02 ER ist auch das Gericht der Hauptsache unverändert der Auffassung, dass die Richtlinie über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" vom 16.02.2000 nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V eine Lücke enthält, da sie Fälle wie denjenigen der Klägerin, die einer ständigen Überwachung aufgrund der Beatmungspflichtigkeit bedarf, nicht erfassen. Ebenso wie bei der speziellen Krankenbeobachtung besteht die Notwendigkeit zu einer ständigen Beobachtung, um sofort reagieren zu können. Der Verweis darauf, dass eine allgemeine Krankenbeobachtung Teil jeder einzeln abrechnungsfähigen behandlungspflegerischen Maßnahme sei, reicht nicht aus, da durch diese Einzelmaßnahmen nicht der gesamte erforderliche Beobachtungszeitraum abgedeckt werden kann. Dabei ist die Beobachtung auch nicht der Grundpflege zuzurechnen, sondern es handelt sich vielmehr um eine krankheitsspezifische Beaufsichtigung und damit einen Bestandteil der Behandlungspflege (BSG a.a.O.). Auch nach Auffassung des Gerichts der Hauptsache hat der Bundesausschuss, als er in der Ziffer 8 die Bedienung und Überwachung des Beatmungsgerätes aufführte, und dabei nur u.a. Anpassung und Überprüfung der Einstellungen des Beatmungsgerätes, Überprüfung der Funktion und Austausch bestimmter Teile des Gerätes für verordnungsfähig im Rahmen der Behandlungspflege ansetzte, übersehen, dass bei bestimmten Fällen der Beatmungspflichtigkeit eine ständige Überwachung des Kranken und des Beatmungsgerätes erforderlich ist, um dann im Bedarfsfall die einzelnen abrechenbaren pflegerischen Maßnahmen ergreifen zu können. Diese Lücke ist vom Gericht auszufüllen. Daher hat die Klägerin auch nach Auffassung des Gerichts der Hauptsache einen Anspruch auf Behandlungspflege für die Zeiten der "reinen" Beobachtung, ohne dass gleichzeitig Maßnahmen der Behandlungspflege ausgeführt werden.
Zum Umfang des Leistungsanspruches für die Vergangenheit ist auf die Nachricht der Beklagten vom 25.09.2003 hinzuweisen. Danach ist das vom Sozialgericht Augsburg im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zuerkannte Stundenbudget durch den Pflegedienst nicht in vollem Umfang ausgeschöpft worden. - Die Eltern der kindlichen Klägerin haben in der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2003 insoweit glaubhaft vorgetragen, dass sie die notwendigen Leistungen unter fast übermenschlichem Einsatz zeitweilig selbst erbracht haben. - Für die Zukunft hat das Gericht bis zu 12 Stunden kalendertäglich an Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V (zuzüglich Fahrtkosten) als angemessen erachtet.
Dies beruht vor allem auf den Umstand, dass die kindliche Klägerin "rund um die Uhr" überwacht werden muss, damit eine ordnungsgemäße Beatmung gewährleistet ist. Mindestens eine Stunde pro Tag kann dann für sog. "Überschneidungszeiten" angenommen werden, in denen die schwerstbehinderte Klägerin der gleichzeitigen Hilfe von zwei Personen bedarf, sodass von einem (fiktiven) Hilfebedarf von insgesamt 25 Stunden kalendertäglich auszugehen ist.
Ausweislich des Gutachtens des MDK vom 12.11.2002 werden tatsächlich an Hilfeleistungen im Sinne von §§ 14 und 15 des Sozialgesetzbuches - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung 615 Minuten pro Tag (unabhängig von § 15 Abs. 2 SGB XI) erbracht. Weiterhin besteht im Bereich der Behandlungspflege im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V ein Gesamtzeitaufwand von 406 Minuten = 6 Stunden 46 Minuten pro Tag. - Ausgehend von einem Gesamt-Hilfeaufwand von mindestens 25 Stunden pro Tag verbleiben abzüglich der vorstehend aufgezeigten Zeiten rund 12 Stunden, die "ungedeckt" sind.
Hiervon schätzt das Gericht gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 287 der Zivilprozessordnung (ZPO), dass ein zusätzlicher Zeitaufwand für die Überwachung der Beatmung von etwa 5 Stunden 15 Minuten angemessen ist, sodass sich ein im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V berücksichtigungsfähiger Zeitaufwand an häuslicher Krankenpflege von insgesamt 12 Stunden kalendertäglich ergibt. Denn auch gesunde Kinder bedürfen der elterlichen Betreuung und Überwachung. Die elterliche Sorge im Sinne von § 1626 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) umfasst vor allem die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge), aber auch die Sorge für das Vermögen. - Weiterhin darf nicht außer Acht gelassen werden, dass im Rahmen der lediglichen Beobachtung und Überwachung zur Sicherstellung der Atmung die jeweilige Person auch andere Tätigkeiten ausführen kann wie z.B. Lesen einer Zeitschrift, einfache hauswirtschaftliche Tätigkeiten und (kurze) Maßnahmen betreffend das jüngere Geschwisterkind.
Zu der vorstehend aufgezeigten Schätzung im Rahmen von § 287 ZPO dürfen zwei weitere Gesichtspunkte nicht außer Acht gelassen werden: Es fällt auf, dass die Pflegekasse bei der Beklagten ein Pflegegeld nach der Pflegestufe III im Sinne von § 37 Abs. 1 SGB XI erbringt. Würden die Eltern für ihre Tochter insoweit Pflegesachleistungen im Sinne von § 36 SGB XI oder zumindest Kombinationsleistungen im Sinne von § 38 SGB XI in Anspruch nehmen, ließe sich die Gesamtsituation der kindlichen Klägerin und ihrer Familie erheblich verbessern. - Außerdem hat eine der Bevollmächtigten der Beklagten zutreffend darauf hingewiesen, dass die Fahrzeiten, die der Pflegedienst D. GmbH benötigt, nicht Pflegezeiten gleichgesetzt werden können.
Eine überschlägige Kontrollberechnung des Gerichts hat ergeben, dass unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen ein finanzieller Aufwand von bis zu maximal 15.000,00 EUR monatlich im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V ausreichend sein müsste. Dies gilt zumindest für den Zeitraum bis einschließlich 31.12.2003 und deckt sich mit dem Umstand, dass das vom Sozialgericht Augsburg im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zuerkannte Stundenbudget durch den Pflegedienst nicht in vollem Umfang ausgeschöpft worden ist.
Nach alledem ist der Klage im Wesentlichen stattzugeben gewesen. - Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte erstattet 8/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die am 2000 geborene Klägerin ist schwerstbehindert. Sie muss vor allem ständig künstlich beatmet und über eine PEG-Sonde ernährt werden. - Streitig sind zwischen den Parteien Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Sinne von § 37 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
Die Klägerin ist von Geburt an bis zum 21.04.2001 in stationärer Behandlung in verschiedenen Krankenhäusern gewesen. Sie leidet an einem partiellen Di-George-Syndrom, cerebralen Krampfanfällen bei Hirnatrophie, Fallot scher Tetralogie, Zustand nach dreimaliger Herzoperation im 1. Lebensjahr sowie Hyperthyreose. Seit dem 21.04.2001 wird sie von ihren Eltern, vorwiegend der Mutter, zu Hause gepflegt, künstlich beatmet und mit einer PEG-Sonde ernährt. - Nach den Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) beträgt der Betreuungsumfang 24 Stunden pro Tag. Die Voraussetzungen für Leistungen aus der Pflegeversicherung nach dem Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) liegen vor. Seit dem 01.11.2001 gewährt die Pflegekasse bei der Beklagten Pflegeleistungen der Stufe III in Form von Geldleistungen.
Das Sozialgericht Augsburg hat in dem Eilverfahren S 12 KR 4/02 ER mit Beschluss vom 18.01.2002 folgendes entschieden: Unter Abänderung des Bescheides vom 19.12.2001 wird die Antragsgegnerin verpflichtet, für die Antragstellerin über den 18.01.2002 hinaus bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens jedoch bis zum 31.03.2002 Kosten für Behandlungspflege einschließlich Fahrtkosten durch den Pflegedienst D. in Höhe von pauschal 12.500,00 EUR pro Monat zu tragen: Die Antragstellerin (und hiesige Klägerin) habe Anspruch auf häusliche Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V, da ein Fall einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit gegeben sei (Bundessozialgericht mit Urteil vom 28.01.1999 - B 3 KR 4/98 R in SozR 3-2500 § 37 Nr. 1). Die Antragstellerin benötige eine Behandlungspflege "rund um die Uhr", da sie zur Sicherstellung ihrer Atmung 24 Stunden lang ununterbrochen beobachtet werden müsse und in regelmäßigen Abständen, auch nachts, Segretabsonderungen abgesaugt werden müssten, um die Atemwege freizuhalten. Hierbei handele es sich um eine krankheitsspezifische Beaufsichtigung und damit einen Bestandteil der Behandlungspflege. Hierzu habe der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen am 16.02.2000 eine Richtlinie über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V erlassen. Als verordnungsfähige Leistungen der Behandlungspflege würden dabei u.a. aufgeführt in Nr. 6 das Absaugen sowie in Nr. 8 Bedienung und Überwachung eines Beatmungsgerätes. In den Vorbemerkungen zum Verzeichnis werde ausgeführt, dass die "allgemeine Krankenbeobachtung" Bestandteil jeder einzelnen Leistung der häuslichen Krankenpflege und von daher nicht gesondert verordungsfähig sei. Die HKrPflRL würden nach Auffassung des Gerichts eine Lücke aufweisen, da sie Fälle wie diejenigen der Antragstellerin, die einer ständigen Überwachung aufgrund der Beatmungspflichtigkeit bedürfe, nicht erfassen würden. Nach Auffassung des Gerichts habe der Bundesausschuss, als er in der Ziffer 8 die Bedienung und Überwachung des Beatmungsgerätes aufführte, und dabei nur u.a. Anpassung und Überprüfung der Einstellungen des Beatmungsgerätes, Überprüfung der Funktion und Austausch bestimmter Teile des Gerätes für verordnungsfähig im Rahmen der Behandlungspflege ansetzte, übersehen, dass bei bestimmten Fällen der Beatmungspflichtigkeit eine ständige Überwachung des Kranken und des Beatmungsgerätes erforderlich sei, um dann im Bedarfsfall die einzelnen abrechenbaren pflegerischen Maßnahmen ergreifen zu können. Diese Lücke sei vom Gericht auszufüllen. Daher habe die Antragstellerin (und hiesige Klägerin) nach Auffassung des Gerichts auch einen Anspruch auf Behandlungspflege für die Zeiten der "reinen" Beobachtung, ohne dass gleichzeitig Maßnahmen der Behandlungspflege ausgeführt würden.
In dem weiteren Eilverfahren S 10 KR 56/02 ER hat das Sozialgericht Augsburg mit Beschluss vom 21.03.2002 entschieden: Unter Abänderung des Bescheides vom 14.03.2002 wird die Antragsgegnerin verpflichtet, für die Antragstellerin, beginnend ab 01.04.2002 vorerst bis 31.12.2002, Kosten für die Behandlungspflege einschließlich Fahrtkosten durch den Pflegedienst D. bis zu 15.000,00 EUR pro Monat zu tragen. - Maßgeblicher Grund sei zum einen, dass bei der schwerstbehinderten Antragstellerin seit dem 07.12.2001, wie glaubhaft vorgetragen, die bekannten cerebralen Krampfanfälle häufiger auftreten. Dies bedinge einen gestiegenen Sauerstoffbedarf. Zum anderen sei die Mutter der Antragstellerin glaublich nunmehr im 4. Monat schwanger und könne die erforderliche Behandlungspflege nicht mehr in dem Umfang wie bisher erbringen.
Das Bayer. Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 09.07.2002 - L 4 B 133/02 KR ER die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 21.03.2002 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sie verpflichtet wird, die Antragstellerin durch einen Arzt des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) bezüglich der einzelnen Leistungen der häuslichen Krankenpflege vor dem 31.12.2002 untersuchen zu lassen. - Die entsprechende Beobachtung der Antragstellerin durch Pflegekräfte sei im Leistungsverzeichnis der Krankenpflege-Richtlinien in Nr. 24 geregelt und damit verordnungs- und vergütungsfähig. Da die Antragsgegnerin die Berechnung des Gesamtbetrages der Behandlungspflege durch das Sozialgericht Augsburg nicht angegriffen habe, verbleibe es für das vorliegende Verfahren bei diesem Betrag in Höhe von 15.000,00 EUR je Monat.
In dem weiteren Eilverfahren S 10 KR 299/02 ER hat das Sozialgericht Augsburg mit Beschluss vom 13.12.2002 ausgeführt: In Ergänzung des Beschlusses des Sozialgerichts Augsburg vom 21. März 2002 - S 10 KR 56/02 ER sowie des Beschlusses des Bayer. Landessozialgerichts vom 09.07.2002 - L 4 B 133/02 KR ER wird die Antragsgegnerin verpflichtet, für die Antragstellerin, beginnend ab 01.01.2003 bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens S 10 KR 50/02 in I. Instanz Kosten für die Behandlungspflege einschließlich Fahrtkosten durch den Pflegedienst D. oder einem anderen Pflegedienst bis zu 17.000,00 EUR pro Monat zu tragen. - Der von dem Bevollmächtigten der Antragstellerin genannte Stundensatz des Pflegedienstes D. von (nunmehr) 32,21 EUR sei gerichtsbekannt angemessen. In Berücksichtigung der ebenfalls aktenkundigen zwischenzeitlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin bestehe bei summarischer Prüfung ein Kostenanfall für Behandlungspflege einschließlich Fahrtkosten bis zu 17.000,00 EUR pro Monat.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2002 hat die Beklagte ausgeführt, dass die allgemeine Krankenbeobachtung Bestandteil jeder einzelnen Leistung der häuslichen Krankenpflege und von daher nicht gesondert verordnungsfähig sei. Die Kostenübernahmeerklärung für die Leistungen des Pflegedienstes ab 19.01.2002 sei auf der Basis des festgestellten Behandlungspflegeumfanges von durchschnittlich 466 Minuten pro Tag erfolgt. Dem Pflegedienst werde ein Stundensatz in Höhe von 63,00 DM vergütet. Dementspechend ergäbe sich bei einer Monatsberechnung mit 30 Tagen ein genehmigungsfähiger Leistungsumfang in der Behandlungspflege in Höhe von 14.685,30 DM oder 7.508,47 EUR. Fahrtkosten würden gesondert in Höhe von 0,52 DM pro gefahrenen Kilometer erstattet und zu 1/4 der Pflegeversicherung und 3/4 der Krankenversicherung zugeordnet.
Mit dem weiteren Bescheid vom 21.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2003 sei die Kostenübernahme für behandlungspflegerische Leistungen ausgehend von einem täglichen Umfang von 6 Stunden und 46 Minuten bzw. 6.604,78 EUR zuzüglich Fahrtkosten in Höhe von 1.659,04 EUR, insgesamt somit gerundet 8.270,00 EUR monatlich zugesichert worden. - Die Begutachtung am 28.10.2002 durch den MDK habe ergeben, dass die behandlungspflegerischen Maßnahmen, z.B. Absaugen, Trachialkanülenpflege grundsätzlich von einer extra qualifizierten Pflegefachkraft übernommen werden sollten. Der Betreuungsumfang (Krankenbeobachtung) umfasse täglich 24 Stunden, da die Klägerin nicht aus den Augen gelassen werden dürfe. Damit die Pflege des schwerstkranken Kindes auf Dauer von den Eltern geleistet werden könne, sei eine Entlastung im Umfang von 7 Nächten pro Woche (12 Stunden inklusive Fahrzeit) und tagsüber 7 x wöchentlich je 7 Stunden (inklusive Fahrzeit) notwendig. Der Umfang der im einzelnen notwendigen behandlungspflegerischen Maßnahmen belaufe sich auf 406 Minuten täglich bzw. 6 Stunden 46 Minuten.
Die Bevollmächtigten der Klägerin haben sowohl in den insgesamt vier Eilverfahren als auch mit Klageschrift vom 13.03.2002 sinngemäß zusammengefasst vorgetragen, dass die Klägerin häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege im Umfang von 24 Stunden täglich benötige.
Das Hauptsacheverfahren hat sich erheblich verzögert, weil vonseiten der Beklagten erst mit Nachricht vom 26.05.2003 das Gutachten des MDK vom 12.11.2002 (nach Hausbesuch vom 28.10.2002) übermittelt worden ist. - Die Bevollmächtigten der Klägerin haben mit Schriftsatz vom 10.06.2003 hierzu angemerkt, dass das vorgelegte Gutachten den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch in vollem Umfang bestätige. - Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14.08.2003 erläutert, wie sich der von ihr zugebilligte Betrag in Höhe von 6.604,78 EUR Behandlungspflege zuzüglich Fahrtkosten (vgl. Bescheid vom 21.11.2002 für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2003) errechnet.
Mit Schreiben vom 25.09.2003 hat die Beklagte ergänzend darauf hingewiesen, dass das vom Sozialgericht Augsburg im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zuerkannte Stundenbudget durch den Pflegedienst nicht in vollem Umfang ausgeschöpft wird. Die Notwendigkeit der Betreuung im beantragten Umfang stehe daher in Frage. - Die Bevollmächtigten der Klägerin haben in der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2003 den aktuellen Kostenvoranschlag vom 15.09.2003 für den Zeitraum 01.01.2004 bis 31.12.2004 mit einem Gesamtbetrag von 19.000,00 EUR pro Monat übergeben.
Der Bevollmächtigte der Klägerin stellt die Anträge aus der Klageschrift vom 13.03.2002:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 19.12.2001 in Form des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 21.02.2002 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Gewährung häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege im Umfang von 24 Stunden täglich zu gewähren.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit sie über die bereits bewilligten Leistungen hinausgeht.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten und den der beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Augsburg form- und fristgerecht erhobene Klage ist gemäß §§ 51 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig.
Streitgegenständlich ist nicht nur der Bescheid vom 11.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2002, sondern auch der Bescheid vom 21.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2003. Denn wenn nach Klageerhebung ein Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt wird, so wird gemäß § 96 Abs. 1 SGG auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Unabhängig davon haben beide Beteiligte sich in der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2003 auch hinsichtlich des Bescheides vom 21.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2003 eingelassen und zur Sache verhandelt (vgl. § 99 Abs. 2 SGG), sodass der Zeitraum ab Antragstellung bis einschließlich 31.12.2003 streitbefangen ist. - Auf eine diesbezügliche konkrete Antragstellung kommt es gemäß § 123 SGG nicht an.
Der Kostenvoranschlag des Pflegedienstes D. GmbH vom 15.09.2003 für den Zeitraum 01.01.2004 bis 31.12.2004, der in der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2003 übergeben worden ist, ist von den Bevollmächtigten der Beklagten nur zur Kenntnis genommen worden. Mangels einer entsprechenden Einlassung im Sinne von § 99 Abs. 2 SGG ist das Jahr 2004, unabhängig davon, dass insoweit noch kein Bescheid der Beklagten vorliegt, nicht mehr streitbefangen.
Die Klage erweist sich im Wesentlichen auch als begründet. Der Bescheid vom 11.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2002 sowie der Bescheid vom 21.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2003 sind insoweit teilweise aufzuheben und abzuändern gewesen, als bis zu 12 Stunden kalendertäglich Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) zuzüglich Fahrtkosten zu bewilligen gewesen sind.
Auch in dem Hauptsacheverfahren ist festzustellen, dass die Klägerin nicht gemäß § 37 Abs. 1 SGB V, sondern gemäß § 37 Abs. 2 SGB V Anspruch auf häusliche Krankenpflege hat. Danach erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie wie hier zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Bundessozialgericht mit Urteil vom 21.01.1999 - B 3 KR 4/98 R in SozR 3-2500 § 37 Nr. 1). Denn es ist nicht denkbar, dass die Klägerin auf Dauer ohne häusliche Krankenpflege in ihrer Familie betreut werden könnte.
Wie bereits mit dem eingangs zitierten Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 18.01.2002 - S 12 KR 4/02 ER ist auch das Gericht der Hauptsache unverändert der Auffassung, dass die Richtlinie über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" vom 16.02.2000 nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V eine Lücke enthält, da sie Fälle wie denjenigen der Klägerin, die einer ständigen Überwachung aufgrund der Beatmungspflichtigkeit bedarf, nicht erfassen. Ebenso wie bei der speziellen Krankenbeobachtung besteht die Notwendigkeit zu einer ständigen Beobachtung, um sofort reagieren zu können. Der Verweis darauf, dass eine allgemeine Krankenbeobachtung Teil jeder einzeln abrechnungsfähigen behandlungspflegerischen Maßnahme sei, reicht nicht aus, da durch diese Einzelmaßnahmen nicht der gesamte erforderliche Beobachtungszeitraum abgedeckt werden kann. Dabei ist die Beobachtung auch nicht der Grundpflege zuzurechnen, sondern es handelt sich vielmehr um eine krankheitsspezifische Beaufsichtigung und damit einen Bestandteil der Behandlungspflege (BSG a.a.O.). Auch nach Auffassung des Gerichts der Hauptsache hat der Bundesausschuss, als er in der Ziffer 8 die Bedienung und Überwachung des Beatmungsgerätes aufführte, und dabei nur u.a. Anpassung und Überprüfung der Einstellungen des Beatmungsgerätes, Überprüfung der Funktion und Austausch bestimmter Teile des Gerätes für verordnungsfähig im Rahmen der Behandlungspflege ansetzte, übersehen, dass bei bestimmten Fällen der Beatmungspflichtigkeit eine ständige Überwachung des Kranken und des Beatmungsgerätes erforderlich ist, um dann im Bedarfsfall die einzelnen abrechenbaren pflegerischen Maßnahmen ergreifen zu können. Diese Lücke ist vom Gericht auszufüllen. Daher hat die Klägerin auch nach Auffassung des Gerichts der Hauptsache einen Anspruch auf Behandlungspflege für die Zeiten der "reinen" Beobachtung, ohne dass gleichzeitig Maßnahmen der Behandlungspflege ausgeführt werden.
Zum Umfang des Leistungsanspruches für die Vergangenheit ist auf die Nachricht der Beklagten vom 25.09.2003 hinzuweisen. Danach ist das vom Sozialgericht Augsburg im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zuerkannte Stundenbudget durch den Pflegedienst nicht in vollem Umfang ausgeschöpft worden. - Die Eltern der kindlichen Klägerin haben in der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2003 insoweit glaubhaft vorgetragen, dass sie die notwendigen Leistungen unter fast übermenschlichem Einsatz zeitweilig selbst erbracht haben. - Für die Zukunft hat das Gericht bis zu 12 Stunden kalendertäglich an Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V (zuzüglich Fahrtkosten) als angemessen erachtet.
Dies beruht vor allem auf den Umstand, dass die kindliche Klägerin "rund um die Uhr" überwacht werden muss, damit eine ordnungsgemäße Beatmung gewährleistet ist. Mindestens eine Stunde pro Tag kann dann für sog. "Überschneidungszeiten" angenommen werden, in denen die schwerstbehinderte Klägerin der gleichzeitigen Hilfe von zwei Personen bedarf, sodass von einem (fiktiven) Hilfebedarf von insgesamt 25 Stunden kalendertäglich auszugehen ist.
Ausweislich des Gutachtens des MDK vom 12.11.2002 werden tatsächlich an Hilfeleistungen im Sinne von §§ 14 und 15 des Sozialgesetzbuches - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung 615 Minuten pro Tag (unabhängig von § 15 Abs. 2 SGB XI) erbracht. Weiterhin besteht im Bereich der Behandlungspflege im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V ein Gesamtzeitaufwand von 406 Minuten = 6 Stunden 46 Minuten pro Tag. - Ausgehend von einem Gesamt-Hilfeaufwand von mindestens 25 Stunden pro Tag verbleiben abzüglich der vorstehend aufgezeigten Zeiten rund 12 Stunden, die "ungedeckt" sind.
Hiervon schätzt das Gericht gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 287 der Zivilprozessordnung (ZPO), dass ein zusätzlicher Zeitaufwand für die Überwachung der Beatmung von etwa 5 Stunden 15 Minuten angemessen ist, sodass sich ein im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V berücksichtigungsfähiger Zeitaufwand an häuslicher Krankenpflege von insgesamt 12 Stunden kalendertäglich ergibt. Denn auch gesunde Kinder bedürfen der elterlichen Betreuung und Überwachung. Die elterliche Sorge im Sinne von § 1626 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) umfasst vor allem die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge), aber auch die Sorge für das Vermögen. - Weiterhin darf nicht außer Acht gelassen werden, dass im Rahmen der lediglichen Beobachtung und Überwachung zur Sicherstellung der Atmung die jeweilige Person auch andere Tätigkeiten ausführen kann wie z.B. Lesen einer Zeitschrift, einfache hauswirtschaftliche Tätigkeiten und (kurze) Maßnahmen betreffend das jüngere Geschwisterkind.
Zu der vorstehend aufgezeigten Schätzung im Rahmen von § 287 ZPO dürfen zwei weitere Gesichtspunkte nicht außer Acht gelassen werden: Es fällt auf, dass die Pflegekasse bei der Beklagten ein Pflegegeld nach der Pflegestufe III im Sinne von § 37 Abs. 1 SGB XI erbringt. Würden die Eltern für ihre Tochter insoweit Pflegesachleistungen im Sinne von § 36 SGB XI oder zumindest Kombinationsleistungen im Sinne von § 38 SGB XI in Anspruch nehmen, ließe sich die Gesamtsituation der kindlichen Klägerin und ihrer Familie erheblich verbessern. - Außerdem hat eine der Bevollmächtigten der Beklagten zutreffend darauf hingewiesen, dass die Fahrzeiten, die der Pflegedienst D. GmbH benötigt, nicht Pflegezeiten gleichgesetzt werden können.
Eine überschlägige Kontrollberechnung des Gerichts hat ergeben, dass unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen ein finanzieller Aufwand von bis zu maximal 15.000,00 EUR monatlich im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V ausreichend sein müsste. Dies gilt zumindest für den Zeitraum bis einschließlich 31.12.2003 und deckt sich mit dem Umstand, dass das vom Sozialgericht Augsburg im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zuerkannte Stundenbudget durch den Pflegedienst nicht in vollem Umfang ausgeschöpft worden ist.
Nach alledem ist der Klage im Wesentlichen stattzugeben gewesen. - Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
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