Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AS 146/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 89/06 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 20.08.2006 geändert. Den Antragstellerinnen wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt B, C, beigeordnet. Den Antragstellerinnen wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt B, C beigeordnet. Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die 1970 geborene Antragstellerin zu 1) ist Mutter der 2001 geborenen Antragstellerin zu 2) und hat ein Betriebswirtschaftsstudium als Diplomkauffrau abgeschlossen. Sie befindet sich derzeit als Doktorandin im Promotionstudiengang der C Universität X im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften und war zudem an der Universität J im Fachbereich Politikwissenschaft immatrikuliert. In der Vergangenheit erhielten die Antragstellerinnen von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II.
Die Bewilligung von Leistungen ab 01.06.2006 lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 11.05.2006 im Hinblick auf die Immatrikulation der Antragstellerin zu 1) an der Universität J ab. Es handele sich hierbei um eine Ausbildung, die im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) dem Grunde nach förderungsfähig sei. Nach § 7 Abs. 5 SGB II bestehe daher kein Leistungsanspruch nach diesem Gesetz. Anhaltspunkte für einen besonderen Härtefall, der eine ausnahmsweise Leistungsgewährung ermögliche, lägen nicht vor.
Mit Beschluss vom 20.08.2006 hat das Sozialgericht den am 08.06.2006 gestellten Antrag auf einstweilige Zuerkennung von Leistungen nach dem SGB II und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B abgelehnt sowie entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss haben die Antragstellerinnen in der Sache (L 19 B 88/06 AS ER) und hinsichtlich der Versagung von Prozesskostenhilfe (L 19 B 89/06 AS) Beschwerden eingelegt, denen das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 15.11.2006). Nachdem die Antragstellerin zu 1) ihre Exmatrikulation in J ab dem 06.09.2006 nachgewiesen hatte, hat die Antragsgegnerin ab diesem Tag erneut Leistungen nach dem SGB II bewilligt. Die Antragstellerinnen haben daraufhin die Beschwerde in der Sache für erledigt erklärt und beantragen nunmehr, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, über die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH für das sozialgerichtliche Verfahren und über den PKH-Antrag für das Beschwerdeverfahren zu entscheiden.
Nach Erledigung der gegen die Sachentscheidung des Sozialgerichts gerichteten Beschwerde ist entsprechend § 193 Abs. 1 SGG eine Kostenentscheidung zu treffen. Die Kostenentscheidung erfolgt unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wobei insbesondere die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels maßgeblich sind (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 8. Aufl., § 193 Rdz. 13 m.w.N.).
Die Kosten der Antragstellerin im sozialgerichtlichen Verfahren wie auch im Beschwerdeverfahren sind vorliegend nicht von der Antragsgegnerin zu tragen. Denn das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wäre voraussichtlich nicht zu Gunsten der Antragstellerin entschieden worden.
Der Antragstellerin ist einzuräumen, dass sie konkret von einer Förderung des von ihr an der Universität J betriebenen Studiums der Politikwissenschaft nach BAföG ausgeschlossen ist. Denn sie hat nach ihrem eigenen Vorbringen das Studium der Betriebswirtschaft abgeschlossen und müsste damit über einen berufsqualifizierenden Abschluss verfügen, was der Förderung einer weiteren Ausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG entgegensteht.
Zur Überzeugung des Senats ist jedoch bei der Prüfung, ob eine Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist, darauf abzustellen, ob es sich um eine nach BAföG förderungsfähige Ausbildung handelt und nicht darauf, ob die betreffenden Voraussetzungen für eine Förderung in der Person der Antragstellerinnen erfüllt sind (Beschluss des Senats vom 23.08.2006 - L 19 B 20/06 AS ER; so auch Beschluss des 9. Senats des LSG NRW vom 13.06.2006 - L 9 B 34/06 AS ER). Es besteht hier kein vernünftiger Anhalt daran zu zweifeln, dass das betreffende Studium der Politikwissenschaften grundsätzlich förderungsfähig ist.
Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits zu § 26 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden (Beschluss vom 13.05.1993 - 5 B 82/92 - ZfS 1993, 274 - 275, FEVS 44, 138 - 140), dass Sozialhilfe ausscheidet, wenn das Bundesausbildungsförderungsgesetz eine Ausbildung überhaupt - unter welchen Voraussetzungen auch immer - als förderungsfähig regelt. Dem Sinn der Regelung werde es nicht gerecht, eine Ausbildung nur dann als dem Grunde nach förderungsfähig anzusehen, wenn sie - wie eine Erstausbildung nach § 7 Abs. 1 BAföG und anders als eine weitere Ausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG - grundsätzlich förderungsfähig ist. Diese Ansicht hält der erkennende Senat für vollständig übertragbar auf die hier anstehende Prüfung nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II.Das BAföG regelt abschließend, welche Ausbildung förderungsfähig ist. Die allgemeinen Voraussetzungen der Förderungsfähigkeit einer Ausbildlung enthält § 2 BAföG. § 7 Abs. 2 BAföG setzt die allgemeine Förderungsfähigkeit der Ausbildung voraus, verwehrt lediglich eine Förderung, wenn eine vorausgegangene Ausbildung berufsqualifizierend abgeschlossen worden ist (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAFöG, 4. Aufl. 2005, § 7 Rdz. 3, 23 ff), individualisiert also den Anspruch. Nach Sinn und Zweck des § 7 Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz SGB II soll von den Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen sein, wer eine grundsätzlich förderungsfähige Ausbildung absolviert, hier ein Hochschulstudium nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG. Dies muss dann aber auch zur Folge haben, dass Leistungen nach dem SGB II wie auch Sozialhilfe nicht gewährt werden, wenn die Voraussetzungen nach dem BAföG individuell nicht erfüllt werden.
Ein besonderer Härtefall i.S. des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II ist aus vorstehenden Gründen nicht gegeben (wegen der Voraussetzungen im Einzelnen vergleiche Beschluss des Senats vom 23.08.2006,a.a.0.).
Den Antragstellerinnen ist jedoch für das Verfahren in beiden Rechtszügen Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn die nach §§ 73a SGG, 114 Zivilprozessordnung (ZPO) vorauszusetzende hinreichende Erfolgsaussicht ist nach Auffassung des Senats gegeben (zu den Anforderungen an die Erfolgsaussicht siehe etwa Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.02.2002 - 1 BvR 1450/00 - SGb 2002, 674). Denn eine höchstrichterliche Klärung der hier streitigen Rechtsfrage steht noch aus. Derzeit ist hierzu ein Revisionsverfahren unter dem Az.: B 7b AS 36/06 R anhängig (in dem vorgehenden Verfahren hat das Bayr. Landessozialgericht - Urteil vom 20.01.2006 - L 7 AS 6/05 - entschieden, dass ein Student, der ein Studium an einer Universität abgebrochen und anschließend ein Studium an einer Fachhochschule für Bauingenieurwesen aufgenommen hat, dessen Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Fachrichtungswechsel gemäß § 7 Abs. 3 BAföG abgelehnt wurde, aufgrund der abstrakten Förderungsfähigkeit des Studiums vom Leistungsausschluß des § 7 Abs.5 Satz 1 SGB II betroffen ist). Die übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind vorliegend ebenfalls erfüllt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Gründe:
Die 1970 geborene Antragstellerin zu 1) ist Mutter der 2001 geborenen Antragstellerin zu 2) und hat ein Betriebswirtschaftsstudium als Diplomkauffrau abgeschlossen. Sie befindet sich derzeit als Doktorandin im Promotionstudiengang der C Universität X im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften und war zudem an der Universität J im Fachbereich Politikwissenschaft immatrikuliert. In der Vergangenheit erhielten die Antragstellerinnen von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II.
Die Bewilligung von Leistungen ab 01.06.2006 lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 11.05.2006 im Hinblick auf die Immatrikulation der Antragstellerin zu 1) an der Universität J ab. Es handele sich hierbei um eine Ausbildung, die im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) dem Grunde nach förderungsfähig sei. Nach § 7 Abs. 5 SGB II bestehe daher kein Leistungsanspruch nach diesem Gesetz. Anhaltspunkte für einen besonderen Härtefall, der eine ausnahmsweise Leistungsgewährung ermögliche, lägen nicht vor.
Mit Beschluss vom 20.08.2006 hat das Sozialgericht den am 08.06.2006 gestellten Antrag auf einstweilige Zuerkennung von Leistungen nach dem SGB II und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B abgelehnt sowie entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss haben die Antragstellerinnen in der Sache (L 19 B 88/06 AS ER) und hinsichtlich der Versagung von Prozesskostenhilfe (L 19 B 89/06 AS) Beschwerden eingelegt, denen das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 15.11.2006). Nachdem die Antragstellerin zu 1) ihre Exmatrikulation in J ab dem 06.09.2006 nachgewiesen hatte, hat die Antragsgegnerin ab diesem Tag erneut Leistungen nach dem SGB II bewilligt. Die Antragstellerinnen haben daraufhin die Beschwerde in der Sache für erledigt erklärt und beantragen nunmehr, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, über die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH für das sozialgerichtliche Verfahren und über den PKH-Antrag für das Beschwerdeverfahren zu entscheiden.
Nach Erledigung der gegen die Sachentscheidung des Sozialgerichts gerichteten Beschwerde ist entsprechend § 193 Abs. 1 SGG eine Kostenentscheidung zu treffen. Die Kostenentscheidung erfolgt unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wobei insbesondere die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels maßgeblich sind (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 8. Aufl., § 193 Rdz. 13 m.w.N.).
Die Kosten der Antragstellerin im sozialgerichtlichen Verfahren wie auch im Beschwerdeverfahren sind vorliegend nicht von der Antragsgegnerin zu tragen. Denn das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wäre voraussichtlich nicht zu Gunsten der Antragstellerin entschieden worden.
Der Antragstellerin ist einzuräumen, dass sie konkret von einer Förderung des von ihr an der Universität J betriebenen Studiums der Politikwissenschaft nach BAföG ausgeschlossen ist. Denn sie hat nach ihrem eigenen Vorbringen das Studium der Betriebswirtschaft abgeschlossen und müsste damit über einen berufsqualifizierenden Abschluss verfügen, was der Förderung einer weiteren Ausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG entgegensteht.
Zur Überzeugung des Senats ist jedoch bei der Prüfung, ob eine Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist, darauf abzustellen, ob es sich um eine nach BAföG förderungsfähige Ausbildung handelt und nicht darauf, ob die betreffenden Voraussetzungen für eine Förderung in der Person der Antragstellerinnen erfüllt sind (Beschluss des Senats vom 23.08.2006 - L 19 B 20/06 AS ER; so auch Beschluss des 9. Senats des LSG NRW vom 13.06.2006 - L 9 B 34/06 AS ER). Es besteht hier kein vernünftiger Anhalt daran zu zweifeln, dass das betreffende Studium der Politikwissenschaften grundsätzlich förderungsfähig ist.
Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits zu § 26 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden (Beschluss vom 13.05.1993 - 5 B 82/92 - ZfS 1993, 274 - 275, FEVS 44, 138 - 140), dass Sozialhilfe ausscheidet, wenn das Bundesausbildungsförderungsgesetz eine Ausbildung überhaupt - unter welchen Voraussetzungen auch immer - als förderungsfähig regelt. Dem Sinn der Regelung werde es nicht gerecht, eine Ausbildung nur dann als dem Grunde nach förderungsfähig anzusehen, wenn sie - wie eine Erstausbildung nach § 7 Abs. 1 BAföG und anders als eine weitere Ausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG - grundsätzlich förderungsfähig ist. Diese Ansicht hält der erkennende Senat für vollständig übertragbar auf die hier anstehende Prüfung nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II.Das BAföG regelt abschließend, welche Ausbildung förderungsfähig ist. Die allgemeinen Voraussetzungen der Förderungsfähigkeit einer Ausbildlung enthält § 2 BAföG. § 7 Abs. 2 BAföG setzt die allgemeine Förderungsfähigkeit der Ausbildung voraus, verwehrt lediglich eine Förderung, wenn eine vorausgegangene Ausbildung berufsqualifizierend abgeschlossen worden ist (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAFöG, 4. Aufl. 2005, § 7 Rdz. 3, 23 ff), individualisiert also den Anspruch. Nach Sinn und Zweck des § 7 Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz SGB II soll von den Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen sein, wer eine grundsätzlich förderungsfähige Ausbildung absolviert, hier ein Hochschulstudium nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG. Dies muss dann aber auch zur Folge haben, dass Leistungen nach dem SGB II wie auch Sozialhilfe nicht gewährt werden, wenn die Voraussetzungen nach dem BAföG individuell nicht erfüllt werden.
Ein besonderer Härtefall i.S. des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II ist aus vorstehenden Gründen nicht gegeben (wegen der Voraussetzungen im Einzelnen vergleiche Beschluss des Senats vom 23.08.2006,a.a.0.).
Den Antragstellerinnen ist jedoch für das Verfahren in beiden Rechtszügen Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn die nach §§ 73a SGG, 114 Zivilprozessordnung (ZPO) vorauszusetzende hinreichende Erfolgsaussicht ist nach Auffassung des Senats gegeben (zu den Anforderungen an die Erfolgsaussicht siehe etwa Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.02.2002 - 1 BvR 1450/00 - SGb 2002, 674). Denn eine höchstrichterliche Klärung der hier streitigen Rechtsfrage steht noch aus. Derzeit ist hierzu ein Revisionsverfahren unter dem Az.: B 7b AS 36/06 R anhängig (in dem vorgehenden Verfahren hat das Bayr. Landessozialgericht - Urteil vom 20.01.2006 - L 7 AS 6/05 - entschieden, dass ein Student, der ein Studium an einer Universität abgebrochen und anschließend ein Studium an einer Fachhochschule für Bauingenieurwesen aufgenommen hat, dessen Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Fachrichtungswechsel gemäß § 7 Abs. 3 BAföG abgelehnt wurde, aufgrund der abstrakten Förderungsfähigkeit des Studiums vom Leistungsausschluß des § 7 Abs.5 Satz 1 SGB II betroffen ist). Die übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind vorliegend ebenfalls erfüllt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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